K.O.N. - Take Two von KleinerToaster (The One, who Strikes the Knights) ================================================================================ Kapitel 4: Stage 4 - The Teddy-Bear Principle --------------------------------------------- Rumiko schlug schwungvoll die Tür des Lost Fortress auf. Es war ungefähr die Zeit, als sich auch Tatusya und Xian wieder begegneten. Leise summte sie eine spontane Melodie. Sie war immer noch gut gelaunt und wollte jetzt in ihren Mangas einige Szenen nachschlagen, über die sie sich mit Xian unterhalten hatte. Doch gerade als sie die Tür öffnen wollte, hörte sie eine düstere, kalten Stimme hinter sich. "Wieder da?" Rumiko zuckte kurz zusammen. Sie wußte genau, dass es Osamu war. Seine Stimme war immer emotionslos und gefährlich, doch dieses Mal klang sie gefährlicher als sonst. "Osamu?" Langsam drehte sich Rumiko um. Der Werwolf stand hinter ihr und in seinen Augen stand die zornige Kälte seiner Wolfsgestalt. Sein Hals und seine Schläfen waren mit dem grau-schwarzen Fell bedeckt. "Sorry," meinte er und beim Sprechen konnte Rumiko die etwas spitzeren Zähne erkennen, "Ich wollte mich beruhigen, bevor wir miteinander sprechen, doch irgendwie hat es nicht funktioniert." "Was soll das?" fragte Rumiko verwirrt, aber auch ein wenig wütend. "Kann ich reinkommen?" fragte Osamu und deutete mit dem Daumen auf Rumikos Zimmertür. "Das ist keine Antwort," fauchte das Mädchen, "Was ist los?" "Bitte, Rumiko," meinte Osamu und seine Stimme klang nun eher kalt als ruhig, "Tu mir einen Gefallen: Reiz mich nicht!" Die Schwertkämpferin zuckte kurz zusammen. Sie kannte diesen Ausdruck in Osamus Augen, auch wenn er sie noch nie so angesehen hatte. Es war dieser Blick der sagte: "Pass auf, oder ich könnte dich ausversehen ziemlich übel zurichten." Osamu war kein gewaltätiger Mensch, im Gegenteil, er war eher ruhig. Aber er war ein Werwolf und hatte sich nicht immer völlig unter Kontrolle. Zaghaft nickte Rumiko öffnete die Tür, ohne ihren Blick von Osamu, der Halb in menschlicher, Halb in Werwolfsgestalt war und anscheint versuchte sich zu beruhigen. "Wir müssen nicht rein, wenn du nicht willst," fügte er dann hinzu, "Ich wollte nur eine Entscheidung hören." "Nein, nein, schon okay," meinte Rumiko und betrat ihr Zimmer. Osamu folgte ihr. Das Mädchen setzte sich auf ihr Bett und sah den Werwolf an. "Okay, worum geht's?" fragte sie und versuchte ruhig zu klingen, obwohl sie ebenfalls wütend und auch ein wenig ängstlich war. "Das weißt du doch ganz genau,"entgegnete Osamu. "Xian," sagte Rumiko fest. Der Mann nickte, woraufhin die Schwertkämpferin innerlich zusammen zucke. "Was ist mit ihr?" fragte das Mädchen scharf. Osamu atemete tief druch. Langsam nahmen die Wolfsmerkmale in seinem Gesicht und an seinem ganzen Körper ab. "Es ist..." begann er, "Ich will nicht, dass du dich mit ihr triffst." "Was?" Rumiko sprang auf. Sie hatte zwar geahnt, dass Osamu etwas in der Art sagen wollte und sie wußte auch, dass Osamu Sachen direkt auf den Punkt brachte. Aber dennoch war es ein merkwürdiges Gefühl die Wahrheit so ins Gesicht gesagt zu bekommen. Merkwürdig und verletzend. Und zwar so sehr das Rumiko all die Vorsicht, die sie sich über die Jahre hinweg im Umgang mit Osamu angeeignet hatte, vergaß. "Warum?" rief das Mädchen wütend. "Ich habe meine Gründe, Rumiko!" Osamu blieb ruhig, auch wenn man merkte, das es ihm schwerfiel. "WARUM?" schrie Rumiko. "Du würdest es nicht verstehen!" versuchte der Werwolf zu erklären. "Bist du eifersüchtig auf sie? Denkst du ich verlasse die KON, weil ich Freunde finde? Weil wir, sie und ich, uns ähnlich sind? Warum, Osamu? Sag mir warum!" Die Schwerkämpferin war zornig. Sie wollte den Grund wissen, warum Osamu sie von Xian, ihrer einzigen Freundin fernhalten wollte. "Es ist ja nicht so, dass ich nicht will, dass du Freunde findest. Nein, aber muss es den dieses Mädchen sein?" Osamu nahm sich eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an. "Wieso? Was hast du gegen Xian?" rief die Schwertkämpferin immer noch zornig. Osamu lehnte sich gegen die Wand. "Es ist eine lange Geschichte," meine er, "Du, wie gesagt, du würdest es nicht verstehen... Nicht jetzt, nicht, wenn du so wütend bist. Vertraue mir einfach." "Vertrauen? Wenn ich dir vertrauen soll, kannst du wenigstens versuchen mir zu erklären was du gegen sie hast! Ich hatte dir vertraut, damals, und ich weiß bis heute nicht, ob es richtig war!" Osamu stieß sich mit dem Rücken von der Wand ab und begann in Rumikos Zimmer auf und ab zu gehen. Dabei schwieg er und genau das war es, was Rumiko noch aggressiver machte. "Ich wünschte ich hätte dir damals nicht vertraut!" schrie sie wutentbrannt, "Ich wünschte, ich wäre nie zu den KON gekommen!" Ruckartig drethe sich Osamu zu Rumiko. Whärend dieser halben Drehung seines Kopfes, hatte sich Osamu fast vollständig in die Wolfsgestalt verwandelt. "Ich auch," knurrte er und ein irres Funkeln war in seinen wütenden Augen, "Dann hätten wir jetzt diese Probleme nicht!" Einen Moment lang hatte Rumiko die Gewissheit nun zu sterben. Für diese Sekunden, in denen sie direkt in Osamus goldene, zornerfüllte Wolfsaugen sah. Doch dann drehte sich der Werwolf um und verließ wortlos das Zimmer. Rumiko zitterte. Alles drehte sich in ihrem Kopf. Osamu... er bereute, dass er Rumiko damals angesprochen hatte, er bereute, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Wäre es ihm lieber, sie wäre nicht mehr am Leben? Rumiko respektierte Osamu, sie mochte ihn. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu dem Schwert, das neben ihr auf dem Bett lag. Osamu ging in sein Zimmer und ließ die Tür hinter sich zufallen. Die Zigarette, die er sich in Rumikos Zimmer angezündet hatte, hatte er, als er sich in seine Wolfsgestalt verwandelte, aus dem Mund genommen und mit der rechten Pranke zerdrückt. In seinem Zimmer ließ er den zerbröselten Rest in den Mülleimer fallen und zündete sich eine weitere Zigarette an. Dann nahm er seine schwarze Lederjacke vom Kleiderhaken und nahm ein Paar lederne, fingerlose Handschuhe. Der Werwolf hatte inzwischen wieder seine menschliche Gestalt angenommen. Nun zog er sowohl Jacke als auch Handschuhe an und ging in die Garage um sein Motorrad zu holen. Wohin er fahren wollte, wußte er nicht genau. Hauptsache weg vom Lost Fortress. Osamu fuhr los, Richtung Stadtmitte Neotokyos, die untergehende Sonne im Rücken. Mit dem Zeigefinger fuhr Junichi No. 6 durch das Gesicht, an der Linie, an der ihre Haut und das Metall ihres Implantats sich trafen. Der Cyborg hatte die Augen geschlossen, whärend sie auf der Seite lag, neben Junichi in seinm Bett. "Du bist wunderschön," flüsterte Junichi und No. 6's Lippen formten ein zartes friedliches Lächeln. "Die schönste Frau auf der ganzen Welt," fügte er hinzu. No. 6 schlug ihre Augen auf und legte Junichi ihre rechte Han in den Nacken. "Obwohl ich ein Cyborg bin?" fragte sie leise, doch Junichi kam nicht zu einer Antwort. "Warum?" Rumikos Stimme klang durch das Lost Fortess. Junichi und No.6 stockten. "Osamu," vermutete No.6 leise, "Mit Tatsuya würde sie anders sprechen." Junichi nickte. Den Rest der Diskussion verstanden die beiden nicht, nur dass es dann plötzlich still war. Es dauerte nicht lang, keine drei Minuten und sie hörten, wie Osamu sein Motorrad startete und losfuhr. "Das klang gar nicht gut," meinte Junichi. No. 6 nickte und sagte: "Wir sollten besser nach Rumiko sehen." Die beiden standen auf, zogen sich schnell an und liefen zu Rumikos Zimmer. No. 6 rieß die Tür auf und sie und Junichi erstarrten kurzeitig. Rumiko stand in der Mitte des Zimmers, der Tür den Rücken zugewand und ihr erhobenes Schwert in den Händen. Sie zitterte, aber nur leicht. Dann gescah alles auf einmal. Das Schwert, das sich Rumiko in den Bauch rammen wollte. Junichi, der, immer noch wie gelähmt, aufschrie. No. 6, die sich wieder fasste, zu Rumiko stürzte und mit ihrer rechten, mechanischen Hand die Schwertklinge umfasst und von Rumiko wegriß. "Rumiko, was...?" rief der Cyborg geschockt. Das Mädchen sah sie mit leerem, traurigem Blick an und Tränen standen in ihren Augen. "Osamu," flüsterte sie, "Er... er hat sich gewünscht, dass ich nicht mehr lebe..." "Was?" fragte No. 6 und Junichi, der sich nun wieder gefasst hatte, meinte: "Das ist doch Unsinn. Du weißt doch, dass er ein Werwolf ist. Da passiert schon mal, dass man... ähm... schnell aggressiv wird und Sachen sagt, die man nicht so meint." "Außerdem hat er dich viel zu gern," meinte No. 6 und ließ das Schwert los, "Du bist für ihn sowas wie eine kleine Schwester oder eine Tochter... obwohl das nicht ganz hinhauen würde mit dem Alter." Rumiko lächelte ein wenig und wischte mit dem Rücken ihrer rechten Hand die Tränen aus ihren Augen, während sie mit der linken Hand ihr Schwert hielt. "Danke," flüsterte sie. "Danke? Wofür?" meinte No. 6, "Weißt du was, wir gehen jetzt zusammen in Junichis Zimmer und gucken uns ein Paar Filme an!" "Und ich mach Kaffee!" rief Junichi begeistert. "Bestimmt haben wir auch noch ein Paar Chips, oder sowas," meinte No. 6 voller Enthusiasmus, "Oh ja, das wird ganz sicher total toll!" Junichi verschwand aus dem Raum in Richtung Küche. "Komm, wir gehen und suchen uns 'nen Film aus," sagte No. 6. Rumiko steckte ihr Schwert zurück in die Scheide und stellte es neben ihr Bett. "Geh schon mal vor," meinte sie, "Ich zieh mich nur schnell um. Und außerdem kannst du davor das Zimmer noch mal durchlüften." "Öhm, naja, wenn du meinst," meinte der Cyborg und kratzte sich grinsend am Hinterkopf. Dann drehte sie sich um und wollte gehen. Noch ein letztes Mal sah sie zu Rumiko zurück. "Und es ist auch wirklich okay?" erkundigte sie sich. Rumiko nickte. "Solang ihr genug Filme mit Vincent Ferris habt..."sagte das Mädchen und grinste. Inzwischen war Osamu im Zentrum Neo Tokyos angekommen. Er fuhr durch die Straßen, ohne festes Ziel. Die Sonne war nun schon untergegangen. Die bunten Leuchtschriften begleiteten, verfolgeten Osamu durch die Straßen. Es waren immernoch Menschen unterwegst, aber nicht mehr viele, nicht hier. Inzwischen hatte der Werwolf eines der düstersten Viertel der Metropole angekommen. Die Leuchtschriften hier versprachen Mädchen, versprachen Blut, versprachen Drogen, Waffen und Gewalt. Sinyato, die Unterwelt Neo Tokyos traf sich hier, die Reichen, die Armen. Die die ihr Geld ausgeben wollten, die die hofften welches zu bekommen, auf welche Weise auch immer. Doch niemand dem der nächste Tag wirklich wichtig war, verschlug es hierher. Vor einer mittegroßen Kneipe deren Name, Armageddon, in roten Leuchtbuchstaben über der Tür blinkte, stoppte Osamu das Motorrad und stieg ab. Er aktivierte die Sicherung, die Junichi in wochenlanger Arbeit extra für Osamus Motorrad entwickelt hatte. Aber es hatte sich gelohnt und es gab nur zwei Möglichkeiten, diese Sicherung zu überwinden. Die erste wäre extrem viel Glück und für die zweite bräuchte selbst ein begabter Mechaniker und Hacker wie Junichi fast sieben Stunden. Und niemand, nicht einmal in Sinyato war so lebensmüde solang an einem Motorrad herumzuarbeiten, vor allem nicht, wenn dies einem Werwolf gehörte. Dann betrat Osamu die Kneipe. Drinnen war es verraucht, stickig, der Geruch von Zigarette, Blut, Pulver, Feuer und Alkohol lag in der Luft. Ein trübes, graues Licht erfüllte den Raum. An den wenigen, schmutzigen Tischen saßen verschiedene Gestalten, Männer, Frauen, die vom Schicksal, vom Leben im Abfall der Metropole, vom Leben in Sinyato, gezeichnet waren. Es gab Menschen, die hier lebten, obwohl sie es nicht wollten. Menschen, die sich an eine ungschriebene Ausgangsperre hielten und dennoch lang wach lagen, dem Lärm von Straßenkämpfen und illegalen Rennen lauschend, nur mit der Hoffnung, den nächsten Tag noch zu erleben. Osamu achtete nicht auf diese Menschen, die in der Kneipe saßen und ging geradewegs zum Thresen, hinter dem ein großer, braunhaariger Barkeeper stand. An seiner Haut konnte man erkennen, dass er kein Mensch, sondern ein Androit war. Es hätte sich wohl kaum ein Mensch, Cyborg oder Faunoide für diesen Job gefunden. "Was soll's sein?" fragte der Androit mürrisch. Osamu hatte sich hingesetzt, den rechten Ellebogen auf den Thresen gestemmt und seine Stirn in die Hand gelegt. "Keine Ahnung," meinte Osamu, "Irgendwas, dass die ganze Scheiße rückgangig macht, die ich heute gemacht habe!" "Was meinste, wie oft ich das höre," knurrte der Barkeeper. "Oft genug um zu wissen, was du mir bringen musst," erwiderte Osamu und legte einige Scheine hin. Der Barkeeper nahm das Geld und wand Osamu den Rücken zu. Auch Osamu drehte sich um, legte die Ellebogen auf den Thresen hinter ihm und zündete sich eine Zigarette an. "Hi." Osamu hörte links neben sich eine weibliche Stimme. "Nein," antwortete er mit abweisend, bevor er sich umdrehte um die neben sich anzusehen. Es war eine junge Frau, sogar fast noch ein Mädchen, mit langen, glatten, blondierten Haaren. Sie trug ein sehr knappes, rosafarbenes Träger-Top, dessen linker Träger an ihrem Oberarm soweit herunter gerutscht war, dass man gerade erkennen konnte, das sie nichts darunter trug. Dazu trug sie einen sehr kurzen, enganliegenden gelben Rock. An ihren Beinen trug sie weiße Nylonstrümpfe, die ihr bis zu den Obrschenkeln reichten. Das Gesicht des Mädchens war stark mit geschminkt und sie lächelte Osamu an. "Dich habe ich hier noch nie gesehen," sagte sie. Osamu antwortete nicht, sondern nahm das Getränk, das ihm hingestellt wurde und trank daraus. Das Mädchen blickte ihn an. "Wenn's nach mir ginge wäre das auch jetzt nicht der Fall," murmelte er. "Was meinst du damit?" fragte die Blonde. "Ich bin keiner von denen, die mit Mädchen wie dir zu tun haben," antwortete Osamu, trank einen weiteren Schluck und fuhr fort: "Du kannst also ruhig wieder gehen." Das Mädchen lächelte. "Du bist süß," meinte sie, "und außerdem so nett." "Bist du irgendwie verrückt oder sowas?" fragte der Werwolf, "Wie alt bist du?" "Immer so alt wie du willst," flüsterte das Mädchen und wollte ihre Hand auf Osamus Wange legen. "Wenn du das tust, bist du diese Hand los," antwortete dieser ruhig, "Also, überleg's dir gut, ich mein's ernst!" "Was ist los?" fragte die Blonde, die ihre Hand zurückgezogen hatte. "Kleine, bei mir kriegst du nichts, kapier's einfach," sagte Osamu und trank den Rest des Getränkes aus. Das Mädchen stand wortlos auf. In ihrem Gesicht war ein Ausdruck, der nicht zu deuten war. "Obwohl, Moment," hielt Osamu sie noch einmal an, "Vielleicht kannst du dir doch was verdienen." "Wirklich?" Das Mädchen drehte sich zu dem Mann um. Zwar lag ein Lächeln auf ihren Lippen, aber in ihren Augen war immernoch dieser Ausdruck, den kein Mensch zu deuten vermochte. "Du kennst dich hier sicher aus," sagte Osamu. Das Mädchen nickte. "Ich kenne alle Plätze, an denen..." "Nein, nein, darum geht es mir nicht!" unterbrach er sie, "Ich will wissen, ob hier irgendwo Geld zu verwetten ist. Schlägereien, du verstehst. Ich denke, von dir gibt's Insider Infos." Das Mädchen schien verwirrt zu sein. "Ich weiß nicht, äh, ich..." stotterte sie verstört. "Doch ich denke, das weißt du," meinte Osamu, holte einige Geldscheine aus dem Portemonaie und hielt sie dem Mädchen hin. Die Kleine sah sich nervös um, neigte sich dann zu Osamu vor und flüsterte ihm ins Ohr: "Drei Straßen weiter, links, direkt neben der 'Venusperle', in einer Seitengasse ist heute ein Spiel. Es ist allerdings privat und ich glaube nicht, dass man sie mitbieten lassen wird." Osamu grinste. "Keine Sorge, Kleine," meinte er und stand auf, "Das hatte ich gar nicht vor!" Dann verließ er ohne ein weiteres Wort die Kneipe, setzte sich auf das Motorrad und fuhr zu dem Ort, von dem das Mädchen ihm erzählt hatte. Die Venusperle war ein großes Bordell und in ganz Neo Tokyo bekannt. Es war kaum zu verfehlen, den das rote und rosa Licht der Neonschrift war schon von weitem zu sehen. Osamu blieb nicht stehen, sondern bog in eine Seitengasse ein. Kaum war er wenige Meter gefahren, war das Licht verschwunden und die Geräusche waren verstummt. Das einzige, was zu hören war, war der Motor von Osamus Maschine. Er fuhr weiter durch die dunkle, schmutzige Seitengasse, bis einige leise Stimmen an sein Ohr drangen. Osamu hielt an und stieg ab. Er schaltete die Sicherung an, überprüfte seine Waffe und entzündete sich eine Zigarette. Dann ging er los, in Richtung der Stimmen. Ein Klirren war zu hören, als Osamu um eine Ecke bog. Vor ihm lag ein mittelgroßer Hof, der auf zwei Seiten durch einen hohen Maschenzaun abgegrenzt war. Auf einer Seite, hinter dem Zaun, standen einige Kisten, auf denen ein mittelalter Mann, grinsend, mit schwarzem Anzug gekleidet und Zigarre im Mund. Neben ihm saßen auf jeder Seite ein Mädchen in einem edelnem, sehr freizügigem Satinkleid. Ein weiteres, ebenso gekleidetes Mädchen saß zu seinem Füßen. Das Klirren war das Geräusch eines Jugendlichen, der gerade gegen den Zaun geschleudert geworden war. Er war etwa sechzehn Jahre alt, hatte mittellange schwarze Haare und ein dunkelblaues Kopftuch. Er trug kein Oberteil, sondern nur eine kurze Jeans, die bis zu den Knien reichte. Seine rechte Schulter war zerissen und der Knochen schien zwischen den blutigen Haut und Fleischfetzen hervor. Aus seinem Mundwinkel lief ebenfalls Blut, seine Knie waren aufgeschlagen und seine Brust war mit blutigen Kratzern übersäht. Sein Gegner war älter als er, etwa neunzehn. Seine rotblonden Haare standen wild von seinem Kopf ab und man konnte seine Ohren gut erkennen, die weiter oben am Kopf waren, als bei normalen Menschen und das rötliche Fell um sie herum. Er trug ein ärmelloses, beige farbenes T-Shirt und eine lange, zerissene, braune Hose. Außerdem trug er sogenannte "Cat Claws"; Handschuhe, an deren Rückseite sich Killernieten befanden, Killernietenarmbänder, die rundeherum mit den spitzen Dornen gespickt waren und drei etwa zehn Zenitmeter lange Metallklauen, deren Spitzen leicht gebogen waren. Seine Finger hatten keine Fingernägel, sondern ausfahrbare Krallen, wie bei einer Katze. Seine Stirn war blutig aufgekratzt und leuchtend roter Blutfleck war an seinem linken Knie zu sehen. Auf den Seiten neben den Kämpfenden standen die Gangs der beiden. Jeweils etwa zwölf Jugendliche im Alter zwischen 14 und 23, die beide einen der beiden anfeuerten. Der Verletzte versuchte wieder aufzustehen, in dem er sich mit dem linken Arm am Gitter hinter ihm hochzuziehen versuchte. Der Katzenjunge grinste. "Oh, nein, Freundchen!"sagte er, sprang zu seinem Gegner und schlug ihm mit voller Kraft die Krallen in den Bauch. Der Angegriffene schrie auf und sackte wieder zusammen. Von der rechten Seite kam ein lauter Ruf: "Cat Claw, hör auf damit! Mach ihn endlich kalt!" "NEIN!" schrie eine weibliche Stimme aus der anderen Gruppe, "Lass ihm am Leben! Ich muss ihn noch vercybern können!!" "Was denn nun?" fragte der Katzenjunge, Cat Claw ein bißchen verwirrt. "Töte ihn," sagte der reiche Mann, der in Sicherheit hinter dem Zaun saß, und grinste. Doch noch bevor Cat Claw angriff, war ein Schuß zu hören. Alle erstarrten und blickten dorthin, woher das Geräsch kam. Osamu stand da, den Kopf gesenkt. Die linke Hand hatte er an seiner Zigarette und in der rechten hielt er seine erhoben Pistole. "Wer bist du? Was willst du hier?" Wütende und erstaunte Rufe waren zu hören, die sich alle an Osamu richteten. "Was ich hier will?" fragte dieser, nahm seine Pistole wieder runter und sah auf, "Wahrscheinlich das gleiche wie Mr. Ich-hab-das-Geld,-Ich-hab-die-Frauen-Ich-bin-so-toll dahinten. Meinen Spaß." Lässig deutete er mit der Pistole auf den Mann hinter dem Gitter. "Was soll das?" rief dieser wütend und doch war ein Wenig Furcht in seiner Stimme zu hören, "Tötet ihn! Ich bezahle extra für seinen Kopf." "Das würde ich nicht tun," sagte Osamu ruhig und ließ seine Waffe eine Runde entlang der Straßenkämpfer wandern. "Macht schon, ihr verfluchten Bastarde," schrie der Mann, außer sich vor Angst und Wut, "Oder der Deal ist geplatzt!" Ein junges Mädchen, etwa 14 Jahre alt, stolperte aus der Gruppe, zu der Cat Claw gehörte. Sie war ängstlich und verwirrt, anscheint hatte sie jemand nach vorne gestoßen. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einem Perdeschwanz gebunden, sie trug eine dunkelblaue Schuluniform und hatte ein Nunchakku in der Hand. Trotz ihrer deutlich sichtbaren Angst begann sie die Waffe zu schwingen und näherte sich Osamu leicht gebückt. Ein Schuß ertönte. Der Klang schallte von den Wänden wieder, genau wie der schmerzerfüllte Schrei des Mädchens. Sie war zu Boden gestürtzt und hatte ihre Arme um den Bauch geschlungen. Ihr Gesicht war schmerzverzehrt und Tränen liefen aus ihren geschlossenen Augen. Blut sickerte zwischen ihren Armen aus der Schusswunde in ihrem Bauch und bildete sehr schnell eine Lache auf dem dreckigen grauen Asphalt. Ein Junge, der nur wenig älter als die Verwundete war und ebenfalls schwarze Haare und eine dunkelblaue Schuluniform trug, schrie entsetzt auf und rannte zu ihr. Er kniete sich neben sie und nahm sie in den Arm. "Bruder... ich..." flüsterte das Mädchen, bevor sie das Bewusstsein verlor. Der Junge drückte sie an sich und presste sein Gesicht an ihre Schulter. Zwar konnte man so seine Tränen nicht sehen, aber es war deutlich, dass er weinte. "Willkommen in Neo Tokyo," meinte Osamu und lud seine Waffe nach, "Wer hier das Geld hat, hat auch die Macht. Die Macht über Leben und Tod." Wieder hob Osamu die Waffe. Sein Blick war zu Boden gerichtet und ein weiterer Schuß fiel, gefolgt von einem schrillen Schrei. Nun verlief alles blitzschnell. Eines der Mädchen im Satinkleid war wie gelähmt als der Körper des reichen Mannes in sich zusammensackte, die anderen beiden jedoch reagierten in Windeseile und fischten aus dem Jackentaschen des Toten sämtliche Wertsachen hervor und liefen davon. "Unser Geld!" schrie einer der Straßenkämpfer. Von beiden Gruppen liefen einige Kämpfer zum Gitter und kletterten hinüber während eine allgemeines Durcheinander entstand. Doch eine Sache wurde in diesem Durcheinander sehr deutlich: Hass gegenüber Osamu, da dieser den Mann, der sie bezahlen wollte getötet hatte. Von allen Seiten umringten nun die beiden Gruppen den Mann. Es waren viele Straßenkämpfer, einige vercybert, fast alle bewaffnet. "Muss das sein?" fragte Osamu, warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Dann begann er sich zu verwandeln. Die Straßenkämpfer wischen einen Schritt zurück, als sie merkten, was hier vor sich ging. Osamu, der nun völlig in seiner Wolfsgestalt war, drehte sich nun wieder um, um zu gehen. "Warum hast du das gemacht?" rief eine Stimme aus der Gruppe, "Wir brauchen das Geld um zu leben!" "Damit eins klar ist," meinte der Werwolf ruhig, "Ich hab das nicht gemacht, weil ich euch das Geld nicht gönne. Ich wollte hier mitmachen, aber ich kann es nicht ab, wenn Menschen, die überhaupt keine Ahnung haben, einfach über Leben und Tod entscheiden. Das Spiel ist kein sinnloses Morden. Es ist ein Kampf, der den Tod zur Folge haben kann, nicht muss. Wo wir vom Tod sprechen, die Kleine ist nicht tödlich verletzt. Ich hoffe ihr habt einen guten Mechaniker." Mit diesen Worten ging Osamu. In der Nacht hatten sich dunkle Regenwolken über Neo Tokyo zusammengezogen. Es war gerade so, als hätten die Differenzen zwischen den KONs das Wetter beeinflußt. Tatsuya erwachte früh am Morgen durch einen leichten Schmerz im rechten Flügel. Es war kälter als am vorigen Abend, aber nicht viel. Der Scharfschütze lag im Gras des Trainingsgelände, unter dem umgestürzten Baum. Sein T-Shirt diente ihm als Kissen und neben ihm lag Xian. Der Kopf des Mädchens lag auf Tatsuyas rechten Arm und Flügel und ihre feine, rechte Hand lag auf Tatsuyas unbekleideten Oberkörper. Sie war mit dem Mantel des Scharfschützens zugedeckt. Tatsuya drehte seinen Kopf und sah Xian in das ruhige, sanfte Gesicht, das von ihren offenen, langen Haaren umrahmt war. "Hey, Kleines, wach auf," flüsterte er und versuchte seinen Flügel unter der Chinesin hervorzuziehen. Das Mädchen murrte und kuschelte sich näher an Tatsuya. "Xian, aufwachen," sagte dieser nun ein wenig lauter. Dann drehte er sich zu ihr und ab der jungen Chinesin einen Kuss auf die Nase. "Sofort schlug sie ihre Augen auf und lächelte Tatsuya an. "Guten Morgen!" sagte sie leise mit hellwacher Stimme. "Hey, sag mal, du warst doch nicht schon wach, oder?" fragte Tatsuya leicht verwirrt und mit einem Grinsen auf den Lippen. Xians Antwort war nur ihr übliches Lächeln. Dann richtete sich das Mädchen auf, wobei Tatsuyas Mantel hinunter rutschte und Xians Oberkörper, der nur mit einem weißen BH begleidet war, freilegte. Tatsuya sprang mit einer einzigen, fließenden Bewegung auf. Er streckte sich und schlug ein Paar mal mit seinen Flügeln. Xian zog sich inzwischen ihr Kleid wieder an und versuchte mit ihren Fingern die zerzausten Haare zu ordnen. Tatsuya sah zum Himmel. "Sieht nicht gut aus," murmelte er, dann drehte er sich zu Xian und fragte sie lächelnd: "Sag mal, gibt's nicht Ärger von deinen Eltern, wenn du die Nächte bei fremden Männer verbringst, anstatt nach Hause zu gehen?" "Meine Eltern sind tot," flüsterte Xian mit gesenktem Blick, "sie wurden getötet." "Oh, äh, Tut mir Leid," meinte Tatsuya und setzte sich neben das Mädchen, welches nur den Kopf schüttelte. "Du kannst doch nichts dafür," meinte sie und versuchte zu lächeln, "und außerdem lebe ich jetzt bei sehr netten Menschen, die mich genauso behandeln, als wäre ich ihre Tochter. Ich bin sehr glücklich bei ihnen und sie sind überhaupt nicht streng. Trotzdem wünsche ich mir manchmal..." Tränen stiegen in Xians Augen und sie drückte sich an Tatsuya. "Warum mussten sie streben?" schluchzte das Mädchen und Tatsuya strich mit seiner Hand über ihren Rücken. "Du sagst, deine Eltern seien getötet worden... war das hier in Neo Tokyo?" fragte Tatsuya beunruhigt. Xian schüttelte den Kopf. "Wir waren erst wenige Tage hier in Japan. Meine Eltern wollten nicht nach Neo Tokyo. Sie sagten, es wäre zu gefährlich. Wir haben in einer kleinen Stadt auf Hokkaido gelebt." "Und weißt du, wer sie ermordet hat?" fragte Tatsuya, der nun ein Weniger beruhigter war. Hokkaido, dort war er zwar geboren, aber er war schon sein rund zwanzig Jahren nicht mehr dort gewesen, weder als Soldat nocht als Mitglied der KON. Xian schüttelte den Kopf. "Wenn... wenn du es wissen würdest... was würdest du tun?" erkundigte er sich weiter, "Dich rächen?" Wieder schüttelte das Mädchen mit dem Kopf. "Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht... " Noch eine Weile saßen die beiden schweigend da. "Tatsuya... flüsterte Xian auf einmal, "Wenn sie hierher kommen, um mich auch zu töten, würdest du mich beschützen?" "Natürlich," antwortete der Scharfschütze. Rumiko saß am Tisch in der Küche des Lost Fortress. Sie trug ihre Schuluniform und war gerade dabei Milch in ihr Müsli zu schütten. Ihre Augen hatte das Mädchen noch halbgeschlossen, als sie auf einmal Osamus Stimme hörte. "Hi, Rumiko," sagte er und setzte sich auf den Stuhl an der rechten Seite des Tisches. "Morgen," erwiderte das Mädchen ohne Osamu anzusehen. "Tut mir Leid wegen gestern abend," meinte der Werwolf ruhig. "Nicht so schlimm," murmelte Rumiko und stellte die Milch hin, "Du bist ein Werwolf, du kannst nichts dafür." Osamu lächelte trocken. "Schade, dass das nicht ganz das ist, was du wirklich denkst," sagte er. "Oh, doch ist es," antwortete das Mädchen ungerührt und nahm ein Löffel von ihrem Müsli. "Weißt du,"fuhr sie mit vollem Mund fort, schluckte und sagte dann: "Also, natürlich weißt du es. Manche Leute denken, Lykantrophie wäre eine Krankheit." "Ja, und es gibt Werwölfe die sich aufgeben und dass dann als 'Heilung' bezeichnen," meinte Osamu mürrisch, "Aber reden wir nicht darüber, ich bin dir noch eine Erklärung schuldig." Rumiko ass ihr Müsli weiter und nickte nur stumm. Osamu zündete sich eine Zigarette an und begann zu erzählen: "Ich bin mir sicher, dass du noch nie etwas davon gehört hast und das ist auch durchaus verständlich. Das, was mich an diesem Mädchen beunruhigt nennt sich das 'Teddybär-Prinzip'. Geprägt wurde der Begriff zur Zeit des Neoismus. Damals wurden Teddybären oft als Waffen oder Spionagemittel verwendet. Teddys sind so niedlich und harmlos... so unschuldig und könnten nie jemandem etwas tun, right? Tja, und genau dieses Denken wird bei Teddybär-Prinzip ausgenutzt. Es gibt Menschen, die wirken, als können sie keiner Seele etwas zu Leide tun... zum Beispiel deine Freundin. Solche Menschen gibt es nur sehr selten. Und aus diesem Grund, dass sie diese Ausstrahlung besitzen, sind sie gefährlich. Sie werden von verschiedenen Menschen angeheuert und werden für ihre Arbeit gut bezahlt. Einschleichen, Vertrauen gewinnen, vernichten. Und ich weiß, wovon ich spreche, ich habe es erlebt. Ist zwar 'ne längere Geschichte, aber ich werde mich kurzfassen und solange du isst, kann ich's dir ja noch erzählen. Damals, vor KON, hatte meine Gang mal'n Problem mit einem ziemlich reichen Kerl. Ging um Geld, das wir auf nicht ganz rechtmäßige Weise von ihm bekommen hatten. Er war... ziemlich wütend deshalb. Wir dachten, er könne uns nichts tun und kümmerten uns nicht weiter darum. Eines Tages, nicht viel später, kam ein kleiner Junge zu uns... Dreizehn, höchstens Vierzehn. Reiche Kleidung und sah extrem harmlos aus. Er sagte, er wolle zu uns, bei uns einsteigen. Natürlich nahm ihn keiner ernst und lachten ihn aus. Naja, er wirkte irgendwie sehr hilflos. Irgendwer sagte ihm, er solle nach Hause gehen, aber er wollte nicht und bettelte uns regelrecht an. Alle fanden ihn sehr witzig und keiner dachte auch nur daran ihn anzugreifen. Warum auch? Es wäre viel zu einfach gewesen. Ein Paar Mädchen aus der Gang hätten ihn am liebsten wirklich aufgenommen, weil er so süß war. Naja, durch sowas wird man schnell unvorsichtig. Plötzlich zieht der Kleine ein Wurfmesser und schmeißt das einem der anderen in den Schädel. Sofort tot. Die anderen sind erst mal wie erstarrt und bevor man irgendwas tun kann sind zwei weitere tot. Ich konnte nichts machen, war festgekettet, wie immer. Man darf Werwölfe auf Drogen halt nicht freirumlaufen lassen. Sie kamen nicht dazu mich freizumachen. Der Junge hat mit vier Wurfmessern neun aus der Gruppe gekillt. Dann ist er abgehauen, nie wieder gesehen. Der Junge war echt gut." "Und du denkst, Xian ist auch so?" fragte Rumiko. "Möglich wär's" meinte Osamu und zog an seiner Zigarette. "Glaub ich weniger," entgegenete das Mädchen. Sie hatte ihr Müsli inzwischen fertig gegessen und stellte die leere Schüssel in die Spühlmaschine, "Schließlich habe ich sie angesprochen und nicht sie mich. Also kann das gar nicht sein. Und jetzt muss ich langsam mal in die Schule. Ciao!" Rumiko schnappte ihr Schwert und ihre Schultasche, die am Tisch gelehnt hatten und verließ das Lost Fortress. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)