K.O.N. - Take Two von KleinerToaster (The One, who Strikes the Knights) ================================================================================ Kapitel 9: Final Stage: Somebody had to die ------------------------------------------- "Was? Was hast du über Xian gelesen?" Tatsuya trat aus der Tür zu Junichi und sah ihn fest an. In seinem Blick langen Wut, Neugier und Furcht gleichermaßen. Erneut machte Junichi eine kurze Pause. "Sie ist," begann er dann, "ein Cyborg." In das Schweigen der anderen hinein, berichtete er dann, was er gelesen hatte, wobei seine Stimme immer schneller wurde: "Und nicht nur das, sie ist ein besonderer Cyborg. An ihr sind Unmengen chemische Mittel, Enzyme und so was an gewand worden. So ist sie sozusagen zum perfekten Mädchen geworden. Diese Stoffe sind es, die sie so unschuldig wirken lassen... so perfekt." Die anderen drei schwiegen. "Das kann nicht sein!" unterbrach Tatsuya die Stille, "Warum hatte es dann keine Wirkung auf Osamu?" "Weil ich kein Mensch bin," entgegnete der Werwolf. "Ich bin auch kein Mensch!" rief der Scharfschütze wütend. Osamu schwieg kurz bevor er sagte: "Dann liegt es wohl an den Drogen in meinem Blut." "Und was sollen wir jetzt machen?" fragte Junichi und No. 6 fügte hinzu: "Rumiko wird nicht begeistert sein das zu erfahren." "Können wir irgendetwas daran ändern?" entgegnete Osamu kalt. Mit diesen Worten richtete er sich auf, warf die Haare in den Nacken und stecke sich eine Zigarette in den Mund. Den anderen den Rücken zu gewand fragte er: "Junichi, wo ist das Versteck von den Jungs?" "Hinter dem Trainingsgelände von Oniyama," meinte Junichi, "Was genaueres weiß ich nicht." Tatsuya zuckte innerlich zusammen. Sein Trainingsgelände, deshalb hatte er Xian dort so oft getroffen. "Okay," meinte Osamu, "ich würde sagen, wir sollten unseren Auftrag beenden! Ihr geht zusammen dahin, ich denke Tatsuya wird den Weg kennen. Inzwischen hole ich Rumiko von der Schule ab." Keiner sagte ein Wort, weder der Zustimmung, noch der Ablehnung. Es wurden auch keine Worte erwartet, den Osamu hatte keine Frage gestellt, sondern einen Befehl erteilt. "Zu Ende der neuen Renaissance waren Archäologen schon soweit in der Lage für uns heute alltägliche Gegenstände wie das Internet oder Bahnen zu entwickeln. Damals war allerdings noch nicht die heutige Entwicklung abzusehen. Die damaligen Menschen hatten eine neoistische Grundeinstellung und standen der Technik und den ,neuen Rassen' skeptisch gegenüber. An menschenähnliche Roboter wie die heutigen Androiden zu denen galt als höchste Ketzerei gegen die Menschheit. Der schwedische Professor Sören Svenson, der, wie vielleicht bekannt ist, starker Verfechter Technisierung war, wurde durch ein internationales Komitee zum Tode verurteilt. Wir werden uns nun mit den Anklagepunkten befassen. Schlagen sie bitte Seite 174 im Buch auf." Nur unwillig folgte Rumiko der Aufgabe ihres Lehrers. Geschichte zählte zwar zu ihren Lieblingsfächern, .dennoch wusste sie, dass eine Diskussion über Schuld und Unschuld Svensons wieder in neoistischen Parolen und Beschimpfungen der faunoidischen Schüler und Schülerinnen enden würde. Noch während die Schüler lasen, ertönte das Motorengeräusch eines Motorrades. An sich war das nichts besonderes, doch dieses Motorrad schien mitten auf dem Schulhof zu halten. Ein unruhiges, neugieriges Murmeln erfüllte die Klasse. Plötzlich ertönte ein wolfsähnliches Jaulen... Ein Geräusch, das Rumiko nur zu gut kannte. Es war das Jaulen eines Werwolfes, der sich in seiner menschlichen Gestalt befand. Nun siegte die Neugier der Schüler. Sie sprangen auf und liefen an die Fenster, die zum Schulhof zeigten. Von unten ertönte eine laute Männerstimme: "Ich suche Sasagawa Rumiko!" Alle Augen richteten sich auf Rumiko, die bis eben sitzen geblieben war. Langsam erhob sich das Mädchen und ging zum Fenster, wo ihr die Anderen bereits einen Platz frei gemacht hatten. Unten auf dem Schulhof befand sich Osamu auf seinem Motorrad. Wie fast immer trug er Jeans und ein schwarzes T-Shirt und hatte eine Zigarette im Mund. Sein Blick wanderte die Fensterreihen entlang, an denen die Schüler standen. Rumiko öffnete das Fenster. "Hier bin ich, Osamu!" rief sie dem Werwolf zu. Dieser lies wendete den Blick zu ihr. Als er das Mädchen erkannte, glitt ein Lächeln über seine Lippen. "Hey, was machst du den da oben?" fragte Osamu. Rumiko streckte ihre Zunge heraus, obwohl sie ziemlich sicher war, dass Osamu es nicht sehen konnte und antwortete: "Na was wohl? Lernen!" "Lernen? Wer braucht'n so was?" Der Werwolf warf verächtlich seinen Kopf in den Nacken. "Ich habe es auch ohne einen einzigen Tag Schule soweit gebracht. Und jetzt ist dass einzige, was ich zum Glück noch brauche ein Schulmädchen, mit dem ich ein bisschen Spaß haben kann." "Spaß? Na, das klingt interessant! Ich werde mal gucken, ob ich dir da behilflich sein kann." Mit diesen Worten drehte sich Rumiko um. Ihr Lehrer hatte bereits das Schwert in der Hand und hielt es dem Mädchen hin. Wortlos und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen nahm sie die Waffe und lief ohne sich zu verabschieden aus dem Raum, die Treppen hinunter auf den Schulhof. Dort angekommen, schwang sie sich auf Osamus Motorrad und die beiden fuhren los. Schweigend gingen Tatsuya, No.6 und Junichi über das Trainingsgelände. Sie schwiegen nicht deshalb, weil sie unauffällig sein wollten, sondern einfach nur, weil es nichts zu reden gab. Solche Situationen gab es nicht oft bei den KON, vor allem nicht, wenn Tatsuya und Junichi zusammen waren. Doch Tatsuya wollte nicht reden. Die Gedanken über Xian, die sich in seinem Kopf überschlugen, lähmten ihn förmlich. Seine innere Anspannung war für die anderen nur allzu deutlich zu spüren. In diesem Schweigen erreichten sie dann auch ihren Bestimmungsort. Es war ein neu aufgebauter Bunker, ähnlich wie die, die hier standen, als das Gelände noch in Betrieb war. Die Fenster waren groß und in 1,5-Meter Höhe angebracht. Sie waren dunkel getönt, sodass man von innen zwar nach außen sehen konnte, aber nicht anders herum. Das Gebäude war etwas niedriger als zwei Meter, schien aber noch einen großen Raum unterirdisch einzunehmen. In sicherer Entfernung blieben No.6 Tatsuya und Junichi stehen und gingen hinter einem kleinen zusammengefallenen Gebäude in Deckung, dass früher einmal ein Schuppen gewesen war. Junichi trug ein elektronisches Fernglas um den Hals, das er nun abnahm und No.6 reichte. "Ich hasse gespiegeltes Glas," murmelte er dabei. "Warum diese Vorsicht?" fragte Tatsuya dann, während No.6 mit dem Fernglas versuchte durch die Fenster in das Gebäude hinein zu sehen. "Was soll das heißen?" gab Junichi bissig zurück. "Ich mein ja nur, die wissen bestimmt schon, dass wir auf dem Weg sind. Diese Jungs sind keine Trottel," meinte Tatsuya, "Vielleicht sind wir ja längst von meinen Kollegen umstellt." "Scharfschützen?" Junichi runzelte die Stirn und sah sich um. Er war sich nicht sicher, in wie weit Tatsuya seine Bemerkung ernst gemeint hatte, aber dennoch stimmte sie ihn nachdenklich. Vielleicht hatte er ja sogar ohne es zu wissen recht. "Nix zu sehen", meinte No.6 seufzend und gab Junichi das Fernglas zurück, "Keine Chance. Der Brechungswinkel ist zu groß. Da kann selbst ich nicht rein gucken." "Okay, Ersatz-Osamu, und jetzt?" fragte Tatsuya spöttisch. Junichi wollte nicht weiter auf diese Bemerkung eingehen, doch ein Gedanke dazu ließ ihn nicht los. "Wenn ich wirklich Osamu wäre," dachte er halblaut, "würde ich jetzt einfach ein Massaker starten." "Gut," meinte Tatsuya, der bis eben auf dem Boden gehockt hatte und erhob sich, "Und warum tun wir's dann nicht?" "Weil ich nicht Osamu bin!" fuhr Junichi ihn an, "Und ich will, dass wir hier lebend rauskommen!" "Jetzt hör mal zu, Junichi," sagte Tatsuya mit kalter Stimme, "Tu nicht so als hättest du irgendwas zu sagen. Und tu nicht so, als wärst du der Ober-Retter. Wir sind die KON. Wir kämpfen nicht für Recht oder aus Spaß, nicht für Geld oder Rache. Wir kämpfen um unser Leben. Wir kämpfen, weil wir kämpfen. Und es ist bereits klar, dass wir eines Tages im Kampf sterben und nicht friedlich in unseren Betten. Aber ich denke mal, dass ein naiver Junge wie du das nicht sieht. Du erkennst nicht, auf was du dich eingelassen hast, als du zu uns kamst. Und du siehst immer noch nicht, dass du deine Seele verkauft hast." Nun richtete sich auch Junichi auf und sah Tatsuya starr in die Augen. "Tut mir Leid," begann er giftig, "tut mir Leid, dass du dich aufgegeben hast. Aber das ist nicht meine Schuld. Es ist nicht meine Schuld, dass dir dein Leben nichts wert ist. Und das mit Xian ist auch nicht meine..." Junichi brach mitten im Satz ab, als er das wütende Funkeln in Tatsuyas Augen bemerkte und sah, dass er seine Waffen fester gepackt hatte. "Jungs, hört auf," fauchte No.6 "Ihr verhaltet euch wie kleine Kinder!" Sie sah abwechselnd Junichi und Tatsuya in die Augen und ihre eigenen funkelten wutentbrannt. "Junichi, du musst verstehen, dass du ein Theoretiker bist. Es wird nicht immer so einfach sein, wie du denkst. Es wird nicht immer richtige und logische Erklärungen geben. Es wird nicht immer einen Schuldigen geben, weder Tatsuya, noch dich, noch Osamu oder sonst wenn." Ein kurzes Schweigen folgte, während No.6 Junichi immer noch wütend in die verwirrten Augen sah. Es war das erste Mal, dass der Cyborg seinen Erschaffer auf diese Weise ansah. Junichi wusste keine Antwort und senkte seinen Blick zum Boden. Dann wand No.6 sich Tatsuya zu. "Und du, Tatsuya, du musst einsehen, dass du nicht einfach lachend in den Tod rennen kannst, solang wir da sind. Wir alle wissen, dass du lieber ein Einzelgänger bist. Aber wir sind nicht alle wie du, wir haben keine Soldatentrainings absolviert, die uns unempfänglich für Gefühle machen sollten. Wir sind ein Team, wir sind die KON. Und keiner von uns wird einen anderen in sein Verderben schicken. Außerdem kannst du mir glauben, es ist echt scheiße tot zu sein." Im Gegensatz zu Junichi hatte Tatsuya diesen stechenden Blick des Fuchscyborgs schon öfters gespürt. Auch sein mangelndes Teamverhalten war ihm schon oft vorgehalten worden als er noch Soldat war. Dennoch hatte man ihm damals gesagt, wenn er nicht es lernen würde, wäre das sein Todesurteil. "Okay, Sixy, was schlägst du vor?" fragte Tatsuya ruhig. "Auf jeden Fall kein Massaker... noch nicht," sagte No.6, ohne eine Sekunde zu zögern, "Wir müssen ihnen das Gefühl geben unterlegen zu sein. Wenn sie wissen, dass wir nur zu dritt sind, wäre das unser Tod. Wir müssen immer dran denken, dass wir es nicht mit Straßenkämpfern zu tun haben. Diese Leute sind durchorganisiert und haben vermutlich ein Ziel, dass sie nicht aufgeben wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Feinde erwarten, ist extrem hoch, deshalb haben wir keine Zeit für einen lange ausgetüftelten Plan. Wahrscheinlich sind sie auch schon aufgerüstet und bereit uns zu empfangen, also wäre ein Massaker für uns drei tödlich. Osamu ist nicht da, deshalb wird es nicht die übliche Schocksekunde geben, ganz zu schweigen davon, dass er unser stärkster Kämpfer ist." "Also?" fragte Junichi. "Wir sollten uns verteilen, verstecken und irgendwie die Jungs hier aus dem Gebäude locken. Junichi, ich bin sicher, du hast deine Knarre dabei... beziehungsweise die von Osamu. Gut, dann bräuchte ich noch was." Junichi zog wortlos zwei Schusswaffen auf seinem Gürtel und hielt eine No. 6 hin. "Oh, das ist ja toll!" freute sich No. 6 und nahm die Waffe an sich. Kurz wog der Cyborg das Gewicht ab und zielte dann in die Luft. "59er Hawk-Gun, gleiches Modell wie das von Osamu," erklärte Junichi leise. "Perfekt," meinte No.6. Dann zog sie den Handschuh über ihrer mechanischen Hand aus und begann an ein paar Stellen das Implantat aufzuklappen. "Was... was machst du da?" fragte Junichi entsetzt. No.6, die nun die Pistole in die Hand regelrecht einsetzte, schwieg bis sie fertig war. Dann blickte sie Junichi frech grinsend an: "Eine HG 59 lässt sich perfekt in mein Implantat einsetzen. Haben Osamu und ich beim Training an der Waffe durch einen Unf... äh... Zufall herausgefunden. Wusstest du selbst nicht, was?" Als sie Junichis überraschtes Gesicht sah, grinste No. 6 und streckte ihm die Zunge raus. Dann wurde sie wieder ernst. "Das wichtigste ist jetzt, dass wir genügend Munition haben und uns ständig in Bewegung halten. Und versteckt, das ist sogar noch wichtiger. Tatsuya, du solltest vielleicht lieber einfach nur versteckt bleiben. Wichtig ist, dass du Sicht auf die Tür hast. Wenn einer von den Jungs rauskommt, gehört er dir. Junichi, wir müssen, wie schon gesagt, in Bewegung bleiben. Unsere Aufgabe ist es, an verschiedene Stellen auf das Gebäude zu schießen. Möglichst so, dass sie nicht merken, dass wir nur zu zweit sind. Wird schwierig, vielleicht ist es sogar unmöglich. Aber trotzdem müssen wir unser bestes tun. Und eins ist noch wichtig: Kein Massaker bevor Osamu da ist. Verstanden?" Tatsuya und Junichi nickten. No. 6 nahm ihre Waffe schussbereit. "Na dann los," sagte sie und lief los. Bevor Junichi ebenfalls, allerdings in die andere Richtung, loslief, hielt Tatsuya ihn zurück. "Immer noch die Theoretikerin, unsere Tsuyako, was?" fragte der Scharfschütze mit einem Grinsen. "Tsuyako ist tot," antwortete Junichi kalt, "Und wenn du No.6 so nennst, könntest du das auch bald sein." Dann lief er los. Der Raum war hell, fast weiß wegen des strahlenden Lichtes, das durch die großen Fenster am oberen Rand des Raumes fiel. In einer Reihe standen 37 Androiden im Ruhezustand, um genau zu sein waren es die gleichen NTA-Roboter, gegen die die KON auch schon in der Murai 7 gekämpft hatten. Zehn von ihnen trugen die Dragonfly-Granatwerfer, die restlichen waren mit verschiedenen schweren Schnellfeuerwaffen ausgerüstet. Neben den Soldaten standen mehrere Computer, auf denen man die Zustände der Roboter ablesen konnte. An den Robotern arbeiteten 4 Gestalten in weiß-grünen Overalls. In einer Ecke des Raumes stand ein großer Käfig mit sieben Bloodhounds, kalbsgroße Bestien mit schwarzer Haut und rollenden roten Augen. Diese Wesen hatten Kiefer, mit denen sie Metall beißen und einen Menschen in der Mitte durchreißen konnten. Sie gaben fauchende, knurrende Geräusche von sich, welche nur sehr entfernt an Hunde erinnerten. Vor dem Käfig stand eine weitere Gestalt in einem weiß-grünen Overall, die versuchte die aufgeregten Kreaturen zu beruhigen. An drei weitern Computern saßen drei weiter Menschen. Zwei von ihnen trugen grüne Overalls, der letzte, ein etwa 47 Jahre alter Mann, dessen schwarze Haare bereits angegraut waren, trug einen weißen Arztkittel und eine Brille. Gegenüber dieser Computer waren acht weitere Gestalten in der uniformen Arbeitskleidung damit beschäftigt einen weitern Androiden zusammen zu bauen. In der Mitte des Raumes war ein Mann, etwa 33 Jahre alt. Seine pechschwarzen, mittellangen Haare waren an seinem Hinterkopf zu einem kurzen Zopf gebunden. Er trug einen schwarzen Anzug mit einer roten Krawatte und lief nervös und ungeduldig im Kreis, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. "Akamatsu-sama, wir haben sie," sagte einer der Personen am Computer. "Na endlich!" rief der Anzugträger, Akamatsu, erleichtert und lief zu den Computern. "Aber es sind nur drei... Der Werwolf und das Mädchen fehlen..." entgegnete der Mann im Arztkittel. Akamatsu sah ihn scharf an. "Das ist also das Zerschlagen, von dem sie gesprochen haben, Yahagi?" Yahagi entgegnete den Blick nicht. "Ich wünschte, ich könnte ihnen dabei zustimmen," sagte er, den Blick auf die thermographische Karte der näheren Umgebung geheftet, welche auf dem Monitor zusehen war. "Können sie sich das erklären?" fragte Akamatsu scharf. "Ich bedaure, nein. Zumindest bei dem Werwolf wundert es mich, genau so wie es mich wundert, dass der Scharfschütze dabei ist." "Was meinen sie damit?" Doch Yahagi gab keine Antwort. Noch immer waren die Wärmepunkte auf der Thermo-Karte unbewegt in ihrem Versteck. "Was machen sie da?" fragte Akamatsu mit unverändert aggressiver Stimme. "Das kann ich ihnen nicht sagen," gab Yahagi ruhig zurück, "Vielleicht warten sie auf die anderen, vielleicht planen sie den Angriff... ich weiß nicht..." "Planen? Ha! Die KON sind eher Terroristen als Soldaten, Yahagi. Sie planen nichts!" Akamatsu drehte sich um und ging wieder in die Mitte des Raumes, "Die KON greifen an und versuchen mit Einsatz ihres Lebens soviel Schaden wie möglich zu machen... Der Tod von Zivilisten ist ihnen egal, ebenso wie Sachbeschädigung, mutwillige Zerstörung und alle anderen Formen von Regelverstößen. Sie sind Killermachinen..." "Sie bewegen sich," rief die Person, die neben Yahagi saß. Akamatsu stürmte zu dem Computer. Zwei der Punkte begannen sich um das Gebäude zu bewegen. Dann fiel ein Schuss. "Nicht reagieren!" schrie Akamatsu, "Sie wollen uns verwirren." Ein zweiter Schuss fiel und kurz darauf ein weiterer. "Was tun sie da?" fragte Yahagi. Akamatsus Antwort klang gleichzeitig ungläubig und anerkennend. "Eine Technik zur Verwirrung übermächtiger Gegner... eine der grundlegenden Techniken aus dem Polizeihandbuch." "Anscheint planen die KON mehr als sie dachten, Akamatsu," gab Yahagi zurück. Rumiko hielt sich an Osamu fest, schweigend. Der Werwolf hatte ihr in wenigen, aber deutlichen Worten die Lage erläutert. Das Mädchen wusste nicht, was sie fühlen oder denken sollte. In ihr war Trauer, ihre Freundin zu verlieren, Wut, weil Osamu recht hatte und trotzdem dieses seltsame Gefühl, die merkwürdige Vorfreude auf den Kampf. Während der gesamten Fahrt wurde kein einziges Wort gesprochen, außer Osamus kurzer Lagezusammenfassung. Erst als sie auf das Militärgelände einbogen, fragte Osamu: "Rumiko, wirst du sie töten können, wenn sie vor dir steht?" "Nein," antwortete Rumiko wahrheitsgemäß und ohne nachzudenken. Sie hatte sich die Fahrt über diese Frage gestellt und war zu diesem eindeutigen Ergebnis gekommen. Osamu seufzte. "Dann hoffe ich nur, dass sie nicht auftaucht..." Xian indessen wusste nichts von dem, was ihretwegen passierte. Sie lag in ihrem Zimmer auf ihrem Bett, hörte Musik und las. Sie tat das was viele normale Mädchen in ihrem Alter auch tun würden. Ihr Zimmer lag fast direkt neben der Halle, in der sich Akamatsu und Yahagi befanden, dennoch hatte sie diesen Raum noch nie gesehen und wusste nicht einmal, dass er existierte. Der andere Teil, des unterirdischen Komplexes, der Teil, den Xian kannte, war wie eine gewöhnliche Wohnung aufgebaut. Man hatte Xian erklärt, dies sei zu ihrer Sicherheit geschehen und Xian hatte keinen Grund Akamatsu-Oto-san und Yahagi-Oji-san zu misstrauen. Währenddessen kniete Tatsuya versteckt zwischen den Trümmern und hielt seine Sniper auf die Tür des Gebäudes gerichtet, bereit einen einzelnen, tödlichen Schuss abzugeben. Er hört die Schüsse von Junichi und No. 6, sah sie gelegentlich auch, aber realisierte es nicht. Sein Kopf war leer, seine Gedanken auf die Aufgabe fixiert. Er stellte sich keine Fragen, dachte nicht nach, nichts. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig, seine Flügel hatte er glatt angelegt. "Scharfschütze Kanai, erstatten sie Bericht," hörte er eine Stimme hinter sich. Es dauerte eine Weile bis Tatsuya merkte, dass er angesprochen wurde und noch einige Sekunden mehr, bis er Osamus Stimme erkannte. "Frag nicht mich, frag Tsuyako," murmelte Tatsuya ohne aufzusehen. "Tsuyako?" fragte Rumiko, "Sixy? Was?" "Sixy verhält sich wieder wie ein wandelndes Polzeihandbuch," meinte Tatsuya. "Und was genau machst du hier?" erkundigte sich Osamu. "Das, was Sixy zu meiner Aufgabe gemacht hat," antwortete Tatsuya, "Warten." "Na, dann ändere ich deine Aufgabe mal: Mach dieses Fenster da soweit kaputt, dass ich da rein kann," meinte Osamu, der gerade dabei war sich in seine Wolfsgestalt zu verwandeln, und deutete auf eines der großen Fenster. Jetzt erst wendete Tatsuya seinen Blick zu Osamu und sagte grinsend: "Ich bin so froh, das du da bist!" Osamu, der nun fast komplett seine Wolfsgestalt angenommen hatte, grinste ebenfalls, wobei man seine spitzen Reißzähne sehen konnte. "Let's rock." No. 6 während dessen blühte in ihrer Aufgabe geradezu auf. Sie wusste nicht, dass sie sich genau an die polizeilichen Vorschriften hielt und auch nicht wie sie auf diese Idee gekommen war. Ihr war nicht klar, dass dies die festen Strukturen ihres Lebens als Tsuyako Kuronaga waren. Strukturen, die fest in ihr verwurzelt waren und von denen sie sich niemals lösen konnte. Doch sie spürte eine ungewohnte Freiheit und Freude in sich. Etwas, das ihr so fremd, so neu und doch so bekannt war. Auch No. 6 dachte nicht nach. Es war wie eine Instinkthandlung, es war etwas, dass sie schon so oft getan hatte. Es war wie eine Reise in eine andere, eine vergangen Zeit. Ein plötzlicher Schuss riss sie zurück in die Realität. Es war der Schuss eines Scharfschützens... Tatsuya."Idiot," fauchte sie und eine brennende Wut stieg in ihr auf. Wie konnte er gegen den Plan, gegen die Vorschriften verstoßen? Erst als sie diesen Gedanken fertig gedacht hatte, wurde ihr klar, dass es nicht allein sie, No.6, war, die das dachte. Es war auch diese Frau, die sie einmal gewesen war. Sie versuchte diese Gedanken zu verdrängen, als sie zu Tatsuya lief. "Sie haben ihre Strategie geändert!" meldete eine der Personen, die am Computer saß. "Das habe ich selbst gemerkt, sie Vollidiot!" schrie Akamastu ihn an, dann fügte er für Yahagi hinzu: "Es ist der Werwolf. Er ist der Anführer und hat das Kommando." "Sie meinen, er gibt den Befehl zum Massaker?" fragte Yahagi und Akamatsu nickte. Dann rief er den Männern zu: "Haltet die Soldaten bereit, gleich kann es hier ziemlich hässlich werden." Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, zersprang das dicke Glas des Fensters und durch dem glitzernden Scherbenregen sprang die dunkle Gestalt eines Werwolfs in den unterirdischen Raum. Wenige Sekunden verharrte Osamu auf dem Boden kniend und ließ seine bernsteinfarbenen Augen durch den Raum wandern. "Ich glaube, das kann lustig werden," sagte der Werwolf leise, dann jaulte er. Fast war es, als hätte das Jaulen die Androiden erweckt, doch jede Person im Raum wusste, dass es nicht so war, als sich 37 Roboterköpfe zu Osamu drehten. Die Arbeiter zogen sich zurück an die Computer. Osamu richtete sich inzwischen auf und zeigte seine ganze, beeindruckende Werwolfgestalt. Natürlich waren die Androiden kein bisschen beeindruckt, ebenso wenig wie die Bloodhounds, welche die angespannte Atmosphäre witterten, die sie aufreizte und fast verrückt werden ließ. Dann sprintete er los, direkt an der geschlossene Reihe der Androiden vorbei zu dem geschlossenen Käfig der Bloodhounds. Jetzt begannen auch die Soldaten sich in Bewegung zu setzen. Ihre Waffen hatten sie auf den Werwolf gerichtet und mit schnellen Schritten folgten sie ihm. Dann eröffneten sie das Feuer. 27 Waffen, keine der Dragonflys, feuerten gleichzeitig auf den Werwolf, während dieser auf den Käfig der Bloodhounds sprang und sich an das Gitter drückte. Das Knurren und Fauchen der Bestien wurde immer stärker, während sie nach dem Werwolf schnappten, der sich über ihnen befand. Unbemerkt von denen, die sich im Raum befanden, schlängelte sich ein dunkelbraunes Seil durch das Fenster. Immer noch unbeobachtet rutschten Rumiko und No.6 an diesem Seil hinunter und landeten auf dem Boden des Raumes. Die Androiden hatten nun Osamu, der immer noch auf dem Käfig lag, eingekreist. An seinen Oberarmen hatte der Werwolf bereits breite Schusswunden, aus denen das Blut auf die bereits vom Mordfieber gepackten Bloodhounds tropfte. Ein kaum sichtbarer, silberner Schimmer war für wenige Sekunden zu sehen, die tödliche Refelxion auf Rumikos Klinge. Ein Androide brach zusammen. Ein weiter direkt daneben ebenfalls, nach dem No.6 ihre metallene Hand um seinen Hals geschlossen hatte. "Das Mädchen und der Cyborg!" schrie Akamatsu wutentbrannt ohne die beiden wirklich gesehen zu haben, "Tötet sie!" Einige seiner Arbeiter schienen Angst zu bekommen und flohen heimlich aus dem Gebäude. Doch die kamen nicht weit, den Tatsuya befolgte wieder den Befehl, den No.6 ihn gegeben hatte: "Wenn einer von den Jungs rauskommt, gehört er dir." Junichi saß auf einer Mauer. In seinen Händen hielt er ein kleines mechanisches Gerät mit leicht bläulich leuchtendem Monitor. Es war ein funkgesteuertes Hackertool, mit welchem er sich versuchte in die Computer, die sich im unterirdischen Raum befanden einzuhacken. In diesem Raum war inzwischen das eingetreten, was Osamu als seinen Lieblingsteil des Auftrags bezeichnen würde: Ein wildes, nahezu aussichtslos wirkendes Massaker. Rumikos Klinge tanzte geschmeidig und zerstörerisch durch die Reihen, die elegante Gestalt des Fuchscyborg verwandelte sich in eine tödliche Killermaschine und Osamu ließ lachend seine Werwolfkrallen durch die Reihen der Androiden fahren. Dann schnappte er sich einen der Feinde, die eine Dragonfly hielten. Seine Klauen legte der Werwolf genau auf die Roboterhände und ließ den Lauf der Waffe auf den Käfig der Bloodhounds zielen, welche sich zum Teil bereits selbst zerfleischten. Dann drückte Osamu ab. Der Rückstoß ließ den Werwolf einen Schritt zurück taumeln. Die Explosion hinterließ nichts an dieser Stelle, wie es vorher war. Die Bloodhounds waren schwarz verbrannt, unkenntliche Reste brennenden Fleisches, von welchen ein bissiger Geruch hinauf stieg. Die drei Androiden, die dort standen waren nur noch glühende Metallteile und ein großes Stück der metallenen Wand war heraus gebrochen, so dass man in den Gang vor dem Raum sehen konnte. Ein unglaublicher Lärm riss Xian aus ihrem Buch. Sie kannte diesen Lärm, wusste dass es der Lärm einer Explosion war... Es war genau wie zuvor in der Murai 7. Panik ergriff das Mädchen. Was war bloß in ihrem Leben auf einmal passiert? Und warum passierte es ausgerechnet jetzt? Ängstlich ging sie aus ihrem Zimmer. Als sie den Eingangsbereich betrat schrak sie zusammen. Ein Loch war in der vormals sauberen, weißen Wand und schwarzer Rauch stieg auf, vermischt mit einem so widerwärtigen Geruch, das Xian würgen musste. Außerdem hörte Xian noch weitere Geräusche: Schüsse, Schreie... die Geräusche von Kampf, Tod und Zerstörung. Dennoch trieb eine innere Kraft Xian in dieses Chaos. Es war wie ein Mechanismus, gegen den sie nicht ankämpfen konnte. Doch was das Mädchen dort sah, war noch schlimmer als sie es sich vorgestellt hatte. Sie sah das Schlachtfeld, die toten Bloodhounds fast die direkt vor ihr. Zu ihrer Rechten war eine Reihe von Computern. Dort standen Akamatsu-Oto-san und Yahagi-Oji-san, die Menschen, die sie aufgezogen hatten und einige andere Personen die sie nicht kannte. Der Rest des Raumes war übersät von Metallteilen und in diesem Chaos sah sie die Kämpfer: Ein Werwolf, ein Cyborg und... Rumiko. Ein entsetzter Schrei entfuhr der Chinesin. "Xian!" riefen Yahagi und Rumiko wie aus einem Mund. "Lin Xian..." murmelte Junichi, der inzwischen Zugriff auf das Computersystem hatte, während er eine Datei über den Cyborg entschlüsselte. Plötzlich weiteten sich seine Augen. "Hey, Tatsuya," sagte er und winkte den Scharfschützen zu sich, "Ich hab hier was für dich: Xian weiß nichts über sich. Sie weiß nicht, dass sie ein Cyborg ist. Wir können sie vielleicht für uns gewinnen." Tatsuya war mit einem Flügelschlag bei ihm. "Meinst du wirklich?" fragte er misstrauisch. Junichi nickte. "Wir müssen ihr nur..." begann er, wurde jedoch unterbrochen, von einem Schrei auf welchen der Ruf "Xian!" antwortete. Ohne seinen Satz zu vollenden, lief Junichi zu dem zerbrochen Fenster und setzte sich. "Lin Xian!" rief er laut, "Ich habe dir etwas wichtiges zu sagen." Bis auf die Androiden und Osamu wendeten nun alle ihre Blicke zu dem Jungen, der da im Fenster saß. Tatsuya setzte sich neben ihn, seine Waffe schussbereit. "Es ist die Geschichte über ein Mädchen, deren Eltern getötet wurden, weil das Mädchen etwas besaß, das in der Welt selten geworden ist: Unschuld und ein reines Herz..." begann Junichi. "Oh nein..." sagte Akamatsu leise, dann schrie er: "Tötet dieses Kind! Tötet ihn!!" Doch niemand folgte den Befehl, den jeder wusste, dass dieser Scharfschütze dort jeden Versuch diesen Befehl Folge zu leisten verhindern würde. "Dieses Mädchen wurde danach von den Mördern ihrer Eltern aufgenommen und wusste nicht, was sie mit ihr vorhatten. Sie wusste auch, was sie bereits mit ihr getan hatten. Das Mädchen war, ohne es zu wissen, vercybert worden. Sie war ein Cyborg und noch dazu einer, der dazu gemacht war, um zu töten..." fuhr Junichi fort, "... und dieses Mädchen, Xian Lin, bist du..." "Glaub ihm kein Wort, Xian!" rief Yahagi, "Er lügt. Sie sind hier um dich zu töten, sie sind die Mörder deiner Eltern." "Wenn wir vorhätten das zu tun, hätten wir es schon längst getan!" schrie Rumiko. Xian begann zu weinen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und die Tränen liefen ihr aus den Augen. In der letzten Minute hatte sich ihre ganze Welt, alles, an was sie glaubte, aufgelöst. Sie wusste nicht, was die Wahrheit und was eine Lüge war. Alles um sie herum und alles in ihr schien zu zerbrechen. Langsam und ohne zu wissen, was sie tat, liess Xian ihre Hände in ihren Nacken wandern. "Nein!" schreien Yahagi und Akamatsu wie aus einem Mund, synchron mit ihnen schrie Junichi: "Raus!" No.6 rannte zum Seil, das noch immer aus dem Fenster hing und kletterte hinauf. Rumiko lief zu Osamu, der sich gebückt vor das Fenster gestellt hatte und sprang auf seine Schultern und als er nach oben schnellte, sprang sie von ihm aus durch das Fenster. Osamu packte mit den Krallen den unteren Rand des Fensters und wollte sich hochziehen. Doch das war nicht nötig. Die Druckwelle aus dem inneren des Gebäudes katapultierte den Werwolf einige Meter durch die Luft, bevor er hart auf dem Boden aufschlug. Das Gebäude war in sich zusammen gefallen, ohne Rauch, ohne Qualm, ohne Staub. Das Gras direkt um die frischen Trümmer war gelb, fast weiß, ausblichen, verdorrt. Die KON hatten es geschafft sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, niemand war in diesem Bereich zurückgeblieben. "Xian!" schrie Rumiko und rannte zu der Ruine. Tränen standen in ihren Augen, als sie verzweifelt die Trümmer zur Seite räumen wollte. Als das Mädchen sie berührte, verbrannte sie sich die Hände. Auch wenn man es ihnen nicht ansah, waren die Trümmer glühendheiß, was die verzweifelte Rumiko nicht davon abhielt, darin herumzuwühlen, das Unmögliche hoffend. "Was war das?" fragte No.6 und Junichi antwortete mit leiser, bitter Stimme: "... Ein Cyborg um zu töten. Ein Cyborg, der selbst eine mächtige Waffe war, ohne es zu wissen. Ein Kamikazekrieger gegen den eigenen Willen." "Wir hätten sie retten können, ja?" schrie Tatsuya den Jungen an, mit einer Stimme, die vor Zorn zitterte, "Wir können sie für uns gewinnen, ja?" Auch in den Augen des Scharfschützen glitzerten Tränen, während er sich wütend vor Junichi stellte. Der Junge schwieg. "Du verdammter Lügner!" schrie Tatsuya und wollte auf Junichi losgehen, wurde jedoch von No. 6 aufgehalten. "Ich bring dich um!" Eine einzelne Träne lief über Tatsuyas Gesicht, während er sich aus dem Griff des Cyborgs befreien wollte, was ihm nicht gelang. "Tatsuya, beruhig dich," sagte Osamu. Er hatte sich inzwischen wieder in seine menschliche Gestalt zurück verwandelt und schritt nun, mit einer Zigarette im Mund, zu den anderen. "Irgendjemand musste sterben," fuhr er fort, "Das war von Anfang an klar. Und lieber sie als wir." Tatsuya begann sich zu beruhigen, während No.6 ihn weiterhin festhielt. "Gehen wir," meinte der Werwolf und drehte sich zu seinem Motorrad, "Unsere Aufgabe ist hier erledigt." Rumikos Tränen fielen auf die glühenden Trümmer und verdampften sofort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)