My (little) secret von Feuchen ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es dauerte nicht mehr lange. Nur noch wenige Stunden bis zum Start des Musicals. Bis zu seinem letzten Auftritt. Riku wusste, dass es sein letzter Auftritt sein würde. Dass diese Zeit, in der er sich hinter einer Fassade versteckt hatte, bald vorbei sein würde. Die Zeit, in der er das strahlende, lächelnde Idol, in der er IDOLiSH7’s Center, gespielt hatte, würde bald vorbei sein. Er wusste von Anfang an, dass es irgendwann ein abruptes Ende geben würde. Eigentlich hatte er auch nie ein zu enges Band zu irgendjemandem in dem Idolbusiness aufbauen wollen. Er wollte kein besonderes Band zu IDOLiSH7 aufbauen. Er wollte kein besonderes Band zu TRIGGER, Re:vale oder ZOOL aufbauen. Einfach, weil er wusste, dass es irgendwann vorbei sein würde. „Bist du so weit, Riku?“ Die Frage holte ihn zurück in die Realität und sorgte gleichzeitig dafür, dass er sich fragte, wie er das alles wieder komplett in seiner unwichtigen Vergangenheit verschwinden lassen konnte. Er spürte, wie er sich absichtlich nicht umdrehte, um in dieses Gesicht zu sehen. „Natürlich bin ich bereit, Tenn-nii!“, sagte er so enthusiastisch, dass es selbst in seinen Ohren so komplett falsch klang. Er war sich sicher, dass Tenn es ebenfalls bemerkte. Er war nur froh, dass Tenn noch hinter ihm stand und ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Er war sich nicht sicher, wie gut er gerade verbergen konnte, was eigentlich los war oder wie er sich fühlte. „Riku?“, fragte Tenn nach, seine Stimme klang eindeutig besorgter. Riku war nur froh, dass Tenn weiterhin hinter ihm blieb und ihn nicht direkt ansah. „Ist alles in Ordnung?“ Riku schluckte, atmete ein wenig tiefer ein und aus, während er einen Moment seine Augen schloss. Er musste sich beruhigen. Tenn durfte nicht erfahren, was wirklich war. Das war doch das, was er sich geschworen hatte, nachdem er gesehen hatte, dass Tenn mit TRIGGER debütiert hatte. Er wusste, dass er Tenn, ausgerechnet Tenn, nicht so einfach etwas vormachen konnte, wie allen anderen. Nur langsam drehte Riku sich zu ihm, als er das Gefühl hatte, sich zumindest halbwegs beruhigt zu haben. „Es ist alles gut, Tenn-nii“, sagte er daraufhin, sorgte dafür, dass er ihn wieder anlächelte. Er musste sich beruhigen. Er durfte niemandem etwas sagen. Es war seit dem ersten Moment doch klar, dass das hier alles irgendwann enden würde und er zurückgerufen wurde, weil ihre Mission im Hintergrund beendet war. Auch, wenn das bedeutete, dass er IDOLiSH7 verlassen musste, ohne die Chance zu haben, ihnen zu sagen, dass er ging und nicht zurückkommen würde. Auch, wenn das bedeutete, dass er niemanden von ihnen je wiedersehen würde. Riku sah wieder konzentrierter zu Tenn, als er bemerkte, wie er von ihm an den Armen berührt wurde. Tenns Blick war immer noch so besorgt. Erwartete Riku wirklich, dass sich sein Zwillingsbruder so einfach beruhigen ließ, wo er selbst bemerkte, dass er sich gerade eher zu einem Lächeln zwang? Es war gefährlich, wenn er länger hier war, mit Tenn alleine, wo er genau wusste, dass Tenn dabei war, ihn zu durchschauen. Konnte nicht irgendjemand gerade zu ihnen kommen, der dafür sorgte, dass sie nicht mehr alleine waren? „Du zitterst, Riku“, flüsterte Tenn ihm entgegen, während er langsam nach Rikus Händen griff, während sie sich immer noch so direkt in die Augen sahen. „Was ist–“, „Tenn-nii“, flüsterte Riku mehr, als er spürte, wie er nicht mehr wirklich eine Kontrolle darüber hatte, was er tat. Er wollte gerade einfach nur von Tenn festgehalten werden und ihm gestehen, was los war und das er nicht wegwollte. Dabei durfte er das nicht. Er durfte Tenn nichts sagen. Er durfte ihn nicht dort mit reinziehen. Das Einzige, was Riku wollte, war doch, dass sein Zwillingsbruder weiter als das Idol strahlte, was er immer geliebt hatte. Nicht Riku war ein Idol, sondern Tenn. Für ihn war es immer nur eine Rolle gewesen, die er gespielt hatte. „Riku? Riku!“, sagte Tenn erneut, diesmal etwas lauter, während er Riku kurz darauf in die Polster eines Sessels in der Kabine drückte und sich vor ihn kniete, „ganz ruhig, ja? Du weißt, dass du dich nicht überanstrengen darfst.“ „Nicht“, flüsterte Riku etwas mehr, schluckte, schüttelte ernster den Kopf, „es ist nicht–“, fing er an, stoppte sich selbst. Er wusste, dass er weit davon entfernt war, eine Asthmaattacke zu bekommen. Aber dennoch konnte er nichts sagen, sondern blickte einfach nur in diese so besorgten Augen. Tenn-nii, nicht. Du darfst nicht in meiner Nähe sein. „Bist du wirklich fit genug?“, fragte Tenn nach, sah ihn weiterhin so ruhig an, während er ihn die ganze Zeit nicht losließ. Riku nickte, weil er sich gerade nicht sicher war, ob er seiner eigenen Stimme traute. Ob er alles, was er nicht sagen durfte, verbergen konnte, wenn er sprach. Immerhin ging es auch darum, dass er wenigstens noch ein letztes Mal auf der Bühne stehen durfte. Auch, wenn er kein Abschiedskonzert mit IDOLiSH7 haben durfte. Immerhin durfte er einen letzten Auftritt mit Tenn haben. „Riku“, flüsterte Tenn. Riku atmete noch einmal tief ein und aus, bewegte seine Lippen dann zu einem Lächeln, umfasste Tenns Hände ebenfalls etwas mehr. „Mir geht es gut, Tenn-nii.“ So gut, wie es ihm gehen konnte, wenn er nachher seinen letzten Auftritt hatte. Aber er wusste, dass er das alles verstecken musste. Er wusste, dass er das alles nach Incomplete Ruler hinter sich lassen musste. Ganz egal, ob es IDOLiSH7, TRIGGER, Re:vale oder ZOOL war. Er durfte niemanden von ihnen mehr sehen. „Riku“, fing Tenn erneut an, verengte seine Augen ein wenig, „glaubst du wirklich, dass du mich täuschen kannst?“ „... Nein“, antwortete Riku nach einer längeren Stille, spürte, wie sein Lächeln eher gequält war. Er wusste doch die ganze Zeit, seit er mit Tenn alleine war, dass er diese Fassade nicht wirklich aufrecht halten konnte. „Aber es ist einen Versuch wert, oder, Tenn-nii?“ Er kicherte ein wenig, stand aus dem Sessel auf und zog Tenn mit ins Stehen, da sie sich immer noch an den Händen festhielten. Erst danach ließ Riku ihn los, machte einen Schritt rückwärts von Tenn weg, drehte sich aber nicht von ihm weg. „Du solltest nichts mehr mit mir zu tun haben, Tenn.“ Seine Stimme hatte einen ernsteren Ton angenommen, der vermutlich mit dafür sorgte, dass Tenn ein wenig seine Augen geweitet hatte. Nicht nur die Tatsache, dass er ihn nicht Tenn-nii genannt hatte. „Riku, was– was meinst du damit?“, fragte Tenn schließlich nach. „Was ist daran so schwer zu verstehen?“, fragte Riku nach, legte den Kopf schief, während er spürte, wie er sich langsam wieder beruhigt hatte, so dass er sich umso mehr hinter seiner eigentlichen Fassade verstecken konnte, „ich werde nach Incomplete Ruler verschwinden. Das Idol Nanase Riku hat es nie gegeben. Es war alles nur eine falsche Identität.“ Warum sagte er das alles? Wieso hörte er nicht auf, Tenn etwas zu erzählen? War der Plan nicht, dass er nach dem Musical einfach verschwand? Es war doch nur dieser Abend, den er als Zusatz bekommen hatte, damit er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder auftreten konnte. Damit er einen letzten Moment mit Tenn auf der Bühne hatte. „Wovon redest du, Riku?“, fragte Tenn nach, „wie kannst du sagen, dass das alles nur eine falsche Identität war?“ „Es ist genau das“, zuckte Riku mit den Schultern, grinste etwas mehr, während er wirklich froh war, dass er sich ein wenig gefangen hatte, „ein Fake. Ich habe es nur als Zwischenmoment genutzt, aber das war es.“ Tenn starrte ihn einfach nur weiter an, trat wieder auf ihn zu und blickte ihm ernster entgegen. „Du hast das alles nur gespielt? Bist du sicher?“ Natürlich nicht, Tenn-nii. „Ich habe alles nur gespielt, Kujou Tenn“, sagte Riku antwortend, auch, wenn es in ihm anders aussah. Auch, wenn er das alles nicht so abwertend sagen wollte. „Bist du enttäuscht, weil dein Zwillingsbruder so anders ist? Mir sind meine Fans egal. Oder IDOLiSH7.“ Tenn sah ihn einfach nur ausdruckslos an. „Und du glaubst, dass ich dir das glaube, ja?“ „Es ist die Wahrheit“, erwiderte Riku ruhig lächelnd zurück. Nicht einmal Tenn sollte durch diese Fassade, die er all die Jahre aufgebaut hatte, erkennen können, wie es wirklich in ihm aussah. Wie sehr er schreien wollte, dass er das alles sehr wohl liebte und es nicht aufgeben wollte. „Du wärst niemals so erfolgreich bei deinen Fans, wenn du das alles nur gespielt hättest“, sagte Tenn eindeutig ernster, „IDOLiSH7 wäre nicht so erfolgreich, wenn ihr Center so ein falsches Spiel spielen würde.“ „Du hast doch das Gegenteil gesehen, oder, Tenn?“, erwiderte Riku ruhig weiter, legte den Kopf schief. „Nein“, sagte Tenn ruhig weiter, „und wir könnten Incomplete Ruler niemals so gut gemeinsam singen, wenn du so falsch wärst.“ Riku schluckte, sah wieder eindeutiger zu ihm, streckte einen Arm aus und berührte Tenn an der Wange, sorgte dafür, dass er nicht mehr lächelte. „Warum Tenn-nii?“, fragte er dann nach, „warum kannst du nicht akzeptieren, dass ich verschwinden muss?“ „Warum musst du gehen? Wieso willst du das alles aufgeben?“, fragte Tenn nun ebenfalls ruhiger nach. Riku schüttelte daraufhin nur den Kopf, legte Tenn einen Finger auf die Lippen. „Ich habe viel zu viel gesagt. Versprich mir, dass du niemandem etwas sagst.“ Er bemerkte diesen eindeutig fragenden Blick in Tenns Augen, bevor er kurz sah, wie er nickte. Nur langsam zog Riku seine Hand zurück. „Ich kann dir nur so viel sagen, dass Incomplete Ruler mein letzter Auftritt als Idol ist. Versuch nicht, mich danach zu finden und sag niemandem etwas davon, was ich dir erzählt habe.“ „Du willst wirklich einfach verschwinden, Riku?“, fragte Tenn leise nach. „Hast du mir damals etwas gesagt, als du einfach verschwunden bist?“, erwiderte Riku ein wenig bedrückter, schüttelte dann den Kopf, „... aber ja. Ich habe meine Zeit schon ausgebaut, weil ich noch ein letztes Mal mit dir singen wollte.“ „Es geht nicht um mich, Riku“, sagte Tenn und sah ihm ernster entgegen. Riku hatte durchaus gemerkt, dass er ihn kurz ein wenig bedrückter angesehen hatte. „Aber deine Freunde–“, Riku lächelte ihn nur wieder bitter an. „Ich kann nicht. Es ist besser so, wenn sie nicht länger Kontakt zu mir haben.“ „Ich kann dich nicht umstimmen?“, entgegnete Tenn ein wenig leiser. „IDOLiSH7 wird nicht weiter existieren. Zumindest nicht mit Nanase Riku“, sagte Riku daraufhin ruhig, schüttelte den Kopf. Langsam bewegte er seine Lippen wieder zu einem Lächeln, griff nebenbei erneut nach Tenns Händen. „Aber vielleicht ... finde ich eine Möglichkeit, dass wir uns zwischendurch sehen können.“ Auch, wenn Riku wusste, dass es eigentlich auch zu gefährlich war. Er musste den Kontakt zu seinen Freunden und Kameraden abbrechen, wenn er nicht wollte, dass ihnen etwas passierte. Er musste eigentlich noch mehr den Kontakt zu seinem Zwillingsbruder abbrechen, um zu verhindern, dass Tenn mitbekam, was wirklich passiert war. Doch konnte Riku das tun, was er sollte? Konnte er nach dieser Zeit den Kontakt zu Tenn komplett abbrechen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)