Samhain - Der Feind meines Feindes von Futuhiro (Magister Magicae 10) ================================================================================ Kapitel 13: Der feindliche Freund --------------------------------- "Urnue? ... ... ... Urnue!!!" Der Wiesel-Genius blinzelte müde die Augen auf und brauchte einen Moment, um zu erfassen, wo er überhaupt war. Er lag mit dem Kopf auf der Tischplatte. In Shabans Druiden-Hütte. Sie hatten Victor hier her gebracht und versuchten seither mit verzweifeltem Hochdruck herauszufinden, was mit ihm los war. Victor war inzwischen nicht mehr direkt bewusstlos. Es war eher ein Schlaf, aus dem er nicht mehr wach zu kriegen war. Oft bewegte er sich unruhig, wachte aber nie auf. Wenn man ihm Wasser einflößte, schluckte er es glücklicherweise. Wohl aus einem Reflex heraus. Aber gegessen hatte er nicht mehr. Seit zwei Tagen schon. Anfangs war Victor eiskalt geworden, wie eine Leiche. Als Shaban versucht hatte, etwas gegen dieses Auskühlen zu unternehmen, war es postwendend in Fieber umgeschlagen, mit dem sie seither kämpften. All seine Heilkräuter und sein Druiden-Wissen hatten es bisher nicht vermocht, Victors Fieber zu senken. Urnue hatte immer noch keine Ahnung, wie Shaban es geschafft hatte, Victor durch die Astralebene zu tragen. Mit seinem stofflichen Körper, seiner Pistole, und allem drum und dran. Auf die entsprechende Frage hin hatte er nur geantwortet: "Ich bin ein Dullahan. Du würdest staunen, was ich alles kann. Wir sind berüchtigt dafür, ganz gewöhnliche Menschen in die Schattenwelt zu entführen. Oder in die Hölle, wie es die Christen später ausgedrückt haben." Und das musste Urnue ihm wohl notgedrungen glauben. "Ur-nu-he!", drang es wieder ungeduldig an sein Ohr. Schlagartig nahm der Tiergeist Haltung an und rieb sich über die Augen, um wach zu werden. "Tut mir leid! Bin ich eingeschlafen?" "Schwing deinen Hintern her", trug Shaban ihm auf. Er stand gerade mit einer Räucher-Schale an Victors Bett und räucherte ihn von oben bis unten mit dem Qualm ein. Urnue trat mit fragendem Blick hinzu. "Was machst du da?" "Ich versuche immer noch rauszukriegen, was seinen Zustand auslöst. ... Kannst du mir sagen, was das hier ist?" Mit der Hand fächelte er noch mehr Rauch auf Victors Gesicht, und in dem Rauch wurde ein viereckiges, handtellergroßes, orange leuchtendes Muster sichtbar, etwa so wie Laserstrahlen bei Rauch sichtbar wurden. Es schwebte eine Handbreit über Victors Kehlkopf. Urnue nickte leicht. "Das ist Bannmagie." "Das seh ich selber, du Held!", maulte Shaban. "Geht´s vielleicht ein bisschen präziser? Du bist doch Bann-Magier, oder nicht?" "Diese Bannmarke hat er sich selber auferlegt. Sie verhindert, dass man von einem Finder aufgespürt werden kann. Mir hat er die gleiche verpasst, als ich mich ihm angeschlossen habe. Damit uns die Polizei nicht suchen kann." Shaban warf ihm einen enttäuschten Blick von der Seite zu. "Also nicht der Grund für seinen Zustand?" "Nein, leider nicht." "Meinetwegen. Dann sieh dir den hier an", trug er Urnue auf und beräucherte als nächstes eine andere Stelle, mehr auf Hüfthöhe. Um sein Fieber ein wenig abzukühlen, hatten sie Victor das Oberteil ausgezogen, so dass der Weihrauch das Muster gut erkennbar auf der blanken Haut nachzeichnete, das wie ein Gürtel Victors ganze Taille zu umschließen schien. Urnue zog grübelnd die Augenbrauen zusammen. "Kennst du den auch?" "Nein. Das ist definitiv keiner von seinen Schutzzaubern, die er sich selber auferlegt hat." "Sieht für mich auch nach Bannmagie aus." "Schon. Aber sowas hab ich noch nicht gesehen ...", gab Urnue ratlos zu. "Das Muster ist völlig asymmetrisch. Das ist untypisch für Bannmarken. Bei denen ist Balance normalerweise das A und O." Er stemmte beim Nachdenken die Hände in die Hüften. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das von Vladislav stammen soll. So gut war der als Magier nicht." Der Druide seufzte enttäuscht."Von wem das stammt, ist sekundär. Wir müssen wohl annehmen, dass wir hier den Grund für Akomowarovs Zustand haben. Aber ich beherrsche keine Bannmagie. Und wenn du es auch nicht lösen kannst, hat dein Kumpel ein ernstes Problem." Urnue überlegte eine Weile finster vor sich hin, unzufrieden über sein eigenes Unwissen. Er schaute sich suchend in Shabans Hütte um und griff sich einfach ungefragt Notizblock und Kugelschreiber von irgendeiner Kommode. "Ich muss mir das schnell abzeichnen, damit ich es besser analysieren kann, ohne dass du noch stundenlang mit der Räucher-Schale daneben stehen musst. ... Kannst du mir helfen, ihn umzudrehen? Ich muss wissen, wie das Muster auf dem Rücken weitergeht ..." "Hör mal, ich glaube, ich kann ihn aufwecken", meinte Shaban, während er der Bitte nachkam und Victor auf die Seite herumschob. Urnue sah ihn überrascht an. "Echt? Wieso tun wir´s nicht?" "Ich sagte, ich glaube. Garantieren kann ich es nicht. Und wenn es funktioniert, dann nur sehr kurz und höchstens ein einziges Mal. An deiner Stelle würde ich damit warten, bis du eine solide Theorie hast, und dir ganz genau zurechtgelegt hast, was du ihn fragen willst ... sofern er überhaupt munter genug wird, um dir irgendwas beantworten zu können." Er pustete vorsichtig in seine Räucher-Schale, um die Glut wieder anzufachen, und dampfte Victor dann abermals mit dem Qualm ein. Shaban zog das Kissen zurecht und lehnte Victor in einer halb aufgerichteten Sitzhaltung dagegen. Der tief und fest schlafende Gestaltwandler bewegte sich unruhig in einem Fiebertraum, schien aber stabil gelagert zu sein. Shaban schaute Urnue fragend an. "Bereit?" Urnue nickte. Er wusste, dass er nicht viel Zeit haben würde, und hoffte, dass Victor ihm tatsächlich auf Anhieb sagen konnte, was das war. Shaban tunkte seinen Zeige- und Mittelfinger in die ölige Brühe, die er angerührt hatte, und rieb diese auf Victors Schläfen und Brust. Den Napf hielt er dabei dicht unter Victors Gesicht, damit er die ätherischen Dämpfe notgedrungen auch einatmete. Victor gab einen müden Laut von sich und zog den Kopf schwach zur Seite, als würde er den Geruch unangenehm finden, den er unter die Nase gehalten bekam. Aber er kam tatsächlich langsam und mühsam zu sich. Das erste, was er beim Aufwachen tat, war, nach der Decke zu greifen, die lose über seinen Beinen lag, und sie sich bis zum Kinn hochzuziehen. "Wollt ihr mich umbringen? Was ist das für ne Eiseskälte hier?", beschwerte er sich matt und begann sichtbar zu zittern. "Das ist Schüttelfrost. Du fieberst stark", klärte Urnue ihn besorgt auf. Der Russe nahm das mit einem unglücklichen Nicken so zur Kenntnis. Er sah sich mit kleinen, verschlafenen Augen um, die er einfach nicht richtig auf zu kriegen schien, und versuchte sichtlich die Situation zu erfassen. Wo er hier war, und mit wem, das war ihm schon klar. Nur das 'warum' erschloss sich ihm noch nicht so ganz. "Hör zu, wir haben nicht viel Zeit", fuhr Urnue eindringlich fort und holte sich Victors Aufmerksamkeit damit zurück. "Du hast drei Tage lang geschlafen. Und wir wissen nicht, wie lange wir dich wachhalten können." Shaban hatte gedankenschnell etwas Müsli und Milch in eine Schüssel gekippt und hielt Victor diese auffordernd hin. "Hier. Iss, solange du noch wach bist. Du hast drei Tage nichts gegessen, du brauchst Energie!" Seinen Schüttelfrost tapfer ignorierend, ließ Victor die Decke wieder fallen und nahm das Essen mit einem Dank entgegen, ohne Fragen zu stellen. Kaum war Shaban wieder zur Seite getreten, hielt Urnue ihm als nächstes den Zettel mit dem abgezeichneten Bannmuster vor die Nase. "Kannst du mir sagen, was das für ein Zauber ist? Wir denken, der ist verantwortlich für deine anhaltende Bewusstlosigkeit, aber wir können ihn nicht lösen." Victor bemühte sich, seine halb geschlossenen Augen ganz zu öffnen, und sich zu konzentrieren, obwohl er immer noch nicht ganz munter war. Auch sein fortgesetztes Kältezittern blendete er weiterhin aus. Nach kurzem Überlegen schob er sich einen Löffel Müsli in den Mund und zeigte dann mit dem leeren Löffel vielsagend auf Urnues Zeichnung. "Das ist nicht ein Zauber, sondern ein ganzes Gefüge aus vielen, kleinen", meinte er kauend. "Dieses spezielle Konstrukt da nennt man ein 'Kartenhaus'. Und es ist eingestürzt, wenn ich mir das so ansehe." Ein beleidigtes, leichtes Kopfschütteln folgte. "Vladislav hat solche Dinger geliebt. Wenn er auch sonst nichts auf dem Kasten hatte, aber DIE hat er studiert. ... Er hat mir so eins verpasst?" Urnue nickte. "Da war eine auffallende Lücke in den Schemata, siehst du?" "Ich schätze, die hast du erzeugt, als du den Magie-Blocker gelöst hast, der auf mir lag. Damit hast du mitten aus dem Kartenhaus eine Karte rausgezogen und es damit zum Einsturz gebracht. Genau das ist Funktion und Zweck eines Kartenhaus-Magiesystems: dass es zusammenbricht, sobald man irgendwas dran zu machen versucht", erklärte Victor und schaufelte sich noch mehr Müsli in den Mund. "Ich hab versucht, die Lücke wieder aufzufüllen." "Hat nichts gebracht, was?", lächelte Victor amüsiert. Der Wiesel-Genius schüttelte den Kopf. "Nein", pflichtete Victor ihm bei. "Nur weil man die fehlende Karte wieder auf den Haufen drauflegt, ist das Kartenhaus noch lange nicht wieder aufgebaut." "Wie baue ich es wieder auf?", wollte Urnue wissen. "Musst du doch gar nicht. Warum beseitigen wir nicht einfach den Rest davon auch noch?" Er klang schon wieder hörbar energieloser, als er das sagte. Urnue gab sich etwas irritiert. "Wäre das nicht ein bisschen zu einfach?" Victor ließ kraftlos die halbvolle Schüssel sinken und griff sich an den Kopf. "Ich bin so müde ... ich kann kaum noch klare Gedanken fassen ...", murmelte er. Ihm fielen die Augen zu. "Nein-nein-nein, komm schon! Lass uns jetzt nicht hängen!", bat Urnue erschrocken. "Mir ist so kalt ..." "Dragomir! Wie entferne ich den Rest von dieser Magie richtig? Was muss ich dabei beachten? ... Dragomir!?" Als Victors Kopf auf die Brust fiel, nahm Shaban ihm schnell die Müsli-Schüssel aus der Hand, bevor sie zu Boden fiel und ihren restlichen Inhalt in der halben Hütte verteilte. Dabei gab er ein unschlüssiges Brummen von sich. "Er hat länger durchgehalten als ich erwartet habe", gestand er, wirkte aber dennoch nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Es hätte mehr gebraucht, das war klar. Blieb nur zu hoffen, dass Urnue die Antworten reichten. Der Druide schmunzelte. "Du nennst ihn also tatsächlich 'Dragomir'? Ich hab ja gehört, dass seine Freunde ihn angeblich so nennen. Aber ich hab das immer für Quatsch gehalten. Für ein Gerücht, wegen dem Coolness-Faktor, oder so." "Die meisten halten es doch schon für ein Gerücht, dass er überhaupt Freunde hat", hielt Urnue humorvoll dagegen. "Touché ...", stimmte Shaban zu. Urnues Humor erlosch übergangslos wieder, als er über der garstigen Magie zu Grübeln begann. Er konnte nicht zurück zum Berg Predanje, um in Victors Bibliothek irgendwas nachzulesen. Victor hatte den Berg versiegelt. Ohne ihn kam Urnue da nichtmal hinein. "Also wie vermutet", überlegte Shaban laut mit. "Vladislav hat offensichtlich eine Absicherung eingebaut, damit genau diese Scheiße hier passiert und sein Gefangener nicht sofort außer Kontrolle gerät, falls seine Bannmarken aus irgendwelchen Gründen versagen." Urnue nickte nur vor sich hin. "Nagut ...", entschied der Tiergeist nach einer Weile seufzend. "Wenn sogar Vladislav das hinkriegt, wie schwer kann es dann schon sein?" "Willst du die Magie etwa auflösen?", hakte der Druide zweifelnd nach. "Hast du überhaupt genug Ahnung davon? Du wusstest ja bis eben noch nichtmal, was das ist!?" "Doch, mit 'Kartenhaus'-Systemen kann ich schon was anfangen", beruhigte Urnue ihn. "Mir ist bloß noch nie eins begegnet, darum hab ich es nicht gleich erkannt. Zumal es ja nicht mal mehr vollständig war. Ich bin sicher, dass ich das hinkriege. Das wird zwar verdammt viel Arbeit ..." Er seufzte abermals unmerklich, beim Blick auf seine Zeichnung. "Dragomir würde sicher einen eleganteren Weg kennen, diesen Mist hier aufzulösen. Aber Hauptsache ist ja das Endergebnis." Er versuchte bereits die einzelnen Zauber voneinander abzugrenzen, die enthaltenen Zeichen in Beziehung zueinander zu setzen und zu durchschauen, was sie bewirken könnten. Da Shaban die Fenster seiner Hütte konstant verdunkelt hielt, war es unmöglich, zu sagen, welche Tageszeit gerade herrschte. Urnue fühlte sich langsam richtiggehend zermürbt. Tagelang die Sonne nicht zu sehen, und bei Fackellicht auf Texte zu starren, war er aus Victors unterirdischem Höhlensystem zwar gewöhnt, aber dort hatte er vermutlich trotz allem mehr Schlaf und weniger Kopfarbeit gehabt. Genau wie Victors Höhlensystem verfügte Shabans Hütte offensichtlich über ein brauchbares Belüftungssystem, sonst hätten sie sich bei all dem offenen Feuer schon längst mit Kohlenmonoxid vergiftet, dachte Urnue am Rande. Shaban tunkte das Tuch in die Wasserschale und legte es Victor wieder auf die Stirn, um das immer noch anhaltende Fieber in Schach zu halten. Es war nicht gefährlich hoch, aber furchtbar hartnäckig, und auf Dauer sicher nicht gesund. Dann kam er mit zu Urnue an den Tisch. "Wie sieht´s aus?" "Bin eigentlich fertig", meinte Urnue müde. "Ich kontrolliere nur nochmal alles durch, dass sich keine Fehler eingeschlichen haben. Dragomir sagt immer, Fehler können tödlich enden." Der Druide lächelte belustigt. "Du siehst nicht aus, als würdest du Fehler überhaupt noch mitkriegen. Ist dir eigentlich klar, dass du seit 28 Stunden ohne Pause an diesem Zauber arbeitest?" "Schlafen werde ich, wenn ich fertig bin." "Schön und gut, aber Essen wäre vielleicht auch nicht ganz zu unterschätzen." Er schob Urnue vielsagend eine Schale Obst hin, die ohnehin schon die ganze Zeit neben ihm auf dem Tisch gestanden hatte, von Urnue jedoch schon länger keines Blickes mehr gewürdigt worden war. "Ich sehe ja ein, dass wir hier einen Wettlauf gegen die Zeit haben. Aber wenn du umkippst, hilfst du Akomowarov auch nicht weiter." Urnue schaute geradezu lustlos auf die Äpfel, entschied dann aber, dass er durchaus essen und denken gleichzeitig konnte. Und Shaban hatte ja irgendwo auch Recht. Also nahm er sich einen. "Danke", machte der Wiesel-Genius nur, biss hinein und widmete sich dann wieder seiner Aufzeichnung. Als er mit dem Apfel fertig war, war er auch mit dem Kontrollieren fertig, und fühlte sich sicher und in der Lage, diese dämlichen Bannmagie endlich aufzuheben, die Victor so fest in ihrem Griff hielt. "Shaban tust du mir einen Gefallen?" "Was denn?" "Kannst du bitte diese Räucher-Schale nochmal anfeuern, mit der du die Bannmarken sichtbar gemacht hast? Nur so als psychologische Stütze für mich, damit ich sehe, was ich tue." Der Druide wandte suchend den Kopf, wo er die Schale denn überhaupt hingestellt hatte. "Wie lange wirst du den Rauch brauchen?" "Vielleicht fünf Minuten, länger nicht. Die meiste Vorarbeit konnte ich schon auf dem Papier machen. Ich muss eigentlich nur noch das Ergebnis in die Realität übertragen. Den Bann jetzt tatsächlich aufzuheben, wird nicht mehr viel in Anspruch nehmen." "Dafür sollte der Rest in der Schale noch reichen", versicherte Shaban ihm und griff sich ein langes Holzstäbchen, ähnlich einem Schaschlik-Spieß. Von solchem Krempel hatte Shaban einen Haufen wahllos in seiner Hütte verteilt herumliegen. Den hielt er in die nächstbeste Fackel, bis er Feuer gefangen hatte, und trug das Flämmchen dann zur Räucher-Schale hinüber, um diese wieder zu entzünden. "Dann los. Zeig, dass deine Arbeit nicht umsonst war." Einverstanden - und arg schlapp - quälte sich Urnue vom Stuhl hoch und kam mit seinem Zettel in der Hand mit herüber an Victors Bett. Ohne großes Tamtam begann er seine Arbeit, die sich zu Shabans herber Enttäuschung auch bis zum Schluss nicht als sonderlich spektakulär herausstellte. Der im Rauch sichtbar gemachte Bannzauber flackerte, verblasste und verschwand irgendwann einfach ganz. Ohne viel Drama oder Pyro-Effekte. Mit einem leisen Stöhnen blinzelte Victor die Augen auf und sah sich müde um, was der letzte Beweis für Urnues erfolgreiche Magie war. "Hey-hey, es hat geklappt!", kommentierte Urnue erfreut und zu Recht auch ein wenig stolz. Ächzend rollte Victor sich auf die Seite, weil sein Körper vom tagelangen auf-dem-Rücken-liegen furchtbar steif war und alles schmerzte. "Was hat geklappt?", wollte er dabei ahnungslos von seinem Kameraden wissen. "Du warst fast vier Tage bewusstlos, mit einer kurzen Unterbrechung. Erinnerst du dich noch an das Kartenhaus-Magiesystem?", plapperte Urnue euphorisch los. "Nein!?", gestand Victor und setzte sich mühsam auf. "Aber das mit den vier Tagen glaube ich dir. Ich fühl mich total ausgedörrt ..." Er entdeckte den Wasserbecher neben dem Bett, mit dem sie ihm dann und wann wenigstens etwas Flüssigkeit eingeflößt hatten, angelte kraftlos danach und trank ihn direkt leer. Auf Shabans Gesicht machte sich ein geradezu hinterhältiges Feixen breit. Er stellte die unbekümmert vor sich hinqualmende Räucher-Schale beiseite, um beide Hände frei zu haben. "Endlich. Sehr schön, dass du wieder unter den Lebenden bist ... Dragomir." Victor, der sich gerade die wärmende Decke um die Schultern zog, schaute alarmiert auf. "Warum nennst du mich so?" Der Druide riss den verdutzten Urnue rückwärts einen Schritt weit vom Bett weg und schlang von hinten einen Arm um dessen Kehle, um ihn in Geiselhaft zu nehmen. Mit der anderen zog er das lange Jagdmesser, das schon einmal auf Urnues Herzen geruht hatte. "Weil wir jetzt reden werden, Freundchen", gab er finster und todernst zurück. Victor zog ein resignierendes Gesicht, als hätte er es geahnt. Ihm hatte ja ohnehin schon die ganze Zeit geschwahnt, dass Shaban sich nicht völlig grundlos und uneigennützig so darum gerissen hatte, ihm helfen zu dürfen. Aber so!? Ihm ging schnell auf, dass er wenig Optionen hatte. Seine Pistole hatte Shaban logischerweise außer Reichweite geräumt. Und für starke oder präzise Magie war er noch nicht in der körperlichen Verfassung. Apropos körperliche Verfassung ... Victor schloss die Augen, ließ sich kraftlos von der Bettkante fallen und blieb reglos liegen. Shaban glotzte den Russen verdutzt an. "Was´n das jetzt?", maulte er irritiert. Wegen der Messerklinge auf seiner Brust wagte Urnue es nicht, sich zu rühren. "Er ist wieder ohnmächtig geworden", gab er deshalb nur zu Protokoll und wartete. Aber es geschah nichts. Der Druide schien absolut ideenlos und handlungsunfähig angesichts der unerwarteten Situation. "Shaban? ... Ich glaub, du kannst mich erstmal wieder loslassen", merkte Urnue daher irgendwann an. "Der redet so schnell mit keinem mehr." "Vielleicht sollte ich dich mal mit dem Messer kitzeln, um zu sehen ob Akomowarov nicht bloß schauspielert." Urnue, der den ersten Schreck inzwischen überwunden hatte, verzog das Gesicht. Der Kerl war so ein Vollidiot! Victor hätte definitiv zu würdigen gewusst, was der all die Tage für ihn getan hatte, und wäre deshalb sicher auf alle erdenklichen Wünsche und Forderungen eingegangen, die er jetzt haben mochte. Aber nach dieser Nummer hier, mit Geiselnahme und dem vollen Programm? Das fiel aus! Urnue sagte jedoch nichts dazu. Schnaubend sah Shaban ein, dass es wohl vorläufig keinen Sinn mehr machte, Geiselnehmer zu spielen, ließ das Messer sinken und lockerte den Würgegriff um Urnues Hals ... was ein Fehler war ... 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