Maybe... von Vanilla-chan ================================================================================ Kapitel 9: Memories III - Die Tochter des Hauses ------------------------------------------------ Liebe Lesenden, Vielen Dank für eure Kommentare! (Und ein herzliches Willkommen an Veggie-Girl und Sessy-Chan! ^___^) Oha, jetzt wo der Hellsing-Manga auch hierzulande erscheint, gerate ich von einem Dilemma ins nächste. Die Story nimmt ja dort einen deutlich anderen Verlauf als im Anime. Nun stehe ich ständig vor der Frage - soll ich diesen Aspekt / diese Wendung / diese Figur aus dem Manga in meine Story übernehmen oder der bisherigen Spur treu bleiben? Zu euren Kommentaren - tja, die liebe Fairbrooks (ich hab Integras Mutter einfach mal so genannt) ist nicht besonders gut angekommen... OK, ich habe Fairbrooks nicht als "Sympathieträgerin" konzipiert, das ist wahr. Aber jetzt tut sie mir fast ein bisschen leid... u_u (Vor allem, weil ich weiß, wie's mit ihr weitergeht...) Naja, ich fürchte, da muss sie durch... ;) Und der Humor kommt zu kurz, sagt ihr - auch wahr. Ja, im Moment durchläuft die Story eine etwas "humorlose" Phase (und eins sag' ich euch: Es wird stellenweise noch richtig tragisch werden!) - aber der Humor wird auch wiederkommen, versprochen!! (Spätestens bei Maxwells nächsten Auftritten... ^__^ *lol*) Und eigentlich ist dieses Kapitel auch gar nicht mehr sooooooo ernst... Und das nächste Kapitel wird ein nettes "Alucard x Integra"-Kapitel werden! ^___~ ___________________________________________________________________________ Walter hatte die Berichte und Protokolle der Einsätze der letzten Woche im Hellsing-Quartier eingesammelt und brachte den Aktenordner nun in Integras Arbeitszimmer. Als er eintrat, saß Integra (natürlich...) an ihrem Arbeitstisch und wälzte mit (wie immer...) verbissener Miene ein paar Akten. Nein, Walter fand, dass ihre Miene heute noch etwas verbissener wirkte als sonst. Walter ahnte, was - nein, wer! - durch ihre Gedanken spukte. Integra war in der vergangenen Nacht an ihrem Arbeitstisch eingeschlafen und Alucard hatte sie in ihr Bett getragen. Walter wusste nicht, was davon zu halten war. Er schätzte Alucard sehr. In den Jahren ihres gemeinsamen Kampfes gegen Ghouls war der No Life King fast so etwas wie ein Freund für ihn geworden. Trotzdem bereiteten Walter die Blicke, mit denen Alucard Integra manchmal musterte, gewisse Sorgen... Diese Blicke - wie sollte man es nennen, was in ihnen zum Ausdruck kam? Verliebte Gier? Oder eher lüsterne Gier, korrigierte Walter sich in Gedanken. Er war sich nicht sicher, ob Alucard so etwas wie "Verliebtsein" überhaupt kannte. Wenn er daran dachte, wie abfällig Alucard sich über Menschen und ihre "ach so sensiblen Gefühlchen" äußerte, schien es wahrscheinlicher, dass der Vampir solche Empfindungen aus seinem Repertoire gestrichen hatte. Und außerdem fragte Walter sich, was Integra wiederum für Alucard empfand... Gewiss, sie wahrte ihre kühle Fassade, aber was lag hinter dieser Fassade? Wie auch immer - ob sie nun Alucards "Empfindungen" erwiderte oder nicht - sein Verhalten musste Integra irgendwann zu einer Reaktion provozieren. Walter seufzte innerlich, als er sich sämtliche Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ - keine einzige davon gefiel ihm sonderlich... Was, wenn Alucard tatsächlich...sozusagen... Integras "Partner" wurde... ach, du liebe Zeit, nächster Gedanke. Und was, wenn auch sie ihm nicht gewachsen war - würde sie ihn ebenfalls versiegeln, wie ihr Vater es getan hatte? Integras Bannsiegel würde Alucard auf ewig versiegeln. Denn nur ein Hellsing konnte das Siegel aufheben und Integra war der letzte Hellsing... Nun gut - auch bei Arthur sah es lange Zeit so aus, als würde er der letzte Hellsing sein... Walter betrachtete Integra. Sie saß an ihrem Arbeitstisch und warf ein paar Papiere durcheinander. Walter musste lächeln, als er sich an seine allererste Begegnung mit Integra erinnerte, genau hier - im Arbeitszimmer... --- Walter wusste nicht mehr, wie er die Jahre nach Arthurs Hochzeit und Alucards Verbannung überstanden hatte. Arthur behandelte ihn freundlich-förmlich, als wäre Walter nie mehr gewesen als sein Butler und die zweitbeste "Waffe" der Hellsing-Organisation. Fairbrooks Wingates-Hellsing jedoch misstraute ihm ganz offen. Sie und Walter behandelten einander mit höflicher Eiseskälte. Eines Tages hatte Fairbooks ihn geradeheraus gefragt, ob er auch ein Vampir sei. In manchen Nächten wachte Walter schweißgebadet auf - er träumte, Arthur würde über ihm stehen mit einem angespitzten Holzpflock in der Hand. Hinter ihm stand Fairbrooks und rief "Das Herz! Du musst sein Herz treffen!" (Ich sage jetzt nichts zum Thema "Traumsymbolik"... *hüstel*) Walter engagierte sich nach wie vor in der Organisation. Ansonsten sah er mit Erstaunen, wie das Leben um ihn herum seinen Fortgang nahm, ohne sich um sein Unglück zu scheren. Manchmal empfand er seine Einsamkeit so intensiv, dass es ihn erschreckte Aber auch Arthur und Fairbrooks waren nicht wirklich glücklich. Nachdem seine junge Frau mehrere Fehlgeburten erlitten hatte, gab Arthur die Hoffnung auf einen Nachfolger fast auf, den er sich so sehr wünschte und der die Organisation unter dem Namen Hellsing weiterführen sollte. Doch dann - Fairbrooks und Arthur waren schon 7 Jahre miteinander verheiratet und Arthur war mittlerweile fast 50 - bekamen sie schließlich doch noch ein Kind. Eine schrecklich komplizierte Angelegenheit. Die Ärzte kämpften tagelang um Fairbrooks' Leben. Sie gewannen schließlich, rieten ihr jedoch dringend von jeder weiteren Schwangerschaft ab. Das Kind hingegen - ein fäustchenballendes Bündel, das mit einer bemerkenswert kräftigen Stimme ausgiebig zu brüllen pflegte - war wohlauf und erfreute sich bester, fast trotziger Gesundheit. Das Kind hatte nur einen Makel - es war ein Mädchen. Das einzige Kind, das die Hellsings je haben würden, war ein Mädchen... Die Armee war enttäuscht. Wenn Arthur Hellsing sich in wenigen Jahren zur Ruhe setzen würde, hätte sich das Thema "Hellsing-Organisation" erledigt. Ein Mädchen wäre schließlich nie in der Lage, eine derartige Organisation zu leiten. Und sie alle würden sich nach neuen Arbeitsplätzen umsehen müssen. Und wie sollten sie ihre langjährige Tätigkeit für Hellsing in ihrem Lebenslauf unterbringen - einer Organisation, die so geheim war, dass sie nicht darüber reden durften...? Arthurs Bruder Richard tat sein bestes, die Enttäuschung und Ablehnung der Truppen gegenüber dem Kind zu schüren. (Dass Arthur und Fairbrooks schließlich doch noch ein Kind bekommen hatten, passte ihm überhaupt nicht. Dadurch rutschte er in der Erbfolge wieder einen Platz weiter nach hinten. Hass, Hass, Hass. Dieses Gör hatte er so dringend gebraucht wie eine Kakerlake im Kaffee!) Arthur hingegen liebte und vergötterte seine Tochter vom ersten Moment an. Sie war seine Tochter und natürlich würde sie eines Tages in der Lage sein, die Organisation zu leiten! Es dauerte ein paar Wochen, bis Walter die Tochter des Hauses zum ersten Mal zu sehen bekam, denn Fairbrooks hatte das Baby in ihrem Zimmer und er hütete sich, diesen Raum zu betreten. So "kannte" Walter die Kleine zunächst nur aus Arthurs Erzählungen, Berichten und Schwärmereien. *Augen-verdreh* (Was Walter dieses Kind egal war!) Eines Tages rief Arthur ihn ins Arbeitszimmer. Walter betrat den Raum. "Sir?" fragte er mit leicht gequälter Höflichkeit. Arthur saß am Arbeitstisch. "Ah, Walter", sagte er. "Mir ist aufgefallen, dass du meine Tochter noch gar nicht kennengelernt hast." Walters Miene verfinsterte sich noch mehr. Erst jetzt bemerkte er, dass Arthur das Baby auf dem Arm hielt. Walter wusste selbst, wie furchtbar albern es war - aber er war eifersüchtig auf dieses Kind. Schon allein wie Arthur nur noch von "seiner Kleinen" sprach, wie er sie liebevoll auf dem Arm hielt und mit verklärtem Blick anlächelte. Arthur stand auf und ging auf Walter zu. Walters Augen weiteten sich vor Entsetzen, so dass ihm das Monokel herunterfiel. (Er trug es erst seit kurzem und hatte sich noch nicht recht daran gewöhnt...) Er fing es im Herunterfallen auf und putzte es dann nervös mit seiner Krawatte. Ach du liebe Zeit, Arthur erwartete jetzt hoffentlich keine ekstatischen Begeisterungs-Bekundungen wegen der Niedlichkeit seiner Tochter. Walter fürchtete, dass ihm das irgendwie nicht gelingen würde... Und hoffentlich sollte er das Kind nicht auch noch auf den Arm nehmen. Keine Ahnung, wie man so etwas in den Händen hielt... Arthur hatte Walter fast erreicht, als ein sehr aufgeregter Peter Fargason ins Zimmer stürmte. "Sir!" rief er. "Oberste Alarmstufe! Ein Ghoul-Angriff im Buckingham-Palast!" "Verdammt", sagte Arthur bestürzt und rannte zur Tür. Erst nach einigen Metern bemerkte er, dass er das Baby noch immer auf dem Arm hielt. "Walter", sagte er, "bring sie bitte in ihr Zimmer." Damit drückte er dem entsetzten Walter das Baby in die Arme. Walter hörte Arthur und Fargason die Treppe hinunterpoltern. Dann war alles ruhig. Er hielt das kleine Menschenbündel vorsichtig und, wenn auch etwas unbeholfen, im Arm und verzog das Gesicht. Er würde jetzt auch viel, viel, viel lieber gegen blutrünstige Ghouls kämpfen, statt mit einem Säugling auf dem Arm hier rumzustehen. Er wagte einen vorsichtigen Blick nach unten, Richtung seiner linken Armbeuge. Das Baby schlief. Gut so. Braves Kind. Seeehr, wirklich seeeehr behutsam trat Walter mit dem Kind auf dem Arm ans Fenster, ins Sonnenlicht. Die gebrüllten Befehle, unten auf dem Truppenplatz, drangen nur gedämpft zu ihnen hinauf. Die Gelegenheit war günstig, sich Arthurs Tochter einfach mal anzusehen. Integra - Walter fand den Namen ungewöhnlich. Nun, Walter wusste, dass Arthur als Jugendlicher eines Tages von seinem Vater, Abraham Hellsing, in den begehbaren Hellsing-Tresor geführt worden war. Der Tresor war riesig und er war gefüllt mit Goldbarren. Gold war das "Zahlungsmittel", mit dem vampirbefreite Ortschaften den Hellsings damals für ihre Hilfe gedankt hatten. "Diese 'vergoldete Dankbarkeit' jener Menschen hat es uns ermöglicht, die Hellsing-Organisation zu gründen", erklärte Abraham Hellsing. Arthur stand wie geblendet vor dem Gold im Hellsing-Tresor. "Das ist das kostbarste, was man besitzen kann, nicht wahr?" hatte er gefragt. Abraham Hellsing hatte gelächelt und mit den Schultern gezuckt. Arthur hörte nie auf, über die Dichte und die Integrität des Goldes zu staunen. Er war absolut fasziniert von seiner Reinheit, Ungewöhnlichkeit, Glätte und Unzerstörbarkeit. Vielleicht hatte er mit dem Namen Integra all diese Eigenschaften des Goldes auf seine Tochter übertragen wollen. Walter fand das etwas dramatisiert und rührselig, aber... nun, so waren frischgebackene Väter wohl. Und die Kleine hatte mit Integra vielleicht noch Glück gehabt. Sie hätte ja auch Goldy heißen können... Tatsächlich hatte ihre Haut einen rosig-goldigen Schimmer. Außerdem hatte die Kleine dichte, weißblonde, weiche Haare und trug einen blauen Strampelanzug. Natürlich, Arthur und Fairbrooks hatten fast nur blaue Babysachen geschenkt bekommen. Damit hatten die Knights und selbst die Hellsing-Truppen deutlich gemacht, dass sie eigentlich mit einem männlichen Nachfolger gerechnet hatten. Die Kleine kräuselte im Sonnenlicht ihre winzige Nase und rieb sich mit einer winzigen, schlafenden Faust über ihr Gesicht und Walter stellte fest, dass er so etwas wie... Zuneigung für dieses kleine Menschlein empfand. Walter wusste, dass dieses Kind wenig Gelegenheit haben würde, so zu sein wie andere Kinder und viel allein sein würde. Genau wie er. Und auf einmal war da der Wunsch, dieses winzige Geschöpfchen zu schützen und ihr beizustehen bei allen Widrigkeiten, die in ihrem - sicherlich ungewöhnlichen - Leben auf sie zukommen mochten. "Du wirst nicht allein sein", versprach er ihr leise, um sie nicht zu wecken, "Du hast mich. Und ich hab dich." Denn eigentlich... Arthurs Tochter war eigentlich auch ein bisschen seine Tochter. Irgendwie. Fand Walter. Und da es nicht zu erwarten war, dass er sich noch auf konventionelle Weise ein Kind zulegen würde, sah er von jenem Augenblick an Integra als die Tochter, die er nie haben würde. Und nun irgendwie doch hatte. In diesem Moment wachte Integra auf und öffnete die Augen. Die Kleine hatte die blausten Augen, die Walter je gesehen hatte. Walter war noch ziemlich ergriffen von seiner "Adoption im Geiste" und war sich absolut sicher, dass "sein kleines Mädchen" eines Tages eine hinreißende Schönheit sein würde. Gerührt lächelte er das Baby an. Die Kleine erwiderte seinen Blick ernst und schien sich zu fragen, ob dieser Kerl weiter einfach bloß so da rumstehen oder endlich was Nützliches tun und sie ein bisschen schaukeln oder ein Fläschchen für sie holen würde. Als nichts geschah, griff sie nach seinem Monokel, das so aufregend in der Sonne glitzerte. "Oh... ähm... nein... das... geht bestimmt kaputt", sagte Walter höflich und hielt das Kind mit ausgestreckten Armen von seinem Gesicht weg. Das winzige Kinn des Babys bebte vor Enttäuschung. Walter hatte Integra zwar heute zum ersten Mal gesehen, er hatte sie aber durchaus schon gehört... Er wusste, dass sie imstande war, das obere Stockwerk von Hellsing Manor zusammenzubrüllen. Ach du liebe Zeit, sie schniefte schon irgendwie... bedenklich, das kleine Gesicht zornig verzogen... Ratlos begann er, sie unterm Kinn zu kitzeln. Sie gluckste. Dann lachte sie. Ein zahnloses, so bezauberndes Babylachen, dass Walter auch lachen musste. _ --- Der heutige Walter betrachtete die heutige Integra. Inzwischen war sie alles andere als ein winziges Geschöpfchen, trotzdem würde sie wohl immer "sein kleines Mädchen" bleiben, das er glaubte, beschützen zu müssen. Sie warf - mal wieder - wütend ein paar Papiere auf ihrem Schreibtisch herum. Zwischen ihren tiefblauen Augen eine perfekt senkrechte Zornesfalte. Walter überlegte, was wohl geschehen würde, wenn er sie - wie damals - zur Aufheiterung unterm Kinn kitzeln würde. Die Reaktion hätte er wirklich zu gern gesehen... Oder vielleicht lieber doch nicht... Mühsam unterdrückte er ein Lachen. "Was ist, Walter?" fragte Integra, den Blick auf den Unterlagen. "Oh", sagte Walter, "Verzeihung, ich wollte eigentlich husten." "Warum tust du's dann nicht?" fragte sie zerstreut. Walter hustete gehorsam. Integra hob den Kopf und sah Walter an. Ihre linke Augenbraue wanderte Richtung Haaransatz. Walter räusperte sich verlegen. Und sie mussten beide lachen. "Wie wär's mit einer Kanne frischem Tee?" fragte Walter dann. "Sehr gern, danke", sagte Integra und sah ihm nach, als er ging. Erst als Walter fort war, zog sie seufzend ein paar Unterlagen unter den "offiziellen" Hellsing-Papieren hervor und blätterte mit gerunzelter Stirn darin. Es ging da um einen ganz bestimmten Vampir... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)