In die Arme des Bösen von FlameHashira (Wichtelgeschichte für Sturmdrache) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Kyojuro erinnerte sich noch sehr genau daran, wie er aufgewacht war. Seine Lunge hatte sich unglaublich schwer angefühlt – sein ganzer Körper hatte sich so unglaublich schwer angefühlt. Als hätte man seinen Körper mit unendlich vielen Steinen gefüllt.   Es war stockfinster gewesen.   Seine Augen wollten sich nicht öffnen, bis er sich auf eines speziell konzentrierte. So konnte er zumindest aus einem Auge heraus sehen, obwohl es nicht viel zum Sehen gegeben hatte. Die Dunkelheit hatte über ihn geherrscht und obwohl diese für viele an seiner Stelle wohl unglaublich furchterregend sein könnte, so fühlte es sich für Kyojuro friedlich an. Obwohl er sich so schwer fühlte, nur ein Auge öffnen zu können schien und im Grunde nichts sah – hatte es etwas Beruhigendes an sich.   Im Nachhinein war ihm klar, dass dies an den Unmengen von Medikamenten lag, welche in seinen Körper fast schon gepumpt worden waren.   Kyojuro schaffte es nicht, einen Laut von sich zu geben, aber vielleicht hatte er es auch nicht genug versucht. Er folgte einfach dem harmonischen Gefühl, als würde er auf Wolken schweben. Dann starrte er geradewegs in leuchtende Augen, mit Sklera, wie zerbrochenes Glas. Upper Moon Three, konnte er lesen, aber nicht ganz erfassen. Es schien, als würde sein Herz prompt schneller schlagen und mit aller Kraft gegen seinen Brustkorb hämmern.   „Du hast es geschafft“, hauchte die fremde und doch so vertraute Stimme ihm entgegen. „Das ist unfassbar. Unmöglich. Oh Kyojuro~.“ Er konnte eine Berührung wahrnehmen, so kalt wie Eis, die sein Gesicht berührte – vielleicht seine Stirn oder seine Wange, ganz definieren konnte er es nicht. „Du musst einfach einsehen, dass du perfekt wärst. Du bist einfach auserwählt, um so zu werden wie ich. Mit deiner Stärke ... du würdest es so weit bringen!“   Kyojuro versuchte zu verstehen, was ihm erzählt wurde, versuchte immer noch zu erfassen, wen er da vor sich hatte. Sein Verstand war so wattig, es gab kaum einen klaren Gedanken, den er erfassen konnte.   „Aber dein Kampfgeist ist fast vollkommen verschwunden. Nun, das sollte ich wohl darauf schieben, dass du in keiner sonderlich guten Verfassung bist, was?“, er hörte ein klares Auflachen, spürte eine Gänsehaut an seinem Körper, aufgrund des Geräusches. „Du reagierst nicht einmal ansatzweise auf mich, wie lästig. Ich hatte gehofft nochmal sehen zu können wie du ... leuchtest.“   Kyojuro schaffte es immer mehr wahrzunehmen, es war immer noch unglaublich dunkel, aber die Person, die da war, stand perfekt im Mondlicht, welches in das Zimmer leuchtete. Er konnte blasse Haut erkennen, die fast zu glänzen schien, aber ebenso auffällige Bemalungen. Pinkes Haar. Es ließ wieder sein Herz schneller schlagen, Adrenalin durch seine Adern pumpen.   „Ohhh“, machte sein Besucher. „Du bekommst mich doch mit. Ich kann dein Herz hören.“ Plötzlich lag eine weitere Schwere auf seinem Brustkorb, schwer und kalt. „Ich könnte es dir einfach herausreißen. Genau das will er. Aber so ein Tod ist nicht, was du verdienst. Du hättest einfach sterben sollen, aber dein Wille zu Leben ist ... unglaublich. Wieso siehst du nicht, dass du als Dämon so viel mehr Zeit hättest? Ich würde bei dir bleiben, dich anleiten – wir könnten bis in alle Ewigkeit kämpfen und die Ränge durcheinander bringen. Es wartet so viel Spaß auf uns.“   Es lag eine schwere Stille für den Moment in der Luft. Sein Verstand versuchte anzunehmen, was er gehört hatte. Dämon. Bis in alle Ewigkeit. Er kannte diese Worte, wieso konnte er also nichts damit verbinden. Er war einfach ... viel zu müde.   „Nein ... ich kann dich nicht einfach sterben lassen ...“   Kyojuro fühlte wie sein Auge zuschlug, welches er eben noch offen hatte halten können.   „Ich werde dir helfen und dann wirst du es verstehen.“   Die Stimme war nur noch wie ein Flüstern, welches sanft zu ihm durchdrang. Noch immer nicht genug, um ihn wirklich verstehen zu lassen. Kapitel 1: Chapter One ---------------------- Im Nachhinein war das alles nur noch ein Echo von einer Erinnerung. Kyojuro fühlte die Klarheit und Sicherheit darüber tief in sich, aber gleichzeitig verweigerte sich sein Verstand anzuerkennen, dass dies wirklich passiert war. Seit seinem ersten Erwachen waren nun ein paar Tage vergangen. Er schaffte es mittlerweile wirklich für einige Stunden wach zu bleiben, auch wenn er nach wie vor mehr Schlaf benötigte als in einem völlig gesunden Zustand. Seine Ernährung bestand hauptsächlich auch Tee und leichte Misosuppe oder Ramen. Immer nur minimale Portionen.   Portionen, die Kyojuro normalerweise nicht ansatzweise sättigen würden, waren manchmal sogar zu viel. Er brauchte Hilfe bei jeder zu großen Bewegung – um sich aufzusetzen, um zu essen und zu trinken und natürlich auch dann, wenn er sich erleichtern wollte. Nach der anfänglichen Verlegenheit für ihn war das mittlerweile ganz normal geworden. Vielleicht nicht ganz normal, aber es war nicht mehr so, als würde Kyojuro innerlich im Boden versinken.   Das Schönste war jedoch, dass so viele Menschen kamen, um ihn zu besuchen. Kyojuro war sich natürlich darüber bewusst, dass er zu den meisten Menschen eine Bindung aufbaute, er bemühte sich stets darum, mit seinen Hashira-Kumpanen gut auszukommen, sie waren für ihn wie eine Familie. Dennoch war er durchaus etwas überrascht davon, wie viele Personen zu ihm kamen. Am wichtigsten für ihn war dabei natürlich Senjuro, welcher eindeutig tagelang damit verbracht hatte zu weinen. Kyojuro sprach es nicht an, um seinen kleinen Bruder nicht in Verlegenheit zu bringen, er umarmte ihn einfach so fest, wie es möglich für ihn war. Kyojuro fand heraus, dass er etwas mehr als zwei Wochen im Koma verbracht hatte. Sein Überleben war reines Glück gewesen. Der Blutverlust war immens gewesen, von der faustgroßen Öffnung in seinem Oberkörper mal ganz zu schweigen. Er sah bei allen Besorgnis und Skepsis darüber, als er hinterfragte, wann er wieder fit genug wäre. Kyojuro sah auch einen kurzen Augenblick mehr von Shinobu, als diese normalerweise zeigte. Als würde ihre Maske für den Bruchteil einer Sekunde zerbrechen, ehe sie wieder in traumhaftes Lächeln trug, welches Mut schenken konnte. Selbst dann, wenn es scheinbar keinen Mut gab, weil Kyojuro's Körper so stark beschädigt worden war, dass es möglicherweise zu einem verfrühten Rücktritt kommen könnte.   Kyojuro weigerte sich, das zu akzeptieren. Genauso wie er sich weigerte zu akzeptieren, dass Upper Moon Three hier gewesen war.   „Kyo~juro~!“   Er drehte schwerfällig den Kopf in die Richtung, aus welcher die ihm so bekannte Stimme kam, die einige Oktaven höher ging, als jemals zuvor. Viel Zeit hatte er auch nicht, um hinzusehen, denn kaum erkannte er einen rosafarbenen Haarschopf, da lagen auch schon die vermeintlichen zierlichen Arme um ihn, die ihn wohl wie einen Zweig zerbrechen könnten.   „Mitsuri“, erwiderte Kyojuro etwas lachend – und schwer zu Luft kommend.   „Kanroji-san! Rengoku-san ist immer noch sehr verletzt, seid also vorsichtig!“   Er schickte einen kleinen Dank gedanklich an Aoi, welche wohl die meiste Zeit mit ihm verbrachte und stets darauf aus war, darauf zu achten, dass Kyojuro von seinen Besuchern nicht überrannt wurde.   „O-oh nein ... Es tut mir so leid!“, hörte er Mitsuri schluchzen, die es geschafft hatte, in Sekundenschnelle, den Kragen seiner Kleidung unter ihren Tränen komplett zu benässen.   „Schon in Ordnung“, erwiderte Kyojuro sofort beruhigend, dennoch erleichtert als Mitsuri sich ein wenig löste, damit er auch richtig atmen konnte.   „I-ich bin nur so froh! Ich habe die Nachricht bekommen, dass du es vielleicht nicht schaffen wirst, aber du hast es geschafft! Du atmest und lebst und du lächelst immer noch!“   Wie konnte er nicht lächeln, bei einer Freundin wie Mitsuri? „Es war wohl reines Glück, wenn wir Kocho-san einfach so glauben wollen“, verriet Kyojuro mit einem kleinen auflachen. „Aber mir geht es ... ganz gut so weit.“ Auch wenn er immer noch sehr unselbstständig war, wurde es mit jedem Tag besser, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Sein Optimismus spielte dabei jedoch sicherlich auch eine große Rolle.   Erst als Mitsuri sich nun wirklich von ihm löste, konnte Kyojuro auch eine weitere Person entdecken, die sich bislang in Stille geübt hatte – und einen scharfen Blick.   „Iguro-san!“ Kyojuro konnte den Schlangenhashira nicht so lautstark begrüßen, wie er es oft und gerne tat, aber da derzeit eine angenehme Ruhe herrschte, war es eindeutig laut genug, um auf sich aufmerksam zu machen.   „Rengoku-san ... gut das du überlebt hast.“   Kyojuro kannte Obanai gut genug, um zu wissen, dass dies schon mehr war, als man erwarten konnte. Es fühlte sich schon gut an, dass Obanai überhaupt aufgetaucht war, um ihm einen Besuch abzustatten. Er hätte ihm genauso gut einfach nur einen Brief schreiben können – oder einfach stillschweigend sein Überleben zur Kenntnis nehmen.   Mitsuri zeigte ihre Erleichterung schon mehr, denn kaum hatte Obanai diese Worte gesagt, drückte sie sich doch wieder mehr an Kyojuro und brachte diesen erneut zum Lachen. Solange sie ihn nicht erneut zerdrückte, gab es keinen Grund zur Beunruhigung für ihn.   „Denk nicht daran, mir erneut solche Sorgen zu machen!“, empörte sie sich dennoch ein wenig. „Ich dachte wirklich, du würdest ... sterben!“   „Du kennst mich doch, Mitsuri. So schnell tötet man mich nicht!“, entgegnete er etwas witzelnd.   Auch wenn es dieses Mal verdammt knapp gewesen war.   Genau das sagte auch Mitsuri's Gesichtsausdruck und Kyojuro wusste es ja auch. Sein scheinbar übermenschliches Glück war Grund dafür, dass er überlebt hatte und nichts weiter. Er hätte auf dieser Lichtung sterben sollen und sein Tod wäre noch sicherer gewesen, wenn die Sonne nicht aufgegangen wäre. Damit wollte sich Kyojuro jedoch nicht auseinandersetzen. Genauso wenig wie mit der Prognose von Shinobu, was seinen Zustand anbelangte. Für ihn war klar, dass er zurück an die Front gehen würde, auch wenn es vielleicht ein paar Wochen noch dauern würde, bis er wirklich bereit dazu wäre.   „Kocho-san sagte, dass ich wohl bald zum Auskurieren nach Hause geschickt werden kann“, wechselte er also glanzvoll das Thema. „Es muss nur alles vorbereitet werden, da sie mir keinen so langen Marsch zutraut.“   Natürlich würde sie es auch lieber sehen, wenn er hier bleiben würde. Doch auch wenn er alle hier mochte und er dankbar für ihre Hilfe war; nichts war wie das eigene Zuhause. Auch wenn er nicht ganz genau wusste, ob es wirklich die beste Idee war – sein Bruder würde sich freuen, aber sein Vater ... das war eine andere Angelegenheit.   „Lass dir Zeit damit“, meinte Mitsuri besorgt. „Immerhin weiß noch niemand, wie damit umgegangen wird, dass du ... na ja ... diesen Kampf überlebt hast.“   Kyojuro wusste, dass sie damit nicht das Corps meinte; es ging nur um Kibutsuji und Upper Moon Three. Es war mehrere Jahrzehnte her, dass ein Dämonenjäger auf einen solch mächtigen Dämon gestoßen war, wenn es doch mal vorgekommen wäre, war er durch diesen wohl gestorben. Ihre Informationen waren rar – eine Seite starb immer.   In diesem Fall war es jedoch nicht so.   Kyojuro hatte keine Informationen, abgesehen vom Kampfstil des Dämons und dessen Mühen, ihn zu seinesgleichen machen zu wollen. Er ging davon aus, dass dieser Dämon genauso wenig Wissen aus ihrem Kampf hatte ziehen können. In seinen Augen war es also fragwürdig, ob sich Kibutsuji die Mühe machen würde, jemanden auszusenden, um ihn doch noch zu töten.   „Mir wird es gut gehen“, sagte er daher unbesorgt zu seiner Freundin und der einzigen Person, die sein hartes Training durchgestanden hatte – bis sie ihre eigene Atemtechnik entwickelt hatte. „Hattet ihr eine gemeinsame Mission oder wart ihr zufällig zusammen in der Gegend?“   „Oh, wir sind uns auf dem Weg zum Anwesen hierher begegnet!“, antwortete Mitsuri sofort strahlend, ihre Wangen erröteten sanft. „Und gleich gehen wir zusammen essen! Iguro-san sagt, dass er ein neues Lokal kennt und es klingt großartig! Es ist so schade, dass du nicht mitkommen kannst, Kyojuro.“   „Das empfinde ich genauso“, seufzte er ein wenig gequält. „Die Ramen und die Misosuppe hier sind großartig, aber manchmal fehlt es mir, etwas zu essen, was man ... na ja, richtig essen kann, weißt du?“ Selbst Ramen konnte man nicht zerbeißen. Dennoch war ihm klar, dass es besser für seinen Magen war. Hinzukommend schaffte er es nach wie vor nicht, wirkliche Portionen zu verschlingen, die einen Besuch in einem Lokal rechtfertigen würden. „Aber sobald es mir wieder möglich ist, zeigt ihr mir dieses Lokal! Zumindest, wenn es wirklich so gut ist, wie es klingt!“ „Auf jeden Fall!“, stimmte Mitsuri sofort zu.   „Ich denke, ihr solltet dann langsam wieder gehen. Rengoku-san benötigt immer noch viel Ruhe zur Genesung“, mischte sich Aoi ein, welche sich bisher zurückgehalten hatte, indem sie irgendwelchen Aufgaben nachgegangen war. „Es ist Zeit für die Medikation und ich muss mir alle Verbände nochmal ansehen.“   „Ohhh ... aber ja ... das verstehen wir natürlich!“, die rosafarbenen Zöpfe wippten ein wenig, als Mitsuri sanft nickte. „Erhole dich gut, Kyojuro und übernimm dich nicht!“   „Ich doch nicht“, winkte er sofort ab.   Es war schön zu sehen und zu hören, wie besorgt alle um ihn herum waren und gleichzeitig erfüllte es ihn ein wenig mit Verlegenheit und einem unguten Gefühl in der Magengrube. Ihm war klar, dass dies nur an den selbstauferlegten Lastern lag, - immer lächeln, immer die starke Person sein, immer allen helfen und zur Seite stehen – es machte die Sache nur nicht besser.   Er lächelte auch Obanai nochmal zu, als dieser ihm zum Abschied zunickte. Dennoch verschwanden sie jetzt auch gemeinsam, womit nur noch Aoi bei ihm war. Natürlich hatte er den Luxus von einem Einzelzimmer bekommen, auch wenn er genauso wenig etwas dagegen hätte, mit seinen Kumpanen ein Raum zu teilen. Vielleicht wäre es traumatisierend, für sie alle gewesen, einen Hashira in diesem Zustand zu sehen? Schließlich war nicht jeder mit einem Hashira als Vater aufgewachsen und hatte mitansehen müssen, wie dieser aufgrund von Kummer und Alkohol immer mehr gebrochen wurde.   „Fangen wir mit den Verbänden an, Rengoku-san.“   „Natürlich.“   Kyojuro war nach wie vor nicht wirklich agil, beweglich oder auf andere Weise eine große Hilfe dabei, aber er tat sein Bestes, damit Aoi jeden Verband abnehmen konnte. Die ersten Male hatte Kyojuro gar nicht hinsehen können, mittlerweile war es gegenteilig der Fall. Er betrachtete jede Wunde, die er sehen konnte, äußerst neugierig und war stets erleichtert, wenn er eine positive Veränderung erkennen konnte. Etwas, dass ihm zeigte, dass er heilen würde. Nicht immer war er sich sicher, ob er sich etwas nicht nur einbildete, etwas sehen wollte, was nicht da war. Spätestens wenn Aoi oder auch Shinobu angaben, dass sich etwas besserte, fühlte er sich wirklich sicher in dem. Die schlimmste Wunde war jene in seinem Oberkörper, verursacht durch einer Faust. Schon jetzt waren Narben deutlich zu erkennen, im Grunde war es das, worauf sich Kyojuros immerzu konzentrierte. Es war unglaublich, dass er dies überlebt hatte – es war unglaublich, dass Shinobu es irgendwie hinbekommen hatte, das zu operieren. Genauso unglaublich war es auch, dass die Kakushi ihn lange genug am Leben erhalten hatten, damit es zu dieser Operation überhaupt hatte kommen können.   Wann immer diese Wunde sah, verstand er wieder komplett, weshalb sich alle solche Sorgen um ihn machten. Er verstand wieder, wie nahe er dem Tod gewesen war. „Es sieht alles gut so weit aus“, verkündete Aoi mit einem kleinen Lächeln. Sie half ihm dabei seine Kleidung wieder anzuziehen und zurecht zu zupfen, sodass er sich wieder etwas erleichtert zurücklehnen konnte. „Ich gebe dir noch die Medikamente, dann kannst du dich auch wieder ausruhen, Rengoku-san.“   Es war lächerlich, wie schnell er sich so entkräftet fühlte und gleichzeitig wäre es wohl seltsam, wenn es anders aussehen würde. Mittlerweile war er die Medikation bereits gewöhnt, deshalb spülte er ohne Probleme alles herunter, was Aoi ihm reichte. Die Wirkung würde nicht sofort eintreten, aber schon jetzt fühlte er sich müde.   „Ich werde jetzt gehen, Rengoku-san. Sollte etwas sein-“   „Dann werde ich nach dir rufen oder klingeln. Sei unbesorgt“, unterbrach er lächelnd.   Vermutlich könnte dies als sehr unhöflich angesehen werden, aber das war wohl ein Vorwurf, den man Kyojuro nicht so schnell machen würde. So auch Aoi, die ihm mit einem mutigen Lächeln zunickte, ehe sie den Weg aus seinem Zimmer heraus antrat und die Tüte hinter sich zuschob.   Prompt entrann Kyojuro ein schweres Seufzen, während er sich mehr im Bett zurücksinken ließ, sodass er wieder lag. Sein Oberkörper war noch etwas aufrecht, da es ihm so einfacher fiel zu atmen und zu entspannen. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis er nach Besuchen nicht mehr das Gefühl haben würde, völlig erledigt zu sein?   Wie lange würde es dauern, bis er ganz allgemein wieder komplett verheilt wäre? Kapitel 2: Chapter Two ---------------------- Kyojuro wusste ganz genau, wie es sich anfühlte, wenn man eine dämonische Präsenz um sich herum spürte. Es war wie eine schwere Decke, die sich über einen legte und versuchte runter zu drücken. So intensiv, dass er es fragwürdig fand, wie sie immer noch keinem mächtigen Dämon hatten begegnen können – wie er sich vor Upper Moon Three hatte bewegen können. Die einzige Lösung, die sich da für ihn ergab, war, dass Dämonen diese Präsenz verändern konnten, wenn sie es wollten. Zumindest bis zu einem gewissen Grad würde er dies vermuten.   Deshalb war dies sicherlich beabsichtigt.   „Ich weiß, dass du wach bist, Kyojuro~.“   Sein Auge zu öffnen war mittlerweile nicht mehr so schwer, wie zu Beginn. Er hatte sich auch daran gewöhnt, dass er nur noch auf einem Auge etwas sehen konnte. Dennoch fiel es ihm dieses Mal etwas schwerer; vielleicht aufgrund der andauernden Müdigkeit oder wegen dieser Präsenz. Aber als er es endlich schaffte, sah er erst einmal ... nichts Besonderes. Die gleiche Zimmerdecke wie immer, schlicht wie wohl überall in diesem Anwesen. Vielleicht war es also nur so etwas wie ein Traum – eine Eingebung gewesen. Ein Trick seiner Müdigkeit und Besorgnis. Davon hatte er viel.   „Du siehst komplett ruiniert aus.“   Die Stimme verleitete ihn dazu, seinen Kopf zu drehen. Er hatte kurz das Gefühl auf einem Boot zu stehen, vor seinen Augen wackelte alles, aber dann erkannte er sie. Glühende Augen in der Dunkelheit und ein Grinsen, welches das Mondlicht zu spiegeln schien. Die Kreatur im Schatten offenbarte sich mit zwei kleinen Schritten. Kyojuro reagierte instinktiv, als er versuchte sich aufzurichten und nach seiner Hüfte griff, wo ohnehin kein Katana vorzufinden war.   „Ah, bemühe dich nicht, Kyojuro“, kicherte der Dämon, während er sich leichtfüßig dem Bett näherte und mit Druck auf seinen Schultern dafür sorgte, dass Kyojuro wie zuvor auf der Matratze lag. Die Kraft, die er dazu nutzte, war fast etwas zu viel, aber er unterdrückte ein Ächzen, weil er so etwas vor diesem Dämon nicht zeigen würde. „Jetzt zu kämpfen, wäre äußerst langweilig.“   Er runzelte die Stirn, als Akaza fast schon beleidigt davon zu sein schien. Viel wichtiger war derzeit jedoch, dass dieses Anwesen nicht leer war. Es gab Aoi und mit Sicherheit auch weitere Dämonenjäger, die hier Schutz und Ruhe suchten.   „Konzentriere dich auf mich!“, die zischenden Worte wurden unterstützt von eiskalten Fingern, die sich um seinen Kiefer legten und prompt war Kyojuros ganzes Blickfeld gefüllt von dem Gesicht des Dämons. „Genau das wird dich früher oder später in den Tod führen.“   Kyojuro's Hand bewegte sich wie von selbst, um das Handgelenk des Dämons zu umfassen, die kalte Haut wurde ihm dadurch nur noch bewusster, aber es half alles nichts. Der Griff war eisern und löste sich nicht ein bisschen unter seinen Bemühungen.   „Siehst du es nicht endlich, Kyojuro?“, hauchte Akaza ihm mit samtig-weicher Stimme entgegen. „Du bist so schwach. Deine Menschlichkeit macht dich so schwach. Als Dämon wärst du bereits verheilt und könntest dich frei bewegen. Wir könnten kämpfen.“   Seine Zunge fühlte sich so dick an, als könnte er kein Wort von sich geben, dennoch schaffte er ein Geräusch hervorzubringen, was an einem Knurren erinnern könnte, um Akaza zu zeigen, was er von dessen Worten hielt.   Absolut nichts.   Akaza schnaubte, als er dennoch seine Hand von seinem Kiefer löste und Kyojuro wieder die Freiheit gab, seinen Kopf zu bewegen, der sich im Nacken ganz steif anfühlte.   „Es ist so erbärmlich.“   „Bist du wirklich nur hier, um einen Monolog zu führen?“   Der Dämon runzelte die Stirn, eindeutig unzufrieden, während er die Arme vor seiner Brust verschränkte. Er trug dieselbe Kleidung wie bei ihrem Kampf, wodurch dessen Haut noch mehr zu leuchten schien, wenn das kühle Mondlicht auf sie traf. Jeder Muskel war fein definiert und ein Beweis für das vermutlich stählerne Training des Dämons. Andererseits wusste Kyojuro wirklich nicht, inwiefern Dämonen ihren Körper formen könnten und ob das alles wirklich von Training kam.   „Als du halbtot im Bett lagst, könntest du mir besser gefallen haben“, meinte Akaza nun kritisch. „Du warst ruhig, dein Kampfgeist immer noch entflammt und ich konnte tun, was ich wollte.“   Aus irgendeinem Grund bekam Kyojuro eine Gänsehaut bei den letzten Worten. Fragen waren jedoch die ersten Worte vielmehr auf.   „Halbtot im Bett?“ Es musste nichts bedeuten. Vielleicht meinte Akaza nur die Zeit, bevor Kyojuro jetzt gerade aufgewacht war. Ein Dämon würde nicht die Veränderung über die Zeit bemerken und erkennen, dass er nicht mehr halbtot im Bett lag.   „Sagte ich doch“, erwiderte der Dämon, ohne sich in die Karten sehen zu lassen. „Deine andauernde Schwäche ist weiterhin erbärmlich, aber dein Überleben ist beeindruckend. Dein Überlebensinstinkt ist wohl größer, als ich gedacht habe.“   Kyojuro hätte verbluten sollen. Wenn Akazas Faust irgendwas getroffen hätte, wäre er allein davon sofort gestorben. War es Glück gewesen oder nicht doch irgendwie ... geplant? Konnte man so etwas überhaupt planen? Kyojuro war wirklich überfragt. Was, wenn das alles weniger überraschend war oder von Glück herrührte, als bisher jeder glaubte?   „Was tust du hier?“   „Ich besuche meinen neusten Lieblingshashira.“   „Wer war vor mir dein Lieblingshashira?“, schnaubte Kyojuro. „Wer auch immer zuletzt mit mir gekämpft hat. Das ist aber wirklich schon sehr lange her.“   Wie oft trafen Dämonenjäger auf einen Upper Moon und niemand wusste es, einfach, weil es keine Zeugen gab oder diese Dämonenjäger gefressen wurden und deshalb unauffindbar waren? Wie viele hatte dieser Dämon bei ihm schon auf dem Gewissen?   „Ich will deine Gesellschaft nicht.“   „Ich schätze, es gibt nichts, was du dagegen tun kannst“, lachte Akaza heiter auf. „Sei doch froh darüber, dass meine Aufmerksamkeit allein dir gebührt. Ich kann den Herzschlag jeder Person hier wahrnehmen – es ist wie ein Buffet.“   Kyojuro fühlte sofort, wie er sich am ganzen Körper anspannte, er sollte verlangen, dass er sein Katana in der Nähe behalten durfte. Irgendwas musste ihn einfallen, um das zu begründen.   „Oh weh, entspann dich ... Wenn ich mich bedienen wollen würde, hätte ich das schon längst getan.“   Das war ihm klar. Es war nur leider nicht so beruhigend, wie Akaza es wohl gerne darstellen würde. Es verblieb eine innere Unruhe, die sich überall breitmachte und sie war fast so Kräftezehrend, wie ein körperlicher Kampf. Akaza könnte einfach, wann immer er wollte, jeden in diesem Anwesen töten und Kyojuro könnte nichts dagegen tun. Shinobu war derzeit nicht einmal da und die Dämonenjäger hier, waren alle auf die eine oder andere Weise verletzt. Ganz davon zu schweigen, dass sie wohl nicht gegen einen Upper Moon bestehen würden.   „Willst du nicht doch ein Dämon werden, Kyojuro?“   Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Dämon, der an seinem Bett stand, als wäre er wirklich ein normaler Besucher – abgesehen von seinem fast gierigen Blick.   Kyojuro kniff direkt die Augen zusammen: „Kein Bedarf“, erwiderte er schließlich zynisch.   „Dein Sturkopf wird dich noch ins Grab bringen“, zischte der Dämon, das Lächeln, welches vorher sein Gesicht geziert hatte, verschwand prompt. „Schon jetzt blüht dir eine Zukunft, die du nur noch in einem Bett verbringen wird.“   „Ich komme wieder auf die Beine“, widersprach er sofort. „Du unterschätzt mich und die Stärke des Menschen an und für sich.“   „Stärke?“, schnaubte Akaza. „Ich sehe hier keine Stärke, ich sehe hier nur einen Dummkopf, der sich etwas vormacht.“   Kyojuro könnte sich davon beleidigt fühlen, aber die Meinung eines Dämons – einerlei wie stark dieser auch war – hatte für ihn absolut keine Bedeutung. Noch weniger würde es ihn dazu bringen, plötzlich doch ein Dämon werden zu wollen.   „Warum bist du hier?“, fragte er ein weiteres Mal. „Ich werde niemals ein Dämon. Ganz egal, wie oft du mich fragen wirst.“ „Ich hatte Hoffnung darauf, dass du endlich erkennen wirst, dass du dazu auserwählt wurdest, ein Dämon zu werden, an meiner Seite.“   An meiner Seite klang so seltsam intim.   „Deine Hoffnung ist vergebens, nichts wird meine Meinung ändern können.“   „Deine Moral ist beneidenswert, aber du liegst falsch. Es gibt immer eine Möglichkeit, jemandes Meinung zu verändern. Man muss nur weniger so sein wie du.“   Es klang wie eine Drohung. Kyojuro vertraute auf seine Moralvorstellungen und alles, was ihn ausmachte. Er würde nicht brechen. Seine Sorgen gingen in eine andere Richtung. Bislang fragte oder bat Akaza ihn stets darum, ein Dämon zu werden. Er wusste nicht, wie eine Verwandlung genau ablief, aber er war sich sicher, dass dieser Dämon kein Problem damit hätte, ihn zu einer Verwandlung zu zwingen. Vor allem jetzt, wo Kyojuro nicht einmal ansatzweise dazu fähig wäre, wirklich dagegen zu handeln. Er könnte nur dafür beten, dass er seine Erinnerungen behalten würde – dann könnte er den Freitod wählen. Sollte dies nicht der Fall sein ...   Kyojuro wollte nicht darüber nachdenken, zu welchen Monster Akaza ihn machen würde.   Ein Schreck ging durch seinen Körper, als er plötzlich eine Berührung wahrnahm. Er griff instinktiv nach Akazas Handgelenk, um es wegzudrücken und stellte fest, dass es mit seiner derzeitigen Kraft kaum möglich zu sein schien. Er konnte fühlen, wie sie kühlen Finger an seinem Verband zupften, die sein verletztes Auge verdeckten. Zum Schutz vor Dreck und auch den Einflüssen von Licht und anderen Dingen. Kyojuro hatte bisher noch nicht gesehen, wie die Stelle unter dem Verband aussah.   „Wenn du ein Dämon wirst, würdest du es zurückbekommen“, sprach Akaza fast schon sanft zu ihm. Erst jetzt bemerkte Kyojuro auch, dass der Dämon sich auf den Rand seines Bettes gesetzt hatte. Er hielt das Handgelenk weiterhin eisern fest, auch wenn es keinen weiteren Zweck erfüllte. „So schöne Augen sollten doch nicht zerstört bleiben, findest du nicht auch?“   „Du bist es, der Schuld daran trägt“, erwiderte er schnaubend, immer noch versuchend die Hand wegzudrücken.   „Und deshalb biete ich dir ja auch die Heilung an.“   Die Finger schlichen sich frech unter seinen Verband, lockerten und schoben ihn etwas hoch, sodass sich der Verband an seiner Augenbraue etwas anstaute. Da es kein Licht gab, gab es auch nichts, was sein Auge empfindlich reagieren ließ. Laut Aoi war es komplett vernarbt und er würde es nicht wieder nutzen können, da Shinobu es nicht geschafft hatte, es zu retten. Ein minimaler Austausch dafür, dass er dennoch am Leben sein durfte. Jetzt waren da kalte Fingerkuppen, wie in Tinte getränkt, die sanft über die dicken Hautlappen strichen, die das Auge schützten. Kyojuros medizinisches Wissen war nicht gut genug, um zu wissen, was genau all das, was Shinobu oder Aoi machten, für eine Wirkung hatte.   Er vertraute ihnen aber sein Leben an. „Es fühlt sich dick und hart an.“   Schnaubend drehte Kyojuro nun den Kopf weg, um die Berührung zu unterbrechen – ignorant für das wohlige Empfinden der kalten Finger auf seiner erhitzten Haut. Er war froh darüber, dass Akazas freche Finger nicht versuchten, seinem Kopf zu folgen, auch wenn es unbequem war, sich seitlich zu halten, um diesen Abstand aufrechtzuerhalten. Abstand, der im Grunde nur minimal war.   „Hm“, machte Akaza, mit einem fast abwesenden Blick.   Für einen Moment wirkte der Dämon komplett ruhig, fast schon entspannt, wie er neben ihm auf diesem Bett saß. Kyojuro war erfahren genug, um zu wissen, dass diese Art der Ruhe alles andere als beruhigend für ihn war und er wünschte sich zum unzähligen Male, dass sein Katana in der Nähe wäre. Selbst wenn seine Anwendung miserabel für seinen Rang wäre, so würde es ihm ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.   „Ich werde deinem Körper auf die Sprünge helfen.“   Kyojuro empfand ein unangenehmes Ziehen im Körper, noch bevor er wirklich die Worte verstanden hatte. Sein Körper reagierte, noch bevor sein Verstand es konnte. Seine Hände versuchten den eisernen Griff zu unterbrechen, als der Dämon ihn an der Kleidung packte und unter sich festnagelte. Das weiche Kissen, welches seinen Kopf betten sollte, fühlte sich plötzlich genauso bedrohlich an, wie die Gestalt über ihn war.   „Was tust du da?“, knurrte er mit seinen lächerlichen Versuchen sich zu befreien.   Er zappelte und strampelte, versuchte alles, um Akaza zu treten, aus dem Gleichgewicht zu bringen oder irgendwas dergleichen.   „Shhh ... du weckst sonst noch alle auf, Kyojuro.“   Kyojuro wollte schimpfen und brüllen, diesen Dämon von sich stoßen und ihm den Kopf abschlagen. Für diesen Moment der Aufregung, fühlte er nicht einmal die Schmerzen, welche seinen Körper heimsuchten. Doch als er den Mund öffnete, um zumindest die ersten Gedanken umzusetzen, fühlte er nur, wie sich etwas Kaltes dagegen drückte, ehe er mit geweiteten Augen wahrnahm, wie etwas in seinen Mund tropfte. Dann nahm er auch den Geschmack nahm, wie Eisen und ein wenig salzig. Blut. Panisch versuchte er den Arm wegzudrücken, welcher das dämonische Blut in seinen Mund tropfen ließ, während er gleichzeitig alles tat, um nicht zu schlucken. Sein Mund füllte sich mit Speichel und Blut.   Er wusste nicht, wie viel Zeit verging, aber während er kämpfte und alles dafür tat, nicht zu schlucken, löste sich der Arm irgendwann von ihm. Sofort richtete sich Kyojuro auf, spuckte aus, was sich in seinem Mund gesammelt hatte, hüstelte und spuckte noch mehr.   „So ein durcheinander ...“, summte Akaza.   Und als er sich umdrehte, war da niemand mehr. Nichts, was auch nur ansatzweise daran erinnerte, dass Upper Moon Three eben noch hier gewesen war. Stattdessen war da aber weiterhin der metallische Geschmack in seinem Mund und Kyojuro bemerkte, dass er sich in seiner Panik wohl selbst auf die Lippe gebissen haben musste. Kapitel 3: Chapter Three ------------------------ Kyojuro war durchaus überrascht davon, dass Shinobu selbst ihn nach Hause brachte. Er unterschätzte ihre Stärke keinesfalls – selbst wenn sich eben jene nicht in ihrer Körperkraft zeigte – doch sicherlich hatte sie wesentlich Besseres zu tun. Vielleicht war es eine direkte Anweisung von Oyakata-sama gewesen, damit Kyojuro wirklich sicher Zuhause ankäme.   Möglicherweise ging es aber auch nur darum, dass sie ihm nochmal deutlich machen wollte, worauf er zu achten hatte.   Was es auch war, Kyojuro war wirklich froh als er die bekannten Mauern erkannte, die sein Zuhause umgaben und noch glücklicher war er, als er von Weiten schon seinen kleinen Bruder erkennen konnte. Dessen Haarschopf war genauso auffällig wie jener von ihm selbst und gerade wenn man danach Ausschau hielt, konnte man ihn aus jeder Entfernung entdecken.   „Aniue!“, rief sein jüngerer Bruder ganz aufgeregt, als sie nahe genug am Haus angekommen waren, auch wenn sich neben der Freude auch etwas Besorgnis dazumischte.   „Senjuro!“, begrüßte er seinen Bruder mindestens genauso aufgeregt.   Allerdings wurde er schon daran gehindert in die Knie zu gehen, weil er sich nur dank eines Gehstocks fortbewegen konnte. Er befürchtete auch nicht mehr so schnell hochzukommen, wenn er einmal unten wäre. Dennoch breitete er seinen freien Arm aus, damit Senjuro zu ihm kommen konnte. Er atmete erleichtert auf, als er die zierlichen Arme um sich herum spürte. Die Umarmung war zaghaft und vorsichtig, es war ungewohnt – auch nach all der Genesungszeit – so berührt zu werden. Normalerweise war es Kyojuro, der seine Kraft etwas zurückhalten musste.   „Na na“, machte Shinobu an ihrer Seite. „Lasst uns nach drinnen gehen. Du solltest dich immer noch ausreichend ausruhen, Rengoku-san.“   „Natürlich!“, fiepste Senjuro, welcher sich versuchte so unauffällig wie möglich Tränen aus den Augenrändern zu streichen. Er hielt sanft die freie Hand von Kyojuro, damit sie gehen konnten.   Kyojuro hatte sich mittlerweile an das Laufen mit dem Gehstock gewöhnt, das war allerdings auch eine Forderung gewesen, damit er wirklich nach Hause hatte gehen können. Dadurch hatte es fast zwei weitere Wochen gedauert, bis Shinobu ihm endlich diese Erlaubnis gab. Er brauchte nach wie vor mehr Pausen als normal, mehr Schlaf als normal – dafür konnte er nun aber auch ein paar Sachen wieder alleine. Sich waschen, ein wenig Laufen und auch das Umziehen waren keine Probleme mehr. Feste Nahrung konnte er mittlerweile auch wieder zu sich nehmen, auch wenn er immer noch nicht die Mengen schaffte, die er normal zu sich nahm. Die Medikation war heruntergesetzt worden, er nahm nichts mehr gegen Schmerzen, da jene, die er noch hatte, erträglich waren.   Shinobu hatte ihm dennoch Schmerzmittel eingepackt, - zur Sicherheit. Er war deutlich auf dem Weg zur Besserung. Dennoch war dieser Weg noch sehr lang und Kyojuro war sich dem bewusst. Da er nun aber daheim war, konnte er sich ein wenig mehr erlauben. Nur durfte er das natürlich nicht vor Shinobu erwähnen, sonst würde diese ihn wieder mit zum Schmetterlingsanwesen nehmen.   Und so klein und körperlich schwach sie auch sein sollte; Kyojuro traute es ihr zu, das zu schaffen.   Also ging er besser kein Risiko ein, sondern ließ sich ins Haus führen. Sein Blick streifte die verschlossenen Türen, welche zum Zimmer ihres Vaters führen würden, selbst wenn dieser ihn wahrnahm, so gab er keine Reaktion von sich. Vielleicht war dies für den jetzigen Augenblick auch besser so. Kyojuro hatte sich bereits ausgemalt, wie ihr Aufeinandertreffen aussehen würde.   Er war auf das Ergebnis gekommen, dass er eine Begegnung noch ein wenig aufschieben könnte, ohne sich schlecht fühlen zu müssen.   Stattdessen führte Senjuro ihn in sein Zimmer, als würde Kyojuro es selbst nicht finden können. Dabei war er schon sehr stabil auf den Beinen unterwegs. Dennoch musste er ein erleichtertes Geräusch unterdrücken, als er auf seinen Futon Platz nehmen durfte. Es fühlte sich gut an, nicht mehr das komplette Gewicht auf seinen Beinen tragen zu müssen.   „Gut, ich werde mir nochmal all deine Wunden ansehen und fachgerecht verbinden. Senjuro-kun, du kannst gerne dabei bleiben. Rengoku-san wird sicherlich mal Hilfe dabei benötigen“, erklärte Shinobu nun, während sie bereits an seiner Kleidung zupfte.   Wenn es nicht Shinobu wäre, würde Kyojuro vielleicht verlegen werden. Mittlerweile war er sich ziemlich im Klaren darüber, dass die junge Frau ihn vermutlich schon nackt gesehen hatte, während er im Koma gelegen hatte. Sie oder Aoi, vielleicht auch andere Personen – beispielsweise die Kakushi.   Kyojuro hinterfragte das lieber nicht zu viel.   Er war auch froh darüber, dass dies nicht mehr passieren musste. Im Grunde war nur noch die große Wunde in seinem Oberkörper die Sorge von Shinobu. Sie heilte soweit gut, aber bei einer so großen Wunde konnte es immer Probleme geben. Sein Auge verheilte ebenfalls, auch wenn es niemals funktionsfähig sein würde, war dies gut zu wissen? Auch seine gebrochenen Rippen, sowie kleinere Verletzungen waren entweder schon komplett verheilt oder ebenfalls auf einem guten Weg.   Für ihn gab es keinen Grund zur Sorge mehr.   Einen vielleicht doch.   War es ein Traum oder die Realität gewesen? Akazas Besuch könnte beides gewesen sein und wann immer Kyojuro daran dachte, fühlte er ein Frösteln am Körper. Es hatte keine Spuren gegeben. Nicht von dem Blut und dem Speichel, das er ausgespuckt hatte. Der Gedanke, dass Akaza alles gesäubert hatte, war schwachsinnig – aber nicht unmöglich. Er hatte nichts darüber gesagt, - am Ende würde es dafür sorgen, dass man ihn nicht mehr auf das Schlachtfeld lassen würde. Außerdem gab es keine Veränderungen.   Er fühlte sich menschlich wie eh und je. Also musste es ein verrückter Traum gewesen sein. Der einzige dieser Art – glücklicherweise.   „Deine Wunden heilen wirklich gut, Rengoku-san“, summte Shinobu, welche wesentlich schneller vorgehen könnte, aber für Senjuro's aufmerksamen Blick, bemühte sie sich um eine gewisse Langsamkeit. „Wenn es so weitergeht, wirst du bald schon die Rehabilitation anfangen können.“   Kyojuro hatte vor sofort mit ihr anzufangen, aber anstatt dies auszusprechen, warf er Shinobu nur ein fröhliches Lächeln zu. „Ich bin froh, dass es scheinbar schneller geht, als ich gedacht habe“, merkte er dennoch an. Nach seinem Aufwachen hatte er tatsächlich geglaubt, dass es viele Monate dauern würde.   „Viel schneller“, erwiderte Shinobu beinahe melodisch.   Und scheinbar hatte nicht nur er das so gedacht?   „Fast schon beunruhigend schnell. Scheinbar kommt dein Körper deinem übermäßigen Grad an Optimismus und Motivation nach, Rengoku-san.“   Blinzelnd sah er Shinobu an, welche nach wie vor ihr hübsches Lächeln auf den Lippen trug. Es war tatsächlich beruhigend Shinobu anzusehen, auch wenn er ihr Lächeln nicht immer zu 100 % abkaufte, so war es ein Ideal und eine Norm, die es in den Reihen der Hashiras gab. Dieses Mal fühlte es sich anders an. Vielleicht lag es an seinen Traum und daran, dass er diesen verheimlicht hatte. Aber konnte man von verheimlichen sprechen, wenn es um irgendeinen schlechten Traum ging? Immerhin träumte jeder mal schlecht, das hatten ihre Missionen so an sich. Selbst wenn es bei Kyojuro bislang nie passiert war, war er eben erst dem Tod entgangen – durchaus ein Grund für schlechte Träume.   „Aber es ist natürlich ein Grund zur Freude! Dennoch solltest du dich nicht zu sehr überschätzen.“   „Ich werde auf mich aufpassen, Kocho-san“, antwortete er sofort folgsam.   Sie wusste es.   Es war ganz eindeutig, dass Shinobu wusste, dass sie nur weit genug weg sein müsste, damit Kyojuro sich ins Training werfen würde. Nun, vielleicht nicht direkt heute, aber morgen! Für einen Moment lächelten sie einander an, als wäre es ein Wettstreit – Kyojuro würde nicht verlieren!   Wie ein Sieg fühlte es sich nicht an, als Shinobu sich nun Senjuro zuwandte: „Denkst du, du kommst hiermit zurecht, Senjuro-kun?“   „Ja, natürlich! Ich werde mich gut um Aniue kümmern!“ „Ah, auf dich kann ich vertrauen. Und wenn dein großer Bruder sich nicht ausreichend ausruht, wirst du mir eine Nachricht schicken, verstanden? Dann werde ich sehr schnell wieder da sein.“   Senjuros Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand selbst er die versteckte Drohung hinter Shinobus Worten.   „J-ja natürlich, Kocho-sama!“   Kyojuro hoffte, dass Senjuros Liebe zu ihm größer wäre, als der Respekt vor Shinobu. Vorerst wäre er aber befreit von den aufmerksamen Blicken seiner Verbündeten, denn diese verabschiedete sich nun lächelnd. Senjuro brachte sie trotz allem Abwinken zur Tür, Kyojuros war insgeheim stolz darauf, dass sein Bruder so gut erzogen war. So hatte er hinzukommend auch nochmal einen Moment Zeit, um tief durchzuatmen, ohne dass alles hinterfragt wurde. Manches Mal war es so, als würde jede normale Sache bei ihm als kränklich oder verletzt gelten – dabei war es normal durchzuatmen.   Sein Blick wanderte durch sein Zimmer. Aufgrund all seiner Missionen, vor allem seitdem er zu einem Hashira aufgestiegen war, kam er nur noch selten nach Hause. Noch seltener konnte er dann länger als einige Augenblicke bleiben. Man konnte keine Rücksicht darauf nehmen und unterwegs war es sogar schwierig, mit Senjuro im Briefkontakt zu bleiben – er versuchte dies dennoch stets zu machen. Auch wenn er schon in seinem Kopf hallen hören konnte, dass Senjuro abwinkte und versicherte, es wäre schon in Ordnung, wenn er keine Zeit dafür hatte. Kyojuro wollte sich immer Zeit für seinen kleinen Bruder nehmen, selbst wenn es weniger war, als er sich wünschen würde.   „Aniue!“ Er drehte seinen Kopf wieder prompt in die Richtung der Tür, als Senjuro dort auftauchte, wesentlich entspannter, wo sie unter sich waren. „Wenn du magst, kannst du gerne etwas schlafen. Die Reise hierher war sicherlich anstrengend. Ich werde derweil etwas zu Essen für uns kochen.“   Kyojuro wollte nicht schlafen, aber er konnte spüren, dass sein Körper dies anders sah. Die Müdigkeit saß tief in seinen Knochen. „Ich freue mich schon auf dein Essen, Senjuro“, erwiderte er lächelnd. „Es ist schon so lange her, dabei gibt es niemanden, der besser kochen kann als du!“   Er war eine Person, die seine Mitmenschen gerne lobte und motivierte, vor allem in solchen Sachen, die der Wahrheit entsprachen. Vielleicht war er dabei zu motivierend, aber er empfand es als gerechtfertigt, Personen zu zeigen, dass sie etwas wirklich gut konnten und dran bleiben sollten. Bei seinem Bruder war es natürlich noch spezieller.   „Würdest du mir vielleicht etwas Wasser bereitstellen?“, bat er schließlich noch. Nebenbei machte es sich Kyojuro bereits etwas bequemer, um sich richtig hinzulegen.   „Aber natürlich!“ Amüsiert konnte er beobachten, wie Senjuro fast über seine eigenen Füße stolperte, als er sich geschwind auf den Weg machte, um ihm das gewünschte Wasser zu bringen. Mit einem leisen Seufzer schloss er sein Auge zur Hälfte, als er nun wirklich bequem lag. Die Betten im Schmetterlingsanwesen waren natürlich schon angenehm, aber nichts ging über das eigene Bett, im eigenen Zuhause.   „Ich stelle es dir hier hin“, kündigte Senjuro an, als er den Becher auch schon mit dem Wasser füllte, das in einer Karaffe gefüllt worden war. „Ich mache es dir hier noch etwas dunkler. Soll ich dich wecken, wenn das Essen fertig ist oder möchtest du lieber von alleine wach werden?“   Um ihn herum wurde es dunkler, während er die sanften Fußschritte seines Bruders vernehmen konnte, welcher flink durch das Zimmer lief und dabei versuchte so wenig Geräusche wie möglich zu machen.   Unscheinbar, leise, zurückhaltend ... wie ein Schatten.   „Wecke mich ruhig auf. Ich würde gerne mit dir gemeinsam speisen und noch etwas Zeit verbringen.“   Auch wenn er sicherlich nicht lange wach bleiben könnte. Vielleicht könnten sie sich draußen auf die Engawa setzen und den Sonnenuntergang beobachten, bevor er wieder schlafen gehen würde.   „Natürlich Aniue. Sollte etwas sein, ruf einfach nach mir.“   Hoffentlich schafft er den Weg aus den Schatten ins Licht.   „Das werde ich tun, Senjuro.“   Mittlerweile war Kyojuro es ja zumindest gewohnt, um Hilfe bitten zu müssen. Dennoch hoffte er darauf, dass dies bald nicht mehr der Fall sein müsste. Kapitel 4: Chapter Four ----------------------- Kyojuro war gut Zuhause angekommen. Dies war nur normal, wenn man eben bedachte, dass es sein Zuhause war. Es waren nur wenige Tage vergangen – drei, um ganz genau zu sein. Drei Tage, in denen er seinen Vater nur ein Mal kurz gesehen hatte, als dieser sich torkelnd auf den Weg gemacht hatte, um neuen Sake zu kaufen. Ohne irgendeiner Reaktion auf ihn. Es war im Grunde nicht unerwartet oder überraschend gewesen. Irgendwann müsste sich Kyojuro seinen Vater stellen, eine Konversation suchen – auch wenn von müssen wohl nicht gesprochen werden sollte. Immerhin könnte er dieser Ignoranz ebenfalls mit Ignoranz begegnen.   Doch Ignoranz war in den seltensten Fällen eine wirksame Reaktion, um Probleme aus der Welt zu schaffen. Auch wenn ihm natürlich bewusst war, dass sich sein Verhältnis zu seinem Vater nicht plötzlich verändern würde. Es hielt ihn jedoch nicht davon ab, es immer und immer wieder auszuprobieren.   Obwohl er mittlerweile das Training wieder aufgenommen hatte, bemerkte er mehr als deutlich, dass sein Körper noch nicht wirklich bereit war. Ein paar Schlagübungen genügten, um Schmerzen zu verursachen. Von der Erschöpfung, die ihn jedes Mal ergriff, mal ganz zu schweigen. Wann immer er sich für das Training entschied, war Senjuro in der Nähe. Jedes Mal unterbrach er seine derzeitige Arbeit – sei es der Abwasch, das Kochen oder sonstige Aufgaben, um das Haus so zu erhalten, wie es der Fall war. Immer wieder begegnete er den besorgten Blicken, auch wenn sein kleiner Bruder gleichzeitig versuchte, ihn in den Himmel zu loben und jede mickrige Verbesserung anzuerkennen und anzusprechen.   Es erinnerte Kyojuro an sich selbst, wie er dasselbe stets für Senjuro getan hatte.   Kyojuro war ja auch froh über jede Verbesserung, immerhin war ihm klar gewesen, dass er nicht von heute auf morgen wieder topfit wäre und genauso weitermachen könnte wie zuvor. Nun, vielleicht hatte es einen Hoffnungsschimmer gehabt, dass genau dies der Fall wäre, aber rein rational ... es war immer schon abwegig gewesen. Genau deshalb musste er umso mehr trainieren und Zeit da hineinsetzen. Doch die Abende sollte er dennoch mit mehr Ruhe verbringen. Immerhin sollte Senjuro genug Schlaf bekommen und nicht ständig in Sorge um ihn sein.   Hinzukommend benötigte er weiterhin mehr Pausen und auch wenn es sich langsam normalisierte, schlief er nach wie vor auch mehr.   Er liebte es zu trainieren und er liebte es auch stets, Zeit mit seinem kleinen Bruder zu verbringen, dennoch empfand er diese ruhigen Abende als sehr erleichternd. Kyojuro war einfach alleine für sich und wenn er nicht direkt schlafen musste, konnte er auch andere Dinge machen. Meistens belief es sich dabei darauf, Briefe zu schreiben. Häufig waren es Antworten für seine Freunde innerhalb der Hashiras, mit denen er versuchte im Kontakt zu bleiben. Aber seitdem es ihm wieder gut genug ging, um Briefe zu schreiben, hatte er auch wieder angefangen einer ganz besonderen Person zu schreiben. Doch ehe er weiter, im weichen Kerzenlicht, das sein Zimmer erhellte, seinen Brief schreiben konnte, konnte er etwas wahrnehmen. Sein Magen schien sich zu verdrehen, weil sein Körper reagierte, bevor ... irgendwas anderes reagieren konnte. Er drehte den Kopf, sah sich in seinem Zimmer ganz genau um, bis er an den Türen hängen blieb, die zum Garten hinausführen würden, welchen Senjuro so schön wie möglich gestaltete. Vielleicht sollte er im Zimmer bleiben, aber wenn dort draußen jemand war, wäre er durch eine mickrige Tür nicht gesichert. Außerdem könnte es eine Person sein, die Hilfe benötigte. Sein Magen sagte was anderes dazu.   Kyojuro griff nach seinem Katana, welches er hier glücklicherweise in Griffnähe bereitstehen hatte. Damit fühlte er sich schon einmal sicherer. Dennoch benötigte er seinen Gehstock, nach den Anstrengungen des Tages, um die Tür zu erreichen und aufzuschieben. Der Gartenbereich lag in der Dunkelheit, nur ein wenig beleuchtet durch den Mond, der darauf hinab schien. Es war genug, um den Großteil zu erkennen, auch als er auf die Engawa trat und das Holz komplett unter seinen nackten Fußsohlen fühlen konnte. Auf den ersten Blick war nichts zu erkennen, aber das unangenehme Gefühl in seiner Magengegend blieb bestehen.   Dann nahm er etwas wahr. Er zog instinktiv sein Katana hervor, um es in einer schnellen Abwehrhaltung vor sich zu ziehen, während er sich in die Richtung drehte, aus welcher er ein Geräusch wahrzunehmen glaubte. Eine Faust knallte ungebremst auf die Klinge. Statt nur etwas zurück zu stolpern aufgrund des heftigen Aufeinandertreffens, konnte er sein Gewicht nicht halten. Kyojuro verzog das Gesicht, als er hart auf der Engawa aufkam. Er hielt sein Katana weiterhin fest vor sich, während sein Gehstock ebenso zu Boden gefallen war.   „So schwach ...“   Als Kyojuro hochsah, traf er auf glühende Augen. Er würde zwar gerne sagen, dass er überrascht war, aber tief im Inneren war er es nicht wirklich.   „Was tust du hier?“, knurrte Kyojuro.   „Ich wollte kämpfen! Aber du bist immer noch so schwach, dass du dich nicht einmal auf den Beinen halten konntest!“   Kyojuro kniff die Augen zusammen, vielleicht ein wenig beleidigt davon, dass Akaza es so deutlich aussprach: „Ich habe erst vor wenigen Tagen beim Training wieder aufgenommen.“ Es war vermutlich eine sinnlose Aussage. Akaza würde niemals verstehen, dass ein Mensch mehr Zeit bräuchte.   „Wärst du nicht so ein Sturkopf, bräuchtest du nicht noch mehr Zeit“, verdrehte der Dämon die Augen. Er machte zumindest keine weiteren Anstalten ihn anzugreifen, Kyojuro behielt das Katana dennoch weiterhin fest in der Hand, um reagieren zu können. Damit fühlte er sich eindeutig wohler als ... im Krankenbett. Was vielleicht doch kein Traum gewesen war, sondern komplett real. Darüber sollte er lieber nicht länger nachdenken.   Ein Zucken durchfuhr seine Muskeln, als Akaza seine Hand nach ihm ausstreckte. Ehe er dessen Absicht erkannte, schlug er sein Katana bereits in dessen Unterarm, schaffte es jedoch nicht dieses abzutrennen. Akaza zuckte mit keiner Wimper, als würde er diesen Angriff gar nicht bemerken.   „Lass mich dir hoch helfen.“   „Ich brauche deine Hilfe nicht“, schnaubte Kyojuro sofort.   Er zog das Katana zwar zurück, fischte mit seiner zweiten Hand jedoch nach seinem Gehstock, um sich demonstrativ von Akazas gereichter Hand abzuwenden, und stattdessen zum Rand der Engawa zu rutschen, wo es dann nicht so schwer war, wieder aufzustehen.   „Dein Kampfgeist ist immer noch so wundervoll. Ganz egal wie verletzt und unfähig zum Kämpfen du bist. Er ist groß und absolut unkontrolliert“, schwärmte Akaza, welcher energisch von der Engawa sprang, um viel zu dicht vor ihm aufzutauchen. Dieses Mal fing der Dämon sein Katana ab, als er es schwang. „Aber nicht nur du. Ich kann einen weiteren Kampfgeist hier sehen. Nur nicht ansatzweise so beeindruckend wie deiner, Kyojuro~. Er scheint getrübt und schwächer zu sein, vielleicht war er einst wie der deine.“   Auch wenn er daran glaubte das Dämonen logen, musste er direkt an seinen Vater denken. Daran, wie eindrucksvoll und stark er früher gewesen war, bevor seine Mutter gestorben war. Akaza musste über ihn reden, doch er sah keinen Anlass diese Annahme zu bestätigten oder auszusprechen.   „Aber es gibt hier auch ein Flämmchen. Vermutlich könnte ich es auspusten, ohne mich bemühen zu müssen. Ich bin so froh darüber, dass dein Kampfgeist sich nicht so stark verändert hat.“   „Verschwinde von hier!“, forderte er den Dämon auf.   „Huh? Wie unhöflich“, erwiderte Akaza, fast schon beleidigt – was eindeutig geschauspielert sein musste. „Ich komme dich besuchen und du willst mich gleich wieder loswerden.“   „Du hast versucht, mich anzugreifen!“   „Dein Kampfgeist hat mich in Rage versetzt!“, grinste der Dämon. „Aber ich hätte dich nicht erneut verletzt, wenn du zu langsam gewesen wärst. Aber das warst du ja nicht. Deine Reflexe sind immer noch ganz wundervoll!“   Diese Kombination von Beleidigungen aus der Vergangenheit und dann wieder Komplimenten für jede Kleinigkeit, verunsicherte Kyojuro. Vielleicht war es die absolute Begeisterung, die Akaza an den Tag legte. Oder dass dieser ihm auf die Pelle rückte.   „Als Dämon könntest du es so weit bringen“, redete Akaza weiter, er senkte seine Augenlider zur Hälfte, nach wie vor ohne zurückzuweichen, während er weiterhin Kyojuros Katana festhielt und daran hinderte, erneut zuzuschlagen. „Wir könnten einfach ewig kämpfen und würden sicherlich schnell zu den Stärksten werden.“   Upper Moon Three. Akaza war nicht der stärkste Dämon. Er kam nicht direkt nach Kibutsuji. Es gab noch zwei weitere Dämonen, die über ihn standen und demnach noch mächtiger waren. Vielleicht auch nur, weil sie nicht so gesprächig waren, wie Akaza es war.   „Ich habe kein Interesse daran ein Dämon zu werden, dass sagte ich bereits oft genug!“   „Ja, das hast du“, summte Akaza, während er seine freie Hand nun auf die von Kyojuro legte, welcher immer noch seinen Gehstock festhielt. „Aber ich kann hartnäckig sein ... du wirst schon noch die Vorteile daran erkennen, wenn du ein Dämon werden würdest. Deine Verletzungen würden sofort heilen ... merkst du nicht schon jetzt den Unterschied?“   „Was?“   Entsetzt sah Kyojuro den Dämon an, er hatte das Gefühl sein Herz klopfte immer schnell und schneller gegen seinen Brustkorb. Natürlich erinnerte er sich an seinen Traum, welcher offenbar doch kein Traum war. Irgendwie war ihm das ja bewusst gewesen, aber er hatte es doch versucht zu verdrängen. Unterstützt davon, dass er sich nicht verändert hatte – es gab keinen Grund sich den Kopf über etwas zu zerbrechen.   „Ah, stell dich nicht dumm, Kyojuro“, Akaza beugte sich noch mehr vor, sodass er jetzt auch dessen Atem an seinem Gesicht spürte. Prompt vermied er es, mit der Nase zu atmen, denn wie sollte der Atem eines Dämons riechen, wenn nicht nach Tod und Verderben? „Du warst so schwer verletzt. Dein Überleben? Das war wie ein Wunder für mich, da lasse ich doch nicht zu, dass du alles Weitere nicht überstehst.“ Die kühlen Finger schlichen sich unter den weiten Ärmeln von Kyojuros Yukata an dem einen Arm und sorgten direkt für eine Gänsehaut bei ihm. „Und ich will ja keine Jahre darauf warten, wieder mit dir kämpfen zu können. Ich habe deinem Körper nur ... ein wenig auf die Sprünge geholfen.“   Kyojuro versuchte seine innere Unruhe und Panik zu unterdrücken, sich nicht von ihr beherrschen zu lassen, sondern komplett rational an die Angelegenheit heranzugehen. Selbst mit den Fingern, die immer weiter seinen Ärmel hinaufschoben und Stück für Stück seiner Haut freilegte. Die Gänsehaut lag daher an Akazas kühlen Fingern, aber auch an dem allgemein abgekühlten Wetter am Abend.   „Aber es hilft leider nicht so sehr, wie ich es mir erhofft habe“, redete Akaza schließlich weiter. „Vermutlich auch deshalb, weil du immer so störrisch bist. Zum Glück lasse ich mich davon nicht abhalten.“   „Ich will dein Blut nicht“, meinte Kyojuro sofort, irgendwo zwischen seinem schneller schlagenden Herzen vor Panik und seiner unglaublich großen Moral. „Natürlich nicht“, lächelte der Dämon beinahe scheinheilig. Wäre sein Aussehen allein nicht schon so dämonisch, würde Kyojuro es ihm vielleicht abkaufen. „Aber du bist mir doch wichtig, Kyojuro. Ich helfe dir nur dabei zu heilen, du wirst mir noch dankbar sein.“   Kyojuro fühlte sich so schwach und hilflos wie ein kleines Kind, als er versuchte sich von Akazas Händen loszureißen. Dieses Gefühl wurde nicht besser, als Akaza ihn einfach losließ. Im Grunde sagte das ja nur aus, dass der Dämon mit ihm entweder spielte oder unbesorgt war, ihn jederzeit wieder in die Mangel bekommen zu können. Komplette Anspannung legte sich über seinen Körper, bereit in den Kampf- oder Fluchtmodus überzugehen. Aber seine Familie war da, Flucht war also keine Option.   „Keine Sorge, Kyojuro“, das scheinheilige Lächeln blieb nach wie vor bestehen. „Ich habe bemerkt, dass es fast unmöglich ist, dir im wachen Zustand etwas von meinem Blut zu verabreichen. Ich wende also andere Methoden an. Auch wenn ich es natürlich lieber hätte, wenn du es einfach annehmen würdest.“   „Wie meinst du-“, fing er an zu fragen, als ihm das Katana entrissen wurde, genauso wie sein Gehstock plötzlich seiner Hand entglitt. Nur noch die Engawa an seinen Waden gab ihm ansatzweise etwas Halt.   Mit geweiteten Auge versuchte er mit der Hand wieder danach zu greifen, als ihn ein dumpfer Schmerz am Hinterkopf übermannte und vor seinem Auge wurde alles plötzlich schwarz. Bevor er das Bewusstsein komplett verlor, konnte er noch wahrnehmen, wie ihn die kalten Arme des Dämons auffingen. Kapitel 5: Chapter Five ----------------------- Er wachte in seinem Futon auf. Sein Katana lag fein säuberlich neben ihm, so wie er es stets bei sich liegen hatte, um nicht komplett wehrlos zu sein. Kyojuro hatte die Decke über seinem Körper liegen und es gab absolut keine Anzeichen für Akazas Besuch. Kyojuro zischte etwas vor sich hin. Er könnte es wieder als Traum verdammen, aber nein ... das war es nicht gewesen.   „Aniue?“   Die Schiebetür zum Rest des Hauses öffnete sich genauso leise, wie Senjuro ihn ansprach, offenbar um sicherzugehen, dass er ihn nicht aufwecken würde, sollte er noch nicht wach sein. Natürlich begann Kyojuro sofort zu lächeln, so sanft und echt wie es ihm möglich war.   „Guten Morgen, Senjuro“, begrüßte er seinen kleinen Bruder, während er sich aufsetzte.   Sein Blick fiel auf den Gehstock, der ebenfalls an seiner Seite lag. Perfekt dazu, aufzustehen und ihn direkt zu ergreifen. Als hätte er ihn selbst genau dort hingestellt. Ob Akaza ihn die Nächte zuvor beobachtet hatte? Für Kyojuro war es durchaus normal, die Türen zum Garten hinaus auch mal offenstehen zu lassen, er machte sich darüber nie Sorgen – das sollte er sich wohl nun machen.   „Ich habe das Frühstück vorbereitet, wenn du etwas essen magst.“   „Ja, sehr gerne. Ich werde nur vorher kurz ins Badezimmer gehen.“   Senjuro nickte ihm sofort lächelnd zu, ehe er die Tür wieder zuschob. Kyojuro blieb noch einen Moment sitzen, bevor er sich mit der Hilfe seines Gehstocks auf die Beine brachte. Er richtete sich auf und betrachtete sein Zimmer erneut. Es schien nichts zu fehlen oder sich verändert zu haben. Die Kerze brannte nicht mehr und er schätzte, dass dies Akaza gewesen war. Sein Briefpapier lag immer noch offen und er spürte eine innere Wut in sich, bei dem Gedanken daran, dass Akaza die Briefe einfach gelesen haben könnte.   Er schüttelte diesen Gedanken und damit verbundene Wut ab, bevor er sich hineinsteigern könnte. Also suchte er das Badezimmer auf, welches mit seinem Zimmer verbunden war und begann sich etwas frisch zu machen und seine Blase zu leeren. Bislang sah sich Senjuro seine verbliebenen Wunden stets an und verband sie dann genauso, wie er es von Shinobu gezeigt bekommen hatte. Vermutlich müssten sie das nicht täglich machen, aber Kyojuro würde Senjuro niemals etwas verbieten können, wenn er ihn so besorgt ansah. Nachdem was vergangene Nacht passiert war ... Er öffnete die Verbände an seinem Oberkörper langsam, sobald er seinen Yukata geöffnet hatte. Die Lagen verschwanden, umso mehr er den Verband abrollte. Es gab keine blutigen Spuren, aber auch keine anderen Flüssigkeiten, die hier und da aufgrund der Wundheilung zu sehen waren – oder der Salben und dergleichen, die er aufgetragen bekam. Als die letzte Schicht nun weg war, ließ sie einen freien Blick zu. Vernarbtes Gewebe, welches immer noch einem Wunder gleichkam. Doch es war anders. Nicht auf eine normale Weise anders. Es wirkte fast so, als wäre die Naht verschwunden, die sein Überleben mehr oder weniger gesichert hatte. Zaghaft fuhr er mit den Fingerspitzen die Stelle nach, an welcher zuvor eine Naht zu spüren gewesen war. Es wäre so oder so an der Zeit gewesen, sie zu ziehen, aber Shinobu war besorgt gewesen. Als er im Schmetterlingsanwesen gelebt hatte, hatte diese Wunde noch ganz anders ausgesehen. Jetzt wirkte sie wirklich verheilt. Natürlich blieb es vernarbt, aber wenn er sie jetzt so sah ...   Er brauchte keine Angst mehr davor zu haben, dass diese Wunde aufging.   Dennoch blieb ein schlechtes Gefühl zurück. Es war unmenschlich, dass sie so schnell verheilt war, was bedeutete, dass es einfach nur aufgrund dessen war, was Akaza getan hatte. Ob er das bei Shinobu ansprechen sollte? Bei Senjuro? Bei irgendjemanden überhaupt?   Kyojuro trat näher an den Spiegel und hob die Augenklappe an, die vor allem dazu da war, es vor Licht zu schützen, sowie Verschmutzungen. Er fuhr auch hier mit den Fingern über die Verletzung. Es mochte schneller oder besser heilen, aber es verheilte nicht komplett. Sein Auge war verloren und er würde es nicht wieder nutzen können. Nun, Gyomei kämpfte blind; da würde er es jawohl schaffen, auf ein Auge zu verzichten. Ob durch die Heilung seiner größten Verletzung auch die große Erschöpfung von allem zurückgehen würde?   Er schob die Augenklappe zurück, bevor er den Mund öffnete und versuchte zu erkennen, ob seine Zähne vielleicht schärfer geworden war. Ob es irgendein Anzeichen dafür gab, dass er dämonischer Natur sein könnte. Doch es schien nichts zu geben. Alles an ihm war so normal wie zuvor – abgesehen von seinen geheilten Wunden. Es gab also keinen Grund zur Sorge. Das war zumindest seine derzeitige Hoffnung. Also schloss er seinen Yukata wieder, ließ den Verband links liegen und machte sich auf den Weg dazu, das Badezimmer zu verlassen, um jetzt endlich zu Senjuro aufschließen zu können, welcher am gedeckten Tisch auf ihn zu warten schien.   Mittlerweile fragte er nicht einmal nach ihrem Vater, er wusste die Antwort vorher schon. Natürlich war er weiterhin einer Unterhaltung bisher aus dem Weg gegangen, dabei war er wirklich niemand, der so etwas langfristig machte – normalerweise war er jemand, der gerne sofort solche Sachen klärte. Er suchte das Gespräch, selbst wenn es mit seinem Vater eher selten ein Gespräch wurde. Dennoch war er bemüht darum, sich um solche Dinge zu kümmern. Immerhin wurde aus Ignoranz nichts besser.   Das hatte er nun auch spüren dürfen, wegen der Angelegenheit mit Akaza. „Lass uns heute einen Spaziergang machen, Senjuro“, meinte er nun stattdessen zu seinem Bruder.   „Oh ... gerne, aber ... schaffst du das denn schon, Aniue?“   „Es muss ja kein außerordentlich langer oder anstrengender Spaziergang sein. Dann sollte ich das wirklich hinbekommen.“   Vielleicht auch besser, als Senjuro gerade dachte. Immerhin hatte Kyojuro seine verheilten Wunden gesehen, welche der größte Grund dafür gewesen war, so erschöpft zu werden. Vielleicht könnte er auch heute endlich wieder richtig trainieren. Er sollte es unbedingt ausprobieren, damit er beim nächsten Mal diesen verdammten Kopf von den Schultern des Dämons schlagen könnte!   „Dann lass uns direkt nach dem Frühstück aufbrechen!“, antwortete Senjuro lächelnd.   Er konnte wirklich froh darüber sein, seinen kleinen Bruder zu haben. Auch wenn dieser genauso wenig über das Bescheid wusste, was gerade bei ihm so abging, so war er wie ein Hoffnungsschimmer, von ruhiger Fröhlichkeit. Hinzukommend riss er ihm aus allerlei Gedankengängen heraus, was gerade mehr als wichtig für ihn zu sein schien.   Vorerst jedoch genoss er das ausgiebige Frühstück und lächelte befreit, als er sogar gekochte Süßkartoffel-Stückchen sah. Seitdem er Zuhause war, gab es eigentlich zu jeder Mahlzeit Süßkartoffeln in verschiedenen Variationen. Seitdem Mitsuri ihnen diese mal mitgebracht hatte, war Kyojuro begeistert davon und Senjuro schien dies als Grund zu nutzen, ihm jederzeit etwas damit zu kochen. Sicherlich gehörte dies auch zum Verwöhnprogramm, welches ihm zuteilwurde, damit er schneller heilte. Dadurch würde er sich keinesfalls schneller erholen, aber es war definitiv etwas Positives, was Kyojuro auch sicherlich mit mehr Optimismus erfüllte.   Das Essen fiel ihm wesentlich einfacher jetzt, er konnte wieder fast so schnell essen wie vor seiner Mission und dem damit verbundenen Kampf gegen Akaza. Er bremste sich nur deshalb aus, weil Senjuro immer wieder etwas besorgt dreinschaute. Ob er auch besorgt wäre zu sehen, dass Kyojuro's Wunden verheilt waren oder würde die Freude darüber überwiegen? Vielleicht sollte er es etwas hinausziehen.   Nach dem Frühstück wechselte Kyojuro die Kleidung, auch wenn er Yukata liebte, sei es zum Schlafen oder einfach daheim zu entspannen, so vermisste er eindeutig seine Hosen – am liebsten würde er die Uniform tragen. Stattdessen suchte er sich aus seinem Schrank lockere Hakama-Hosen aus, sowie ein passendes Oberteil, um beides anzuziehen. Damit fühlte er sich für die Außenwelt draußen eindeutig gewappnet. Sein Blick klebte länger als gewollt an seinem Katana. Dann griff er jedoch danach und nahm es mit – immerhin sollte man stets für alles gewappnet sein, auch am helllichten Tag. Als er aus seinem Zimmer herauskam, war Senjuro bereits bereit, er trug ein Körbchen bei sich, vielleicht damit sie unterwegs pausieren konnten.   Kyojuro hatte das Gefühl, er bräuchte seinen Gehstock nicht mehr, aber er behielt ihn dennoch bei sich. Vielleicht auch deshalb, weil es ihm selbst ein gewisses Gefühl der Sicherheit versprach. „Ich habe Sachen zum Picknicken eingepackt, falls wir eine hübsche Stelle finden!“, erklärte Senjuro seinen Korb auch direkt lächelnd, während er bereits vorausging.   Kyojuro folgte ihm, bereits wesentlich stabiler als jemals zuvor, wodurch er auch schon besser mithalten konnte, was das normale Tempo anging. Das fühlte sich ... wirklich sehr gut an!   „Lass uns in die nahen Wälder gehen. Vielleicht finden wir die Lichtung wieder, wo wir früher oft waren“, meinte er schließlich lächelnd.   „Oh ja! Ich weiß genau, wie wir dorthin kommen, Aniue. Ich gehe immer noch oft dorthin. Die Blumenwiesen sind dort so schön und manchmal kann ich sogar Pilze in der Nähe sammeln. Aber ich hoffe, der Weg wird nicht zu weit für dich sein.“   „Ich fühle mich heute schon sehr gut“, erwiderte Kyojuro schnell. „Mach dir also keine zu großen Sorgen. Ich will es einfach genießen, mal wieder herauszukommen.“   Es half ihm außerdem auch sicherlich dabei, vor allem mit seinem fehlenden Auge zurechtzukommen. Er kam mittlerweile schon gut zurecht, auch nur mit der halben Sicht, die er früher gewohnt war. Im Kampf würde das wohl dennoch nochmal anders sein – deshalb wollte er unbedingt wieder trainieren. Immerhin könnte er dann auch mit anderen wieder trainieren, um sich zu verbessern. So etwas sollte er nicht zu leicht auf die Schulter nehmen.   Gemeinsam verließen sie recht schnell das umliegende Dorf, um die Wälder zu erreichen. Für manche Personen konnte dieser Bereich wohl furchterregend wirken, doch gerade bei Tag war es vielmehr wie ein wirklich entspannter Ort. Die Sonne schien durch die Baumwipfel hindurch und es roch nach Blumen und frischen Wind.   Es war perfekt!   „Ich glaube ... dass es Vater ein wenig besser geht“, fing Senjuro plötzlich an, eindeutig vorsichtig und zaghaft. Kyojuro konnte förmlich spüren, wie er ihm die Chance gab, dieses Thema zu beenden, bevor es angefangen hatte – er sagte nichts. „Er- er scheint weniger zu trinken. Und als du im Schmetterlingsanwesen lagst ... ich meine, er kam nie mit, aber ... er hat mich immer gefragt, wie dein Zustand ist.“   Kyojuro vertraute Senjuro, auch wenn er genauso glaubte, dass sein Bruder verschwieg, dass sein Vater sicherlich auch viel geflucht hatte – vor allem über ihn. Immerhin kannte er fast in- und auswendig, was für Vorwürfe er immerzu bekam. Wichtig als dieses Wissen war jedoch, dass es einen Teil in ihrem Vater gab, der sich scheinbar immer noch Sorgen um ihn machte.   „Er ist unser Vater, Senjuro“, meinte er daher lächelnd. „Vielleicht kann er es nicht so zeigen, wie andere es tun, aber ich glaube fest daran, dass er uns sehr liebt und uns nichts Schlechtes wünscht.“   „Ja, natürlich ...“, sein kleiner Bruder seufzte leise. „Aber ... warum kann er es nicht zeigen? Vor allem, nachdem was passiert ist ...“   Kyojuro wünschte, dass Senjuro sich an die Zeit erinnern könnte, als ihr Vater noch genau das getan hatte. „Vielleicht wird er das ja bald wieder“, ermunterte er seinen Bruder. „Du sagtest, dass er schon weniger trinkt? Ich denke, das ist ein guter erster Schritt. Da es mir jetzt auch etwas besser geht, werde ich das Gespräch zu ihm suchen“   Kyojuro ignorierte die Skepsis, die er tief in sich drinnen deutlich fühlen konnte. Es war sicherlich normal, so zu empfinden. Immerhin erlag ihr Vater nicht erst seit einigen Wochen seiner Sucht, es war schon etwas, dass sehr lange zurücklag und bisher nie besser geworden war. Da war es wohl normal, dass man nicht gleich mit voller Zuversicht in etwas hinein starten wollte – was vielleicht gar nicht anfangen würde. Doch zumindest hatte er das Gefühl, Senjuro fühlte sich nun besser, leichter – zuversichtlicher. Kyojuro hoffte also, dass er diese Zuversicht seines kleinen Bruders nicht ruinieren müsste. Kapitel 6: Chapter Six ---------------------- „Oh sieh nur! Die Wolke sieht aus wie ein Fisch!“   Glucksend folgte Kyojuro dem ausgestreckten Finger seines Bruders, um den angeblichen Fisch zu betrachten.   „Nein, das sieht vielmehr aus wie eine Kerze!“   „Was?“, empörte sich Senjuro fast ein wenig. „Das ist eindeutig ein Fisch!“   Vielleicht sah Kyojuro auch den Fisch und nutzte den Moment einfach nur, um seinen kleinen Bruder ein wenig zu necken. Sie kamen viel zu selten zu solchen Momenten. Momente, in denen Senjuro nicht nur ruhig und zurückhaltend war, sondern aus sich herauskommen konnte. Momente, in denen Kyojuro ganz eindeutig sah; sein Bruder könnte ein genauso großartiger Schwertkämpfer sein, wie ihr Vater oder auch Kyojuro selbst.   Er bräuchte nur etwas mehr Selbstbewusstsein.   Vielleicht war es Kyojuro's Verschulden, dass Senjuro dieses nicht besaß. Vielleicht hatte er ihn zu früh alleine mit ihrem Vater gelassen – hatte zu früh zugelassen, dass er unter dessen schreckliches Verhalten litt. Kyojuro war immer schon recht charakterstark gewesen, er hatte andere Zeiten gekannt, an die er sich bis heute erinnerte. Sie gaben ihm Kraft, spendeten ihm Hoffnung in den dunkelsten Zeiten. Dabei hatte er vielleicht ganz vergessen, dass dies bei Senjuro anders war.   „Na ja ... ein bisschen sieht es vielleicht nach einem Fisch aus“, lenkte Kyojuro ein wenig ein. „Aber ich finde, eine Kerze könnte man auch darin sehen.“   „Ich glaube nur du kannst da etwas anderes sehen, als einen Fisch, Aniue.“   „Dann habe ich wohl einfach mehr Fantasie als du!“   „Hmpf ...“   Als Kyojuro den Kopf drehte, konnte er bereits sehen, wie Senjuro etwas schmollte. Was ihn nur noch mehr zum Kichern und Glucksen brachte.   „Schmollst du jetzt?“   „Nein.“   „Oh doch, du schmollst. Eindeutig.“   „Nein!“   „Wenn du das sagst ... dann hast du sicherlich nichts dagegen, wenn ich ...“   „Wenn du was?“   „-dich kitzel!“   „Wa- ne-nein! Kyojuro!“ Er respektierte seinen kleinen Bruder, so wie es jeder große Bruder tun sollte. Zeitweise schob er diesen Respekt aber beiseite, um Senjuro stattdessen durchzukitzeln. Er war wirklich froh darüber, dass er jetzt wieder genug Kraft dazu hatte, sich über Senjuro zu rollen und dessen kleinen Körper an den richtigen Stellen zu kneifen und zu kitzeln, sodass sich dieser bald schon unter ihm rollte und räkelte, während das Gesicht immer röter anlief und das Gelächter im Wald widerzuhallen schien. Doch schließlich hörte er auf, als sogar Tränen über das Gesicht von Senjuro rannen und dessen Rufe nach ihm fast schon verzweifelt wurden. Selbst etwas lachend, setzte er sich wieder neben seinen Bruder, welcher langsam zu neuen Atem kam und sich beruhigte.   „Da-das ... war fies!“, warf er ihm daraufhin auch gleich etwas jammernd vor.   „Vielleicht ein wenig“, schmunzelte Kyojuro weiterhin. Sanft streichelte er durch das auffällige Haar seines Bruders, welcher immer noch etwas schwer zu atmen schien. Er lehnte sich schließlich wieder zurück und entspannte sich in den letzten Sonnenstrahlen, die auf sie niederregneten. „Ich denke, wir sollten dann langsam die Heimreise antreten. Es ist später geworden als gedacht.“   Man konnte sich auf dieser Lichtung einfach gut entspannen, vor allem da Senjuro Onigiri eingepackt hatte, die sie verspeisen konnten, sowie frisches Wasser. Dadurch würden sie vielleicht in teilweise herrschender Dunkelheit den Heimweg antreten müssen.   „Ja, ich packe besser alles zusammen. Ich habe keine Laterne eingepackt, ich hoffe, wir finden gut zurück, wenn es dunkler wird ...“   „Natürlich finden wir gut zurück, Senjuro“, erwiderte er recht entspannt, während er sich nun dennoch erhob.   Immerhin wollte er nicht die Hürde sein, die sein Bruder bewältigen musste, um die Decken einzupacken, sowie die kleinen Bento, in welchen die Onigiri gelagert worden waren. Alles fand wieder seinen Platz im Körbchen, als hätten sie diesen niemals ausgepackt. Anschließend konnten sie sich auf den Weg zurück machen. Kyojuro genoss die Umgebung voller Ruhe, betrachtete die hochgewachsenen Ajan-Fichten, welche in den Himmel hinaufzuwachsen schienen. Genauso genoss er aber auch den Ahorn, der sich mit der Zeit begann immer röter zu färben und damit etwas mehr Farbe in die Wälder brachte. Kyojuro kannte nicht jeden Baum und jede Pflanze, die es in Japan gab, aber diesen Wald hatten sie ziemlich oft erforscht. Senjuro mit ihm gemeinsam oder er mit seinen Eltern, als es ihnen noch gut gegangen war. Dennoch würde er nicht alles erkennen können, was aber auch nicht notwendig war. Meistens. Er dachte lieber nicht an all die Gefahren, welche nicht nur Dämonen boten, sondern auch Mutter Natur, mit der einen oder anderen Falle.   Er erkannte verschiedene Beeren an den einen oder anderen Sträuchern und wenn er sich damit auseinandersetzen müsste, könnte er vermutlich auch erkennen, was essbar war, was nicht oder ... was er lieber liegen ließ, weil er es nicht so genau wusste. Man sollte nicht zu viele Risiken eingehen. Kyojuro wollte nicht wegen vergifteter Beeren sterben. „Warum hast du eigentlich dein Katana mitgenommen, Aniue?“   „Hm? Natürlich zum Schutz“, antwortete Kyojuro direkt. „Ich gehe lieber auf Nummer sicher. Und jetzt scheinen wir auch teilweise im Dunkeln nach Hause zu gehen. Da möchte ich lieber vorbereitet sein, wenn uns ein Dämon angreift.“   „Oh, verstehe“, nickte Senjuro, mit ernst gerunzelter Stirn.   Es sah süß aus. Schmunzelnd tätschelte er den Kopf seines kleinen Bruders. Dank des Sonnenuntergangs wurde der Wald in warme Farben getaucht, die roten Ahornblätter kamen nur noch mehr hervor und erweckte das Gefühl in ihm, sich auf den Herbst richtig zu freuen. Damit verbundene Stürme machten die Jagd nach Dämonen zwar nicht einfacher, aber wenn man davon ausging, war jede Jahreszeit auf ihre Weise wie eine zusätzliche Herausforderung. Auch wenn es langsam dunkler wurde, würde der Hauptweg, dem sie folgten, sie sicher zurück zum Dorf bringen und da es dort wieder beleuchtet wäre, würden sie auch ihr Zuhause ohne Probleme wiederfinden können. Eine andere Sorge breitete sich in ihm aus.   Akaza.   Bald wäre die Nacht eingebrochen und schon wenn die Sonne tief genug am Himmel stand, könnten sich Dämonen wohl frei bewegen. Natürlich könnte es hier auch weitere Dämonen geben, aber der problematischste wäre wohl ein Dämon wie Akaza. Upper Moon Three. Schon im komplett gesunden Zustand hatte er kaum den Kampf überlebt, wie dann also jetzt, wo er nicht einmal sein Training hatte wieder aufgreifen können? Bislang schien Akaza darauf warten zu wollten, dass er wieder komplett auf die Beine käme, aber Kyojuro konnte nicht einschätzen, wie groß die Geduld des Dämons am Ende war.   Außerdem war jetzt Senjuro bei ihm.   Kyojuro wollte keine Risiken eingehen. Er war nur froh darüber, dass Senjuro recht entspannt war. Natürlich lag dies auch an dessen Unwissenheit, was offenbar die Besessenheit des Dämons anbelangte. Kyojuro wollte bestenfalls nicht zu viel darüber nachdenken, nicht über ihre bisherigen Begegnungen und am wenigsten über ihre Letzte. Diese Zärtlichkeit in den Berührungen, verbunden mit der Bedrohung eines so mächtigen Wesens vor sich ... sein Magen drehte sich um. Kyojuro würde dies niemals als etwas Positives wahrnehmen. Schon gar nicht, nachdem Akaza ihm dessen Blut aufzwang – was immer noch äußerst beunruhigend war. Bekam er wirklich dessen Blut oder war alles am Ende anders? Und wenn er es bekam, wieso wurde aus ihm kein Dämon? Er fühlte sich komplett menschlich, hatte Hunger auf Sachen wie Süßkartoffeln, besaß keine Reißzähne und auch so, hatte er sich nicht verändert. Abgesehen von der Tatsache, dass seine schlimme Wunde nun verheilt war und das so gut, wie es scheinbar möglich war für einen menschlichen Körper.   Senjuro fiepste. Kyojuro hielt sofort inne, endlich wieder aus seinen Gedanken hervorkommend. Er griff nach Senjuros Schultern, während er wachsam seinen Blick über ihre Umgebung wandern ließ. „... was ist los?“, fragte er dann leise.   „Da war irgendwas“, antwortete Senjuro ebenso leise, aber immer noch etwas fiepsend.   Dann brach irgendwas über ihren Köpfen zusammen. Kyojuro war wirklich froh darüber, dass seine Instinkte wohl nach wie vor so gut waren wie vor seinem Kampf – oder zumindest nahe dran. Bevor wirklich etwas über sie zusammenbrach, packte er Senjuro und warf sich mit diesem aus dem Weg, fast schon ins Gebüsch. Es gab einen kurzen Schmerz, aber nichts, was darauf hinwies, dass seine Rippen noch gebrochen waren oder dergleichen. Dafür beobachtete er nun aber, wie ein großes Netz zu Boden fiel, genau dorthin, wo sie eben noch gestanden hatten.   „Verdammte Scheiße! Ihr habt es versaut!“, fluchte von irgendwoher eine fremde Stimme.   Kyojuro richtete sich schnell wieder auf, ohne seinem Gehstock irgendeine Art der Beachtung zu schenken. Stattdessen griff er bereits nach seinem Katana, um sie vor der Bedrohung zu schützen, die sich als ... verhüllte Personen herausstellten. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die weiten dunklen Gewänder, die selbst das Gesicht fast vollständig bedeckten.   „Na gut, dann eben auf die bewährte Art und Weise – rückt all euer Hab und Gut raus und niemandem hier wird was geschehen!“   Es dauerte einen kleinen Moment, bis Kyojuro wirklich verstand, dass dies ein Überfall auf sie sein sollte. Hinter ihm rappelte sich auch Senjuro auf und drückte sich recht nahe an ihn heran.   „Was?“, blinzelte Kyojuro irritiert.   „Euer Hab und Gut! Und zwar sofort!“   Nach ruckartigen Handbewegungen in die Richtung der weiteren Gestalten, begann jeder seine Waffe zu ziehen – Dolche, Wakizashi und einer hatte sogar Pfeil und Bogen bei sich. Das alles waren ... Menschen. Zumindest wirkten sie auf den ersten Blick nicht wie Dämonen. Abgesehen davon, dass eben jene nicht in Gruppen auftauchten – wobei er sich darauf lieber nicht zu sehr versteifte – wirkten sie auch auf keinster Weise wie die Menschenfressenden Monster aus der Dunkelheit.   Empört runzelte Kyojuro die Stirn: „Auf gar keinen Fall.“   „Spiel keine Spielchen mit uns, Ein-Auge! Wir nehmen uns euer Zeug, auf die eine oder auf die andere Art.“   Kyojuro war bisher noch nie so direkt darauf angesprochen worden, dass er nur noch ein Auge nutzen konnte, es war aber auch nicht weiter relevant. Es war ihm jedoch auch noch nie passiert, dass Menschen versuchten ihn zu überfallen. Das erschwerte den Umgang mit der Situation – immerhin war es bei Dämonen relativ einfach zu reagieren. Er tötete sie. Aber er konnte wirklich keine Menschen töten. Niemals. Natürlich hielt das ihn nicht davon ab, sie notfalls auszuknocken, man musste schließlich nicht nur die scharfe Klinge seines Katanas nutzen, um sich zu verteidigen. Kyojuro war nicht ansatzweise fit genug für einen Kampf gegen Dämonen, zumindest nicht gegen die Stärkeren ihrer Art – aber gegenüber Menschen sollte er schnell und stark genug sein. Also demonstrierte er seine Kampfbereitschaft direkt, indem er sein Katana zog – zum Glück hatte er es mitgenommen. Es passierte rein instinktiv, dass er Flammen um sein Katana herum aufsteigen ließ, als er es hervorzog. Das Atmen tat nicht mehr weh – und ihm war bewusst, dass dies irgendwas mit dem dämonischen Blut zu tun haben musste, aber gerade konnte er das komplett ausblenden. Vielleicht auch, weil er das pure Entsetzen in den Augen der Verhüllten sah, mehr konnte man von den Gesichtern auch nicht erkennen. Er hatte nicht vor, den Personen ernsthaften Schaden zuzufügen, aber er würde sowohl seinen kleinen Bruder, als auch sich selbst mit allen Mitteln verteidigen, die notwendig wären.   „Lasst euch von diesem Spuk nicht einschüchtern, wir sind in der Überzahl.“   „Ich mache das, Senjuro“, sagte Kyojuro noch zu seinem kleinen Bruder, ehe er nach vorne stürmte.   Seine Verletzungen, verbunden mit der doch recht langen Pause, hatten natürlich dafür gesorgt, dass er nicht in alter Form war, aber es ging gut genug. Für normale Menschen bewegte er sich viel zu schnell, was direkt dazu führte, dass er den Griff seines Katanas problemlos einer der vermummten Personen gegen den Hinterkopf schlagen. Es war sicherlich hart genug für eine große Beule, vielleicht sogar einer blutigen Stelle, dort wo er hingeschlagen hatte. Er hatte natürlich als Erstes den Bogenschützen herausgenommen, der konnte vermutlich am gefährlichsten für sie sein, wenn er sich bemühte keine Flammenatmung zu nutzen.   „Heeeeh?!“   „Wieso ist er so schnell!?“   Es gab kein Zögern in seinem Handeln, dank der Überraschung konnte er eine weitere verhüllte Person ausschalten. Beim dritten Mal traf die Klinge seines Katanas die des Wakizashi. Der Druck und die Kraft dahinter war für Kyojuro kein Problem, dennoch war es etwas anderes, was den Kopf des verhüllten Mannes traf. Senjuro schlug mit dem Gehstock auf dessen Kopf. Das ließ den Mann nicht zusammensacken, machte es Kyojuro aber noch einfacher, ihn zu entwaffnen, weil er nach vorne griff. Er zerdrückte das Handgelenk, vielleicht auch fest genug für einen Bruch. Das Wakizashi fiel beinahe geräuschlos auf den schlammigen Waldboden unter ihnen. Also konnte er im nächsten Moment ganz unbesorgt ein weiteres Mal den Griff seines Katanas nutzen, um auch diesen Mann auszuschalten.   „Das hast du großartig gemacht, Senjuro!“, lobte Kyojuro prompt seinen Bruder, welcher immer noch den Gehstock in den Händen hielt.   „Vorsicht!“, fiepste er im nächsten Moment und zeigte hinter Kyojuro.   Kyojuro wusste nicht, ob er schnell genug gewesen wäre, um den Angriff abzuwehren. Die Wahrscheinlichkeit war jedoch groß, denn bisher war seine Schnelligkeit kein Vergleich zu den Angriffen der Menschen. Ehe er das hätte schaffen können, schoss jedoch etwas anderes hervor. Er sah knapp vor sich etwas Blau durch die Luft schießen. Etwas, das ihn eindeutig an seinen Kampf gegen Akaza erinnerte und den Angreifer hart genug traf, um ihn ins Taumeln zu bringen. Selbst wenn Kyojuro nicht schnell genug gewesen wäre, hätte dieses Taumeln als Ablenkung genügt, damit er nun reagieren könnte.   Diese Chance wurde ihm jedoch nicht gelassen.   Kyojuro konnte es ganz genau beobachten, er hatte ein wenig Hoffnung, dass sein Bruder diese Schnelligkeit nicht so deutlich erfassen konnte. Doch dann spritzte Blut durch die Gegend, als dem Mann der Kopf abgerissen wurde, als würde es keine Anstrengung benötigen. Das tat es vermutlich auch nicht, wenn man ein Dämon war.   „Du warst einfach großartig, Kyojuro!“ Der Kopf des Mannes rollte über den Boden, als er fallengelassen wurde. „Noch nicht ganz wie früher und die Flammenatmung fehlte auch, aber ... dein Kampfgeist war wieder etwas stärker. Es war einfach wundervoll!“ Kapitel 7: Chapter Seven ------------------------ Was machte Akaza hier!?   „Selbst die kleine Kerze ist kurzzeitig etwas mehr entflammt. Aber nichts kommt an dich heran, Kyojuro!“, plapperte der Dämon fast aufgeregt weiter.   „Aniue?“, flüsterte Senjuro hinter ihm.   „Der Kleine sieht fast genauso aus wie du. Das scheint also wirklich in der Familie zu liegen, was?“, kicherte Akaza vergnügt.   „Wer ist das? Hat er gerade ...“   „Oh, wie unhöflich von mir. Mein Name ist Akaza. Ich bin ein Freund deines Bruders.“   „Du bist kein Freund von mir!“, zischte Kyojuro dazwischen.   „Aber ich habe euch gerettet. Wieso hätte ich das tun sollen, wenn ich kein Freund bin?“   „Du hast einen Mann getötet!“   „Nur, damit er dich nicht angreifen konnte. Willst du mir das etwa vorwerfen?“, schnaubte Akaza.   „Wie du siehst, muss man niemanden dafür töten!“, aufgebracht deutete Kyojuro auf die bewusstlosen Männer.   „Dämonen würdest du nicht davonkommen lassen.“   „Natürlich nicht!“, schnaubte er. „Das ist absolut kein Vergleich!“   Akaza legte den Kopf schief, kniff die Augen zusammen – Kyojuro packte bei diesem Anblick mehr nach seinem Katana. Doch der Upper Moon griff nicht an. Stattdessen schnaubte er nun auch einmal lautstark, ehe er mit einem Sprung in einen der hohen Bäume zu landen schien und von der Dunkelheit verschlungen wurde, die dort oben herrschte.   „Was machen wir jetzt, Aniue?“   Kyojuro sah zu dem kopflosen Körper: „... ich glaube, es gibt nichts, was wir für diesen Mann tun können. Lass uns zumindest ein kleines Begräbnis vorbereiten.“   Er war das gewohnt. Denn fast jede Mission hatte damit zu tun, dass es Opfer gab. Opfer, die hin und wieder von den Kakushi vergraben wurden, wenn es nur wenige waren, übernahm Kyojuro dies, bis die Kakushi eingetroffen waren. Bevor er zu einem Hashira ernannt worden war, war es normal gewesen, sich intensiv darum zu kümmern. Senjuro kannte das nicht, aber er gab sich stets Mühe in allem. Also schafften sie es schließlich, den toten Körper und auch den abgetrennten Kopf zu begraben. Das alles kostete bereits viel Zeit und dabei war die Sonne schon lange untergegangen.   „Jetzt lass uns gehen, bevor die anderen wieder aufwachen ...“ Auch wenn sich Kyojuro etwas unwohl damit fühlte, sie hier zu lassen, während Akaza unterwegs war. Selbst im wachen Zustand könnten sie nichts gegen einen Dämonenangriff unternehmen und zumindest gegenüber Akaza, hatte auch Kyojuro keine Chance.   „Warum hat er uns gerettet?“, fragte Senjuro zaghaft nach, als sie sich wieder langsam auf den Heimweg machten. „Er hätte alle töten können. Vermutlich auch uns, oder? Seine Augen ... er war ... ist ein ...“   „Upper Moon Three“, nickte Kyojuro langsam. „Er ist der Dämon, dem ich bei meiner letzten Mission begegnet bin. Ich bin mir über seine Beweggründe nicht ganz sicher, aber er scheint besessen davon zu sein, mich zu seinesgleichen zu machen.“   „E-er will ... dass du ... ein Dämon wirst!?“, fiepste Senjuro sofort entsetzt.   Es war erleichternd, dass dieses Entsetzen scheinbar nicht nur an Kyojuro selbst lag, sondern eher eine normale Reaktion zu sein schien. Die Stille daraufhin war dennoch etwas beunruhigend, also versuchte er sie mit eigenen Worten zu füllen.   „Ja, will er ... bisher ... na ja ... er könnte es erzwingen. Bisher tut er das nicht. Ich weiß nicht, ob dies bestehen bleibt.“   Er sah, wie Senjuro sofort besorgt die Stirn runzelte, als er das hörte. Vielleicht auch eher deshalb, weil Kyojuro ein wenig zugab, dass Akaza ihn verwandeln könnte, wenn ihm egal wäre, was er dazu sagen würde. Genau so war es ja auch. Selbst wenn Kyojuro mittlerweile an Stärke dazu gewann.   „Aber wieso macht er es dann nicht einfach?“, fragte sein Bruder leise nach.   Und das war eine sehr gute Frage!   „Ich ... weiß nicht genau. Vielleicht möchte er mit mir befreundet sein?“, schlug er stirnrunzelnd vor.   Es gab keinen Grund. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass jeder Dämon seine Vergangenheit vergaß, also würde sich Kyojuro vermutlich nicht daran erinnern, dass Akaza ihn gezwungen hatte.   „Wahrscheinlich gibt es gar keinen Grund. Er ist ein Dämon, die sind ... einfach komplett ... verrückt.“   „Hm ...“, machte Senjuro nachdenklich. „Er scheint zumindest sehr begeistert von dir zu sein.“   „... das kann ich wohl wirklich nicht bestreiten.“ Zumindest nicht, wenn man diesen Dämon mal erlebt hatte – ihn und seine Lobeshymnen für Kyojuro.   „Was meinte er eigentlich mit diesem Kampfgeist und Gerede über einer Kerze?“   „Ich habe absolut keine Ahnung!“ Vielleicht war das gelogen, aber Kyojuro würde es vorziehen, dieses Thema nicht weiter aufzurollen – er könnte es ohnehin nicht so erklären wie dieser Dämon. Er war froh darüber, dass sie bald schon das Dorf erreichten und ihr Zuhause wirklich nur noch einen Katzensprung entfernt war. Kyojuro hatte das Ganze ziemlich gut überstanden, was nur nochmal bewies, wie gut es ihm mittlerweile wieder ging.   Wegen des Blutes eines Dämons.   Dennoch war er wirklich froh, sich nun in sein Zimmer zurückziehen zu können. Er atmete auf, hoffte nochmal, dass sein Bruder trotz des mitangesehenen Mordes keine schlechten Träume haben würden oder dergleichen und setzte sich erst einmal auf den Stuhl, der an einem kleinen Tisch stand, den er zum Schreiben nutzte. Nachdem er durchgeatmet hatte, erhob er sich wieder und suchte sich einen Yukata zum Schlafen heraus. Auch wenn er nicht gleich zu Bett gehen wollte. Sein Blick streifte danach die Schiebetüren, welche zum Garten hinausführten und entgegen dem gesunden Menschenverstand, schob er sie auf.   Er sagte sich, dass er es für die frische Luft tat, auch wenn er sich der Lüge ziemlich bewusst war.   Natürlich machte er eine Laterne an, die alles im Zimmer gut beleuchten würde, ehe er sich dennoch an seinen Tisch setzte und den angefangenen Brief betrachtete. Seufzend schob er die Seite weg und begann von neu anzuschreiben.   Wie viel Zeit verging, konnte Kyojuro nicht genau benennen, aber irgendwann vernahm er das Geräusch von nackten Füßen auf Holzdielen.   „Ist es nicht leichtsinnig, die Türen offenzuhalten?“, summte Akaza, welcher ohne weiteres in sein Zimmer kam. „Aber du scheinst das häufig zu tun.“   Natürlich, immerhin hatte Kyojuro nie gedacht, dass er von einem Dämon beobachtet werden würde. Mit Argusaugen beobachtete er den Dämon, welcher leichtfüßig durch sein Zimmer ging und seine Augen schamlos über alles wandern ließ, was vielleicht privat sein könnte. Kyojuro war froh über seine Ordnung, ganz davon zu schweigen, dass er nicht viele private Dinge herumliegen oder irgendwo hängen hatte. Sicher verwahrt vor solch neugierigen Blicken.   „Ich genieße die kühle Nachtluft“, erwiderte Kyojuro. „Was machst du hier? Willst du dich für den Tod des Mannes entschuldigen?“   „Pff ...“, kicherte Akaza. „Da gibt es keinen Grund für eine Entschuldigung. Ich habe nur beschützt, was mir gehört.“   Kyojuro wollte empört darüber sein, dass Akaza sich für den Mord nicht ein wenig schuldig fühlte, aber der zweite Teil ließ ihn fast vom Stuhl kippen. „Rede nicht so einen Unsinn!“, schnaubte er sofort mit erröteten Wangen.   „Aber das ist doch kein Unsinn“, erwiderte Akaza sofort, als er wieder mal viel zu nahe kam und sich nicht davon stören ließ, dass Kyojuro auf seinem Stuhl saß. „Ich meine ... ich habe dich schon darum gebeten ein Dämon zu werden und als meines markiert habe ich dich auch – was muss ich noch tun, damit du mir gehörst?“ „Das wird auf jeden Fall alles nicht dabei helfen!“ War das wirklich die normale Ansicht für einen Dämon? Kyojuro hatte nicht darüber nachgedacht oder mit einem Dämon gesprochen. Er kannte aber auch keinen Dämon, der so gesprächig war wie Akaza ... „Ich habe nicht vor, ein Dämon zu werden.“   „Sicher?“, die kühlen Fingerkuppen hatten sich unter sein Haar geschlichen und kratzten prompt an der empfindlichen Haut im Nacken. Kyojuro bekam sofort eine Gänsehaut von dieser Tat. „Dabei hast du nun selbst einen der Vorteile des Dämon-Daseins miterlebt. Du bist schon geheilt und es wäre noch perfekter, wenn du werden würdest wie ich.“   Es war natürlich mit einem Risiko verbunden, aber Kyojuro vergaß es für eine Sekunde. „Wieso tust du es nicht einfach?“, fragte er ganz offen nach. „Nein, warum bin ich kein Dämon? Du hast mich dazu gezwungen, dein Blut zu trinken.“   „So einfach geht das nicht“, verdrehte Akaza die Augen. „Ich müsste dir mehr von mir geben, damit du dich verwandelst und wichtiger wäre es, wenn ... nun, unser Meister dir etwas von seinem Blut gibt.“ Akaza zuckte mit den Schultern. „Und was würde es mir bringen, dich zu zwingen? Ich will, dass wir unser Leben lang trainieren und kämpfen – aber nicht aus Hass!“   „Werde ich nicht ohnehin alles vergessen?“   Akaza zuckte mit den Schultern: „Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“ Offensichtlich würde Kyojuro keine bessere Antwort bekommen, vielleicht gab es die auch einfach nicht? „Wieso schreibst du einen Brief an deine Mutter?“   „Wa- I- ... Privatsphäre!“, mit einem bösen Blick schlug er nach Akazas Arm, da dessen Hand immer noch in seinem Nacken lag, ehe er mit den weiten Ärmeln seines Yukata seinen Brief verdeckte, bemühte darum, die Tinte nicht zu verschmieren.   „Ach ... komm schon?“, Akaza klimperte mit den Augen und setzte etwas auf, dass man vielleicht als Hundeblick ansehen könnte. „Ich habe sogar deinen kleinen Bruder schon getroffen. Ist deine Mutter auch eine Dämonenjägerin?“   „Nein“, verdrehte Kyojuro die Augen, für einen kurzen Moment starrte er Akaza einfach nur an, aber der Dämon schreckte vor seinem langen Blickkontakt nicht zurück, also gab er seufzend nach. „Sie ist tot.“   „...“, jetzt war es an Akaza verwirrt zu blinzeln. „Warum schreibst du ihr dann einen Brief?“   „Das wirst du nicht verstehen.“   „Ich bin schlauer als du denkst!“   „Das hat nicht unbedingt etwas mit Intelligenz zu tun, sondern mit Empathie – was du scheinbar nicht besitzt.“   „Wenn ich keine Empathie besitzen würde, hätte ich die Leute schon längst gegessen, die hier mit dir leben, ich hätte eure Krankenstation angegriffen und dich einfach entführt.“ Kyojuro war sich nicht sicher, ob das alles mit wahrer Empathie gleichzusetzen wäre, aber vielleicht sollte er einfach einen Versuch wagen?   „Ich schreibe ihr, um mich ihr verbunden zu fühlen“, antwortete Kyojuro schließlich. „Damit sie auch jetzt noch, ein Teil in meinem Leben sein kann.“ Akaza musste nichts sagen, sein Gesichtsausdruck verriet ihn bereits. „Ich sagte ja, dass du zu wenig Empathie dafür besitzt.“   „Das liegt bestimmt nicht daran! Es ist einfach nur ... lächerlich. Du hängst dich an eine tote Frau, die dir weder Ratschläge noch irgendwas anderes geben kann.“   „Woher möchtest du das wissen?“, verdrehte er die Augen. „Es benötigt keine Wörter oder eine direkte Begegnung, um sich gut beraten zu fühlen.“   „Was, wenn sie dir sagen würde, dass du ein Dämon werden solltest.“   Kyojuro musste aufpassen, dass er bei dem ganzen Augenverdrehen diese nicht im Inneren seines Kopfes wiederfand. Auch wenn er sich fragte, ob sein verhülltes Auge überhaupt solche Sachen mitmachte – er hatte kein Gefühl dafür, also konnte er es nicht weiter bemerken.   „Sie kann mir nichts sagen, doch selbst wenn – sie würde mir niemals diesen Rat geben. Ich soll die Schwachen beschützen und das werde ich immer tun.“   „Aber das könntest du auch als Dämon“, merkte Akaza an. „Du denkst, nur die Dämonen sind bösartige Wesen? Ich sag’ dir; es gibt Menschen, die wahre Monster sind. Du solltest diese Tatsache nicht ignorieren.“   „Ich ignoriere nichts! Dämonen sind einfach gefährlicher!“   „Ich sehe darin keinen Unterschied“, der Dämon zuckte mit den Schultern. „Dämonen töten, um sich zu ernähren. Welchen Grund haben Menschen dafür? Gier, Neid, Hass ...? Niedere Gründe, wenn du mich fragst. Und es geht nicht nur ums töten. Menschen tun so viel mehr.“   „Du tust so, als würde ich das nicht wissen“, schnaubte Kyojuro. „Mir ist das durchaus bewusst, aber wenn ich anfange Menschen zu jagen, statt Dämonen, wird es nicht lange dauern, bis es keine Menschen mehr gibt.“   „Warum sollten wir Menschen ausrotten, die wir zum Ernähren benötigen? Außerdem wird es niemals so viele Dämonen geben. Du wirst einer von uns, nicht die komplette Dämonenjäger-Gemeinschaft.“   „Ich werde keiner von euch.“   „Vielleicht nicht heute, aber irgendwann werde ich dich überzeugen können“, erwiderte Akaza selbstsicher. „Lass uns morgen kämpfen, Kyojuro. Ich bin sicher, es könnte spannend werden.“   Kyojuro war sich sicher, dass er nicht einmal halb so fit war, um wirklich einen spannenden Kampf zu entwickeln. Kapitel 8: Chapter Eight ------------------------ Kyojuro war sich sicher, dass Akaza es ernst gemeint hatte mit dem Kampf. Abgesehen davon brauchte der Dämon scheinbar keinen Grund, um ihn zu besuchen – wie gut oder schlecht das war, sei mal dahingestellt. Er konnte jedoch nicht von sich weisen, dass er nicht mehr in komplette Panik verfiel, wenn Akaza in seiner Nähe war. Ob es sich langsam immer normaler für ihn anfühlte? Das war sicherlich nicht gut!   Er rieb sich immer wieder den Nacken, als würde er die kalten Finger immer noch dort spüren können. Wenn es Senjuro auffiel, dann sprach dieser es zumindest nicht an.   Nachdem sie am Vortag so viel und lange draußen gewesen waren, nahm sich Kyojuro heute ein ausgiebiges Training vor. Vielleicht wollte er sich auch einfach darauf vorbereiten, bei einem Kampf gegen Akaza nicht völlig einzustecken.   Wollte er ihn töten?   Akaza hätte ihn schon lange töten können. Der Dämon schien jedoch interessiert daran zu sein, ihn in einem Kampf zu töten, wenn er es tun müsste. Von dessen Gerede mal ganz zu schweigen, wo es darum ging, dass er ihm gehörte. Wie ernst meinte der Dämon das?   „Bitte gib dir auch Pausen, Aniue!“, rief Senjuro ihm irgendwann besorgt dazwischen.   „Sei unbesorgt, es geht mir gut!“   Und das war die Wahrheit. Es ging ihm wirklich gut – abgesehen davon, dass er nicht so fit war wie zuvor. Alles benötigte mehr Kraft als zuvor und er hatte erschrocken feststellen müssen, dass er nicht mehr so gelenkig war wie normal. Natürlich war Kyojuro nie an die Gelenkigkeit von Mitsuri herangekommen, aber jetzt? Das war wirklich inakzeptabel! Glücklicherweise war er voller Motivation und Enthusiasmus, ganz normal, aber vielleicht auch angeheizt von der Herausforderung, die es heute Nacht geben würde.   „Aber ... du trainierst schon ein paar Stunden ... Kocho-san sagte doch, du solltest dich nicht sofort hineinstürzen! Ohhh ... ich hätte ihr einen Brief schreiben sollen, damit sie kontrollieren kann, ob du wirklich bereit dafür bist!“   Das wäre eine schreckliche Idee!   „Glaub mir, ich bin bereit dafür wieder zu trainieren“, versuchte er seinen Bruder zu beschwichtigen.   Shinobu hatte bereits gestutzt, weil Kyojuro's Wunden so gut verheilt waren, dass jetzt würde sie vermutlich komplett irritieren – oder Misstrauen entflammen. Dem wollte er wirklich lieber entgehen. Auch wenn es vielleicht dumm war. Es wäre besser sich jemanden anzuvertrauen, vor allem was das dämonische Blut anbelangte. Gerade glaubte er einfach den Worten eines Dämons, aber auch weil es nicht so schien, als hätte es eine andere, negative Auswirkung auf ihn. Wenn dies der Fall gewesen wäre, dann hätte Kyojuro natürlich sofort und so schnell wie möglich reagiert und seine Freunde kontaktiert – allen voran Shinobu. Selbst wenn Senjuro jetzt einen Brief an Shinobu schreiben würde, so käme sie niemals heute schon hier an. Zumindest war das seine Hoffnung, sollte sein Bruder sich wirklich dazu entscheiden, einen Brief herauszuschicken. Er war auch wirklich froh darüber, dass er nun wieder fit genug war um zu trainieren – die ganze Bewegung hatte ihm wirklich gefehlt und sein fehlendes Auge, störte ihn überhaupt nicht. An manchen Stellen war es immer noch ungewohnt und in einem richtigen Kampf würde es ihm sicherlich noch mehr auffallen, aber zumindest im Training alleine, gab es keinen Grund seinem verlorenen Auge nachzuweinen.   Um Senjuro nicht in die totale Besorgnis zu treiben, machte er dennoch eine Pause – auch weil er hungrig wurde. Sein Blick glitt von der Engawa aus, auch ins Haus hinein. Dort, wo ungefähr das Zimmer ihres Vaters wäre. Er sollte bald das Gespräch zu ihm suchen, vielleicht würde es sie wieder zueinander bringen. Doch für heute wollte sich Kyojuro auf den bevorstehenden Kampf konzentrieren. Normalerweise stand seine Familie für ihn immer an erster Stelle, er sollte keinen Kampf über sie stellen, aber ... er durfte nicht verlieren.   Nicht dieses Mal.   Danach wäre er wieder komplett konzentriert auf die wirklich wichtigen Dinge in seinem Leben.   „Magst du etwas mit mir zusammen trainieren, Senjuro? Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.“   „Oh ... nein, ich bleibe lieber dabei aufzupassen, dass du es nicht übertreibst und das kann ich besser, wenn ich dir einfach nur zusehe.“   „Na schön ... aber wir werden auf jeden Fall bald wieder gemeinsam trainieren! Du kommst mir nicht so einfach davon!“   Senjuro schmunzelte ein wenig und Kyojuro hatte fast das Gefühl, dass alles wieder normal wäre. Der einzige Unterschied zu früher war sein fehlendes Auge und dass ein Dämon ihn als seinen Besitz ansah. Tagsüber konnte man darüber hinwegsehen.   Am Ende gab sich Kyojuro wirklich nicht viel Ruhe und Pausen, wie Senjuro vielleicht gerne gewollt hätte. Vielleicht wäre er durch all das Training am Ende viel zu erledigt für den Kampf gegen Akaza. Vielleicht bräuchte er mehr, als nur diesen einen Kampf gegen ihn, um sich zu beweisen – um diesem Dämon zu zeigen, dass er auch als Mensch dazu fähig war, über jemanden wie ihn zu obsiegen! Doch da er schon heute sein Bestes zeigen wollte, nahm er sich ein paar Stunden Zeit, bevor der Abend richtig anbrechen würde. Er wechselte seine durchgeschwitzte Kleidung und band sein Haar nochmal von neu, damit sein Pony nicht während einem Kampf im Weg wäre.   Da er davon ausging, dass Akaza nicht sofort angreifen würde, verharrte er in seinem Zimmer und begann erneut damit, einen weiteren Brief an seine Mutter zu schreiben. Er erwähnte dabei vermutlich auch Akaza – und all seine Gedanken um ihn herum oder der ganzen Angelegenheit. Kyojuro schrieb seiner Mutter immer über die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben, also fand natürlich auch der Gedanke Platz, mit seinem Vater zu sprechen. Dennoch gehörte Akaza zu seinen Gedankengängen heute definitiv dazu. „Kyo~juro!“   Er erschrak nicht einmal mehr davon, wie plötzlich Akaza auftauchte, wie er seinen Namen beinahe schnurrend über die Lippen brachte und jegliche Privatsphäre mit Füßen trat, als er bei ihm im Zimmer auftauchte, direkt neben ihm. Kyojuro bemühte sich den Brief abzudecken – vor allem da dieser Dämon sich sicherlich herrlich darüber amüsieren würde, dass sein Name auf diesem Papier zu finden wäre. Nicht nur einmal.   „Klopf gefälligst an!“   „Aber du hast die Tür für mich offengelassen.“   Natürlich hatte Kyojuro das, es wäre ihm lieber, wenn Akaza gleich hineinkäme, statt als Schatten vor seiner Tür zu wandeln.   „Dennoch könntest du anklopfen.“   „Jaja“, winkte der Dämon entspannt ab. „Schreibst du wieder an deine Mutter?“   „... ja“, gestand Kyojuro, aber er hielt den Brief dennoch verdeckt. „Aber der geht dich nichts an!“   Akaza verdrehte die Augen: „Ganz, wie du meinst. Jetzt lass uns kämpfen!“   „Nicht in meinem Zimmer“, schnaubte er, als Akaza bereits seine Position einnahm. „Und auch nicht im Garten. Selbst Senjuro würde das mitbekommen.“   Und dem wollte er wirklich keine Sorgen bereiten. Sein Vater sollte das besser auch nicht mitbekommen, auch wenn dieser wegen des Sake nicht viel mitbekam, wollte Kyojuro dies nicht herausfordern.   „... und wo dann?“, verzog Akaza genervt das Gesicht.   „Ich bin sicher, es gibt irgendwo einen freien Platz dafür. Auf jeden Fall nicht in der Nähe meines Zuhause.“   „Fein. Dann komm jetzt aber! Ich werde mich nicht langfristig zurückhalten können.“   Kyojuro wollte auch dieses Risiko nicht eingehen, also erhob er sich nun wirklich seufzend, um nach seiner Laterne zu greifen und vorauszugehen. Er zog die Tür von draußen zu, als Akaza ebenfalls hinausgekommen war und dabei wie ein aufgeregtes Kind wirkte.   „Oh, ich glaube, ich kenne einen guten Ort!“   Kyojuro war sicher, dass sein Herz einen kurzen Aussetzer machte, als Akaza einfach nach seiner freien Hand griff und ihn mit sich zog. Glücklicherweise konnte der Dämon scheinbar seine Kräfte regulieren – sonst hätte Kyojuro bestimmt schon seinen Arm gezogen. So wurde er lediglich weitergezogen, außerhalb vom Anwesen seiner Familie und weiter durch die Straßen, die fast im Dunkeln lagen. Kyojuro hoffte, dass niemand Akaza sehen würde, welcher mit seinen Körperbemalungen und dem strahlenden Haar schon sehr deutlich hervorstach. Glücklicherweise nutzten sie nur wenige der Wege des Dorfes, bevor sie schon am Rand von eben jenem ankamen, dorthin wo Akaza ihn scheinbar hinführen wollte. Zumindest fast.   Sie entfernten sich noch ein wenig mehr vom Dorf. Mittlerweile hatte sich Kyojuro an die kalten Finger gewöhnt, die immer noch seine Hand umfassten. Doch schließlich erreichten sie eine Fläche, die man durchaus als frei bezeichnen konnte. Es war ein kleiner Platz, wo reisende Händler oftmals ihre Stände aufstellten, um ungewöhnliche Sachen zu verkaufen – die nicht immer so ungewöhnlich waren, wie sie behaupteten.   „Aber jetzt!“   Akaza löste seine Hand, um ein paar Schritte Abstand zu nehmen und seine Kampfposition einzunehmen. Und jetzt hatte Kyojuro wirklich keinen Grund mehr zum Meckern. Also zog er sein Katana, um ebenfalls seine Position einzunehmen. Es erinnerte ihn schon jetzt an ihren ersten und bisher einzigen Kampf, nur dass jetzt nicht die Passagiere eines Zuges seinen Schutz benötigten, sondern ... niemand – und wenn doch, dann eindeutig das Dorf und seine Familie.   „Konzentriere dich ganz auf mich, Kyojuro!“, forderte Akaza sofort auf.   Als würde er wissen, was Kyojuro dachte, nur heute konnte er sich vielleicht mehr als beim letzten Mal, auf diesen Kampf einlassen. Nach einem Moment machte Kyojuro den ersten Schritt. Er stürmte nach vorne und schwang sein Katana, es stieß auf Akazas Unterarm, schlug es sogar ab, aber nur um von der zweiten Hand weggeschlagen zu werden. Akazas Bewegungen waren schnell und in ihrer Form perfekt, Kyojuro musste komplett konzentriert dabei bleiben, um jede der Fäuste mit seinem Katana abzufangen oder rechtzeitig abzutrennen, damit sie ihn nicht trafen. Manches Mal war es eine minimale Drehung, die ihn davor bewahrte, erneut ein Auge zu verlieren. Er bemerkte, wie Akaza sein fehlendes Auge immer wieder versuchte auszunutzen, als würde er prüfen wollen, wie gut Kyojuro auch ohne dieses kämpfen konnte.   Langfristig konnte Kyojuro auch erkennen, dass Akazas Bewegungen schnell waren – aber nicht ganz so schnell wie bei ihrem ersten Kampf. Der Gedanke daran, dass Akaza Rücksicht auf ihn nahm, fühlte sich komisch an – falsch und doch richtig.   Und nach wie vor hatte Akaza kein Problem damit, während ihres Kampfes zu reden.   „Sieh nur! Du bist einfach wundervoll, Kyojuro! Dieses unglaubliche Talent darf einfach niemals sterben!“   „Halt den Mund!“, schnauzte Kyojuro, als er ein weiteres Mal Akazas Unterarm abtrennte und mit einem weiteren Schlag versuchte, den Hals des Dämons zu erreichen.   Akazas Hand umfasste die glühende Klinge und Blut glitt an ihr herab, während Kyojuro sich keinen Millimeter weit bewegen konnte.   „Oh, aber ich glaube, du genießt es“, schnurrte der Dämon, ehe er ihn mit einem Schubser ins Taumeln brachte, um gleich darauf hinterherzujagen und ihn mit weiteren Schlägen zu malträtieren. „Du bist einfach so perfekt, Kyojuro. Perfekt dafür, ein Dämon zu werden. Perfekt dafür, ewig an meiner Seite zu leben!“   Die letzten Worte ließen ihn in einer Bewegung innehalten und die Faust kam ungebremst auf sein Gesicht zu. Statt aber wie bei ihrem ersten Kampf eine Verletzung zu hinterlassen, stupste der Dämon mit seinen Knöcheln nur gegen seine Stirn. „Jetzt wärst du tot“, gluckste er dabei.   Grantig schlug er die freche Faust ab, welche im nächsten Moment bereits wieder nachgewachsen war. Akaza kicherte nur, fast wahnhaft, griff im nächsten Moment aber wieder an. Wenn Kyojuro etwas im Kampf gegen Akaza lernen konnte, dann war es wohl die perfekte Abwehr und Reflexe. Vor allem auch der tote Winkel wurde so oft von Akaza ausgenutzt, dass Kyojuro nur noch sicherer kämpfen würde, wenn er dies immer wieder wiederholen würde.   Und dennoch unterlag er komplett.   Akaza hätte ihn vermutlich schon mehr als einmal in diesem Kampf töten können. Stattdessen endete es völlig anders. Der Dämon packte nach seinen Unterarmen, Kyojuro konnte sein Katana nicht mehr schwingen und sich auch nicht losreißen. Statt dies so zu beenden, verlor er jeglichen Halt, als ein gezielter Tritt seine Beine umknicken ließ. Ihm stand ein hartes Aufkommen bevor, stattdessen wurde er beinahe sanft auf den festen Boden abgelegte. Er stieß alle Luft in einem Atemzug aus und blinzelte verwirrt hinauf zu dem Dämon, der über ihn triumphierte. Mittlerweile hielt er nur noch den Unterarm fest, welcher das Katana weiterhin fest umklammert hielt.   „Du bist schon besser als ich es mir vorgestellt habe, nach deiner langen Pause – aber du könntest noch so viel besser sein!“   Kyojuro schnaubte, aber ehe er antworten konnte, entriss Akaza ihm sein Katana und warf es gezielt gegen einen nahen Baum, wo die Klinge stecken blieb.   „Bist du verrückt!? Mein Kata-“   Die letzte Silbe blieb ihm im Hals stecken, als Akaza sich tief zu ihm herunterbeugte. Stattdessen riss er sein Auge auf, fühlte wie sein Herz stehenzubleiben schien und starrte geradewegs ihn zersprungene Spiegel und leuchtenden Augen.   „Was bekomme ich für meinen Sieg?“ Kapitel 9: Chapter Nine ----------------------- Akazas Frage war lauernd und wissend zugleich. Es war völlig egal, was Kyojuro sagen oder tun würde, der Dämon hatte schon jetzt ein klares Ziel vor Augen und nicht vor, es sich nehmen zu lassen. Kyojuro verstand nur nicht, was das Ziel war. Er sah nur das, was für ihn mehr als offensichtlich war. Das, was für ihn absolut nicht zur Debatte stand. Also nutzte er seine freie Hand, trotz all der Rationalität, die dagegen sprach, um Akaza von sich herunterzuschlagen.   Seine Faust erreichte nicht einmal im Ansatz Akazas Gesicht oder irgendwas anderes von diesem Dämon. Stattdessen schlangen sich weitere kalte Finger um seine Hand und drückten sie neben Kyojuros Kopf in den Boden.   „Bist du etwa ein schlechter Verlierer, Kyojuro?“, gluckste Akaza über ihn   „Ich habe nicht verloren. Du hast geschummelt.“   Natürlich brachte diese Aussage Akaza nur noch mehr dazu, zu lachen. Vielmehr verunsicherte Kyojuro jedoch die Tatsache, dass sich die kühlen Finger nicht mehr nur fest um seine Handgelenke krümmten, stattdessen schoben sie sich höher und zwischen Kyojuros Finger. Sein Herz fing an, schneller zu schlagen, obwohl er sich der Bedeutung davon eindeutig verweigerte.   „Akaza ...?“, fragte er, nervöser als er es zuzugeben mochte.   „Da du mir keine Vorschläge entgegenbringst“, summte der Dämon, dessen Blick um ein Vielfaches dunkler zu werden schien. „Nehme ich mir, wonach es mir verlangt.“   Selbst wenn Kyojuro hätte etwas sagen wollen, hätte er es nicht gekonnt. Akaza beugte sich so schnell herunter, wie all seine Bewegungen passierten. Ihm entrann ein überraschtes Geräusch, als er einen weichen, kalten Druck an seinen Lippen empfinden konnte. Kyojuro war sich sicher, dass sein Herz einen Aussetzer machte, damit es kurz danach umso schneller weiter schlagen konnte. Er drückte sich mehr in den Boden hinein, überfordert von der Wucht an Empfindungen, die ihn überkamen.   Sein Bauch verfiel in völlige Panik – es war, als würde irgendwas nervös hindurch flattern und auszubrechen versuchen. Kurzzeitig überkam ihn ein Erzittern, während gleichzeitig jeder rationale oder irrationale Gedanke ausgelöscht wurde. Sein Auge wurde erst ganz groß, ehe es flatternd zufiel. In seinem Körper herrschte immer noch ein reger Kampf – Flucht und Kampfbereitschaft versuchten zu entscheiden, welche Reaktion gerade angebracht oder möglich wäre.   Als sich der kühle Druck von seinen Lippen entfernte, saugte er die Luft ein, als würde er fast ersticken. Sein Kopf fühlte sich völlig leer an, während sein Brustkorb vor Emotionen überzuquellen schien. Noch bevor er es schaffte sein Auge zu öffnen, trafen Akazas Lippen schon wieder seine. Erst noch genauso sanft wie der zuvor, aber schnell in etwas Intensiveres umwandelnd. Scharfe Reißzähne kratzten über seine Lippen, eine Zunge fuhr sie nach – entschuldigend und verlangend zugleich und bald schon zwang Akaza ihn förmlich dazu, seinen Mund zu öffnen.   Kyojuro entrann ein Wimmern, welches er mit sich selbst nicht in Verbindung bringen konnte. Er ergab sich unter Akazas Körper und Lippen, spürte immer noch das Kratzen über seinen Lippen, abgelöst durch eine Zunge, die sich in seinen Mund stahl und ihm jeden Atem raubte. Er kämpfte gegen die Hände, die ihn immer noch niedergedrückt hielten, während ihm ein Keuchen über die Lippen rann, welches direkt von Akazas hungrigen Mund verschluckt wurde. Erst als er wirklich neue Luft zum Atmen brauchte, begann er sich unter Akaza mehr zu winden – der Dämon bemerkte es entweder nicht oder er ignorierte es einfach völlig. Also drehte Kyojuro den Kopf grob zur Seite. Er spürte einen scharfen Schmerz durch seine Unterlippe ziehen, während er nach neuem Sauerstoff schnappte und das Auge geschlossen hielt. Metallischer Geschmack überkam kleckerweise seinem Mundraum und ließ ihn irritiert das Auge blinzelnd öffnen. Er leckte sich mit der Zunge über die verletzte Stelle – offensichtlich hatte er sich die Lippe leicht eingerissen aufgrund von Akazas Reißzähnen.   Das Knurren, welches rumpelnd von Akaza kam, ließ sofort eine Gänsehaut Kyojuros Körper erklimmen, als er wieder in die leuchten Augen eines Jägers sah. Er schluckte den Geschmack von Blut herunter, bevor der Dämon wieder auf ihn stürzte. Die Zunge umspielte seine Verletzung, fast etwas tröstend, nur damit kurz darauf von Akaza an eben jener gesaugt wurde, als würde er die Kostprobe seines Blutes mehr genießen, als irgendwas anderes. Kyojuro entrann ein Keuchen und Wimmern, während er sich gedanklich dafür schelte, das zu genießen. Beruhigend für sein schneller klopfendes Herz war die Tatsache, dass Akaza sich nicht lange an seiner blutigen Unterlippe aufhielt. Stattdessen drückten sich die Lippen, die scheinbar niemals warmzuwerden schienen, wieder ganz direkt auf die seine und küssten ihn wieder genauso intensiv wie die vorherigen Male.   Kyojuro verlor komplett jegliches Zeitgefühl. Sein Körper wurde unter Akazas ständigen Küssen weicher und nachgiebiger, bis seine Hände nicht mehr grob in die Erde gedrückt wurden. Stattdessen vergrub er bald seine Finger in pinkes Haar oder die ebenso pinke Weste, zogen und zerrten nach dem Dämon, um so viel Kontakt wie möglich zueinander aufzubauen. Jeder Kuss sorgte dafür, dass sich seine Lippen noch empfindlicher anfühlten, genauso sorgten sie jedoch dafür, dass er immer schwerer atmete. Die konzentrierte Atmung half nicht einmal ansatzweise dabei.   „Okay, okay ... Pause!“   Grob drückte Kyojuro gegen Akazas stämmige Schultern, damit sich der Dämon von ihm löste. Ihm war durchaus bewusst, dass dieser es eher zuließ, statt dazu gezwungen wurde. Tief durchatmend behielt er sein Auge geschlossen, ehe er es wieder öffnete und zu Akaza hochsah. Zufriedenheit konnte man deutlich vom Gesicht des Dämons ablesen, doch plötzlich wandelte sie sich in Ungeduld.   „Oh! Ich sollte dich wohl so langsam wieder nach Hause bringen, Kyojuro“, summte er.   Es war ungewohnt, als Akaza von ihm herunterstieg und er sich nun wirklich komplett frei anfühlte. Kyojuro musste einige Male blinzeln, bevor er Akazas ausgestreckte Hand registrierte.   „Lass mich dir hoch helfen“, schnurrte der Dämon.   Nach reichlicher Überlegung, ob er Akaza diesen Sieg lassen würde, griff er dann aber doch nach der dargebotenen Hand und wurde mit einem Ruck auf die Beine gezogen, der Kyojuro genauso gut einen Baum hinaufschleudern lassen könnte. Er musste sich an Akazas Oberarm festhalten, um nicht einfach wieder nach vorne umzukippen, bevor er etwas beleidigt eine Schnute zog. Er löste sich von dem Dämon, um stattdessen zu dem Baum zu laufen, in welchem immer noch sein Katana feststeckte. „Geht die Sonne bald auf?“   „Hm? Oh nein“, Akaza winkte ab.   Kyojuro runzelte die Stirn: „Warum ... willst du mich dann nach Hause bringen?“   „Du bist ein Mensch und brauchst deinen Schlaf“, verdrehte der Dämon die Augen.   Womit dieser ja auch Recht behielt – dennoch kam es ein wenig unerwartet. Kyojuro nickte trotzdem ein wenig, bevor er Akaza folgte, welcher mittlerweile nicht mehr seine Hand hielt, aber vorausging. Er würde sein Zuhause auch von diesem Winkel des Dorfes wiederfinden. Er könnte das ansprechen, aber er wusste ziemlich sicher, dass es Akaza nicht davon abhalten würde, ihn nach Hause zu bringen. Tatsächlich störte es Kyojuro auch nicht, selbst wenn sein Verstand noch deutlich Kreise drehte, unfähig rational zu bleiben.   Und dann waren sie auch schon wieder bei seinem Zuhause.   Aber irgendetwas war ... anders.   Kyojuro wusste nicht, was es war, er hatte nur ein schlechtes Bauchgefühl, als sie vor dem Eingang stehen blieben.   „Hm? Alles in Ordnung?“   Überfragt sah er zu Akaza. Wenn irgendwas nicht stimmen würde, dann wäre Akaza doch auch alarmiert, richtig? Also war es vielleicht nur Kyojuros verwirrte Moral oder dergleichen.   „... nein, alles gut“, antwortete er also zaghaft.   Aber es war überhaupt nichts in Ordnung.   Kyojuro trat vor Akaza durch das offenstehende Tor, welches er direkt hinter ihnen schloss, als ihm nun der Geruch von Feuer in die Nase stieg. Sofort spannte er sich an und drehte sich ruckartig um. Anstatt Akaza zu fragen, ob er das auch riechen konnte, ging er voraus, um dem Geruch zu folgen. Und dann sah er direkt in Flammen. Sie fingen langsam an, immer mehr Rauch in die Luft steigen zu lassen. Die ganzen Pflanzen und Beete schienen zu brennen.   „Was ...“, atemlos starrte er ihnen entgegen, als er sich alarmiert umsah.   Er musste nicht lange suchen, denn durch die offenstehende Tür stürmten vermummte Personen. Dieselben, welche sie versucht hatten zu überfallen, mit Senjuro zwischen ihnen, der gleichermaßen verheult, als auch panisch aussah.   „Aniue!“, schrie er schniefend nach ihm, während er gleichzeitig zu versuchen schien, mutig zu erscheinen.   „Senjuro-“   „Das ist er!“, zischte eine der fremden Personen. „Er hat ihn umgebracht!“ „Was?“ Was!? „Wovon sprecht ihr?“   „Du hast unseren Bruder umgebracht! Seinen Kopf abgerissen wie ein Monster – glaubst du, ein Begräbnis wird dich vor einer Strafe bewahren!?“   „Ich- nein! Ich habe niemanden getötet!“, versuchte Kyojuro sich zu erklären.   „Wer soll es denn sonst gewesen sein!? Dieser Zwerg hier? Fein!“   „Nein! Keiner von uns war es. Es war-“, als er sich umdrehte – teilweise Hilfe suchend, als auch bestrafend, ging sein Blick ins Leere.   Wann war Akaza verschwunden!?   „Euren alten Sack habt ihr scheinbar auch auf dem Gewissen!“   „Was!?“   Redeten sie von ihrem Vater? Fragend sah er zu Senjuro, aber dieser gab ihm keinerlei Zeichen für irgendwas, was ihm diese Frage beantworten könnte. Kyojuro war gerade auch viel mehr daran, dafür zu sorgen, dass Senjuro hier heil aus der Sache herauskam.   „Hört mal- das ... das ist ein Missverständnis“, meinte Kyojuro nun so beruhigend wie möglich. „Wir können das sicherlich miteinander klären, nur ... lasst ihn los.“   Was sollte er tun? Was sollte er tun? Das waren keine menschenfressende Monster, es waren Menschen. Es waren Menschen, die seinen Bruder festhielten und einen Dolch an den Hals drückten. Er musste Senjuro retten. Aber wie machte er das? Er hatte immer wieder Menschen aus brenzligen Situationen gerettet, mit irgendeinem Trick, damit dass er so viel schneller war als die Dämonen.   Aber es waren Dämonen gewesen.   Das hier waren Menschen.   „Du willst reden? Fein!“, schnaubte eine der vermummten Personen. „Wirf dein Katana ab und wir reden!“   Er sollte sich entwaffnen. Das gefiel Kyojuro nicht, aber noch weniger gefiel ihm der Gedanke, dass Senjuro etwas passieren könnte. Also biss er die Zähne unzufrieden zusammen, zischte leise.   „Fein! Ich mache es!“, kündigte Kyojuro an, als er nach seinem Katana griff.   „Hey! Langsam! Ganz langsam!“   Kyojuro presste unzufrieden die Lippen aufeinander, nickte aber ein wenig und bewegte sich so langsam wie möglich. Bis er das Katana schließlich wirklich in eine Richtung warf, wo keiner der Männer stand.   „Ich bin unbewaffnet“, sagte er nun. „Also-“   „Gut!“   Dann versenkte sich ein Dolch tief in Senjuros Oberkörper.   „Nein!“ Kyojuro machte einen geschockten Schritt auf die Männer zu, während er Senjuro leise ächzen hörte – er schrie nicht, er war offensichtlich selbst völlig erschrocken und überrascht von dem, was geschehen war. Dann fiel er zu Boden, als die Männer von ihm abließen. Kyojuro beobachtete wie Senjuro in sich zusammenklappte, die Hände überfordert auf die blutige Stelle drückte. Er konnte sehen, wie sich irgendwelche Klingen auf ihn zubewegten, vermutlich sogar sein eigenes Katana, doch sie trafen ihn nicht.   Ein blauer Blitz schien den Ort zu durchstreifen und jeder der vermummten Männer hielt ihn und fiel in sich zusammen – kopflos, mit zerschlagenen Gesicht oder aufgeschnittener Kehle. Kyojuro würde sich normalerweise darum kümmern, aber sein Blick blieb voll und ganz auf seinen Bruder liegen.   „Senjuro!“, rief er schließlich, als er nach vorne stürmte. Sofort umfasste Kyojuro den Körper seines Bruders, um ihn an sich zu lehnen, seine Hände schoben die von Senjuro zur Seite, drückten so fest wie möglich auf die Blutung. „Es wird alles gut ... es wird alles gut ...“, murmelte Kyojuro so beruhigend wie möglich, während er versuchte, die nächsten Schritte rational zu erfassen.   Er hatte es gelernt. Erste Hilfe und alles was dazugehörte, wie half man seinen Kumpanen, bis die Kakushi da waren. Was hatten sie getan, um ihn zu retten?! Warum fühlte sich sein Verstand so leer an?   „Aniue ...“, murmelte Senjuro bereits geschwächt.   „Bleib bei mir“, flüsterte Kyojuro zurück. „Ich ... ich bringe dich zu Kocho-san. Ich muss nur die Blutung vorübergehend stoppen.“ Würde das lange genug helfen? Aber bei ihm hatte die Zeit auch ausgereicht!   „Er wird es nicht schaffen, Kyojuro.“   Wie vom Blitz getroffen drehte er den Kopf und entdeckte Akaza. Der blaue Blitz. Er stand neben ihnen, den Blick bewertend, kritisch – nicht ansatzweise mitfühlend oder traurig.   „Das ist deine Schuld! Du hast-“   „Ich kann ihm helfen.“   „W-was?“   „Du weißt, dass ich ihm helfen kann.“   Das Dämonenblut. Natürlich.   „Ja ... gib ihm etwas von deinem Blut! Dann wird es verheilen, richtig?“   Der Hoffnungsschimmer starb so schnell, wie er gekommen war.   „Es kann Wunden heilen, wenn sie nicht mehr lebensbedrohlich sind. Das hier ... ah, nein. Das wird nichts.“   „Was?“, seine Stimme wurde ein Fiepsen, aufgeregt und verwirrt. Wie viel von dem, was Akaza sagte, war wahr und was falsch? „Du willst ihn verwandeln!? Niemals!“   „Also willst du, dass er stirbt?“   „Nein!“, brüllte er Akaza förmlich entgegen. Er spürte wie seine Hände immer glitschiger von Blut wurden und sofort richtete sich sein Blick auf Senjuro's blasser Gestalt, er schaffte es kaum die Augen offenzuhalten. „Senjuro ...“   „Er wird sterben. Wenn er tot ist, kann ich auch nichts mehr tun.“   Nein, nein, nein.   „Aber ...“, flüsterte Kyojuro leise.   Es gibt immer eine Möglichkeit, jemandes Meinung zu verändern.   „Du warst das alles ... du hast diese Kerle ...“ Es war alles geplant gewesen.   „Ich verwandele ihn“, redete Akaza weiter. „Und dafür, dass ich sein Leben rette, wirst du mir deines geben. Du wirst ebenfalls ein Dämon und ich stelle euch unseren Meister vor und dann werden wir jahrhundertelang zusammen leben. Nichts wird eine Gefahr für uns werden.“   Kyojuros Verstand fühlte sich wattig an. Wie damals, als er mit Medikamenten vollgepumpt worden war.   „Kyojuro!“ Er fühlte, wie kalte Hände sein Gesicht umfasste und dazu zwangen, dass er Akaza ansah. Kyojuro sah Blutspritzer auf dessen Gesicht, vermutlich davon, wie er all die Männer getötet hatte. „Sag, dass du zustimmst! Sag es!“   Kyojuro konnte förmlich spüren, wie das Leben immer mehr aus Senjuros Körper wich. Er wurde weicher und sackte mehr zusammen, das Blut war einfach überall.   „Ja ...“   „Was ja?“   „Ja! Ich stimme zu! Jetzt rette ihn endlich!“ Epilog: Epilog -------------- Kyojuro erinnerte sich. Er erinnerte sich an alles, was in seinem Leben passiert war. Dennoch fehlte etwas anderes. Vielleicht war es die Empathie, die wichtig für mehr Verständnis von all den Geschehnissen war. Er wusste, dass er Akaza verteufeln und zur Hölle wünschen sollte.   Stattdessen war da kein Hass. Es gab jedoch durchaus eine Wehmut.   Senjuro hatte dagegen alles vergessen. Ihr ähnliches Aussehen sorgte für Vertrauen, das normalerweise nicht da wäre.   Kyojuro fühlte eine innere Wut in sich. Vermutlich der Hass auf Akaza, der nicht wirklich da war. Wut, welches kein Ziel kannte. Er sah auf seine langen Krallen, scharf genug, um jemandes Kehle problemlos zertrennen zu können. Neben der Wut gab es auch eine Erschöpfung, die er nicht erklären konnte.   „Kyojuro“, summte Akaza ihm hauchzart entgegen. „Du bist einfach so perfekt. Aber du brauchst etwas zu Essen. Komm schon. Ich habe mich wie versprochen erst mal um Senjuro gekümmert.“   Er atmete tief durch, als er sich Akaza zuwandte, welcher erwartungsvoll zu ihm sah.   „Warum schläft Senjuro?“   „Huh? Oh, liegt sicherlich an der Verwandlung und das er so viel gegessen hat. Keine Sorge“, Akaza warf einen leblosen Körper ab. „Wenn er wach werden sollte und hungrig ist, wird er genug zum Essen hier haben. Jetzt geht es um dich.“   Kyojuro wusste, dass Akaza für Senjuro gejagt hatte – zumindest teilweise. Selbigen Luxus würde er wohl nicht ansatzweise erhalten. Schnaubend erhob sich Kyojuro, er wollte diesen Luxus nicht. Deshalb stampfte er geradewegs an Akaza vorbei. Zornig und doch irgendwie nicht. Akaza summte, scheinbar unbesorgt, während er ihm hinterherlief und Senjuro wirklich zurückließ. Eine leerstehende Hütte, in welcher sich Akaza wohl schon länger eingenistet hatte. Das Anwesen der Rengoku's war nicht so weit entfernt und Kyojuro fragte sich, ob mittlerweile versuchte wurde das Feuer zu löschen, die Leichen zu identifizieren und vielleicht sie zu suchen.   Seine Gedanken waren jedoch nicht stark genug. Nicht stärker als seine Instinkte. Sein Hunger war immens und es war ein kleines Wunder, dass er bislang hatte warten können. Jetzt vernahm er jedes Geräusch, jede Bewegung und musste versuchen, die Wichtigen, von den Unwichtigen zu unterscheiden. Also blieb er einen Moment stehen, schloss die Augen und konnte selbst Akaza nicht wahrnehmen, der in seiner Nähe stehen blieb.   Dann hörte er leises Flüstern, Flüche über unebene Wege und der Natur, die ihm ein perfektes Opfer bot.   Ohne weiter darüber nachzudenken, schoss er in die Richtung. Seine Bewegungen so leicht wie nie zuvor, so schnell wie nie zuvor – unglaublich mächtig und dennoch komplett lautlos. Es dauerte nicht lange, bis er einen jungen Mann fand, der mit einer Laterne den Weg zu beleuchten schien. Für Kyojuro war alles klar zu sehen, als wäre helllichter Tag. Er beobachtete den Mann für einen kurzen Moment, nur um die Wehrlosigkeit zu erkennen, bevor er sich auf ihn stürzte. Der Schrei des Mannes hallte nur kurz durch die Wälder, bevor Kyojuro ihm das Genick brach.   Dann starrte er in das leblose, panische Gesicht.   Er fühlte keine Schuld und kein Bedauern.   „Das war großartig! Schon jetzt bist du unglaublich schnell, Kyojuro!“, schwärmte Akaza an seiner Seite. „Noch ein paar Leichen mehr und du wirst stärker und stärker – einfach perfekt. Wir werden perfekt sein!“   Kyojuro seufzte leise, als er in Akazas Richtung blickte. Sein linkes Auge, einst unbrauchbar, war wieder genauso zu nutzen, wie vor der Verletzung damals. Seine Sicht war anders – Kyojuro konnte es nur noch nicht definieren, aber es war als würde er etwas in Akazas Körper sehen können.   „Jetzt iss! Iss schon! Oh und vergiss nicht – das Herz ist am wichtigsten! Es wird dir die meiste Kraft geben!“   Kyojuro nickte ein wenig, als Akaza ihn daran erinnerte. Dann rammte er seine Hand in den Brustkorb des Mannes und riss das Herz problemlos hervor. Es fühlte sich immer noch warm an, als würde es noch pulsieren. Kyojuro starrte es an, fühlte wie der Hunger immer mehr aufkam, wegen des Geruches von frischem Blut.   Das Herz ist am wichtigsten!   Und dann streckte er es Akaza entgegen: „Für dich.“   „Huh?“, machte der Upper Moon deutlich irritiert.   „Das Herz. Es ist für dich. Nimm es.“   Akaza starrte ihn an, es waren vermutlich nur Sekunden, aber für Kyojuro fühlte es sich an wie Stunden.   „Nimm es schon!“, befahl er knurrend, kurz davor es Akaza an den Kopf zu werfen, bis er wirklich danach griff.   Kyojuro wusste auch nicht, was er damit bezweckte, aber die Wut in seinem Inneren schien abzuflachen, ersetzt von etwas anderem – etwas ... warmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)