Maybe... von Vanilla-chan ================================================================================ Kapitel 19: ... und Walter? --------------------------- Schon das dritte Kapitel in Folge, in dem Alucard und Integra sich im Bett rumwälzen... Die Autorin dieser Story erlaubt sich, einen symbolischen Eimer kalten Wassers auf die beiden zu kippen... ^____^ *hämisch-grins* 1000 Dank an Nerissa, Kaen, Alakreiel, Marishka, Jaeckychan, Xell, amy_k, Cherry10001, Integra-sama, Saiyama, Ryoko-chan737, Integra-love-alu (very welcome!!!!), kiddo-chan (von dir stammte der exakt 200. Kommentar! *feierliche-Fanfare-aus-mindestens-20-Trompeten*), Yusuka-Chan, Nex_Caedes, newintegra-chan, Veggie-Girl, Clarice_Starling, das-schrecken und Brazi!!!! Hm - ich bin gespannt, wie ihr dieses und die nächsten Kapitel aufnehmen werdet... ^^° Aber irgendwie, irgendwann muss Maybe... ja ein Ende bekommen und ich habe mich für ein bestimmtes Ende entschieden. ^______^ Ich wage gar nicht daran zu denken, welches Ende Kohta Hirano "Hellsing" eines Tages geben wird... Leider bin ich mit Karacho in einige Manga-Scans aus dem 8. Band hineingeschlittert... >_< (Da war keine Spoiler-Warnung! *zähnefletschend-im-Dreieck-herumspring*) Und ich bin echt... schockiert. DAMIT habe ich nicht gerechnet. O_O Hirano-sensei traue ich inzwischen ALLES zu... *schlotter*) Sorry, dass ich zu Beginn immer ins Schwafeln gerate - ich kann nicht anders! -------------------------------------------------------------------------- Zwei Wochen später. Das erste Grau des Tages stahl sich in die Dunkelheit der Nacht und das mattgelbe Glühen des Sonnenaufgangs glitt wie eine sanfte, liebkosende Hand über die schlafende Landschaft. Alucard blinzelte in die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages, die durch die halbzugezogenen Gardinen in Integras Schlafgemach fielen. Er lag im Bett und fühlte sich sauwohl. Integras Kopf lag auf seinem rechten Oberarm. Sie schlief. Alucard wandte den Kopf zur Seite und betrachtete ihr Gesicht. "Du bist schön, mein gefallener Engel", flüsterte er ihr zu. "Aber ich fürchte, du musst jetzt aufstehen. Die Pflicht ruft." Integra schlief weiter. Also versuchte Alucard es auf die sanfte Tour. Er zog den Bizeps seines rechten Armes ein paar Mal rasch zusammen, so dass ihr Kopf auf seinem Oberarm auf und ab und hüpfte. Sie murmelte etwas, das wie "Mmmhhhhhhhrrrrmm", klang und öffnete die Augen. "Ah", sagte sie und lächelte ihn an. "Mein Lieblings-Alptraum." "Integra, du solltest..." "Ich weiß, was ich sollte..." sagte sie und legte los. Der Rest des Satzes entfiel Alucard gründlich. "Du hast recht", flüsterte er, "das haben wir lange nicht mehr gemacht. Es muss Stunden her sein." Bald darauf stieg Integra schließlich doch aus dem Bett. Nur ungern verließ sie die warme Mulde, die sie ins Bett gewühlt hatten. Sie duschte, zog sich an und summte dabei vor sich hin. Noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt wie als Untote. Tatsächlich war da ein Glücksgefühl, das wie Feuer und Musik durch ihre Adern rollte. Sie dachte an Alucard, an seine sanfte Brutalität, seine Leidenschaft und Wildheit, die sie jedes Mal denken ließ, dass es sie diesmal den Verstand kosten würde. Alucard lümmelte nebenan noch immer im Bett rum. "Bis nachher", sagte Integra liebevoll. "Fauler Sack." "Nicht jeder ist so ein Workaholic wie du", brummte Alucard. "Viel Spaß beim Leute-rumkommandieren." Integra beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wange, da wo er mit dem Finger hinzeigte. Doch ehe sie gehen konnte, hatte Alucard nach ihrem Handgelenk gegriffen und hielt es fest. Er grinste. "Bevor du gehst, sag mir noch - wie war ich? Auf einer Skala von 1 bis 10." "12", flüsterte Integra ihm ins Ohr und grinste zurück. Alucard zog sie an sich. Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Integra langte nach dem Hörer. Am anderen Ende der Leitung war Walter. Er sagte nichts, er räusperte sich nur. Ein vorwurfsvolles Räuspern, das mehr sagte als hundert Worte. "Ja, Walter", sagte Integra resigniert und legte auf. Sie stand auf, sah auf Alucard hinunter und seufzte. "Jetzt räkel dich nicht so malerisch", sagte sie vorwurfsvoll, "sonst werde ich diesen Raum nie verlassen!" Wenig später beobachtete ein ziemlich indignierter Walter mit hochgezogener Augenbraue wie Integra schläfrig vor sich hin frühstückte. Er legte den Kopf schief und überflog im Stehen die Schlagzeilen der Times, die auf dem Tisch lag. Als er sich wieder Integra zuwandte, hatte die gerade den Mund zum Gähnen aufgerissen. "'schuldigung", murmelte sie. "Ich möchte gar nicht wissen, wovon du so müde bist", bemerkte Walter. "Tja", Integra grinste, "zur Zeit meide ich den Schlaf zugunsten von allem, was das Leben schöner macht." Sie streckte die Arme und strahlte ihn an. Sie trug schon wieder einen neuen Anzug. Walter war hin und her gerissen zwischen Bewunderung ihrer Eleganz und Missbilligung der Kosten, die ihr neuer Lebenswandel verursachte. Er betrachtete sie. Kein Zweifel - ihr Tod hatte ihr gut getan. (Walter war schockiert über diesen Gedanken, aber, well... es war nun mal so). Ein fürchterliches Selbstbewusstsein hatte von ihr Besitz ergriffen. Alles düstere war verschwundene und hatte Platz gemacht für einen völlig anderen "Menschen". Einen, den nur wenige kennen lernten. Und von dem auch Integra selbst nicht wusste, warum er sich so lange versteckt hatte. Walter schilderte ihr die aktuellen Gegebenheiten und die Aktivitäten der Hellsing-Organisation der letzten 8 Stunden. Er musste alles dreimal schildern, weil Integra bei den ersten beiden Malen nicht richtig zugehört hatte. "Walter, entschuldige bitte", sagte Integra und gab sich wirklich Mühe, zerknirscht zu klingen, "ich weiß, ich bin im Moment schrecklich. Aber weißt du - ich bin glücklich, und darauf war ich nicht vorbereitet." Bald darauf ging Walter in sein persönliches Arbeitszimmer. Seufzend setzte er sich an den Schreibtisch vor den PC. Er tippte auf eine Taste. Der Bildschirmschoner machte Platz für die neuesten internen Meldungen. Schon wieder drei Krankmeldungen. Und nicht etwa bei den Rekruten, die im ständigen Kampfeinsatz waren, sondern im Verwaltungstrakt. Walter knirschte mit den Zähnen. Zu seiner Zeit war man im Dienst geblieben, bis man umkippte. Und bis die Krankenbahre kam, schrieb man auf dem Fußboden seinen Bericht fertig. Er schrieb drei äußerst ärgerliche Entgegnungen. Bevor er sie losschickte, las er sie noch einmal durch - und war entsetzt über die Bitterkeit, die er in seinen eigenen Zeilen vorfand. Er löschte die drei kurzen Texte, stand auf und ging ans Fenster. Was war los mit ihm, er kannte sich selbst nicht wieder. Er hatte sein Gesicht dem das Fenster herabrinnenden Sommerregen zugewandt. Der immer grauer werdende Tag bedrückte ihn. Ein zerrissener Himmel hing in Fetzen über der Erde. Ein immer schwärzer werdender Himmel, der manchmal aufgerissen wurde durch kleine Wolkenlöcher, durch die grelle Sonnenstrahlen fielen. Das graue, schwache Licht ertrank im Regen. In diesem Moment kam Seras in den Raum gestürmt. "Guten Morgen!" rief sie. "Ich habe bei den Rekruten die noch ausstehenden Berichte eingesammelt!" Sie wedelte mit den Zetteln in ihrer Hand. "Danke. Leg sie einfach auf den Tisch", antwortete Walter. Seras stutzte. Er klang doch irgendwie... anders als sonst. Er wirkte erschöpft und ausgelaugt. Sogar seine Kleidung wirkte müde. Sie legte die Berichte auf den Tisch, neben eine Vase mit weißen Rosen. Die Blumen in der Vase hatten den Höhepunkt ihrer Blüte bereits überschritten. In ihrem süßen Duft schwang ein fauliger Unterton mit. "Walter", sagte Seras, "jetzt mal im Ernst - du solltest in Urlaub fahren! Zwei oder drei Wochen ganz und gar ohne Hellsing." "Aber nein, ohne mich bricht hier alles zusammen", sagte Walter halb im Scherz. "Ach Quatsch, wir kommen gut ohne dich klar. Bis später!" Seras galoppierte wieder hinaus - eine geballte Ladung Ehrgeiz und Begeisterung. Walter starrte ihr hinterher, selbst als es nichts mehr zu sehen gab als das Holz der geschlossenen Tür. Er schluckte. Sicher, Fräulein Victoria hatte es nur gut gemeint. Sie legte ihm nahe, sich zu erholen. Doch ihre Worte waren... bitter. Bitter und wahr. Er starrte in die Gewitterwolken ohne auch nur eine von ihnen wahrzunehmen. Der Himmel war grau und sah aus, als hätte jemand alle Farben ausgewrungen. "Wir kommen gut ohne dich klar" - Walter zweifelte keine Sekunde daran, dass das wirklich so war. Seras hatte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten verblüffend schnell in die Organisation eingefunden. Mittlerweile leitete sie eine Planungsgruppe, die die Gründung einer Hellsing-Zweigstelle in den Niederlanden vorbereitete. In dieser Planungsgruppe gab es auch einen Rekruten namens Han, von dem Seras viel (sehr viel!) erzählte. Integra brauchte Walters Schutz ebenfalls nicht mehr. Oh, ganz gewiss nicht. Und seine anderen Pflichten? Konnten jederzeit von anderen Hellsing-Mitarbeitern übernommen werden. Walter ließ sich von der Stille umfluten. Fast meinte er zu hören, wie der Staub sich setzte. Wer bin ich, wer braucht mich... Er starrte sein Spiegelbild in der Fensterscheibe an. Ein alter Mann, der langsam vergessen wird und sich selbst vergisst. Viele Stunden später. Der Tag atmete aus. Die Nacht begann. Zunächst sah alles nach einem ruhigen Abend aus - doch dann gab es einen Alarm in der Innenstadt. Die ausgerückte Truppe forderte sehr bald Verstärkung an - es gab an zwei Stellen in der Stadt Schwierigkeiten. "Sieht aus wie ein weißgekleideter Ghoul und er ist schnell wie ein Blitz", sagte der Rekrut, der Meldung machte. "Im Moment haben wir ihn aus den Augen verloren. Ich weiß nicht, was es ist, aber wenn dieser merkwürdige Fisch, der da eben weggetaucht ist, wieder auftaucht, brauchen wir stärkere Waffen!" Seras sah Alucard an. "Klingt nach Luke", sagte er. "Und wo der ist, ist auch sein dämlicher Bruder nicht weit. Beavis und Butthead, die Unkaputtbaren, sind wieder in Aktion. Na denn. Wie verteilen wir uns?" Sie beschlossen, dass Alucard und Seras sich um Luke kümmern sollten, da Alucard schon einmal sehr gut mit Luke "zurecht gekommen" war. Integra und Walter würden sich um Jan kümmern, da Walter immerhin schon mal fast mit Jan "zurecht gekommen" war und Integra murmelte etwas von Jan und einer offenen Rechnung, die noch zu begleichen war... In Londons Innenstadt angekommen, war es für Alucard und Integra relativ einfach, die jeweiligen "Unruhestifter" ausfindig zu machen. Alucard und Seras hefteten sich an Lukes Spuren, während Integra und Walter in Integras Sportwagen die Gassen nach Jan absuchten. "Hier muss er irgendwo sein", sagte Integra. Sie stiegen aus und gingen mit gezückten Waffen durch die verlassene, heruntergekommene Straße. Sie kamen an eine Kreuzung. Mit Blicken verständigten sie sich, dass Integra nach links, und Walter nach rechts gehen würde. Lautlos huschte Integra davon. Sie verschwand, wie eine Figur in einem Traum. Einige Straßenzüge weiter hatten Alucard und Seras inzwischen Luke und einige andere Ghouls aufgespürt. Sie standen einander in einer engen Gasse gegenüber. "Los geht's, Fräulein Polizistin", sagte Alucard. "Zeig denen, wo der Frosch die Locken hat!" "Was!?" Alucard verdrehte die Augen. "Mach sie fertig." Walter zupfte an seinen monowire-Handschuhen und sah sich um. Er fühlte sich schon nach wenigen Metern wie in einer anderen Welt. Ich hatte ganz vergessen, wie still die Straßen in diesem Teil der Stadt nachts sind. Vergessen, oder nie gewusst, weil man es wirklich nur dann versteht, wenn man nachts zu Fuß durch die Stadt geht. Es war diesig, fast neblig in der Gasse. Und immer noch war da dieser Nieselregen - die Umgebung wirkte verschwommen. Darum erkannte Walter erst spät, dass sie ihn bereits umkreist hatten. Jetzt erst konnte er sie richtig sehen. Es waren... Jugendliche. Ihre Gesichter wirkten entgleist und so leer wie die Flaschen, die hier überall herumlagen. Walters Blicke wanderten von Gesicht zu Gesicht. Sonderbar kaputte Erscheinungen. Hohlköpfige Technopuppen. Ghouls, allesamt. Und trotzdem - diese Unseligen waren irgendjemands Töchter und Söhne gewesen. Walter spürte unbändige Wut in sich heraufbrodeln. Ein Geräusch, ein vages Gefühl des Angestarrtwerdens ließ ihn aufblicken. Das Halblicht brannte tiefe Furchen in sein Gesicht. "Du schon wieder", höhnte eine allzu bekannte Stimme. Über dem Eingang eines heruntergekommenen Tanzschuppens, zwischen den Buchstaben einer zuckenden Leuchtreklame, tauchte Jan auf. "Immer noch nicht beim Alt-Eisen gelandet?" fragte Jan. Er wandte sich an die jugendlichen Ghouls. "Kinder - so einen Tattergreis beschäftigen die bei Hellsing als Leibwächter und Diener!" "Butler, bitte", sprach Walter mit diskret tadelnder Stimme. "Ey Alter", kreischte Jan, "wem die Scheiße bis zum Hals steht, der sollte keine Wellen machen, verstehste mich?" "Von derart taktlosen Bemerkungen halte ich nichts", sagte Walter streng. "Genug gelabert." Jan schleuderte sein Lachen auf Walter hinab wie einen Eimer Wasser - dreckiges Wasser noch dazu. "Jetzt pass gut auf, Alter - wenn du immer noch nicht in Panik geraten bist, solltest du das schleunigst nachholen! Frank!" Walters Augen verengten sich zu schmalen, eisgrauen Schlitzen. Ein schlaksiger Junge löste sich aus den Reihen der jugendlichen Ghouls und schlenkerte auf Walter zu. Gier irrlichterte in seinen Augen. "Oh, der gute Frank ist grad 'n bisschen auf Entzug", erklärte Jan. "Blut-Entzug. Die anderen übrigens auch. Ich denke, du kannst uns da behilflich sein..." Der junge Ghoul riss sein Maul auf und schreiend rasten alle auf Walter zu. Walter reagierte mit einer ganz und gar unbutlerhaften Schnelligkeit. Alucard und Seras hatten "ihre" Ghouls inzwischen eliminiert - bis auf Luke und einen weiteren Ghoul. Alucard hatte feststellen müssen, dass Luke, der bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen verblüffend schnell gewesen war, noch schneller geworden war. Die gute Seras war ziemlich erledigt. Ihre Verletzungen würden in wenigen Stunden vollständig regeneriert sein, aber sie war mit ihren Kräften am Ende. Nun, sie hatte gut gekämpft. Aber dieser Luke war... erstaunlich. Alucard nahm seine "Hunde-Form" an. Das hatte beim ersten Mal auch den richtigen Effekt gezeitigt. Na also, der andere Ghoul wich entsetzt zurück. "Du hast doch wohl keine Angst vor diesem Hundilein!" brüllte Luke ihn an. "Hundilein!" jaulte der Ghoul. "Ziemliches Hundilein, der!" Alucards Schatten an der Wand erinnerte an ein urzeitliches Ungetüm. Er "kümmerte" sich gründlich um den Ghoul. Dann wandte er sich zu Luke um. Und wandte sich noch mal um. "Wo ist dieser weiße Anzug-Affe hin?" fragte er Seras, die erschöpft an der Wand lehnte. "Abgehauen", murmelte sie. Integra wurde inzwischen den Verdacht nicht los, dass man sie hereingelegt hatte. Ausgerechnet sie, die so stolz war auf ihre neuerdings so messerscharfen Sinne! Vollkommen unbehelligt ging sie durch die verlassenen Straßen. Sie beschloss, umzukehren, zurück zu Walter zu gehen. Je weiter sie zurück ging, umso schneller wurden ihre Schritte. Irgendetwas trieb sie zur Eile an, bis sie schließlich rannte. Da endlich ein Etwas, das fauchend aus der dunklen Nacht geschnellt war. Ein Ghoul kauerte vor ihr auf der Straße. "Naja", sagte Integra mit dem Gesichtsausdruck einer Perserkatze, die sich unerwartet in ordinärer Gesellschaft wiederfindet. Sie zückte ihre Waffe. "Hast du noch was loszuwerden?" fragte sie. "DU willst mir drohen?" Der Ghoul grinste. "Jetzt haben wir uns verstanden", pflichtete sie ihm bei. Noch bevor er Zeit hatte, mit Grinsen aufzuhören, schoss Integra und der Ghoul zerfiel zu Staub. Das war lächerlich einfach gewesen. Integra ging weiter - aufmerksam die Umgebung beobachtend. Da peitschte ein weiterer Schuss durch die Nacht und Integra spürte einen brennenden Schmerz, so heftig wie noch nie ein Schmerz in ihrem Leben gewesen war. Sie starrte auf ihren Oberkörper hinab, direkt neben ihrem Herzen... Sie bog den linken Arm nach hinten, betastete mit der Hand ihren Rücken. Tatsächlich - ein glatter Durchschuss. Ihr Blick schoss nach vorn - diese zuckende Leuchtreklame, von dort war der Schuss gekommen. Sie rannte darauf zu. Wieder wurde auf sie geschossen, immer und immer wieder. Sie schenkte dem Geschosshagel auch dann keine Beachtung, wenn sie getroffen wurde. Sie spürte zwar den Schmerz, aber er machte sie nur wütender, rasender. Sie erkannte Jan, der zwischen der Leuchtreklame stand und sie verblüfft anstarrte. "Kompliment", schrie er ihr zu, "eure schusssicheren Westen sind ja echt ganz gut!" Integra lächelte. Jan brauchte die Wahrheit nicht wissen... "Wär gut für dich, wenn du auch so eine hättest", sagte sie und zielte mit der Waffe. Mit einem Sprung war Jan im Dunkel verschwunden. "Für heute Nacht reicht's", hörte sie seine Stimme. "Ich hatte meinen Triumph und hey, bei dem Gedanken daran wird noch wochenlang einer abgehen! Euch andern Hellsing-Spinnern einen herzlichen Gruß!" Zwischen den flackernden Leuchtbuchstaben tauchte eine Faust mit nach oben gestrecktem Mittelfinger auf. Dann war er verschwunden. Integra ließ verwirrt die Waffe sinken. Sie sah die Straße entlang, sah in einiger Entfernung mehrere Körper auf der Straße liegen. Sie ging näher. Nun, die Hellsing-Rekruten waren ja noch in der Nähe, die würden den Straßenzug "räumen" und Spuren sichern. Sie zückte ihr Handy, um die Männer herbei zu ordern. Ihr fiel auf, dass sie den genauen Straßennamen nicht wusste; also ging sie noch näher zu den Ghoulresten. Vielleicht war dort irgendwo ein Straßenschild. Die Ghouls lagen fast sternförmig auf der verlassenen Kreuzung. Integra beobachtete zufrieden, wie sie zu Staub wurden. Alle, bis auf einen. Sie runzelte die Stirn. Ein Mann, offensichtlich. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes, jetzt dreckiges, blutverschmiertes Hemd. Eine zerrissene Weste... Integras Schritte wurden schneller. Der Mann lag inmitten der Ghouls im stärker werdenden Regen, verrenkt und völlig reglos. Der kalte Hauch der Tragödie wehte Integra an. Er hatte einen schwarzen, schulterlangen Zopf. "Walter!" schrie Integra. Sie stürzte vorwärts, warf sich regelrecht neben ihn und kniete, fast würgend vor Schluchzen, neben ihm auf der regennasse Straße. Walters Gesicht war aschfahl. Er hatte beide Hände auf eine klaffende Schulterwunde gelegt. Er war mehrfach angeschossen. Außerdem hatten ihn die Ghouls mit seinen eigenen mono-wires übel zugerichtet... Er atmete nur noch ganz flach. Jetzt öffnete er die Augen. "Da bist du." Er lächelte schwach. "Ja Walter, ich bin da." Sie versuchte, ihn zu stützen, ihm seine Lage so bequem wie möglich zu machen. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Durch die Wolkenfetzen am Himmel schienen vereinzelt ein paar Sterne - so hell, so gelassen, so fern... Das kann doch nicht sein, dachte Integra. Das darf nicht sein. Nicht jetzt schon und nicht so. Warum darf ich nicht auch mal glücklich sein? Kaum bin ich ein paar Tage lang glücklich, passiert das... "Es tut mir leid, Integra", sagte Walter leise. Er versuchte sie anzusehen, aber vor seinen Augen begannen schwarze Punkte zu tanzen und verwoben sich zu einem Schleier, der immer dichter wurde. "Du hast versprochen, dass du immer bei mir sein wirst und mich beschützt", schniefte Integra. "Das hast du mir versprochen! Und du hast es Vater versprochen! Du hast es versprochen!" "Damals warst du 13. Und ein Mensch. Jetzt brauchst du mich nicht mehr..." "Doch!" Schluchzend griff Integra nach ihrem Handy, um einen Krankenwagen zu rufen. Vor ihrem inneren Auge erschien ein Bild, eine Erinnerung, ganz schwach... Sie war von diesem Dach gestürzt, da waren diese entsetzlichen Schmerzen, und Alucard, der hilflos auf seinem Handy herumtippte... Ein Art Deja-vu... "Hör mal", sagte Walter leise, "wenn du an etwas festhältst, das nicht festzuhalten ist, schadest du dir nur selbst. Der Lebensstrom fließt immer weiter. Meine Zeit ist einfach um. Lass nur, mir kann kein Arzt mehr helfen." Er schloss die Augen, sein Atem ging ruhiger als vorhin. "Du wirst für immer bei mir bleiben, Walter." Walter öffnete die Augen wieder. Dieses Mal konnte er Integra klar erkennen. In ihren Augen glitzerte etwas, was Walter dort noch nie gesehen hatte. Er begriff, was sie meinte... "Warte", sagte er, "warte! Integra - du kannst nicht jeden Menschen, der dir etwas bedeutet, mitnehmen in die Ewigkeit!" "Du bist der einzige Mensch, der mir etwas bedeutet." Der Biss tat viel weniger weh, als Walter gedacht hatte. Es hatte fast etwas angenehmes... Ihm war, als ob kühles, aber kraftvolles Leben in seine Adern und Muskeln strömte. Er rappelte sich auf den linken Ellenbogen hoch und befühlte mit der rechten Hand die Stelle an seinem Hals. Dann seufzte er und warf Integra einen gequälten Blick zu. "Du bist und bleibst ein verdammter Dickschädel. Wenn dein Vater das alles wüsste..." Integra umarmte ihn, um nichts sagen zu müssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)