Sanftes Summen von FlameHashira (Adventskalendertürchen 4) ================================================================================ Kapitel 1: Sanftes Summen ------------------------- Weiß wie frisch gefallener Schnee, sanfte Blütenblätter – unberührt und weich.   Leise summend fuhr Kotoha mit ihren Fingern über den, um einige der Dornen wegzuzupfen, damit die Rose keinerlei Gefahr mehr aufwies. Ein Teil ihrer Aufmerksamkeit lag stets auf Inosuke, doch ihr kleiner Junge schien tief und fest in seinem Körbchen zu schlafen. Dort, wo er mit dicker Kleidung und noch dickeren Decken lag, damit er in den Wintermonaten nicht frieren würde. Schnee hatte den Großteil des Gartenbereiches bedeckt, sie hatten die Wege etwas freigeschaufelt, damit ein Durchgehen gefahrlos verlaufen würde. Selbst die Abdeckungen über ihren Anbau konnte nicht alles davor bewahren, vom Schnee getroffen zu werden, die nächsten Wochen und Monate würden wohl etwas mäßiger ausfallen, was die Ernte anging. Sie würden Daikon weiterhin anbauen können, sowie ein paar Kohl- und Salatsorten, aber dennoch wäre es eine kleine Ausbeute als normal. Kotoha freute sich darauf, wenn der geschützte Anbau fertiggestellt wäre, damit sie wirklich stets auf der sicheren Seite waren.   So wie es jetzt war hieß es, dass sie auf ihre Reserven zugreifen und mehr Einkäufe erledigen müssten.   Kotoha war froh darüber, dass sie nur selten für die Einkäufe mitgeschickt wurde. Sie liebte die Menschen, vor allem alle, die hier mit ihr gemeinsam lebten, aber die Leute aus den angrenzenden Dörfern waren ... anders. Oftmals geprägt von Missgunst und Misstrauen, wurden sie selten freundlich empfangen. Lediglich das Geld, welches sie bei sich trugen, luden die Händler dort dazu ein, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht hätten die Fischer in ihrer kleinen Gemeinde hier mehr Glück und würden mit reichlicher Beute auftauchen, trotz der kalten Wintertage.   „Oh sieh nur Inosuke, es fängt an zu schneien“, fiepste sie leise und begeistert, als die Schneeflocken langsam vom Himmel fielen und den Garten mit noch mehr Schnee gestalten würden. Lächelnd sah sie zum Körbchen herunter, aber ihr kleiner Junge schlief immer noch tief und fest. Seine Wangen färbten sich jedoch immer röter und prompt machte sie ein besorgtes Geräusch. „Oh weh, waren wir zu lange draußen?“, flüsterte Kotoha leise zu sich.   Sie ging vor das Körbchen in die Hocke und streichelte ganz sanft über die dicken Wangen von Inosuke, sie fühlten sich nicht kalt an – zumindest nicht kälter, als ihre eigenen Hände. Schnell entschloss sie sich dazu, dass es an der Zeit wäre hineinzugehen. Immerhin wollte sie nicht, dass Insouke krank wurde – ihr Sohn war natürlich sehr stark und hatte bisher so viel schon erlebt, aber sie wollte für ein sicheres Leben sorgen. Kotoha war so dankbar für diese Gelegenheit, für alles, was ihr großartiger Gründer für machte und gab. Sie war nie einem wundervolleren, gütigeren Mann begegnet wie ihm.   Schnell sammelte sie all die weißen Rosen ein, die sie abgeschnitten hatte, sie bettete den kleinen Strauß auf Inosukes Decke, ehe sie das Körbchen hochhob und ein leises „Uff“ von sich gab.   „Du wirst immer schwerer, Inosuke“, redete sie seufzend weiter. „Es ist schon fast ein Jahr vergangen ...“   Die Zeit verging wie im Flug, vor allem wenn man in einer so warmen Gesellschaft angekommen war. Man hatte stets dafür gesorgt das sie sich wirklich Willkommen gefühlt hatte, sicherlich tat ihr auch die Aufmerksamkeit ihres Anführers entgegen. Wie konnte man sich nicht gut aufgehoben fühlen, wenn man stets an seine Seite gewünscht wurde? Alles, was Kotoha dafür tat, war ein paar schöne Lieder zu singen, die sie von ihren eigenen Eltern gelernt oder woanders aufgegriffen hatte. Sie liebte es zu singen und noch mehr liebte sie es, seitdem auch eine weitere Person ihren Gesang wirklich genoss und zu lieben schien, Ihr Bauch füllte sich mit angenehmer Wärme, wenn sie darüber nachdachte.   Sie trug ihren Sohn schnell ins Inneres des Tempels, hindurch zu dem Gebiet, wo all die Zimmer lagen, welche von ihnen benutzt werden durften. Kotoha war überglücklich darüber gewesen, ein Schlafzimmer angeboten zu bekommen, groß genug für sie und auch Inosuke. Sie atmete ein wenig auf, als sie in ihr Zimmer kam und das Körbchen sanft auf dem Bett ablegte. In ihrem Zimmer war es ebenso etwas abgekühlt durch die Außentemperatur, aber dennoch wärmer. Vor allem waren sie geschützt von Wind und Wetter. Kotoha nahm die Rosen wieder runter von Inosukes Decke, um diesen stattdessen etwas aufzudecken, damit er nicht zu sehr schwitzte. Die ganze Zeit über gab ihr Junge keinen Ton von sich, was sie aber auch durchaus mal genoss. Glücklicherweise schlief Inosuke mittlerweile auch fast jede Nacht durch. Die kommende Nacht würde wohl schwieriger werden, da er jetzt so viel schlief.   Immer wieder fragte sie sich, ob es ihr Verschulden war – machte sie etwas falsch?   Lächelnd zupfte sie vorsichtig die selbstgestrickte Mütze vom Kopf ihres Sohnes, sofort entfaltete sich das tiefschwarze Haar, welches fast schon blau zu schimmern schien. Sie strich sanft, die kleine Mähne glatt, die langsam zu wachsen schien. Vorsichtig hob sie den kleinen Körper aus dem Körbchen, um ihn stattdessen mittig ins Bett zu legen, dort wo Inosuke es sicherlich bequemer hatte. Anschließend setzte sie sich ebenfalls mit ein paar herausgesuchten Utensilien auf das Bett.   „Tooryanse tooryanse! koko wa doko no hosomichi ja?“, sang sie leise vor sich hin, während sie anfing aus den gesammelten weißen Rosen einen kleinen Strauß zu binden. „Tenjin-sama no hosomichi ja. Chitto tooshite kudashanse:“   Sanft summte sie die Melodie weiter, immer noch fixiert auf die weißen Rosen. Sie fragte sich auch direkt, welche Blumen Inosuke wohl mögen würde, sobald er etwas älter war – und welche Blumen mochte ihr Anführer? Auf dessen Fächern gab es oftmals Lotosblüte zu sehen, vielleicht mochte er also diese Blumen am liebsten? Nachdenklich kräuselte sie leicht die Stirn, ehe sie aus ihren Gedanken gerissen wurde, weil es an ihrer Tür klopfte. Blinzelnd sah sie zu eben jener Tür: „Komm herein“, bat sie anschließend sogleich.   Hoffentlich laut genug für die Person, die vor der Tür stand und immer noch leise genug, damit Inosuke nicht wach wurde. Vielleicht würde Inosuke ja die Nacht durchschlafen, obwohl er schon recht früh eingeschlafen war und vielleicht würde er sie auch etwas länger schlafen lassen? Letzteres war wohl unwahrscheinlich, aber sie hatte gelernt, damit umzugehen. Als junge Mutter lernte man solche Dinge recht schnell, auch wenn sie hier im Tempel immer viel Unterstützung erfahren hatte.   „Guten Abend Kotoha, störe ich?“   „Aber nein“, winkte sie lächelnd ab, während sie den Straßen weißer Rosen sanft auf ihren Schoß ablegte. „Inosuke schläft gerade tief und fest. Wie kann ich also helfen?“   „Ich wollte nur fragen, ob du unseren ehrenwerten Gründer gesehen hast? Er ist bei Sonnenuntergang für einen Spaziergang nach draußen gegangen, aber das ist schon eine ganze Weile her.“   Blinzelnd sah sie zu der etwas älteren Frau, welche immer noch an der Tür stand, ganz offensichtlich besorgt. Kotoha war sich sicher, dass niemand einem so reinen Wesen wie ihren Anführer etwas antun könnte – aber ebenso hatte sie miterlebt, wie furchtbar manche Menschen doch sein konnten. Sie konnte die Besorgnis also durchaus nachvollziehen.   „Nein, ich habe ihn seither nicht gesehen“, antwortete sie nun ebenfalls besorgt. „Aber ich könnte nach ihm suchen. Ich begleite ihn hin und wieder auf seine Spaziergänge und kenne seine Route gut.“   „Oh, das musst du nicht, Kotoha. Es ist doch so kalt draußen ...“   „Meine Kleidung wird mich schützen“, lächelnd erhob sie sich von dem weichen Bett, leichtfüßig bewegte sie sich durch das Zimmer, um den Strauß in eine Vase zu legen. „Würdest du für mich so lange hierbleiben und ein Auge auf Inosuke werfen? Er schläft bisher tief und fest und scheint auch nicht so schnell wieder aufzuwachen.“   „Aber natürlich“, die ältere Dame kam sofort herein und legte sich verliebt die Hände an die Wangen. „Hach, er ist so klein und süß ... einfach zauberhaft.“   Kotoha kicherte leise, auch wenn sie diese Reaktion schon oftmals miterlebt hatte, hörte sie es jedes Mal gerne. Ihr Sohn würde hier wirklich gut aufwachsen können! Schließlich griff sie summend nach einem Cape, welches gefüttert war und sie bequem über den ebenso gefütterte Kimono ziehen konnte. Sie war so dankbar für alles, was sie stets geschenkt bekam oder sich selbst nähen und stricken konnte. Es war so viel mehr, als sie wohl jemals besessen hatte. Sie zog die Kapuze hoch und wickelte noch einen Schal um ihren schmalen Hals, damit sie wirklich gut geschützt war.   „Ich werde bald wieder zurück sein“, versprach sie nun.   Sie ging noch einmal zum Bett zurück und hauchte einen zarten Kuss auf Inosukes Stirn.   „Pass bitte auf dich auf.“   „Das werde ich“, erwiderte Kotoha nochmal sanft, ehe sie das Zimmer verließ.   Direkt machte sie sich auf den Weg, den Tempel an derselben Stelle zu verlassen, die sie stets nutzte, wenn sie ebenfalls spazieren ging. Kotoha war sich sicher, dass Inosuke in guten Händen war, also verließ sie in völliger Ruhe den Tempel und betrachtete den Schnee, der über alle um sie herum war. Es war sicherlich schon sehr spät und ihr Anführer sollte wirklich mittlerweile daheim sein, statt sich hier draußen herumzutreiben. Es war jederzeit möglich, dass ein Schneesturm über sie hereinbrach, die so überraschend kommen konnten. So überraschend wie ihr Leben sich hier eingefunden hatte.   Den Weg vom Grundstück herunter konnte sie recht schnell und einfach hinter sich bringen, da der Schnee vom Weg geschaufelt worden war. Danach sah es schon schwieriger aus. Ihr Zuhause war umgeben von den hübschen Wäldern, sie liebte die Ausflüge in die freie Natur und wie Inosuke langsam dabei war, alles zu entdecken – auch wenn sie ihn jedes Mal davon abhalten musste, sich irgendwelche Käfer in den Mund zu stecken. Eine friedliche Ruhe lag über dem gesamten Wald und selbst wilde Tiere wirkten beinahe zutraulich oder komplett verschreckt. Sie konnten normalerweise Beeren sammeln oder auch Pilze – doch die jetzige Jahreszeit machte auch dies natürlich schwerer. Alles um sie herum war von Schnee bedeckt und dieser würde immer mehr werden – immer noch fiel frischer Schnee sanft vom Himmel.   Ein besorgter Seufzer entrann ihr, als nach den ersten Metern niemand zu sehen war. Sie hatte durchaus gehofft, dass ihr Anführer nicht zu weit weg sein würde – vielleicht schon auf dem Weg zurück wäre und sie sich in der Mitte treffen würden. Doch ihr Weg führte sie tiefer in die Wälder und prompt stellte sie fest, dass sie nicht einmal eine Laterne mit sich geführt hatte. Glücklicherweise spiegelte der Himmel die schneeweiße Decke wider, die sich ausbreitete, wodurch es nicht so dunkel war, wie es sein könnte.   Sie hoffte, dass es auch dabei bleiben würde.   So lange war Kotoha dann auch nicht unterwegs, als sie auf eine Art Lichtung traf. Freude überkam sie, als sie das Haar, so hell wie das Mondlicht, erkannte, welches zu ihrem Anführer gehörte. Ein Stein fiel ihr vom Herzen, doch der Name des Mannes blieb ihr im Hals stecken, als sie weiter auf die Lichtung trat, Schnee so hoch, dass ihre Knöchel bedeckt waren und sie zittern ließ.   Schnee, durchtränkt von einer roten Flüssigkeit. Schnee, durchtränkt von Blut.   Ihr Herz schlug schneller und schneller, während sie versuchte zu erfassen, was gerade überhaupt passiert war. Ihre Augen wanderten von leblosen Körper zu leblosen Körper, dann wurde sie von vor Schreck geweiteten Augen angestarrte – kalte, leblose Augen, in denen die Angst deutlich zu sehen war. Ein erschrockenes Fiepsen entrann ihr, als sie einen Schritt zurückstolperte und ihre Hände entsetzt vor das Gesicht hielt.   „Kotoha.“   Die sanfte, warme Stimme ließ sie leicht aufschluchzen vor Schreck. Sie wagte es, ihre Finger auseinander zu spreizen, um die einzige lebende Person anzusehen. Haar und Haut schienen dank des Mondes zu leuchten und ließen ihn mehr denn je wirken wie ein Engel.   „Keine Angst, die Gefahr ist gebannt. Du musst dich nicht mehr sorgen.“   Sie war gebannt?   „Was ist denn hier passiert, Dôma-sama?“, fragte sie leise.   Kotoha konzentrierte sich darauf, in das hübsche Gesicht zu sehen, welches sich vor ihr zeigte. In die beeindruckenden, regenbogenfarbenen Augen und dem sanften Lächeln auf den Lippen.   „Ich bin mir nicht sicher. Es könnte ein Überfall gewesen sein“, antwortete der junge Mann, als er sich ihr näherte. „Ich war nicht rechtzeitig da, um irgendwas zu sehen. Aber als ich sie gesehen habe, konnte ich nicht einfach weiterziehen. Ich habe dabei geholfen, dass ihre Seelen den Weg ins Paradies finden werden.“   Immer so ehrwürdig, aufopferungsvoll und barmherzig. Kotoha fühlte, wie Ruhe sich über sie legte, wie eine warme Decke.   „Es ist schon so spät, du solltest um diese Uhrzeit nicht alleine draußen sein, Kotoha“, machte Dôma spielerisch wieder auf sich aufmerksam. „Und dann auch noch ohne eine Laterne ...“   „I-ich weiß“, antwortete sie zaghaft. „Wir haben uns Sorgen um dein Verbleiben gemacht. Ich wollte dich suchen gehen.“   Sie sah Überraschung auf den weichen Zügen des Mannes, erkannte nun auch das Blut an dessen Händen – sicherlich kam es davon, wie er sich um die Menschen gekümmert hatte. Sicherlich hatte er versucht, sie zu retten, zu kontrollieren, ob sie wirklich tot waren oder nicht. Offensichtlich waren sie es jedoch. Was für ein schreckliches Geschehen war über sie hereingebrochen?   „Ihr sollt euch nicht um mich sorgen, aber natürlich wärmt es mein Herz davon zu wissen“, erwiderte Dôma lächelnd. „Dann lasst uns jetzt gehen. Für diese armen Leute können wir nichts mehr tun, nicht ohne selbst in Gefahr zu geraten, wenn der Schneefall stärker werden sollte.“   Kotoha nickte zaghaft, es brach zwar ihr Herz, die ganzen Leute hier liegenzulassen, aber sie konnten nicht alle davon zum Tempel bringen und noch weniger jetzt Gräber ausheben, wo der Boden ohnehin durch den Frost ganz fest war. Also wandte sie sich wieder ab, um den Weg zurückzugehen, den sie gekommen war. Jetzt, mit Dôma an ihrer Seite, fühlte sie sich bereits wesentlich sicherer, - als könnte ihr nun nichts mehr zustoßen, weil sich ihr Anführer davor werfen würde.   „War dein Spaziergang, abgesehen vom Ende, wohltuend, Dôma-sama?“, fragte Kotoha leise und zaghaft nach.   „Oh, das war er. Ich genieße die niedrigen Temperaturen des Winters wirklich sehr, es ist einfach wundervoll.“   „Ich wünschte, ich würde genauso wenig frieren wie du, Dôma-sama“, lachte sie etwas auf. „Es scheint, als könnte dir Wind und Wetter nichts anhaben.“   Ob das eine Art Segen der Götter war? Immerhin tat Dôma wirklich alles, um dem Glauben gerecht zu werden – er war ein großartiger Anführer und hatte auf jede Frage eine Antwort, konnte stets gute Ratschläge geben, wenn man dabei war zu verzweifeln. Kotoha wüsste nicht, wo sie stehen würde, wenn sie nicht ihm begegnet wäre. Nichts würde sie jemals dazu bringen können, die Seite von diesem Mann verlassen, welcher immer so gut zu ihr und auch Inosuke war.   Sie waren am Ende nicht ganz so weit vom Tempel entfernt, wie Kotoha erst gedacht hatte. So kamen sie sehr schnell wieder in die halbwegs warme Umgebung, in welcher immer noch eine heilige Ruhe zu herrschen schien.   „Möchtest du vielleicht nochmal mit zu Inosuke kommen, Dôma-sama?“   Kotoha wollte nicht so hoffnungsvoll klingen, wie sie es tat. Wie jeder, der hier lebte, so wie sie, war auch sie beinahe süchtig nach der Aufmerksamkeit von diesem Mann. Sie sagte sich immer, dass dies nur daran lag, dass sie sich für Inosuke einen Vaterersatz wünschte, doch es war so viel mehr.   „Sehr gerne, Kotoha.“   Ihr Herz machte einen glücklichen Hüpfer, als sie dies hörte und sogleich ging sie voraus zu ihrem Zimmer, obwohl Dôma den Weg selbst im Schlaf finden könnte. Doch schnell wurde ihr bewusst, dass Inosuke nicht mehr durchschlief, das Gebrüll ihres Sohnes war von weiten schon zu hören. Inosuke konnte wirklich sehr laut sein, sowohl beim Brabbeln, als auch beim Schreien und Weinen. Es zerriss stets ihr Herz.   „Oje“, machte sie direkt besorgt, als sie schließlich in ihrem Zimmer ankam.   Inosuke wurde in den Armen der älteren Dame gewogen, welche es jedoch einfach nicht schaffte Ruhe einzubringen. Schnell schritt Kotoha an die Seite von ihr und nahm auch Inosuke schnell ab, um diesen nun ebenfalls sanft zu wiegen. Sie bekam nur am Rande mit, wie sich Dôma kurz mit der Dame unterhielt, die genauso hier lebte, wie die Meisten in diesem Tempel und völlig erleichtert davon war, ihren Anführer jetzt wieder hier zu haben. Ihr kleiner Junge entschied sich weiterhin dazu, zu schreien und zu weinen, bis Tränen über die dicken Wangen liefen.   „Hast du Hunger? Du solltest eigentlich nicht hungrig sein“, murmelte Kotoha leise. „Aber du willst wohl schnell sehr groß und stark werden, nicht wahr?“   Sie blinzelte kurz irritiert als sich eine Hand ihrem Kind näherte, nur um kurz darauf zu identifizieren, dass es die von Dôma war, welche sanft nach der Faust von Inosuke griff. Schnell schlangen sich die dicken, kleinen Finger um einen von Dôma und hielten ihn eisern fest, während er immer noch weinte. Dômas Hände waren nicht mehr in Blut getaucht, aber wann hatte er sie sich gewaschen?   „Hol ihm doch etwas zu Essen, immerhin ist es wichtig, dass er gut gesättigt ist“, merkte Dôma nun auch an. „Ich kann ihn so lange halten.“ Kotoha wusste sehr genau, dass Dôma dies konnte. Es war einer ihrer liebsten Anblicke, seitdem sie hier lebte. Dôma, der sanft ihren kleinen Inosuke im Arm hielt. Sie dachte also nicht lange darüber nach, sondern reichte Inosuke in die erhabenen Hände ihres Anführers weiter, welcher ihn prompt sanft im Arm hielt und wog.   „Ich bin sofort wieder da“, sagte Kotoha schließlich, ehe sie in die Küche eilte.   Um dorthin zu kommen, musste sie durch den halben Tempel gehen. Sobald sie die Küche jedoch erreicht hatte, machte sie sich sogleich daran, den Brei herauszusuchen, den sie für Inosuke so gut wie möglich vorbereitet hielt. Sie war froh über die Unterstützung, die sie hier bekam und das winterliche Wetter half dabei, den Brei einzufrieren, wenn zu viel übrig blieb. Doch nun musste sie diesen wieder etwas erwärmen, damit es für Inosuke essbar wäre. Sie testete stets neue Rezepte aus und wusste so ungefähr, was ihr kleiner Sohn gerne aß und was nicht. Tatsächlich war er nicht sehr kritisch. Er hatte nur eine Abneigung gegen Süßkartoffeln, selbst diese würde er aber vertilgen, wenn er hungrig war. Sie hatte wohl großes Glück mit den Essgewohnheiten von Inosuke, manche erzählten ihr, wie trotzig ihre Kinder gerade bei diesem Thema gewesen waren.   Sobald sie den Brei aufgewärmt hatte, machte sie sich auf den Weg zurück. Immerhin wollte sie wirklich nicht, dass ihr Anführer sich lästiger Weise um ein kleines, schreiendes Kind sorgen musste. Kotoha machte das ja nichts aus, aber sie wusste, dass Inosukes lautes Schreien nicht immer gerne gehört war. Als sie sich ihrem Zimmer näherte, fiel ihr erst gar nicht auf, wie ruhig es doch war, erst als sie die Tür aufschob und hineinsah, bemerkte sie es. Dôma saß mittlerweile auf ihrem Bett, hielt Inosuke immer noch im Arm und ließ ihm sogar einen seiner Finger zerquetschen und besabbern.   „... er wird immer so ruhig bei dir“, seufzte Kotoha leise.   Das war wirklich wundervoll, ließ sie aber auch an sich selbst zweifeln. Immerhin war Inosuke keineswegs ruhiger geworden in ihren Armen – bei Dôma schien es jedoch plötzlich selbstverständlich zu sein.   „Er ist nur so ruhig, wie ich selbst es bin“, erwiderte Dôma, als er nun zu ihr hochsah und ein atemberaubendes Lächeln auf den Lippen trug. „Ich denke dennoch, dass er hungrig ist.“   Kotoha spürte wie ihr Herz schneller schlug wegen dieses Mannes und nickte sogleich ebenfalls lächelnd, als er sie noch ein Tuch heraussuchte, welches sie nutzte, damit Inosuke sich nicht immer selbst vollschmierte. Sie hatte auch einen Hochstuhl für den Jungen, aber nicht hier in ihrem Zimmer. Kotoha setzte sich schnell mit auf das Bett, während Dôma seinen Finger sanft aus Inosukes Hand löste, welcher sogleich anfing etwas zu jammern. Der Junge wurde schließlich schnell auf den Schoß von Dôma platziert, welcher auch dabei half, dass Kotoha das Tuch um Inosukes Hals wickeln konnte.   „Ist es wirklich in Ordnung, wenn du ihn hältst, während ich ihn füttere? Er könnte alles dreckig machen.“   „Schon in Ordnung, Kotoha.“ Dôma saß völlig entspannt da und hielt Inosuke sanft fest. „Erzähl mir doch von eurem Tag, habt ihr etwas Besonderes erlebt?“   Kotoha fing sofort an zu strahlen. Nicht nur, weil ihrem Anführer völlig einerlei war, dreckig werden zu können – wegen Brei, Babysabber und allem, was Inosuke so produzierte und gerne verschmierte – auch weil sie nach ihrem Tag gefragt wurde.   „Oh, Inosuke und ich waren im Garten. Ich habe es dort endlich geschafft, ein paar Rosen zu kreuzen“, erzählte sie lächelnd. „Es ist eigentlich ein ganz schönes Wunder. Die Blütezeit der Rosen ist schon sehr lange vorbei, aber sie kämpfen sich hervor – durch Schnee und Frost, und blühen einfach wundervoll. Ich habe sogar zusammen gebunden und dort drüben in die Vase getan.“   „Weiße Rosen“, erkannte Dôma als er die Vase schnell entdeckte, mit den dazugehörigen Blumen.   Kotoha nickte sofort, während sie nebenbei bemüht darum war, Inosuke zu füttern, der immer etwas anfing zu quengeln, wenn es zu lange für ihn dauerte, bis der nächste Löffel kam. Er war so gierig und hungrig.   „Ich denke, dass er einen neuen Zahn bekommt“, merkte Dôma nun auch an. „Oben rechts der Eckzahn. Da scheint etwas durchzukommen.“   „Ohhh“, machte Kotoha sofort begeistert. „Bald kannst du richtig mit uns essen, Inosuke. Du wirst immer größer ...“   Dafür wären die Nächte davor eine Qual. Sie verstand, dass es weh tun musste, wenn ein Zahn durchbrach, aber für sie war es immer äußerst anstrengend, wenn Inosuke weinte und schrie und sich kaum beruhigen ließ. Sie wusste natürlich, dass Dôma ihr dann oft erlaubte einfach im Zimmer zu bleiben und sich voll auf ihren Sohn zu fixieren – aber sie wollte ein vollwertiges Mitglied sein und helfen. Beim Kochen, Saubermachen oder allem anderen, was hier zu tun war. Am liebsten lauschte sie Dôma's Stimme, wenn er etwas erzählte und Ratschläge gab. Dafür sang sie dann auch immerzu gerne, für ihn schien es ihren Anführer zu entspannen.   Sie konnte sich kein besseres Leben vorstellen, als dieses hier. Vor allem auch für Inosuke in der Zukunft – er würde zu einem selbstbewussten, naturverbundenen und respektvollen Mann heranwachsen, der seine Mitmenschen schätzen würde. Da war sie sich ganz sicher – immerhin hatte er sie als Mutter und Dôma war auch noch als Vorbild da.   Mit jedem Löffel mehr wurde Inosuke weniger quengelig. Dennoch aß er die ganze Schüssel mit Brei auf, bevor er zufrieden zu sein schien. Kotoha putzte das kleine Gesicht mit dem Tuch ab, bis es wirklich sauber war, ehe sie alles wegstellte – sie konnte sich noch morgen darum, kümmern es zur Küche zu bringen und abzuwaschen. Viel wichtiger war ihr nun, die gemeinsame Ruhe zu genießen.   „Jetzt wird aber wieder geschlafen, Inosuke“, sagte sie sogleich leise zu ihrem Jungen.   Dieser hatte prompt wieder damit angefangen, auf Dôma's Finger herumzukauen. Sie fragte sich, ob es an der natürlichen Kühle lag, die ihr Anführer stets verströmte. Schmunzelnd legte Dôma den Jungen wieder auf das Bett ab und rieb leicht über dessen pummeligen Bauch, was Inosuke sofort zum Fiepsen brachte, während er ein Lächeln auf den Lippen trug, welches genauso gut bedeuten könnte, dass er Blähungen hatte. Wegen solcher Kleinigkeiten beobachtete Kotoha die beiden einzigen Männer in ihrem Leben gerne. Natürlich war Inosuke noch zu jung, um wirklich als Mann zu gelten, aber künftig würde er einer werden. Einer von Zweien, denn der andere würde hoffentlich ewig Dôma sein. Sie legte sich nun ebenfalls ins Bett, um dieses auch etwas abzusichern, damit Inosuke hier schlafen konnte, ohne herunterzufallen. Nebenbei hörte sie Inosuke immer wieder fiepsen, brabbeln und die kleinen Strampel-Bewegungen, die er mittlerweile nur zu gerne machte. Glücklicherweise schien er es mit dem Laufen etwas langsamer angehen zu lassen, sonst wäre absolut nichts mehr sicher vor ihm.   „Möchtest du noch etwas bleiben, Dôma-sama?“, fragte sie indessen zaghaft nach, während sie sich hinlegte und einen Arm über Inosuke's Kopf legte. „Ich singe ja immer für Inosuke und ich habe heute noch gar nicht für dich gesungen.“   Für andere wäre Dôma's Blick vielleicht zu tief und fast schon gierig, wenn er sie ansah, aber für Kotoha war er gefüllt mit Zärtlichkeit und einem immensen Wissen über die Welt.   „Ich bleibe gerne für deine Stimme noch etwas hier“, antwortete Dôma schließlich und legte sich inzwischen auf die andere Seite von Inosuke. Auch er legte seinen Arm über den Jungen hinweg, über den Arm von Kotoha, welche bald schon aneinander lagen.   Kotoha spürte eine sanfte Röte über ihr Gesicht ziehen, während sie sich näher an Inosuke legte – sie beide näher an Dôma schoben, um die Decke über ihre Körper zu ziehen, wodurch sie bald alle darunter lagen. Mit klopfenden Herzen machte sie es sich richtig bequem und begann nun sanft damit durch die dunklen Haarsträhnen von Inosuke's Kopf zu streicheln. Summend stieg sie jetzt auch langsam ins Singen ein, so wie sie es Dôma immerhin versprochen hatte. Vielleicht war Dôma aber nicht nur wegen ihres Gesangs da? Ihr Blick blieb nicht an Inosuke hängen, auch nicht an Dôma – stattdessen wanderte ihr Blick zu den Rosen. Rein und weiß standen sie nach wie vor in ihrer Vase und schenkten der Räumlichkeit eine kühle Harmonie. Weiß wie frisch gefallener Schnee. Und plötzlich musste sie an die Situation von vorhin denken. An den frisch gefallenen Schnee, der rot von Blut war und nicht so weiß wie die Rosen in ihrem Zimmer.   An die Hände ihres Anführers, mit dieser blassen Haut, welche fast genauso weiß war, wie Schnee – und wie diese Haut in Blut getaucht worden war. Blut, das irgendwann verschwunden war und zurückgeblieben war, schöne, reine Haut – weiß wie ihre Rosen und nicht so rot, wie der in Blut getränkte Schnee.     „Sakura, sakura sakura sakura noyama mo sato mo miwatasu kagiri kasumi ka kumo ka asahi ni niou sakura sakura hana zakari sakura sakura yayoi no sora wa miwatasu kagiri kasumi ka kumo ka nioi zo izuru izaya izaya.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)