Wenn Geigen klingen... von FlameHashira (Adventskalendertürchen 13) ================================================================================ Kapitel 1: Wenn Geigen klingen... --------------------------------- „Sag mal Biwa-Lady – kannst du auch andere Instrumente spielen?“   Nakime lugte zwischen ihren langen Haarsträhnen hervor und erkannte den Upper Moon mit dem langen, blassen Haar. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, wie er sich ihr genähert hatte – denn dies hätte sie sonst definitiv unterbunden. Er war immer noch weit genug entfernt, aber gleichzeitig viel näher als ihm erlaubt sein sollte.   „Oh komm schon“, jammerte Dôma herzallerliebst, mit vorgeschobener Unterlippe, für den perfekten Schmollmund. „Das war eine ganz einfache Frage, oder? Was sollte ich schon damit anfangen, zu wissen, ob du weitere Instrumente spielen kannst? Es ist einfache Neugier – und natürlich Interesse an deiner Person.“   Nakime mochte ihn nicht. Alles an ihm war falsch. Dieses Lächeln, dieser Schmollmund, sein leichtes Jammern, vermischt mit einem angenehmen Sing-Sang in der Stimme. Sie mochte ihn wirklich nicht, dennoch fragte sie sich zeitgleich, ob seine Stimme sich gut machen würde – für einen hübschen Gesang. Nakime hatte nie eine Stimme gehabt, die sich jemand anhören wollte, nur ihr Spiel mit der Biwa war etwas, was Menschen an ihr genossen.   Sie nahm sich noch einen weiteren Moment Zeit, um nachzudenken. Doch tatsächlich gab es an einer Antwort wohl nichts, was der Dämon nutzen könnte.   „... kann ich“, antwortete sie also leise.   „Oho!“, begeistert klatschte Dôma in seine Hände, wieder mit diesem falschen Strahlen auf den Lippen. Es grenzte daran, beunruhigend zu sein. „Und welche?“   „Unerheblich.“   „Ohhh.“   Nakime machte das Gejammer des Upper Moon nichts aus, immerhin hatte sie stetig mit allerlei Dämonen zu tun, wenn auch größtenteils mit jenen, welche Muzan-sama in irgendeiner Form nahe waren. Grundsätzlich waren das die Kizuki. Als sie noch nicht so nahe an Muzan's Seite agieren durfte, hatte sie mit anderen Dämonen zu tun gehabt, doch glücklicherweise galten sie im Allgemeinen als Einzelgänger. Manchmal fragte sie sich jedoch, ob dieser Upper Moon aus diesem Raster fiel. Er wirkte stets sehr kommunikativ.   „Wenn ich dir ein Instrument bringen würde, würdest du mir dann darauf etwas vorspielen?“   Er war jedoch nicht nur kommunikativ – er war außerdem hin und wieder sehr verwirrend für sie. Wenn Nakime ihn ansah, dann sah sie ihre Zuschauer in ihm. Hübsch gekleidet, allgemein eine Person, die als Schönheit gelten würde. Die Kleidung war etwas Ungewöhnliches, aber dennoch wertvoll und so würde er wirklich perfekt in das Klientel passen. Dennoch war die Neugierde besorgniserregend, und Nakime war sich sicher, dass dies keine uneigennützigen Gründe hatte. Muzan schien unbesorgt zu sein, aber wieso sollte der Dämonenkönig sich wegen irgendwas auch Sorgen machen?   „Nein“, antwortete Nakime direkt, geneigt dazu Dôma nun endlich wegzuschicken, wie sie es schon längst hätte tun sollen.   Der mächtige Dämon grinste ihr weiterhin entgegen: „Ach, ich werde dir dennoch mal etwas vorbeibringen! Weißt du, ich würde sterben für schöne Musik!“   Das Kichern ähnelte dem eines Kindes, der einen Witz gerissen hatte, welcher in der Gesellschaft für Entsetzen sorgen würde. Nakime lachte nie, genauso wenig reagierte sie im Allgemeinen. Sie vermied es sogar, sich zu unterhalten, ganz gleich, mit wem. Muzan schätzte sie für ihre Ruhe und Kokushibo war respektvoll genug, sie zu achten. Wenn sie sich jemanden aussuchen könnte, mit dem sie sich unterhalten wollen würde – was sie nicht tat – dann wäre es definitiv Akaza.   Dieser hatte großen Respekt vor Frauen und das war durchaus bewundernswert.   „Nicht mal ein kleines Kichern? Wie schade, ich bin sicher, das würde sehr süß bei dir klingen, Biwa-Lady.“   Nakime würde niemals eingestehen, sich aufgrund eines Fast-Kompliments verlegen zu fühlen. Stattdessen entschied sie nun, dass wirklich genug war. Also zupfte sie an den Saiten ihrer Biwa und ließ Dôma prompt verschwinden. Sofort atmete sie ein wenig auf – so war es doch gleich viel besser!   Innerlich hatte sie schon gewusst, dass es damit nicht beendet wäre. Auch wenn Dôma oftmals in seiner geselligen Art auch sehr vergesslich wirkte, so war auch dies nicht mehr als ein Schauspiel. Nakime hatte ausreichend Zeit gehabt, den Dämon zu beobachten, um ihn ein wenig einschätzen zu können. Ihre Devise war oftmals; ihn wegschicken, wenn es sie auf irgendeine Art und Weise störte, wie er sich verhielt. Natürlich nur dann, wenn sie damit nicht den Plänen von Muzan-sama dazwischen käme. Da dieser wirklich nur im äußersten Notfall nach Dôma rief, war es allgemein nicht besonders schwer diesen nicht zu sehen. Doch, auch wenn es ihr missfiel, war es wie ein Befehl, dass sie einen Weg ins Castle ebnete, wenn ein Upper Moon darum bat. Schließlich wusste sie nicht über jeden Befehl und Plan ihres Meisters Bescheid und wollte dem nicht im Weg stehen, nur weil sie eine gewisse Person nicht mochte.   Als Dôma also ihren Namen in die Stille seines Raumes trällerte, blieb ihr nichts anderes übrig, als eine Tür ins Castle zu öffnen. Es kam einem Tänzeln gleich, wie der hochrangige Dämon über die Türschwelle trat und dabei wieder so unnatürlich strahlte. Es könnte einer Sonne gleichkommen, wenn es nicht so verschlagen und aufgesetzt wäre, wie es bei Dôma nun mal war.   Nakime war es gewohnt, in endloser Stille zu sinnieren, normalerweise war sie sehr viel alleine und hatte damit endlose Zeit dafür nachzudenken. Genauso war sie es gewohnt, auf Befehle oder Anweisungen zu warten – sie unterwarf sich nicht jedem einfach oder erfüllte einfach jeden Wunsch, doch meistens waren es nachvollziehbare Angaben. Bei Dôma konnte man das wohl streichen. Der sonst so kommunikative Dämon war derzeit jedoch absolut still, wippte auf seinen Sohlen vor und zurück, als würde er auf etwas warten.   Sie entschied sich dazu, ihn einfach im Auge zu behalten, während sie darauf wartete, dass sich entweder Muzan zu Wort melden würde oder eben doch Dôma. Normalerweise informierte Muzan ihn doch darüber, wenn jemand herbestellt war, doch bei längeren Missionen kam dies eher spontan raus. Dôma galt jedoch als eine Person, die nie eine Mission erhielt. Zu unvorhersehbar und unzuverlässig zeigte sich der Dämon oftmals, und jede mögliche Bestrafung schien sinnlos zu sein. Hin und wieder war Nakime ja Zeugin von Bestrafungen, sie hatte gesehen, wie die Lower Moons hingerichtet worden waren.   Während Kokushibo aufgrund von Respekt nie bestraft wurde, war es bei Dôma aus ganz anderen Gründen. Hauptsächlich lag es daran, dass Dôma aufgrund fehlender Emotionen, selbst den schlimmsten Schmerz als eine Art Spaß betrachtete und es ihn keineswegs zurechtweisen würde.   „Also...“, summte Dôma nun, nachdem weitere Minuten absolute Stille geherrscht hatte. „Du fragst dich sicherlich, weshalb ich hier bin, Biwa-Lady!“ Das tat Nakime durchaus. Jedoch weniger aus Interesse an Dôma und mehr aufgrund ihrer Aufgabe, die sie versuchte zu Muzan's Zufriedenheit auszuführen. „Nun, ich habe immer so viele Menschen um mich herum, sie sind nicht sonderlich schlau, aber zumindest haben ein paar von ihnen etwas zu erzählen“, plauderte der hochrangige Dämon weiter. Erst jetzt fiel Nakime auf, dass dieser seine Arme hinter dem Rücken versteckt hielt; es wirkte unbequem, doch vermutlich bemerkte Dôma auch so etwas nicht. „Dabei geht es um viele verschiedene Gegebenheiten – ein neu eröffnetes Theater, der Tod, Trennungen, ein ach so großes Talent, welches ungesehen bleibt... Manchmal geht es auch um Musik!“   Das großspurige Grinsen sagte Nakime wirklich nicht zu. Sie erinnerte sich noch allzu deutlich an ihre letzte Unterhaltung. Es war zu erahnen, worum es hierbei ging. Solange sie nicht zu 100 % sicher sein könnte, würde sie Dôma jedoch weiterreden lassen.   „Natürlich musste ich deshalb an dich denken“, er zwinkerte ihr zu und sorgte damit dafür, dass sich Nakime immer unwohler fühlte. Ihre Finger zuckten leicht, am liebsten wollte sie einfach an den Saiten zupfen und diesen Mann verschwinden lassen. „Also habe ich dir ein Geschenk mitgebracht – tadaaaa! Eine ähm... Ach ja, eine Geige!“   Ihre zuckenden Finger gefroren tatsächlich und legten sich daraufhin fast wieder entspannt auf ihr Instrument, ohne irgendwas tun zu wollen. Sie betrachtete die Geige, welche Dôma hinter seinem Rücken hervorgezogen hatte – dem Aussehen nach zu urteilen, war es kein billiges oder selbstgemachtes Teil. Es schrie geradezu danach, eine Menge Geld gekostet zu haben.   „Ich dachte, du könntest mir vielleicht mal etwas darauf vorspielen? Es scheint einen hübschen Klang zu haben.“   Und so kam es, dass Nakime diesem manipulativen Dämon mehr oder weniger verfiel.   Trotz ihres Desinteresses für andere Instrumente gab es ebenso eine Neugierde in ihr. Sie hatte stets nur ihre Biwa gekannt und gespielt; für mehr hatte sie auch niemals das Geld gehabt und als es das Geld gab, fehlte das Interesse. Nakime hatte keinen Gedanken an ein anderes Instrument verschwenden.   Ihre blutige Dämonenkunst war nicht an ein Instrument gebunden, so wie nicht jeder Klang der Biwa eine Bedeutung für das Castle haben musste. Also erlaubte sie es Dôma, sich ihr zu nähern, auch wenn sie dabei so wachsam blieb, wie es ihr möglich war. Nakime machte sich nichts vor, ihr war klar, dass dieser Dämon kein so großes Interesse an Musik hatte.   Doch dafür war das ihres umso größer.   Sie legte äußerst langsam ihre geliebte Biwa zur Seite. Eine Unruhe überkam sie prompt, weil es sie förmlich entwaffnete. Ihre Finger lösten sich erst von dem schmalen Hals, als Dôma ihr die Geige reichte und sie diese in einer Hand hielt. Mit einer Art Sanftmut im Blick betrachtete sie die Geige, fuhr mit ihren zierlichen Fingern über die glatte Oberfläche und über die Saiten.   „Sie sollte bereits gestimmt sein“, verkündete Dôma beinahe feierlich, während er ihr nun auch den Bogen hinhielt. Sobald sie diesen ergriff, klatschte er fröhlich in die Hände. „Oh, ich bin schon ganz gespannt auf das, was du damit hervorbingen wirst!“   Vielleicht entsprach diese fröhliche Neugierde wirklich der Wahrheit?   Ein Teil von ihr wollte daran glauben, wenn auch nur im Vergleich zu ihren Erinnerungen an vorherigen Auftritten, als sie noch menschlich gewesen war. Dôma könnte ganz einfach das Publikum ersetzen.   „Nicht jetzt.“   „Huh?“, Dôma schürzte wieder theatralisch die Lippen. „Warum nicht?“   Nakime's Griff um den Bogen verhärtete sich: „Nicht. Jetzt.“   Sie erwartete keine wirkliche Reaktion, denn egal, was sie tun oder sagen würde – Dôma konnte daraufhin nichts empfinden. Vermutlich war das Problem des mächtigen Dämons eher, dass er nicht verstehen konnte, warum etwas nicht sofort gehen sollte.   „Na schön“, gestand er ihr dennoch ein, er setzte ein Lächeln auf, eine perfekte Maske für sein perfektes Gesicht. „Dann komme ich in ein paar Tagen wieder?“   Nakime griff wieder nach ihrer Biwa, ein Gefühl von Kraft überrannte sie dabei förmlich. Statt einer klaren Antwort zupfte sie an zwei Saiten und schickte Dôma zurück in seinen Tempel. Die Abwesenheit des Dämons fühlte sich für sie gleich viel besser an, auch wenn sie es im Grunde nur hinausgezögert hatte.   Wieso hatte sie die Geige überhaupt angenommen?   Es wäre ein Leichtes Dôma zukünftig zu ignorieren, genauso wie die Geige selbst. Zumindest Letzteres konnte sie aber nicht über sich bringen. Deshalb versuchte sie sich, wann immer sie Zeit dafür hatte und alleine war, an dem neuen Instrument. Es dauerte nicht lange, bis sie sich an die erst noch ungewohnte Haltung gewöhnt hatte und auch den Klang genießen konnte, welcher sich zu Beginn noch sehr befremdlich angehört hatte. Alles, was sie auf der Biwa spielen konnte, konnte sie mit kleinen Veränderungen auch auf der Geige spielen. Auch wenn die Veränderungen manchmal auch etwas größer sein mussten, damit sie Klänge gut harmonierten. Die einzige Person, welche die veränderten Geräusche wahrnehmen konnte, wäre Muzan, doch dieser sprach es niemals an. Solange sich nichts Wichtiges für ihn ergeben könnte, schenkte er ihrem neuen Instrument keine Beachtung.   Natürlich gab es aber nach wie vor Dôma.   Nakime war klar, dass der Dämon nicht einfach vergessen würde, dass er ihr eine Geige gebracht hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann ein paar Tage für Dôma vergangen wären.   Es waren genau drei Tage.   Wenn man unsterblich war und nicht einmal Schlaf benötigte, verstrichen Tage mal sehr langsam, andere Male äußerst schnell. Es kam ihr vor, als hätte sie die Geige erst vor wenigen Stunden bekommen, als Dôma um Eintritt ins Castle bat. Natürlich kam ihr auch dieses Mal in den Sinn, es einfach zu ignorieren, doch noch während sie diesen Gedankengang hatte, ließ sie die Saiten erklingen und gestattete Dôma den Zugang.   „Biwa-Lady!“, sprach er sie dieses Mal sofort begeistert an. „Ich bin wieder da!“   Nakime fragte sich für einen Moment, was er von ihr erwartete – doch glücklicherweise schien er gar nichts zu erwarten. Stattdessen plapperte er weiter, wie gewohnt.   „Ich hoffe, dass die Zeit ausgereicht hat? Ich bin wirklich gespannt darauf zu hören, wie du die Geige zu einem Teil von dir machst! Es muss einfach wundervoll klingen!“   Sie hatte sich nie unter Druck gesetzt gefühlt. Natürlich war sie durchaus nervös gewesen, bei ihren Auftritten als Mensch, doch die Liebe zu ihrer Musik war wesentlich mächtiger gewesen. Vielleicht hatte sie auch einfach jedes Gefühl ausradiert, nachdem sie kurz davor ihren eigenen Ehemann getötet hatte. Am Ende war es eine Erleichterung gewesen, ihren Mann loszuwerden war die wahrscheinlich beste Entscheidung ihres Lebens. Jetzt gerade gab es da tatsächlich ein Gefühl, als würde ihr Herz kurzzeitig schneller schlagen oder ihre Finger leicht zuckend. Es gab dabei gar keinen Grund dafür, ihr könnte nichts egaler sein, als Dôma's Bewertung.   „Du bist doch jetzt bereit, oder?“   Nakime bemühte sich alle Aufmerksamkeit auf den Dämon zu legen, welcher immer noch auf der unteren Plattform stand, dabei aber so nahe wie möglich bei ihr. Was nicht wirklich nahe war. Sie gab ein kleines Nicken von sich und erkannte sofort die aufgesetzte Freude, hörte ein kleines Lachen und wie er in die Hände klatschte.   „Großartig! Weißt du... wir könnten das auch bei mir machen“, schlug er vermeintlich scheinheilig vor. „In meinem Tempel. Da wäre es bequemer – ich habe einen Thron aus Kissen, es wäre kuschelig und weich...“ Vielleicht ahnte er ihre Antwort oder ihr ausdrucksloses, stummes vor sich her starren war Antwort genug. „Oder wir bleiben einfach hier. Klingt auch nach einem großartigen Plan! Darf ich zumindest wieder zu dir hochkommen?“   Alles in ihr schrie natürlich danach, Dôma nicht näher zu lassen, doch bereits beim letzten Mal hatte sie es erlaubt und es war nichts geschehen. Sie ging also ein weiteres Mal dieses nicht zu verachtende Risiko ein. Mit einem Zupfen der Saiten verschaffte sie Dôma einen Weg zu ihr nach oben. Natürlich folgte dieser sofort dem geebneten Weg und kniete sich – ein wenig zu nahe – neben ihr auf den Boden. Statt dies anzusprechen, nahm sie es einfach nur so hin.   Zaghaft, wie zuletzt, legte sie ihre Biwa neben sich ab und griff stattdessen der Geige, welche sie mittlerweile auch in ihrer Nähe hielt. Die ganze Zeit über fühlte sie, wie die Augen von Dôma geradezu an ihr klebten. Es wäre schon fast unangenehm, wenn sie so etwas fühlen würde. Dank ihrer Zeit auf der Bühne war es für sie komplett normal geworden, beobachtet zu werden und es gab nichts, was ihr daran missfiel.   Abgesehen davon, dass es Dôma war und dieser etwas Beunruhigendes an sich hatte.   Doch selbst diese beunruhigende Umgebung nahm ab, als sie schließlich nach der Geige griff und sie anhob. Es war immer noch etwas befremdlich, die Geige so gänzlich anders als eine Biwa zu halten, aber es war am Ende nur eine Gewohnheitssache und sie war gewillt, es sich anzugewöhnen. Schließlich ergriff Nakime auch den Bogen und setzte diesen sanft an die Saiten. Die ganze Zeit über blieb Dôma still, statt wie üblich loszuplappern. Offensichtlich war er wirklich gespannt darauf, die Geige zu hören. Eventuell also eine echte Neugierde.   Sie schloss ihr Auge unter ihrem langen Haar und ließ sich von der Musik und ihren Gefühlen leiten, als sie den Bogen über die Saiten bewegte und demonstrierte, was sie die letzten Tage über gelernt hatte. Wann immer sie den Ton nicht so traf, wie sie es sich vorgestellt hatte, runzelte sie für einen Moment die Stirn, machte jedoch weiter, ohne sich davon weiter stören zu lassen. Ein Amateur wie Dôma würde den Fehler wohl nicht ansatzweise bemerken. Nakime spielte noch einige Zeit weiter auf der Geige, ihr Unterbewusstsein völlig darauf fixiert, obwohl ihr schwach am Rande noch bewusst war, dass Dôma sich in ihrer Nähe aufhielt.   Erst als sie der letzten Melodie folgte und sie beendete, wurde sie durch ein lautes Klatschen aus ihrer Trance gerissen. Nakime erschrak beinahe schon, als sie ihr Auge öffnete und direkt zu Dôma blickte, welcher so begeistert klatschte und über das ganze Gesicht strahlte.   „Das war wundervoll! Jaja, wirklich wundervoll!“, verkündete er fast fiepsend.   Nakime empfand etwas Seltsames – als würde ihr Herz sich für etwas öffnen?   „Ist es in Ordnung, wenn ich künftig weitere Male komme, um dir zu lauschen?“   Vielleicht war das alles total ehrlich gemeint? Vielleicht versteckte sich dahinter Interesse und Freude an der Musik?   „... es würde mir nichts ausmachen“, antwortete Nakime leise, während sie die Geige ablegte und nun wieder nach ihrer Biwa griff, die genau dort lag, wo sie abgelegt worden war.   „Dann werde ich gleich morgen wiederkommen!“ Und das tat er wirklich. Er kam den Tag darauf, den darauffolgenden ebenfalls und im Grunde kam er seither fast jeden Tag. Nakime gewöhnte sich mit der Zeit an den mächtigen Dämon, auch wenn ihre Meinung über ihn zu verschwimmen schien. Sie war sich nicht mehr sicher, was gespielt und was echt war, obwohl sie sicher war, dass es Unterschiede gab. Von Zeit zu Zeit fiel es ihr schwer anzuerkennen, dass Dôma keinerlei Emotionen besaß, dessen Schauspiel saß einfach perfekt. Vor ihrer regelmäßigen Treffen, war es Nakime leichter gefallen zu erkennen, was wirklich hinter dieser Maske vor sich ging – nichts. Jetzt verirrte sie sich in eigenen Vorstellungen und Wünschen, über das Wissen anderer Personen und deren Gedanken und darin, wie Dôma den perfekten Nerv bei ihr traf.   Die Biwa würde ihr liebstes Instrument bleiben, doch die Geige war nun auch etwas, was sie gerne nutzte. Sie verband damit jedoch etwas anderes. Genau genommen verband sie damit nur eines; Dôma. Sie würde nicht sagen, dass sie stets ungeduldig darauf wartete, dass er wieder zurückkehren würde. Nakime wurde nicht wesentlich gesprächiger, mittlerweile nahm sie Dôma aber auch nicht mehr als nerviges Plappermaul wahr, welches an irgendwelche Geheimnisse von ihr herankommen wollte. Auch wenn sie den einen oder anderen Kommentar darüber durchaus bemerkte.   „Deine blutige Dämonenkunst ist wirklich sehr besonders, Kime-chan!“ An einen Spitznamen von ihm würde sie sich jedoch niemals gewöhnen. Es klang zu verniedlicht und nach allem – nur nicht nach ihr selbst. „Was natürlich passend ist, immerhin bist du eine genauso besondere Person!“   Mittlerweile begann Nakime immer mehr Vergleiche zu ihrem toten Ehemann zu finden. Auch wenn sich dieser zu einem schrecklichen Tölpel entwickelt hatte, erinnerte sie sich an so etwas wie gute Zeiten. Was definitiv an Dôma's honigsüßen Worten erinnerte.   „Soll ich etwas spielen?“, fragte sie nun leise nach.   „Hm? Jaja, aber lass uns doch noch ein wenig plaudern!“   Nakime war wirklich nicht gut im Plaudern. Dafür war Dôma umso besser darin, er schaffte es, einen leeren Raum mit seiner Stimme zu füllen. Verwunderlich war dies wohl nicht, immerhin hatte sie es hier mit dem Oberhaupt eines Kult's zu tun – soviel wusste auch Nakime. Sie bettete die Geige in ihrem Schoß, damit Dôma entspannt reden konnte. Die Themen waren immer sehr spontan und frei, es gab wohl nichts, was Dôma nicht einfach so ansprechen würde.   „Du hast dieses ganze Castle erschaffen, richtig? Mit diesem großartigen Garten. Er ist wirklich atemberaubend schön und alles hier ist wirklich sehr detailliert!“, fing der hochrangige Dämon an zu sprechen. „Hast du das Castle nach eigenen Erinnerungen und Erfahrungen gestaltet oder hat Muzan-sama dir hereingeredet?“   „Ich gestalte es nach eigenen Belieben“, antwortete Nakime. „Ich versuche jedoch auf die Wünsche unseres Meisters einzugehen.“ Diese waren selten auf irgendeine Weise zu komplex oder unmöglich. Im Grunde war für Nakime und ihrer Dämonenkunst nichts wirklich unmöglich. „Solange ich es mir vorstellen kann, ist es auch möglich.“   „Oh“, machte Dôma. „Das ist ja wirklich interessant! Dann musst du eine große Vorstellungskraft haben!“, er klatschte einmal in die Hände. „Könnte man das Castle finden, wenn du es nicht wollen würdest? Irgendjemand? Ich meine auch... unseren Meister?“   Nakime sprach nie besonders viel über ihre blutige Dämonenkunst, im Grunde könnte alles, was sie sagte, auch dazu führen, dass man die Schwächen entdeckte, welche sie fein säuberlich verbarg.   „Ich denke... es gibt immer eine Möglichkeit etwas zu finden, wenn man es finden will“, antwortete sie so schleierhaft wie möglich.   „Ist das so?“, hakte Dôma summend nach, wirkte dabei aber nicht so, als würde er eine Antwort darauf haben wollen. Stattdessen beugte er sich vor, bis er auf allen vieren stand und streckte eine Hand nach ihr aus.   Nakime beobachtete mit Argusauge, wie sich die schlanken Finger mit scharfen Fingernägeln nach ihr ausstreckten. Fast schon zärtlich strichen sie durch ihr langes, glattes Haar – ließ seine Finger förmlich hindurchgleiten.   „Die Geige?“, sprach Nakime nun an, während sie ein wenig die Luft anhielt.   Luft, die sie ohnehin nicht benötigte.   „... Natürlich“, lächelnd setzte sich Dôma wieder hin. „Ich freue mich schon darauf, zu hören, was du mir heute vorspielen wirst. Es kann nur so schön sein, wie du es auch bist.“   Mittlerweile waren diese Komplimente keine solche Überraschung mehr für sie, doch nach ihren gemeinsam verbrachten Momenten, hatten sie eine andere Wirkung. Noch war sie sich nicht sicher, ob es etwas Gutes war. Dôma's Worte führten nun jedoch dazu, dass sie die Geige anhob und richtig hinlegte, während ihre zweite Hand auch schon nach dem Bogen griff. In einer geübten Bewegung, legte sie den Bogen richtig an die Saiten, schloss ihr Auge und wartete noch einen Moment, ehe sie anfing auf der Geige zu spielen, wie bereits viele Male zuvor. Sie hatte gelernt all die musikalischen Stücke, welche sie normalerweise auf ihrer Biwa spielte, auf die Geige anzupassen. Ihr musikalisches Gehör half ihr dabei ebenfalls aus.   Doch durch all diese Momente mit Dôma, hatte Nakime auch ihre Mauern der Vorsicht fallen gelassen. Natürlich gab es stets einen Teil von ihr, der darauf fixiert war zu lauschen, ob Muzan-sama sich melden würde. Es gab jedoch nichts mehr, was sie darauf achten ließ, was Dôma an ihrer Seite vielleicht machte.   Dadurch war sie ein wenig erschrocken, als sich plötzlich wieder schlanke Finger durch ihr Haar strichen – doch es blieb nicht bei dem Streichen. Ihr ganzes Geigenspiel fand ein promptes Ende, als die Hand einen großen Teil des Haares, welches ihr gesamtes Gesicht verdeckte, anhob.   „Oh“, hörte sie Dôma von sich geben.   Nakime zuckte sofort zurück, während ihr Auge aufschlug. Sie starrte geradewegs in die regenbogenfarbenen Augen des hochrangigen Dämons vor sich, welcher ihr Gesicht zu betrachten schien, als wäre sie eine seiner dummen Menschen im Kult.   Überrascht. Mitleidig. Amüsiert.   „Oh Kime-chan“, fiepste er dann. „Ich dachte die ganze Zeit, du wärst unglaublich hübsch und verbirgst unter deinem Haar ein engelsgleiches Gesicht, doch...“, er neigte den Kopf, immer noch mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. „Dieses große Auge... ah, es macht dich ganz schön hässlich.“   Hässlich?   „Sieht so aus, als wäre dein musikalisches Talent das einzig schöne an dir“, kicherte Dôma fast etwas kindlich-naiv, während er sie weiterhin anstarrte. „Aber das ist schon okay.“   Amüsiert. Sich keiner Schuld bewusst, weil es keine Schuld in ihm geben konnte... weil es keine Gefühle in ihm geben konnte.   Nakime ließ die Geige zu Boden fallen, als sie nach ihrer Biwa griff, war ihr nur zu klar, dass es für Dôma leicht wäre, sie aufzuhalten. Stattdessen sah er sie weiterhin einfach nur an. Immer noch lächelnd. Immer noch ohne Gefühle. Sobald sie die Biwa umfasste, zog sie an einer Saite und ließ Dôma vor sich verschwinden. Nakime konnte fühlen, wie der Dämon ihr etwas von ihrem Haar abriss bei dem prompten Rauswurf. Eine Verletzung, die ganz schnell verheilte, während eine andere noch immer deutlich zu fühlen war.   Sie rückte die Biwa auf ihrem Schoß ordentlich zurecht, während sie versuchte zu ordnen, was gerade passiert war – und wieso es irgendwas in ihr auslöste. Doch ziemlich schnell entschied sie sich dazu, dass es besser wäre einfach alles auszublenden und von dem abzulösen, was sie jetzt war. Ihr Blick traf die Geige, welche immer noch vor ihr auf dem glänzenden Holzboden lag. Die Klänge der Geige schienen weiterhin in ihrem Kopf zu spielen.   Verbunden mit dem Gesicht einer bestimmten Person.   Also warf sie es aus ihrem Castle heraus, ganz egal wohin sie auch fallen mochte. Nakime entschied sich dazu, niemals wieder ein neues Instrument ausprobieren zu wollen – und damit verbunden, niemals wieder eine Person an sich herankommen zu lassen. Nicht auf einer Ebene mit ihr.   Und dennoch war sie sich sicher, dass der Anblick einer Geige oder der Klang eben jener, genau das in ihr entfachen würden, was sie noch vor wenigen Augenblicken verspürt hatte.   Enttäuschung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)