Demon Slayer One-Shots von FlameHashira ================================================================================ Kapitel 14: Herz aus Eis [Dôma x Shinobu] ----------------------------------------- Sie hasste es, wenn er sie anlächelte. Sie hasste es, wenn er andere anlächelte. Sie hasste es, wie perfekt er doch war. Sie hasste es, wie er ihr Herz schneller schlagen ließ.   Dôma Ashikaga war der wohl perfekteste Mensch, dem sie jemals begegnet war. Sein Lächeln saß immer makellos, als hätte er berechnet, wie hoch er die Mundwinkel ziehen müsste, in welche Richtung und wann er seine strahlenden Zähne zeigen sollte, um dieses Bild abzurunden. Genauso verzogen sich seine Augenbrauen im perfekten Winkel, seine Nase kräuselte sich ein wenig, auf seinen Wangen ergaben sich Grübchen.   Es war wortwörtlich bezaubernd.   Er war groß: nein, er war riesig! Schlank, aber trainiert – er machte den Anschein von einem Model. Mit diesem Körperbau, aber auch mit seinem glänzenden Haar, welches die Farbe des leuchtenden Mondes besaß und sein Gesicht mit kleinen Pauschbäckchen umrahmte.   Das wohl auffälligste an ihm waren seine Augen.   Wimpern, in der perfekten Länge umgaben sie, die Augen selbst ein wenig größer als bei den meisten jungen Männern, aber nicht creepy groß. Doch die Farbe … kein normales Braun, kein Blau und auch kein recht seltenes Grün – stattdessen waren es Regenbögen. Regenbogenfarbene Augen, in sanften Tönen gehalten. Nicht aufdringlich und doch das Erste, was man sehen würde, sobald man ihn erblickte.   Wann immer Shinobu ihn sah, sei es auf den Schulgängen, der Mensa oder wenn sie ein Fach zusammen hatten, suchte sie nach irgendeinem Makel. Etwas, das diesen so perfekten jungen Mann ruinierte. Menschlich erscheinen ließ. Doch ganz egal, wie oft sie ihn ansah, alles, was sie sah, war reine Perfektion. Selbst wenn er nicht lächelte, dann trug sein Gesicht etwas Sanftes und Verträumtes bei sich. Er wirkte immer freundlich, mitfühlend, maximal etwas übertrieben. Als würde er sich zu sehr bemühen, obwohl es so leicht wirkte.   Shinobu war sich also sicher, dass Dôma Ashikaga einen Makel hatte. Sie musste ihn nur hervorbringen!   Kanae war der Meinung, dass sie sich irrte – aber auch, dass sie ein wenig zu besessen von alledem war. Vielleicht lag ihre ältere Schwester damit richtig. Seitdem Dôma im vergangenen Schuljahr als neuer Schüler an die Kimetsu Academy gekommen war, hatte sie ihn sich als Objekt herausgepickt. Zu Beginn war es ein kleiner Spaß gewesen, ein Experiment – wie lange würde es dauern, bis ihr ach-so-perfekter neuer Mitschüler seine Maske fallen lassen würde?   Doch umso häufiger ihre Pläne scheiterten, umso besessener wurde sie von ihm.   Es hatte nicht viel Zeit gekostet, damit Dôma die Beliebtheitsskala ihrer gesamten Schule erklommen hatte. Nicht dass dies sonderlich schwierig war, man musste lediglich gut aussehen, um schnell an der Spitze zu stehen. Etwas, indem wohl niemand so gut war wie Dôma selbst, er war perfekt ausbalanciert zwischen Außergewöhnlichen und dem Bekannten, welches ihn sicherlich auch blitzschnell zu einem Model machen würde. Oder eher einen Influencer. Gefühlt jedes Mädchen himmelte ihn an, selbst die ein oder anderen Kerle taten dies – beide Geschlechter nicht nur aufgrund eines romantisches Interesse. Es war vielmehr, als würde sie zu ihm aufsehen.   Wunderschön, selbstbewusst, freundlich, intelligent.   Nicht frei von Fehlern, aber er stand förmlich über ihnen. Wie eine heilige Präsenz, die man kritisieren konnte, nur damit es im nächsten Moment genau das umsetzte, was man vorher noch als negativ empfunden hatte.   Shinobu war nicht frei von all diesen Einflüssen.   Ihre Augen klebten an ihm, selbst wenn sie sich andere Gründe dafür einfallen ließ als eine Schwärmerei. Sie war vielleicht zu gut darin, sich etwas vorzuspielen. Ganz egal, was sie tat – es war nicht möglich für sie, weiterzukommen. Daher war es ein Traum, als es in Biologie eine Partner-Arbeit geben sollte. Die zusammenarbeitenden Pärchen wurde zufällig bestimmt. Es konnte nicht nur Zufall sein, sondern musste mit Schicksal zu tun haben, als ihre Namen gemeinsam gezogen wurden.   „Du könntest gerne zu mir kommen“, schlug Dôma ihr mit seinem perfekten Lächeln vor. „Aber es macht mir auch nichts aus, zu dir zu kommen. Sag mir einfach, was dir lieber ist.“   Shinobu musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Bei anderen Personen würde sie sich vielleicht bedroht fühlen, aber alles, was Dôma ausstrahlte, war so etwas wie Ruhe und Vertrauen. Es schien egal zu sein, wie gut oder schlecht man ihn kannte.   „Ah, lieber bei dir“, antwortete Shinobu lächelnd. „Bei mir Zuhause ist immer viel zu viel los.“ Außerdem war es der perfekte Moment, um zu sehen, wie Dôma lebte, gab es seltsame Räumlichkeiten oder dergleichen? „Schreib mir deine Adresse einfach hierhin“, forderte sie sanftmütig und deutete auf einen Teil ihres Heftes, während sie Dôma zugleich auch einen Stift anbot. „Ich könnte heute ab 17 Uhr bei dir sein.“   Dôma beugte sich ein wenig über den Tisch, um in perfekt geschwungenen Linien seine Adresse niederzuschreiben. „17 Uhr klingt gut, ich werde auf dich warten, Kocho-kun.“   „Ich freue mich schon“, erwiderte Shinobu, während sie Dôma ihr süßeste Lächeln schenkte, welches bislang immer genau das für sie getan hatte, was sie sich wünschte. In diesem Falle war es nichts Bestimmtes, nur dass Dôma nichts ahnen sollte. Er sollte sie weiterhin für eine einfache Mitschülerin halten.   Sie winkte Dôma nach, als dieser sich nun abwandte und seines Weges ging. Dabei ignorierte sie ganz einfach die neidischen Blicke ihrer Mitschüler, um inzwischen ebenfalls ihr Zeug zusammenzupacken. Nach zwei weiteren Unterrichtseinheiten Japanisch konnte sie ihren nach Hause Weg einschlagen. Shinobu hatte nachgesehen, wie sie zum Zuhause von Dôma kommen würde, es war kein Katzensprung, sondern durchaus schon etwas weiter weg. Doch mit dem Bus würde sie nahe genug herankommen, um den restlichen Weg entspannt laufen zu können. Zuerst einmal musste sie nach Hause und einige Sachen zusammenpacken. Ihre Schwestern waren ebenfalls anzutreffen, doch vorerst störten sie ihre Unternehmungen nicht.   „Gehst du nochmal weg, Shinobu-chan?“   Sie musste sich natürlich nicht umdrehen, um zu wissen, dass ihre ältere Schwester zu ihr sprach. Ihre Stimme würde sie unter Tausenden wiedererkennen.   „Hmhm“, machte Shinobu ein wenig summend. „Es geht um ein Biologie-Projekt. Ich werde wohl erst sehr spät wiederkommen. Vielleicht bleibe ich auch über Nacht.“   „Ich verstehe, dann schreib mir nochmal eine Nachricht, je nachdem wie du dich entscheidest“, erwiderte Kanae mit ihrer ehrlichen Freundlichkeit. Manchmal hätte Shinobu gerne etwas davon. „Mit wem machst du das Projekt? Kanroji-kun?“   „Nein, die Paare für die Projekte wurden zufällig ausgelost“, antwortete sie. „Ich arbeite also dieses Mal mit Ashikaga-kun zusammen.“   „Ashikaga-kun?“   „Jap!“   „Ich verstehe.“   „Du machst dir schon wieder grundlos Sorgen, Onee-chan“, versuchte sie beruhigend zu klingen. „Wir werden nur unser Projekt besprechen und herrichten. Soweit wir eben kommen mögen.“   „Werden seine Eltern da sein?“   „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“   Kanae seufzte schwer: „Schreib mir einfach zwischendurch mal.“   „Aber natürlich!“   Shinobu fragte sich, worum Kanae besorgt war – dass ihre kleine Schwester plötzlich schwanger zurückkommen würde, die Probleme eines Mädchens hatte, von welchem Nacktbilder kursierten – oder ob ihre Sorge nicht doch eher ihrem Mitschüler galt. Was es auch war; es ließ sie leise in sich hineinkichern.   „So, ich sollte alles haben. Wir sehen uns spätestens morgen wieder.“   Sie schenkte Kanae noch eine kurze Umarmung, winkte Kanao zu, welcher bereits an ihrem Klavier saß und vermutlich auf Kanae wartete, welche sie lehrte. Sobald sie in ihre Schuhe geschlüpft war, sowie ihrer Jacke angezogen hatte, machte sie sich auch schon direkt auf den Weg. Mit dem Bus war sie fast eine halbe Stunde unterwegs, aber da sie kein Fahrrad besaß und noch weniger einen Führerschein, war es für sie ganz natürlich, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Auch wenn sie wohl darauf bauen konnte, dass Kanae sie abends abholen würde, um irgendwelchen Gefahren vorzubeugen. Glücklicherweise verlief die Hinfahrt ganz ruhig und entspannt – immerhin benötigte es keine Dunkelheit, um auf Gefahren zu stoßen. Wie von ihr eingeplant, fand sie sich kurz vor 17 Uhr bei der aufgeschriebenen Adresse ein. Das Haus wirkte von außen freundlich, etwas protziger, jedoch nicht auf negative Weise auffällig. Das Klingelschild wurde von Dôma's Nachnamen geschmückt, welcher aussah, als würde er noch nicht lange dran sein, dabei wohnte er doch bereits gut ein Jahr hier. Als sie die Klingel betätigte, dauerte es nicht lange, bis das große Tor vor ihr sich öffnete und sie einen Weg durch den hübschen Vorgarten führte. Als sie voraussah, konnte sie bereits ihren Mitschüler erkennen.   Dôma wartete an der Haustür mit einem Lächeln auf sie, öffnete die Tür ein wenig mehr, damit sie leicht hineintreten konnte.   „Hallo, Kocho-kun! Hast du gut hergefunden?“   „Das habe ich. Ein schöner Garten“, erwähnte Shinobu, während sie ihre Schuhe auszog und ordentlich zur Seite stellte.   „Ah, das ist er. Ich liebe es zu sehen, wie all die Blumen verschiedene Tierchen anlockt“, erzählte Dôma, während er die Haustür hinter ihr schloss. „Wie Schmetterlinge. Magst du Schmetterlinge? Du trägst ab und an Spangen von ihnen im Haar.“   Shinobu kam tatsächlich nicht umhin überrascht zu sein; bei der Menge an Schülern, war es unmöglich für sie gewesen, aufzufallen. Sich ihren Namen zu merken war eine Sache, aber das eine oder andere Accessoire?   „Ja“, antwortete sie lächelnd, um ihre Überraschung zu überspielen. „Tatsächlich sind Schmetterlinge die einzigen Insekten, die ich mag.“   Dôma nickte ein wenig, als würde er das ebenfalls so sehen, statt etwas dazu zu sagen, deutete er jedoch lächelnd auf ein Paar Hausschuhe. „Magst du welche davon haben? Sie sind für Gäste gedacht und werden natürlich regelmäßig gereinigt. Auch wenn ich tatsächlich eher selten Besuch hier empfange.“   „Sehr gerne“, nickte Shinobu und griff nach einem Paar, welches klein genug für ihre Füße wirkte, ganz schlicht in Schwarz gehalten. „Ich hätte tatsächlich gedacht, dass du hier häufiger Personen einlädst.“   „Was lässt dich das denken?“, hinterfragte Dôma, er neigte den Kopf – im perfekten Winkel – trug ein verspieltes Lächeln auf dem Gesicht.   „Huh? Du wirkst einfach sehr … gesellig.“ Beliebt war wohl der eigentlich passende Begriff.   „Bei so vielen freundlichen und spannenden Persönlichkeiten ist es unmöglich, nicht gesellig zu sein, oder?“, erwiderte Dôma, während er vorausging. „Ich bin einfach immer so neugierig zu erfahren, was Menschen so erlebt haben, was sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind.“   „Das klingt äußerst tiefgründig“, lächelte Shinobu.   Tiefgründer, als man anhand erster Beobachtungen erwarten würde. Shinobu folgte Dôma natürlich, wodurch sie in den Hauptraum kamen. Alles wirkte auf eine Weise elegant, wurde jedoch verdrängt durch die zahlreichen, farbenfrohen Details. Doch obwohl so viel los zu sein schien, konnte sie keinerlei Fotos finden. Dabei war sie davon ausgegangen, dass jemand wie Dôma überall Bilder von sich haben würde – es vielleicht von seiner Familie vorgelebt bekam.   „Sind deine Eltern nicht da?“, fragte sie nach, während sie ihre Tasche neben das Sofa abstellte, auf welchem sie sich niederließ.   Dôma schüttelte den Kopf: „Nein, sie sind meistens auf Geschäftsreise, ehrlich gesagt. Möchtest du etwas Tee haben?“   „Gerne. Ist es in Ordnung, wenn ich mich schonmal ein wenig hier ausbreite?“   „Aber natürlich, ich werde gleich wieder bei dir sein.“   Shinobu sah ihrem Mitschüler lächelnd hinterher, bis dieser aus ihrem Blickfeld verschwand, vermutlich in der Küche. Sie packte den Kram aus, der für ein Projekt durchaus notwendig sein könnte. Die Tarnung für das alles. Ihr Blick wanderte weiterhin durch den Raum, versuchte alles in sich aufzunehmen, aber alles wirkte normal.   Und gleichzeitig auch völlig falsch.   Es war schwer, zu benennen, was sich falsch anfühlte. Ein kleiner Schreck durchfuhr sie, als ein Geräusch zu ihr durchkam, als würde etwas gegen die Rohre klopfen? Shinobu sah sich irritiert um, erhob sich bereits, um ihr Blickfeld zu erweitern, als Dôma wieder auftauchte – mit einem Tablett in den Händen.   „Ist alles in Ordnung?“ Sein Lächeln war scheinheilig.   Shinobu baute ihr eigenes Lächeln wieder auf: „Ja, ich dachte nur, etwas gehört zu haben. So etwas wie … ein Klopfen? Aber metallisch.“   „Oh?“, machte Dôma, während er das Tablett auf einer freien Stelle abstellte. „Ist das so? Vielleicht sind das die alten Rohre, wir warten darauf das sie kontrolliert werden.“   „Vermutlich“, antwortete sie nun und setzte sich wieder auf das Sofa.   „Ich habe Jasmin-Tee zubereitet. Ist das nach deinem Geschmack?“   Shinobu nickte direkt, der Tee war ihr grundsätzlich egal. Glücklicherweise war sie schon immer sehr geduldig. Sie beobachtete, wie Dôma etwas von der Teekanne in zwei Tassen füllte, um diese bereitzustellen, ehe er es sich jetzt ebenfalls auf dem Sofa bequem machte und dabei einen respektvollen Abstand behielt. Etwas, worüber die meisten Jungs in ihrem Alter keine Gedanken verschwendeten und wenn doch, dann schwitzten sie dabei wie ein Schwein und waren ganz rot. So entspannt wie Dôma sich gab, fragte sich Shinobu, ob dieser einfach sehr selbstbewusst war, gut im Umgang mit Mädchen – oder einfach kein Interesse hatte. An Mädchen oder auch nur an sie.   „Du hast dir meinen Namen gemerkt“, sprach Shinobu irgendwann an, während sie alles zurechtlegte und dabei nicht einmal in die Richtung des Schulschwarm's blickte. „Das hat mich etwas überrascht.“   „Natürlich merke ich mir deinen Namen, Kocho-kun“, erwiderte Dôma, so wie seine Stimme klang, schien er zu lächeln. „Ich versuche mir jeden Namen zu merken. Hinzukommend seid ihr auch bei den meisten bekannt, als das hübsche Geschwister-Trio. Außerdem unterrichtet deine ältere Schwester auch einen meiner Kurse und ihr teilt eine gewisse Ähnlichkeit zueinander.“   Vermutlich hätte Shinobu darauf selbst kommen können. Es gab kein Interesse an ihr, sondern nur das allgemeine Wissen über das Geschwister-Trio, wo eine schöner als die andere war. Sie konnte kaum mehr zählen, wie viele Liebesbriefe sie schon erhalten hatte – entweder für sich oder mit der Bitte, es doch an Kanae weiterzureichen. Meistens verbrannte sie all das, sobald sie Zuhause war. Es gab nichts, was sie mehr hasste, als wenn jemand ihre Geschwister anhimmelte und dann solche feigen Aktionen über sie versuchte! Sie selbst hatte ebenfalls kein Interesse an irgendjemanden. Genau genommen hatte sie bislang an niemanden Interesse gehabt.   Und dann war da Dôma aufgetaucht.   Es fühlte sich unsinnig an, Interesse an einem Mitschüler wie diesem zu haben. An jemanden, der von gefühlt jeder angehimmelt wurde, weil er so bezaubernd war. Doch Shinobu hielt sich nicht damit auf, Dôma's Äußeres anzuhimmeln, ihr Interesse wurde von etwas ganz anderem geweckt. Von dem, was sie hinter diesem perfekten Lächeln erwartete.   „Das ist wohl nachvollziehbar“, antwortete Shinobu langsam.   Sie bemerkte, wie Dôma seinen Kopf neigte: „Ich hoffe doch, dass dies sich nicht wie eine Beleidigung für dich anfühlt? Ich denke, du bist auch ohne deine Schwestern eine vollständige Persönlichkeit.“   „Oh-“, Shinobu blinzelte irritiert, als sie ihren Kopf in die Richtung ihres Mitschülers drehte.   Urplötzlich wurde ihr klar, wie nahe Dôma heran gerutscht war – ohne, dass sie es vorher bemerkt hätte.   „Außerdem denke ich, dass du am schönsten bist.“   „Verglichen mit meinen Schwestern?“, lachte sie auf, mit einem irritierenden Gefühl im Körper.   „Nein. Von der ganzen Schule genau genommen, Shinobu.“   Sie errötete prompt, nur dass ihr nicht bewusst war, ob wegen des Kompliments oder wegen der plötzlichen Benutzung ihres Vornamens, was definitiv zu intim war.   „Und zu wie vielen anderen Mädchen sagst du so etwas?“, hinterfragte Shinobu hüstelnd, um sich selbst zu erden und nicht auf diesen schlechten Flirtversuch einzugehen. Sie war so etwas gewöhnt, aber normalerweise von Jungen, welche ihr Interesse niemals auf sich ziehen könnten oder würden.   Dôma trug weiterhin ein sanftes Lächeln auf den Lippen, nichts an ihm deutete daraufhin, als wäre er aufgeregt oder nervös: „Ich bin kein Aufreißer, Shinobu. Mein Interesse obliegt ganz dir und keinem anderen Mädchen.“   Für Shinobu klang das völlig verrückt. Jemand wie Dôma wollte ihr ernsthaft verkaufen, keinerlei Interesse an anderen Personen zu haben? Dabei war er stets umgeben von verschiedenen Persönlichkeiten. Natürlich fühlten sich die populären Teenager von ihm angezogen, genauso aber auch jene, die man normalerweise als Looser wahrnehmen würde. Dôma hatte etwas an sich, wodurch sich jeder in seiner Nähe wohlfühlte. Wohl und auch erwünscht.   „Dafür, dass ich dein komplettes Interesse anziehe, hast du bislang keine Andeutungen darauf gemacht“, merkte sie nun kritisch an. „Klingt nicht unbedingt nach einem ehrlichen Interesse.“   „Ich wollte dich keinesfalls bedrängen“, verteidigte sich Dôma. „Außerdem wusste ich deine Blicke nicht einzuordnen. Manchmal hatte ich das Gefühl, du wünschst mir den Tod.“   Er hatte die Blicke also bemerkt? „Ich würde niemals jemandem den Tod wünschen.“   „Dann solltest du an deinen Blicken arbeiten.“   Das sollte sie definitiv, wenn jemand sie so deutlich spürte. War das Dôma's Geheimnis? Er konnte solche Sachen schneller und stärker wahrnehmen? War sich seiner Umwelt stärker bewusst? Sie öffnete ihren Mund, doch ehe ein Wort über ihre Lippen kommen konnte, hörte sie erneut dieses klopfende Geräusch gegen Rohre. Sie sah in die Richtung, aus welcher es zu kommen schien, ehe sie wieder skeptisch zu Dôma sah.   „Sicher, dass mit euren Rohren so weit alles in Ordnung ist?“   „Oh, natürlich nicht. Ich kenne mich damit gar nicht aus“, winkte Dôma unbesorgt, immer noch lächelnd, ab. „Ich denke jedoch nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen.“   „Wir sollten dennoch unten mal nachsehen“, warf Shinobu neugierig ein. „Nicht, dass es bereits ein reines Chaos dort unten gibt und wir hier oben nichts davon bemerken? Ich kenne mich zumindest ein wenig damit aus.“   „Ist das so!“, rief Dôma aus. Immer noch lächelnd. „Woher kommt dieses Wissen?“   „Meine Schwester und ich leben alleine und mussten uns schon lange alleine durchschlagen. Da eignet man sich einiges an.“   „Was ist mit euren Eltern?“   „Lass uns unten nachsehen.“   Shinobu erhob sich. Als sie hergekommen war, hatte sie nicht in dem Sinn gehabt, dass Dôma ihr haufenweise Fragen stellen würde. Vielleicht könnte sie ja unten etwas erforschen oder entdecken, was ihre Neugierde bestätigte.   „Ganz, wie du willst. Vermutlich ist es wirklich besser, mal einen Blick darauf zu werfen“, befürwortete Dôma nun.   Shinobu ging bereits voraus, als sie hören konnte, wie etwas umfiel, weil Dôma scheinbar darüber gestolpert war.   „Ah! Es tut mir leid, Shinobu, ich bin bei deiner Tasche hängen geblieben!“ Sie drehte ihren Kopf und beobachtete, wie Dôma ihre Tasche wieder ordentlich hinstellte. „Glücklicherweise ist nichts herausgefallen!“   „Das kann passieren“, lächelte Shinobu entspannt.   Hoffentlich hatte Dôma nichts kaputt gemacht. Sie hatte ihn noch nie stolpern sehen, doch im Allgemeinen war das wohl rein menschlich. Shinobu ging so weit voraus, bis sie im Eingangsbereich stand und Dôma sie eingeholt hatte.   „Dort drüben geht es nach unten“, erklärte dieser ihr, während er indessen vorausging und eine Tür öffnete, die nach unten führte. Er betätigte sogleich den Lichtschalter. „Also, es sieht zumindest nicht nass aus!“   Für so eine minimale Information wirkte Dôma viel zu glücklich. Er ging voraus, die lange Treppe nach unten. Shinobu folgte ihm natürlich und hörte das Klopfen erneut. Es schien lauter zu werden, rhythmischer und schneller.   „Das klingt nicht nach alten Rohren.“   Es klang eher so, als würde jemand gegen die Rohre klopfen. Sofort gefror sie in ihren Bewegungen und ihr Blick lag prompt auf Dôma, welcher immer noch entspannt neben ihr stand.   „Findest du?“, hinterfragte dieser unschuldig. „Ich wüsste jedoch nicht, was es sonst sein sollte.“   Wie schnell würde sie nach oben kommen? Wäre es überhaupt schlau, einfach loszulaufen, ohne irgendeinen Beweis auf ihren Gedanken? Neugierde war der Katze tot, sagte man stets. Shinobu war neugierig, aber sie war nicht dumm. Andererseits war sie es gewesen, die unbedingt herunterkommen wollte.   Ohne ihrem Handy, ohne ihrer Tasche.   „Meinst du, es könnten Einbrecher sein?“, flüsterte sie nun. Vielleicht half es, das wehrlose Schulmädchen zu spielen. „Lass uns lieber wieder hochgehen, Dôma.“   Zaghaft griff sie nach einem Arm ihres Mitschülers, damit dieser mitkommen würde. Besser wäre es vielleicht, er blieb hier und sie würde alleine hochgehen, aber sie machte sich keine großen Hoffnungen.   „Oh, du hast mich beim Vornamen genannt“, lächelte Dôma ihr entgegen. „Ich denke im Übrigen nicht, dass es hier einen Einbrecher gibt. Lass uns einfach nach den Rohren sehen.“   „Nein“, zischte Shinobu. „Ich fühle mich hier unwohl. Dann gehe ich eben alleine nach oben!“   Sie sah für einen Augenblick Irritation in Dôma's Gesicht, dann hatte sie sich bereits abgewandt, um die Treppe anzupeilen, welche sie wieder hochbringen würde. Vielleicht doch ohne Dôma.   „Aber du wolltest doch nach den Rohren sehen, ich habe davon doch keine Ahnung, Shinobu!“, hörte sie Dôma reden.   Er klang dümmlich und naiv. Normalerweise würde es Shinobu die Augen verdrehen lassen, doch es war ungewöhnlich. Dôma hatte nie diese Tonlage benutzt – ganz egal, in welchen Situationen sie ihn beobachtet und belauscht hatte. Also stockte sie in ihrer Bewegung und wollte sich umdrehen. Ehe sie dies tun konnte, spürte sie den warmen Körper einer anderen Person hinter sich – viel zu dicht. Doch auffälliger war ein kleiner Stich in ihrem Hals. Perfekt gesetzt. Sie riss ihre Augen auf, bevor sie endlich ihren Arm anhob und jenen von sich stieß, der ihr irgendwas injiziert hatte.   „Ah, ich hoffe, das ist kein Gift gewesen, Shinobu-chan!“ Sie hielt ihre Hand gegen die Stelle gedrückt, in welche gestochen worden war, und sah zu Dôma, welcher immer noch sehr nahe war. Mit einer Spritze in der Hand. Ihrer Spritze. „Aber nein, ich denke nicht, dass du vorhattest, mich zu töten. Auch wenn ich nicht sicher bin, was du überhaupt vorhattest“, redete er weiter, sanft und weich.   Dabei bemerkte Shinobu, wie ihr immer schwindeliger wurde. Sie musste sich am Treppengeländer festhalten, damit sie nicht umfiel.   „Warum . . .“, fing sie an, doch ihre Zunge fühlte sich schwer an.   Dôma's Lippen zierten weiterhin ein Lächeln, wie das von einem Todesengel, der dich empfangen wollte. Es war das Letzte, was sie für diesen Moment sah, bevor das betäubende Mittel sie mehr und mehr umfing und zusammenklappen ließ.   ~   „Hm, hm, hm.“   Als sich um sie herum alles begann zu festigen, war das Erste, was sie hörte, dieses fröhliche Summen. Die Stimme kam ihr bekannt vor. Daneben konnte sie das Wimmern anderer, fremder Personen hören, Schnappatmung, ächzen. Eine seltsame Geräuschkulisse, selbst für sie.   „Oh! Shinobu-chan! Wachst du etwa aus?“   „Hmpf.“ Sie kniff ihre Augen fest zusammen, bevor sie versuchte, diese zu öffnen.   „Da bin ich aber wirklich erleichtert. Du warst so lange bewusstlos, da habe ich mir ehrliche Sorgen um dich gemacht!“, atmete Dôma auf. „Vermutlich war die Dosis zu hoch, was? Du bist ja viel kleiner und zarter als ich.“ Shinobu schaffte es endlich ihre Augen zu öffnen, doch sie wusste schon so wer hier war. Dôma's Stimme war einfach unverkennbar. Nur die anderen Geräusche wusste sie nicht einzuordnen. Gerade war ihr aber alles ein wenig zu viel. Zu laut und zu hell. „Du warst ziemlich gut vorbereitet, Shinobu-chan!“, redete Dôma weiter. „Ich frage mich wirklich, was du mit mir vorhattest. Zumindest bist du keine Enttäuschung, du bist genauso wundervoll und besonders, wie ich es mir vorgestellt habe!“   Sie versuchte mehr zu erkennen und schaffte es nach und nach auch. Das Licht war immer noch zu hell, doch sie konnte Dôma's große Gestalt erkennen, wie er an einem Tisch stand. Ein Tisch, voll mit ihrem Kram. Verschiedene Spritzen und andere Mittelchen, vielleicht war ihre Vorbereitung zu groß gewesen. Sie hatte jedoch nicht einschätzen können, wie lange eine Spritze Dôma außer Gefecht setzen würde – und wie oft sie es nutzen müsste.   Jetzt gab es natürlich noch die Frage, ob Dôma das alles von vorneherein erwartet hatte – oder ob beim Stolpern über ihrer Tasche irgendwas herausgefallen war, was seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.   Da sich ihre Zunge noch viel zu schwer anfühlte, ließ sie ihren Blick weiter schweifen, um alles zu erfassen. Dadurch konnte sie nun auch erkennen, woher diese anderen Geräusche gekommen waren. Da waren zwei Personen, ein Mann und eine Frau, welche nicht den Luxus hatten, reden zu können, wenn sie wollten.   Oder schreien.   „Was- was auch immer du vorhast“, versuchte sie jetzt zu reden, ignoriere das Kratzen im Hals und das seltsame Gefühl in ihrem Mund. „Meine Schwestern werden nach mir suchen.“   „Hm? Oh, ja natürlich. Warum sollten sie auch nicht?“, erwiderte Dôma völlig entspannt, ohne weiter darauf einzugehen.   „Sie werden auch hier nach mir suchen!“   „Ich glaube nicht, dass du weißt, wo hier überhaupt ist, Shinobu-chan!“   Sie blinzelte irritiert, ehe sie begriff, worauf Dôma hinaus wollte. Ihr Blick wanderte sogleich umher und sofort kam ihr in den Sinn, dass es nicht nach einem Keller aussah. Eher wie eine sterile Kammer. Dass ihre Bewegungen eingeschränkt waren, hatte sie bereits bemerkt, auch wenn die Fesseln nicht sonderlich eng saßen. Es fühlte sich an, als würde Dôma sich damit über sie lustig machen wollen.   „Wo sind wir dann?“   Dôma winkte entspannt ab: „Das ist doch nicht so wichtig. Wichtig ist; wir sind unter uns!“ Shinobu's Blick wanderte sofort zu dem Paar, welches ebenfalls hier saß. „Na gut, noch nicht. Aber wir werden bald unter uns sein, versprochen! Oder-“, die Pause welche Dôma machte, schenkte ihm wieder all ihre Aufmerksamkeit. Ihr Mitschüler stand vor ihr, stützte seine Hände auf ihren Unterarmen ab – er fühlte sich eiskalt an. Diese ganze Show passte absolut nicht zu dem warmen Lächeln auf den Lippen des jungen Mannes. Alles hier war ein Paradoxon. „- du könntest mir helfen!“, beendete Dôma seine Pause schließlich. „Statt mich zu töten, könntest du mir helfen, die beiden hier zu . . .“   „Ich hatte nie vor, dich zu töten!“, unterbrach Shinobu ihn. „Ich wollte dich lediglich ausknocken.“   „Oh“, machte Dôma fast etwas enttäuscht, während er sich aufrichtete. „Dann hilft mir dein Zeug wohl nicht was?“   Vielleicht sollte Shinobu in panische Angst verfallen, aber so etwas half niemals jemanden weiter. „Weshalb hast du überhaupt vor, die beiden dort . . .“ Wollte er sie wirklich töten? Shinobu konnte das gerade noch nicht wirklich glauben, geschweige denn aussprechen.   „Zu töten? Oh, nur zum Spaß“, winkte ihr Mitschüler mit einem süßen Lächeln ab. Es war, als würde er ihre Masche kopieren, nur in einer viel krasseren Situation. „Außerdem bekomme ich ein wenig Geld dafür, aber eigentlich ist der Hauptgrund Spaß!“   „Ich wusste es“, murmelte sie leise vor sich hin.   „Huh?“   „Niemand kann ach-so-perfekt sein wie du, es war klar, dass es einen Haken an dir gibt!“   Auch wenn Shinobu nicht hiermit gerechnet hatte. Es war wie in irgendeinem schlechten Roman oder Teenie-Film. Nur noch die schlechte Romanze fehlte. Wobei . . ..   „Du findest also, dass ich perfekt bin? Wie süß!“, zwitscherte Dôma übertrieben, während er eine dieser Spritzen in den Händen hielt.   „Nicht mehr“, nahm Shinobu ihm gleich den Wind aus den Segeln. „Es ist ganz offensichtlich, dass du nicht ganz richtig tickst. Wer tötet Menschen aus Spaß?“   Dôma schürzte seine Lippen: „Was? Würde es dir besser gefallen, wenn ich dir eine traumatische Kindheit offenbare, welche mich dazu gezwungen hat, ein Mörder werden zu müssen, um einen Platz in der Gesellschaft einnehmen zu können?“   „Es würde mir definitiv besser gefallen, gar nicht in dieser Situation zu stecken.“   So wie ihr Mitschüler den Kopf schief legte, konnte man ihn fast nicht als bedrohlich einordnen. Ganz allgemein war dies so. Sie sah Dôma an, in seiner perfekt sitzenden Schuluniform, mit diesem hübschen Lächeln und diesen strahlenden Augen. Sie kannte natürlich all die Geschichten über charismatische Mörder, nun saß sie hier – vor einem weiteren Exemplar.   „Und ich dachte, es würde dir ganz gut gefallen. Immerhin scheinst du kein Problem damit zu haben, Leute zu betäuben“, schnalzte Dôma mit der Zunge. „Ich wette, wir könnten ein wahres Dream-Team werden! Auch wenn es wohl ein wenig Zeit kosten wird, aber wir werden uns schon aufeinander einspielen.“   Shinobu blinzelte ein wenig irritiert: „Aber . . . willst du mich nicht töten?“   „Hm? Nein“, antwortete Dôma, als wäre dies infrage zu stellen, komplett verrückt. „Wie könnte ich jemanden so wundervolles wie dich töten wollen? Nein, nein, nein.“ Er schüttelte den Kopf mit jeder Verneinung ein wenig mehr. „Du hast mir ein Gefühl gegeben, Shinobu-chan!“   Sie hatte sich vermutlich noch nie so dumm und verwirrt gefühlt, wie es jetzt der Fall war. Es musste an Dôma liegen. „Gefühl?“ Gefühle waren etwas völlig Normales und Alltägliches.   „Ganz genau!“, nickte Dôma ganz aufgeregt. „Ich dachte schon, mein Herz wäre wirklich aus Eis und vielleicht war es das auch, aber du hast es auftauen lassen.“   Shinobu hatte in ihrem Leben nie etwas Kitschigeres gehört. Vielleicht sollte sie sich daran gewöhnen, denn ganz offensichtlich war sie in die Fänge eines Verrückten geraten.   „Ein Herz aus Eis, hm?“, hinterfragte sie nochmal. „Ich bin nicht sicher, ob es sich wirklich auftauen lässt.“   Es schien jedoch ihre einzige Chance zu sein, wirklich lebend hier herauszukommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)