Will You Be My Quarantine? von Rosmarinia ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Dass sich das Dach des mehrstöckigen Gebäudes, auf dem sie sich befanden, wie so oft als seine Schwachstelle herausstellen würde, war für Shikamaru bereits weit im Voraus offensichtlich gewesen. Als er vor dem unbewachten Lüftungsrohr in die Hocke ging, verschmolz er dank seiner pechschwarzen Kleidung mit der Dunkelheit, die sich mit dem Sonnenuntergang vor einigen Stunden unaufhaltsam ausgebreitet hatte. Der Mond, der Sekunden zuvor hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden war, war die einzige theoretisch vorhandene Lichtquelle. Es war gut möglich, dass es später in der Nacht noch anfangen würde zu schneien. Schon als er vor ein paar Tagen ausführlich das Missionsdossier studiert hatte, hatte sich ein gewinnendes Lächeln auf seinem Gesicht abgezeichnet. Für einen Auftrag der Klasse A würde das Ganze ein Kinderspiel werden. Ihre Aufgabe war es, in ein unabhängiges Forschungslabor einzusteigen, das unter Verdacht stand, mit den Fördergeldern Konohas und Sunas unerlaubt neuartige Kampfstoffe zu entwickeln. Und was alle Labore, die dem Profil der gegenwärtigen Einrichtung entsprachen, wie Shikamaru wusste, gemeinsam hatten, war das weitläufige Belüftungssystem, das im sachgemäßen Umgang mit potenziell gefährlichen Stoffen unabdingbar war und ihnen nun in absehbarer Zeit Einlass in den Gebäudekomplex gewähren würde. Kakashi hatte um absolute Geheimhaltung und ein unauffälliges Vorgehen gebeten, bis sich herausgestellt hatte, ob überhaupt und, sollte der Verdachte sich bestätigen, vor allem für wen in der Einrichtung unautorisiert geforscht und produziert wurde. Dank einer undichten Stelle, über die sie von dem angenommenen Missbrauch der Geldmittel erfahren hatten, wussten sie, in welchem der Räume die Proben, die sie entwenden und für eine eingehende Analyse nach Konoha zurückbringen sollten, sich befanden. Genau dort, im dritten der fünf Stockwerke des Gebäudes, endete der Lüftungsschacht. Sich der Aufgabe, die vermeintlich gefährlichen Materie ins Dorf zu bringen, selbst anzunehmen, war ihrem Informanten zu heiß gewesen. Deshalb hatte Kakashi in Rücksprache mit Gaara kurzerhand Shikamaru beauftragt, die notwendigen Beweise zu organisieren. Bei der Wahl eines Partners hatte der Hokage ihm freie Hand gelassen. Wenig überraschend war es also Temari, die ihn nun fröstelnd und ob der niedrigen Temperaturen etwas ungeduldig dabei beobachtete, wie er behände eine Schraube nach der anderen löste und die Verkleidung, die dem Rohr eine Abdeckung gegeben hatte, aus ihrer Halterung nahm. Sie war ohnehin in der Gegend gewesen, als Kakashi Shikamaru zu sich gebeten hatte, um ihm den Auftrag zu erteilen. Ohne ein Geräusch zu verursachen, legte der Jonin das Gitter, das er entfernt hatte, auf dem Dach ab und sah Temari auffordernd an. Sie nickte, kletterte in den Lüftungsschacht und ließ sich dann lautlos nach unten rutschen. Wie sie es zuvor in aller Ausführlichkeit besprochen hatten, signalisierte sie ihm mit einem kurzen Aufleuchten ihrer Taschenlampe, dass sie heil am anderen Ende angekommen war, und gab Shikamaru damit das Zeichen, ihr nachzufolgen. Trotz des Rucksacks, den sie zum Transport der Proben mitgenommen hatten, war es auch für ihn ein Leichtes, durch das Rohr ins Innere des Gebäudes zu gelangen. Nach einer einigermaßen eleganten Landung, die er ein wenig selbstzufrieden zur Kenntnis nahm, richtete er sich auf und ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Es war düster. Stille umgab sie. Wie von ihrem Kontakt versichert, hielt sich abgesehen von einigen wenigen Mitarbeitern der Security zu dieser späten Stunde niemand mehr innerhalb des Gebäudes auf. Um sich mit dem zeitlichen Ablauf und den Wegstrecken, die das Sicherheitspersonal nachts auf ihren Rundgängen zurücklegte, vertraut zu machen, hatten Shikamaru und Temari sich die Zeit genommen, sie eine Weile aus dem Unterholz des nahegelegenen Waldes heraus zu beobachten, ehe sie zu einem späteren Zeitpunkt im Schutz der Dunkelheit das Dach erklommen hatten. Folglich wussten sie, dass sich – abhängig von der Dauer der Raucherpause, die einer der Männer mehr als regelmäßig einzulegen schien – in den nächsten zehn bis fünfzehn Minuten niemand in dem Teil des Komplexes aufhalten würde, in dem sie sich nun befanden. Abgesehen von der Tatsache, dass die Lüftungsschächte nicht unbedingt breit gebaut waren, hatte das geringe Risiko einer Konfrontation nicht unwesentlich zu ihrer Entscheidung beigetragen, den Großteil ihrer Ausrüstung in ihrem Lager einige Kilometer entfernt zurückzulassen und sich auf ein paar der Hauptbestandteile der Grundausstattung zu beschränken. Bei sich trugen sie nun lediglich eine Handvoll Kunai und Shuriken, ein kleines Erste-Hilfe-Set, denn man konnte nie wissen, und ein paar Rauch- und Briefbomben, da es sich bei manchen der Wachleute um ehemalige Shinobi handelte, die den Dienst aus unterschiedlichen Gründen quittiert hatten. Leichtsinnig hatten sie dementsprechend selbstverständlich keinesfalls sein wollen und die Taschen, die sie routinemäßig am Körper trugen, mit einer kleinen Auswahl von allem, das ihnen im Notfall das Leben retten konnte, gefüllt. Da in ihrer Umgebung weiterhin alles ruhig blieb, knipste Shikamaru seine Taschenlampe an und zog den kleinen Zettel aus der Hosentasche, auf dem er sich den ungefähren Aufbewahrungsort der Proben, die sie mitnehmen sollten, notiert hatte. Während Temari sich für alle Fälle an der Tür positionierte und vorsichtig durch die kleine Glasscheibe spähte, die das schwache Licht des Notausgangschilds vom Flur aus in das verlassene Labor hineinließ, schritt er die äußerlich unscheinbaren Apothekerschränke ab, die sich an zwei der vier Wände befanden. Als er den Richtigen gefunden hatte, öffnete er nach und nach jede der sich darin befindlichen Schubladen, um sie auf ihren Inhalt zu überprüfen. Nach einigen Minuten des Suchens, in denen Temari ihr näheres Umfeld genau im Auge behielt, fand er schließlich, wonach er gesucht hatte. Shikamaru klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und nahm, wie es in ihrem Dossier gestanden hatte, vier gläserne Phiolen, die allesamt eine bläuliche Flüssigkeit enthielten, aus ihrer Befestigung. Als er sie gerade behutsam verstauen wollte, zischte Temari leise, aber in einem alarmierenden Tonfall seinen Namen. Er sah reflexartig auf, ließ die Proben etwas unsanfter als geplant in seinen Rucksack fallen und löschte das Licht seiner Taschenlampe. Innerhalb von Sekunden befand er sich neben ihr mit dem Rücken an der Wand. Sie legte sich einen ihrer Zeigefinger an die Lippen. Er lauschte konzentriert und sah sie fragend an, doch sie bedeutete ihm weiterhin, still zu sein. Und tatsächlich – wenige Sekunden später durchbrach Licht aus einer unbekannten Quelle die Dunkelheit auf dem Flur vor der Tür, neben der sie sich an die Wand drückten. Das Geräusch fremder Schritte störte die Stille und ließ Shikamaru, genervt von dieser unplanmäßigen Entwicklung, die Stirn runzeln. Allem Anschein nach waren dem ketterauchenden Wachmann, der sich nun wesentlich früher als gedacht durch den Gang auf das Labor zu bewegte, die Zigaretten ausgegangen. Das Licht kam näher. Temari verfluchte ihre blonden Haare, die im Halbdunkel wie ein Leuchtsignal wirkten, drückte sich mit dem Rücken enger an die Wand. Shikamaru, dem ebenfalls nicht entgangen war, dass ihr helles Haar anfing, das einfallende Licht zu reflektieren, verlagerte geringfügig seine Position, fixierte seine Partnerin zwischen seinem Oberkörper und dem kühlen Beton und schirmte sie so vom Licht ab, das in den Raum einfiel. Beide hatten ihre Atemfrequenz auf ein Minimum reduziert. Die Schritte stoppten. Shikamarus Hand glitt langsam zu der schmalen Tasche, die er am Oberschenkel trug, und zog eins seiner Kunai. Augenblicke, nachdem er seine Waffe fest mit der Faust umschlossen hatte, fiel der dünne Strahl der Taschenlampe durch die Glasscheibe direkt in das Labor und es kam, was hatte kommen müssen. Während der Lichtkegel gerade dabei war, sich von der einen Seite des Raumes zur anderen zu bewegen, blieb er an dem Schrank hängen, an dem Shikamaru sich zu schaffen gemacht hatte und dessen Schubladen er wegen des plötzlichen Auftauchens des Wachdienstes nicht mehr hatte schließen können. Genau dort verharrte der Lichtpunkt kurz und verschwand dann, unmittelbar gefolgt vom geräuschvollen Klimpern eines Schlüsselbundes. Der Mann an der Tür bellte einen kurzen Befehl in sein Handfunkgerät, gab seine Position durch und forderte damit aufgrund verdächtiger Bewegungen in einem der Forschungsräume Verstärkung an. Dann fand der Schlüssel sein Schloss. Shit. Shikamaru kniff für eine Sekunde die Augen zusammen und atmete tief durch. Dass die Tür ihnen Deckung gab, bis der Wachdienst weiter in den Raum vorgedrungen war, gab ihnen die Zeit, die sie brauchten. In der Frage von Kampf oder Flucht entschied Shikamaru sich in Ermangelung des Großteils ihrer Ausrüstung für Zweiteres. Temari vertraute seinem Urteilsvermögen bedingungslos. Er griff entschlossen nach ihrer Hand und zog sie blitzschnell mit sich auf den Flur. Dann rannten sie, ohne sich umzusehen. Das rasende Toben des Wachmanns, der sofort die Verfolgung aufnahm, hallte an den Wänden wider. Als sie auf eine Stelle zuhielten, an der sich der Korridor nach rechts und nach links gabelte, entschied Shikamaru sich intuitiv für den Weg nach rechts. Der Stimme ihres Verfolgers schlossen sich weitere an. Sie mussten sich nicht umdrehen, um festzustellen, dass die Verstärkung offensichtlich eingetroffen war und zu ihnen aufzuschließen drohte. Hektisch ging Shikamaru die Optionen durch, die sie hatten. Er hatte den Lageplan des Gebäudes im Kopf. Das Treppenhaus befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Stockwerks. Einen anderen Weg nach draußen gab es nicht. Doch noch eine Konfrontation zu riskieren, war ob ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit absurd. „Wie geht’s weiter?“ In Temaris Stimme lag ein gehetzter Unterton. Der Trupp hinter ihnen holte langsam auf. Shikamaru zog ungehalten die Augenbrauen zusammen. Dann traf er eine Entscheidung und griff nach seinen Briefbomben. Die Wucht der Explosion riss ein kolossales Loch in die Außenwand der Forschungseinrichtung. Fensterscheiben zersplitterten. Rauchmelder heulten auf und aktivierten die Sprinkleranlage. Die Staubwolke der Detonation breitete sich aus. Ohne ihre Geschwindigkeit zu verringern, sprinteten Shikamaru und Temari auf ihren improvisierten Notausgang zu. Als wollte sie sichergehen, dass er nicht zurückblieb, war sie es, die in diesem Moment nach seiner Hand griff, bevor der zurückgebliebene Rauch sie verschluckte und sie sich fast zeitgleich vom Rand des Gebäudes abstießen und in die Tiefe sprangen. Kälte schlug ihnen entgegen. Der Boden kam näher. Von Eleganz konnte bei Shikamarus Landung dieses Mal keine Rede sein. Die Hauptsache war jedoch, dass er nach dem knapp zehn Meter langen Fall dank der Menge an Chakra, die er in seinen Beinen konzentriert hatte, unbeschadet auf dem Boden aufkam. Die Phiolen in seinem Rucksack stießen klirrend aneinander. Neben ihm richtete Temari sich auf, wischte sich die Mischung aus Staub und Wasser aus dem Gesicht und sah noch einmal nach oben in Richtung der chaotischen Zerstörung, die sie mit ihrem Sprung hinter sich gelassen hatten. „Ungewöhnlich rabiat für deine Verhältnisse. Aber zielführend.“ Shikamaru schnaubte. „Was meinst du, wie viel Vorsprung haben wir? Zwei, drei Minuten?“ Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Höchstens.“ Er seufzte. Es nervte tierisch, wenn Unvorhersehbarkeiten dafür sorgten, dass seine Pläne in die Hose gingen. Nun zu ihrem Lager zurückzukehren, war mit ihren Verfolgern im Nacken wohl keine allzu gute Idee. „Na dann. Aufbruch.“, schloss er frustriert und verabschiedete sich mental von einer lauschigen Nacht am Lagerfeuer, auf die er insgeheim gehofft hatte. Stattdessen erwarteten sie allem Anschein nach ein paar lange und ungemütliche Stunden im Wald, der das Gelände umgab. Temari nickte und setzte sich in Bewegung, Shikamaru folgte ihr nach. Wenn sie den Wachposten, die zweifelsfrei eher früher als später die Verfolgung aufnehmen würden, lange genug entgehen konnten, konnten sie gegebenenfalls noch einmal darüber nachdenken, ob eine Rückkehr zu ihrem Lager sich lohnen würde. Da sich dort unter anderem Temaris Fächer befand, den sie nur widerwillig dort zurückgelassen hatte, kannte Shikamaru die Antwort auf diese Frage ohnehin schon. Doch bis dahin galt es, einen Zufluchtsort für die Nacht zu finden, dort auszuharren und abzuwarten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)