Battle for the Sun von rokugatsu-go ================================================================================ Epilog: To see the birth of all that isn't now ---------------------------------------------- „To see the birth of all that isn't now“   Placebo, „Loud like love“   Ein Krankenpfleger und eine Krankenschwester schritten aufmerksam und jederzeit bereit, den großen Mann vor sich aufzufangen, sollte er ins Taumeln geraten, den Flur des Krankenhauses entlang. Nicht gerade glücklich über seine scheinbar sture Haltung geleiteten sie ihn durch den Verwaltungstrakt. Fukuzawa wollte ihnen am liebsten erneut sagen, dass dies nicht nötig war, dass er es allein schaffte, aber er ließ es. Sie machten nur ihre Arbeit und er war sich bewusst, dass er ihnen diese gerade erschwerte. Eigentlich hatten sie darauf bestanden, ihn nur im Rollstuhl herzubringen (eigentlich waren das Pflegepersonal und die Ärzte ganz und gar nicht einverstanden damit, dass er die Versorgung seiner Verletzungen wegen einer dringenden Bitte unterbrach), aber um die Diskussion abzukürzen und den anscheinend unwilligen Patienten schnell weiter behandeln zu können, hatten sie sich hierauf geeinigt. Mit sorgenvoller Miene führte die Sekretärin der Klinikchefin ihn in deren Büro, wo er auf einem der Stühle Platz nahm. Er erahnte das Kopfschütteln der beiden Pflegekräfte, die an der offenen Verbindungstür zum Vorzimmer der Sekretärin stehen geblieben waren und ihr sagten, dass sie bei ihr warteten, solange diese Besprechung stattfand. Fukuzawa versuchte, so wie er es gelernt hatte, in den Schmerz hinein zu atmen. Sie hatten die Schnittwunde an seinem Arm notdürftig versorgt, sodass er nicht befürchten musste, zu verbluten, aber seine gebrochenen Rippen und besonders der zertrümmerte linke Arm schmerzten dermaßen höllisch, dass ihm ständig die Sicht vor seinen Augen verschwamm. Die Ärzte hatten ihm starke Schmerzmittel geben und ihn natürlich für den OP vorbereiten wollen, doch zu ihrem Entsetzen hatte der Chef sie gebeten, mit all dem zu warten. Er musste sich nämlich noch um eine äußerst wichtige Sache kümmern und dafür musste er bei möglichst klarem Verstand sein. Das Chaos auf dem Gelände der Immobilienfirma und in der alten Villa in Yamate war nicht unentdeckt geblieben, ebenso war die Mordserie und der Angriff auf das Ermittlungsteam im Gerichtsgebäude noch nicht aufgeklärt. Die Militärpolizei suchte nach Antworten und daher hatte Fukuzawa darum gebeten, mit den zuständigen Ermittlern zu reden, bevor irgendjemand sonst dies tat. Zu seinem Glück kannte er die Chefin dieser Klinik und diese hatte letztlich eingewilligt, seiner nicht sonderlich klug wirkenden Bitte nachzukommen. Um ungestört und privat mit der Polizei sprechen zu können, hatte sie ihm ihr Büro zur Verfügung gestellt. Jede Minute würden die Ermittler hier eintreffen und Fukuzawa fragen, was in aller Welt eigentlich in ihrer Stadt los war. Was sollte er ihnen antworten? Die Schmerzen waren nicht das Einzige, das sein Denken momentan so schwer beeinträchtigte. Haruno, die mit dem Rettungswagen zusammen bei ihm und Ranpo eingetroffen war und sie bis in die Notaufnahme begleitet hatte, hatte gemeinsam mit Naomi in Erfahrung gebracht, was mit den anderen Detektiven war. Ranpo hatte eine schwere Kopfverletzung und war nach wie vor nicht bei Bewusstsein. Nach Fukuzawas letztem Stand hatten die Ärzte ihn direkt nach dem CT in einen OP-Saal gebracht und das konnte nichts Gutes heißen. Haruno war mit dem Auftrag zurückgeblieben, dort zu warten und den Chef zu informieren, sobald es irgendetwas Neues gab. Obwohl ihm bewusst war, dass jedes Schreckensszenario durchzugehen gerade niemandem half, konnte Fukuzawa nicht verhindern, dass ihn die Sorge um Ranpo in Angst versetzte. Er konnte auch nicht den Gedanken verhindern, dass selbst wenn Ranpo wieder aufwachte, er immer noch nicht Ranpo wäre. Er hätte immer noch keine Erinnerung an ihn, die Detektei oder die Detektive. Es bestand die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er, selbst wenn er wieder aufwachte, nicht bei ihnen bleiben würde. Seine verfälschten Erinnerungen sagten ihm, dass er zu Spyri und ihren Leuten gehörte und kein vages Gefühl, das Taro eine Verbindung zu Fukuzawa spüren ließ, wäre genug, um ihn hier zu halten. Dessen war er sich bewusst und er würde Taro nicht gegen dessen Willen hier festhalten. Auch wenn dies hieß, Ranpo zu verlieren. Es war das Gleiche mit Kyoka und Lucy. Die beiden Mädchen waren zur enormen Erleichterung des Chefs unverletzt, aber auch sie fühlten sich ihrer neuen Familie zugehörig und waren nur verwirrt davon, dass ihnen ständig Fremde auf die Pelle rückten. Kyoka zu verlieren würde Atsushi mehr als schlimm treffen und Fukuzawa fragte sich, was er dem Jungen sagen sollte, falls es dazu kam. Vielleicht würde Atsushi sie begleiten wollen und auch in diesem Fall würde Fukuzawa ihn ziehen lassen. Er selbst hatte nur kurz mit Kunikida telefonieren können (die Ärzte waren außer sich gewesen, als er darauf bestanden hatte), aber aus diesem knappen Gespräch wusste er, was sich zugetragen hatte und was dies für die Zukunft des Büros der bewaffneten Detektive bedeuten konnte. Wenn Dazai starb, würde es nie wieder so werden, wie es zuvor gewesen war. In einem anderen Krankenhaus kämpften die Mediziner gerade um Dazais Leben. Er war am schwersten von ihnen allen verwundet und hatte weder Atmung noch Herzschlag gehabt, als Atsushi und Kunikida mit ihm in die Notaufnahme gestürmt waren. Die Möglichkeit bestand, dass er es nicht schaffte. Und das allein war eigentlich bereits furchtbar genug. Eleanor, das Mädchen, das Atsushi ungewollt verletzt hatte, war gerade noch rechtzeitig von Weißer Dämonenschnee ins Krankenhaus gebracht worden. Sie würde überleben, aber sie konnte ihre Fähigkeit nicht zurücknehmen. Yosano konnte im Moment auch nichts für irgendeinen von ihnen tun. Nachdem sie fast ertrunken wäre, war sie noch nicht wieder zu sich gekommen. Sie lag irgendwo in einem Bett dieser Klinik und wurde gerade untersucht. War sie zu lange unter Wasser gewesen? Hatte sie Schäden davon getragen? Würde sie vielleicht gar nicht mehr aufwachen? Fukuzawa hatte nur mitbekommen, wie Naomi draußen im Flur vor seinem Behandlungsraum zu Tanizaki gesagt hatte, er sollte sich beruhigen und aufhören zu weinen, denn er hätte alles in seiner Macht Stehende getan. Er hatte auch das lautstarke Schluchzen und Schreien und Weinen Spyris dort gehört und dann wie um Hilfe gerufen wurde, weil eine Frau im Flur zusammengebrochen war. Wahrscheinlich gab Spyri sich die Schuld an alledem. Die junge Frau namens Nancy, die sie gewarnt hatte, war tot. Dickens, der Junge, den sie alle so verzweifelt gesucht hatten, war ebenso verletzt und nach wie vor unter dem Einfluss der Fähigkeit Fagins. Selbst wenn Eleanor ihre Fähigkeit erneut auf ihn anwendete, würde dies das Problem nicht lösen. Er blieb eine Gefahr für sich und andere. Alles schien nur noch hoffnungslos und tragisch zu sein. Trotzdem machte Fukuzawa Spyri keinen Vorwurf. Kein einziger böswilliger Gedanke hatte hinter ihrem Handeln gestanden. Er verstand, warum sie so gehandelt hatte, wie sie es getan hatte. Was sollte er der Polizei sagen? Aus dem Büro der Sekretärin drang leise ein Lied aus dem eingeschalteten Radio an seine Ohren. „Jeder lügt einhundert Mal am Tag“, hörte er den Sänger singen. Ob dies stimmte? Ein ehrlicher und integrer Mensch wie Kunikida, überlegte Fukuzawa, während die Ermittler eintrafen und Platz nahmen, käme bestimmt nicht auf diese Zahl. Auch eine gute Seele wie Atsushi würde diese Zahl nicht erreichen und das nicht nur, weil der Junge ein wirklich miserabler Lügner war. Ranpo konnte zwar unterirdisch schlechte Manieren und Launen an den Tag legen, aber für jemanden, der immer gleich die Wahrheit erkannte, war Lügen vermutlich eh eine langweilige Angelegenheit. Yosano versuchte es gerne mit Tricks, um Leute davon zu überzeugen, sich von ihr aufschneiden zu lassen, doch Fukuzawa wusste, dass sie niemals einem Unschuldigen tatsächlich Leid zufügen würde. Kenji schien das Lügen komplett fremd zu sein und Tanizaki war ein anständiger Junge (wenn man von der offensichtlichen Lüge hinsichtlich eines Verwandtschaftsverhältnisses absah, aber da sah der Chef in der Tat drüber hinweg). Von Kyokas Bemühungen, aufrichtig zu sein, war er insgeheim sogar sehr gerührt. Sie alle kämen niemals auf einhundert Male. Und glichen damit denjenigen aus, der diese Zahl wahrscheinlich locker überschritt. Dazai machte ein Geheimnis aus allem und vielleicht war er sich selbst schon überhaupt nicht mehr bewusst, wie oft er eigentlich log. Solange es niemandem schadete, kümmerte es Fukuzawa nicht weiter. Jedoch musste er sich fragen, warum Dazai so viel vor ihnen verbarg. Er hatte keinen Zweifel an dem jungen Mann; nein, er vertraute ihm sein eigenes Leben und das der anderen an, aber bisher hatte der Chef in dem Bewusstsein gelebt, dass Dazais Lügen eines Tages gefährlich werden konnten – und wenn auch nur für ihn selbst. Er hatte bis jetzt keine Antwort darauf finden können, was er dann tun sollte, um ihn zu beschützen. Die Ermittler begannen, ihm Fragen zu stellen. Er musste ihnen antworten. Fukuzawa verstand nicht nur, warum Spyri so gehandelt hatte. Er konnte es vollkommen nachvollziehen. Sie wollte ihre Kinder beschützen. Und er kannte die Antwort darauf, was er an ihrer Stelle getan hätte; wenn es um eines seiner … um einen seiner Schützlinge gegangen wäre. Er war selbst überrascht über die Worte, die nun seinen Mund verließen. Aber auch nur zu einem Teil. Damals, als er einen gewissen vorlauten Jungen hatte retten wollen, war es schon einmal so gewesen. Er hätte gelogen, um den Deal mit dem rothaarigen Auftragsmörder, der selbst noch ein Kind gewesen war, zu machen. Wenn er so darüber nachdachte, dann war ihm das Lügen gar nicht so fremd. Es war schließlich eine Lüge gewesen, die zur Gründung der Detektei geführt hatte.   Unbeweglich wie eine Säule stand Atsushi im Gang und starrte durch das Glas der Fensterscheibe in den dahinter liegenden Raum hinein. Vielleicht war es inzwischen schon wieder Morgen, er konnte es nicht sagen. Die Zeit verging und verging doch nicht. Kunikida und er hatten Dazai in die Notaufnahme gebracht, nachdem Chuuya mit den Worten, dass sie nicht auch noch mit reingingen, aus dem Auto gestiegen war. Akutagawa hatte kurz gezögert, dann aber seinem Vorgesetzten zugestimmt und mit ihm zusammen den Rückweg angetreten. Atsushi hatte Akutagawas Blick ein letztes Mal auf sich gespürt, als sie in das Krankenhaus gestürmt waren. Der Wunsch, bei Dazai zu bleiben, war selbst aus der Distanz und ohne sein Gesicht zu sehen, erkennbar gewesen. Die Mitarbeiter der Notaufnahme hatten den Schwerverletzten hektisch entgegengenommen und eine der Krankenschwestern hatte auch Kunikida und Atsushi in Behandlungsräume führen wollen, doch Kunikida hatte dankend abgelehnt. Seine Wunden wären nicht akut und bedürften keiner zügigen Versorgung, hatte er ihr erklärt, während Atsushi, mit bangem Blick in die Richtung, in die Dazai abtransportiert worden war, die Frage nicht einmal registriert hatte. „Eine junge Frau“, hatte der Junge stattdessen wie geistesabwesend gesagt, „ist eine verletzte junge Frau hier eingeliefert worden?“ Die Schwester hatte genickt und geantwortet, dass eine blonde Dame eine jüngere Frau hereingetragen hätte. Sie wäre bereits im OP. Die beiden Detektive waren daraufhin von ihr in den Wartebereich der Notaufnahme eskortiert worden, wo nur wenige Minuten später erneut aufgebrachtes Geschrei erklungen war. Atsushi konnte sich erinnern, wie er Bates und Kyoka hereinkommen gesehen hatte und Bates, nachdem er Dickens dem Personal übergeben hatte, schnurstracks zu Kunikida marschiert war. „Wie ruft man in diesem Land die Polizei?“, hatte der junge Engländer ihn mit brüchiger Stimme und leerem Blick gefragt. „Ich muss ihnen den Mord an meiner Schwester melden. Und mich dann selbst ihnen übergeben.“ Die Militärpolizei hatte Bates anschließend mitgenommen und in der Zwischenzeit hatten sie von Naomi erfahren, dass zwei weitere der Engländer von Kenji der Polizei übergeben worden waren. Atsushi wusste daher auch, wie es um seine anderen Kameraden stand. Kyoka wartete derweil bei Burnett darauf, dass Eleanor erwachte. Der Gedanke schnürte Atsushi den Hals zu, aber er konnte nichts tun. Kyoka sah nicht mehr ihn als ihren engsten Vertrauten an. Sie fühlte sich nicht länger der Detektei zugehörig. Und nichts, was er sagte oder tat, konnte daran etwas ändern. Wenn es zum Schlimmsten kam, würde er sie für immer verlieren. Atsushi wusste nicht, was er machen sollte, wenn dieser Fall eintrat. Dafür wusste er, dass Lucy bei Salten und Spyri war und ebenso wenig mit ihm anfangen konnte. Er hatte so viel geweint, dass keine einzige Träne mehr aus seinen Augen kam. Atsushis richtete seine müden, vom Weinen geschwollenen Augen weiter stur nach vorne. Dazai war stundenlang im OP gewesen und dennoch gab es kaum Hoffnung. Die Klingen hatten ihm von innen heraus unzählige Stich-und Schnittwunden zugefügt. Kaum hatten die Chirurgen einen Teil des Messers entfernt, hatte sich an anderer Stelle ein weiteres den Weg nach draußen gebohrt und damit noch größeren Schaden angerichtet. Es war sogar beinahe zynisch davon zu sprechen, dass Dazai im Moment von Maschinen am Leben erhalten wurde. Er konnte nicht selbstständig atmen, hatte keinen eigenen Herzschlag. Ein großer Teil seiner Organe und Blutgefäße war einfach zerschnitten und nicht mehr zusammenzufügen. Es grenzte an ein Wunder, dass wenigstens sein Gehirn noch mit Blut versorgt wurde. Die Ärzte hatten gesagt, dass es bei der extremen Schwere seiner Verletzungen am besten wäre, ihn gehen zu lassen, doch Kunikida hatte sie gebeten, alles zu tun, um ihn so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Es waren Kunikidas Augen, die Atsushi jetzt auf sich spürte. Der Idealist war in den Gang der Intensivstation zurückgekehrt, nachdem er erneut mit Naomi telefoniert hatte. „Kunikida“, sagte Atsushi leise und mit vor Erschöpfung rauer Stimme, „meinst du, Dazai wäre sauer auf uns?“ Er wandte sich nicht zu seinem Kollegen um, sondern starrte weiter durch die Glasscheibe in den Raum hinein; auf seinen dort liegenden Mentor. Einige Sekunden verstrichen, ehe Kunikida antwortete. „Wahrscheinlich. Aber …“ Er atmete hörbar aus. „Damit könnte ich leben.“ Atsushi zuckte zusammen, als Kunikida neben ihn trat und ebenso durch die Scheibe sah. „Er nimmt sich immer am gleichen Tag frei.“ „Huh?“ Der silberhaarige Detektiv blickte verwirrt aus den Augenwinkeln zu seinem Kameraden. „Dazai nimmt sich oft, ach, ständig, einfach frei, aber dieser Tag vor drei Tagen ist immer gleich. Ich hatte es mir in meinem Notizbuch notiert. Seit er bei uns ist, fehlt er immer an diesem einen Tag. Und wenn er am nächsten Morgen wieder im Büro erscheint, ist er verkatert und stinkt nach Curry und Zigaretten.“ Kunikida seufzte. „Was auch immer dieser Tag für ihn bedeutet, es wäre wahrscheinlich besser, wenn ihm dann jemand Gesellschaft leistet. Nächstes Jahr werde ich an diesem Tag ebenso Urlaub nehmen.“ Mit großen, angsterfüllten Augen wandte Atsushi sich zu ihm um und starrte den Idealisten sprachlos an. „Yosano ist kurz aufgewacht.“ Dieser knappe Satz des Blonden ließ den Jungen scharf die Luft einziehen. „Allerdings ist sie noch sehr schwach und bleibt kaum bei Bewusstsein“, fuhr Kunikida fort, „sie wollte sofort herkommen, aber sie ist noch nicht transportfähig und der Chef hat angeordnet, dass sie ihre Fähigkeit nicht einsetzen darf, solange es eine Gefahr für ihr eigenes Leben darstellt.“ Er schob seine mit Klebeband notdürftig reparierte Brille hoch. „Es ist also ganz klar, was dieser Idiot jetzt tun muss. Er muss nur noch ein wenig durchhalten.“   Mehr als 30 Kinder tobten auf dem leeren Parkplatz in der Nähe des Piers wild umher. Salten versuchte, sie dazu zu bringen, sich ordentlich aufzustellen, damit er sie durchzählen konnte, aber es war offensichtlich, wie befreiend es für die Kinder war, ein wenig an der frischen Luft und bei strahlendem Sonnenschein herumtollen zu können und sie machten ihm seine Aufgabe alles andere als leicht. Burnett inspizierte unterdessen kritisch den Reisebus, den Haruno organisiert hatte. Einige der jüngeren Kinder quiekten vergnügt, nur weil die Frau die Tür per Knopfdruck zu- und wieder aufmachte. Atsushi konnte bei diesem Anblick das Lächeln in seinem Gesicht nicht verbergen. Die ganze schwere Last der vergangenen Tage fiel mit einem Mal von ihm ab. Eleanor hüpfte Lucy entgegen, die Kenji Bentoboxen anreichte, um sie in den Bus zu laden und übernahm schließlich für die Rothaarige, die nun Kurs nahm auf Atsushi und Kyoka. „Das ist nett vom Café, dass sie so viel Essen zur Verfügung stellen“, sagte der silberhaarige Junge und Lucy zog sofort wieder eine eingeschnappte Schnute. „Ich habe geholfen, diese Boxen zu packen, ja? Lass meine Bemühungen nicht unter den Tisch fallen.“ „Das hat er doch gar nicht“, konterte Kyoka gelassen. „Du gehörst doch zum Café, oder etwa nicht?“ Lucy gab ein kurzes Grummeln von sich, lenkte dann aber ein. „Wenn man es so sieht, dann war ich bei deinem Lob wohl mit eingeschlossen, oder, Tigerkätzchen?“ „Äh, ja, natürlich.“ Atsushi lachte verlegen und konnte es immer noch nicht fassen, wieder hier mit den beiden zu stehen und reden zu können. Dazai hatte durchgehalten. Er hatte durchgehalten, bis Yosano stabil genug gewesen war, um ihn zu heilen. Dazais erste Worte nach seinem Erwachen waren „Du machst ja immer noch so ein Gesicht, Atsushi“ gewesen, dicht gefolgt von Beschwerden darüber, dass sie wohl eindeutig Probleme damit hatten zu verstehen, dass er nicht gerettet werden wollte. „Nicht, Kunikida. Nicht. N.I.C.H.T. Wo ist dein Notizbuch? Ich schreibe es dir auf.“ In Ermangelung des Notizbuches hatte Dazai letzten Endes „NICHT“ mit einem schwarzen Filzstift auf die Stirn des wenig begeisterten Blonden geschrieben. Die schwierigere Aufgabe hatte dann darin bestanden, Kyoka und Lucy (und über 30 anderen Kindern) zu erklären, dass ihre Erinnerungen verfälscht worden waren und die Möglichkeit bestand, dies rückgängig zu machen. Atsushi hatte es sehr gut nachvollziehen können, dass sie alle skeptisch und ängstlich deswegen gewesen waren und keiner sich hatte trauen wollen. Bis auf einen. Taro, der ebenso von Yosano geheilt worden war, hatte den Wunsch geäußert, die Wahrheit erfahren zu wollen und ohne Umschweife Dazai berührt. Alle anwesenden Detektive hatten den Atem angehalten, als der Schwarzhaarige danach ungewöhnlich still geworden war. Für schier endlose Sekunden hatte er einfach mit seinen großen, grünen Augen bestürzt dreingeblickt und Atsushi hatte schon befürchtet, es hätte nicht funktioniert, als der Meisterdetektiv sehr plötzlich das Wort an Kyoka und Lucy gerichtet hatte: „Tut es. Und nach dem ganzen Theater brauche ich eine Woche Urlaub. Mindestens. Das wird doch wohl drin sein, oder, Chef?“ Keiner von ihnen würde je vergessen, wie Fukuzawa Ranpo danach mit weit aufgerissenen Augen angesehen hatte. Dickens, der keine Wahl gehabt hatte, hatte seine Geschwister gleichermaßen bekräftigt und sie mit behutsamen Worten darauf vorbereitet, dass es schlimm werden konnte, wenn die Erinnerungen zurückkamen. Aber, so hatte er es ihnen erklärt, sie müssten sich nicht fürchten, denn sie alle wären immer noch eine Familie und würden niemanden allein lassen. Bevor Dazai sich hatte versehen können, hatten sich daraufhin über 30 Kinder auf ihn gestürzt. Einige der Kinder waren danach verängstigt gewesen, andere hatte herzzerreißende Tränen geweint und manche hatten lediglich genickt und waren froh gewesen, nun die Wahrheit zu kennen. Keines von ihnen hatten sich von Spyri und den anderen abgewandt. Solange sie weiter zusammenbleiben durften, hatte der Großteil der Kinder der zutiefst bewegten Frau gesagt, wäre alles gut. In Atsushis Herzen hatte sich derweil für immer der Moment eingebrannt, als Kyoka nach der Berührung von Dazai den Jungen angeblinzelt hatte und ihm im nächsten Moment um den Hals gefallen war. (Lucy war mal wieder schroff und abweisend gewesen und dann zur heulenden Salzsäule erstarrt, als die Besitzer des Cafés gekommen waren und sie in ihre Arme geschlossen hatten.) „Tigerkätzchen?“ „Atsushi?“ Der junge Detektiv kehrte aus seiner gedanklichen Versunkenheit in die Gegenwart zurück, als er bemerkte, wie Lucy mit einer Hand vor seinem Gesicht wedelte und Kyoka ihn sanft am Ärmel zog. „Ist alles in Ordnung?“ Seine dunkelhaarige Kameradin musterte ihn besorgt. Erneut verlegen lachend, kratzte Atsushi sich am Hinterkopf. „Aber ja! Ich war nur gerade gedanklich woanders.“ „Wirklich? Hat man gar nicht gemerkt“, spottete Lucy, während Kunikida, der Chef und ein überdeutlich lustloser und grummeliger Ranpo an ihnen vorbei zu Spyri schritten. Nervös und doch ihre aufrechte Haltung bewahrend, kam die Schweizerin zusammen mit Burnett und Salten den dreien entgegen. „Es ist unmöglich, diese Schuld je zu begleichen“, richtete Spyri an Fukuzawa, der kaum merklich den Kopf schüttelte. „Vergessen Sie nur Ihr Versprechen nicht.“ „Sicher nicht. Wir werden nie wieder die Erinnerungen von irgendjemandem manipulieren.“ „Und?“, hakte Kunikida nach. „Und auch keine Kinder mehr ungefragt mitnehmen. Und keine Erwachsenen“, antwortete Salten bedröppelt. „Besonders keine Erwachsenen mehr.“ Ranpo gab im Hintergrund ein leises Murren von sich. „Es tut mir so ...“, setzte Spyri mit Blick auf ihn an, „ich kann mich gar nicht genug bei Ihnen entschuldigen. Für alles, was wir Furchtbares getan haben.“ Erneut schüttelte Fukuzawa minimalistisch den Kopf. „Denken Sie nicht darüber nach. Denken Sie daran, was wir besprochen haben: Man darf keinem Menschen das Recht nehmen, selbst über sein Leben zu entscheiden. Ein Leben, das eine Lüge ist, ist etwas Anderes als eine Lüge, die ein Leben rettet.“ „Sie sind wahrhaftig ein kluger Mann, Herr Fukuzawa. Und nicht nur das ...“ Spyri schluckte, während sich Tränen in ihren Augen zu sammeln begannen. „Sie haben all dies für uns getan, obwohl ich ein schreckliches, unverzeihliches Verbrechen begangen habe. Ich habe einem Vater den Sohn weggenommen.“ Einen Augenblick lang sahen sich die beiden Älteren wieder stillschweigend an, als wären sie in der Lage, die Gefühle und Gedanken des jeweils anderen lesen zu können. Plötzlich fühlte Fukuzawa Ranpos Blick auf sich und räusperte sich verlegen. „Sie sollten bald aufbrechen. Es ist ein langer Weg bis in die Alpen von Nagano.“ Da es zu gefährlich für Spyri und all ihre Kinder war nach Europa zurückzukehren, hatte der Chef ihnen ein neues Heim tief in der Provinz der Präfektur Nagano organisiert. Weder die Hafen-Mafia, noch die britische Regierung würden sie dort je finden und es war auch zu bezweifeln, ob einer der beiden Fraktionen sie überhaupt suchen würde. Fukuzawa kannte Mori zu gut und hatte daher von Katai die Krankenhausakte des jungen Dickens manipulieren lassen. Wollte Mori wissen, was aus dem gesuchten Jungen geworden war, würde er dort erfahren, dass er seiner schweren Kopfverletzung erlegen war (zu Katais Leidwesen hatte Yosano den gefälschten Bericht mit ungeschönten Details ausgeschmückt). Die Militärpolizei war sogar vollkommen ahnungslos, was Dickens betraf. In dem Gespräch mit ihnen hatte Fukuzawa eine für ihn immer noch unfassbar groteske Lügenlawine losgetreten, die ihn selbst erschrak. Fagin und seine Leute hatten demnach einen Putsch in Großbritannien geplant und Spyri durch Zufall davon erfahren, wodurch sie und die Waisen, um die sie sich kümmerte, ins Visier der Engländer geraten waren. Die Morde an den Kirchenoberen, dem Richter und dem Staatsanwalt hatte er Sikes und Fagin zugeschoben. Wenn Fukuzawa über seine absurde Lügengeschichte nachdachte, kam ihm das alles wie in einem Fiebertraum zusammengesponnen vor, aber da die Polizei und die Justiz ihm vertrauten, hatten sie ihm dies alles abgekauft. Es hatte auch geholfen, dass Dawkins mit viel Tamtam erklärt hatte, ohne seinen Anwalt überhaupt nichts sagen zu wollen und Noah panisch grundsätzlich jedem außer sich selbst die Schuld an allem gab. Das Zünglein an der Waage war Bates gewesen, dem die Beamten Fukuzawas Märchen vorgetragen hatten und von dem sie hatten wissen wollen, ob diese Geschichte stimmte. „Ja“, hatte Bates ihnen mit einem traurigen Lächeln bestätigt, „ja, genau so war es.“ Fukuzawas unauffälliger Themenwechsel hatte Spyri nun ein wenig zum Lächeln gebracht. Zudem konnte sie sehen, wie Ranpo ihn seit ihres Satzes baff anblickte. „Ach“, fiel ihr plötzlich etwas Wichtiges ein, „die Kinder aus Suribachi … werden sie zurecht kommen?“ Sie meinte die drei vermissten Kinder, für deren Suche sie von den anderen Kindern engagiert worden waren. Sie waren die einzigen, die nicht mit Spyri mitgingen, sondern zu ihren Freunden zurückkehren wollten – was von der Schweizerin und ihrer Gruppe mit Besorgnis aufgenommen worden war. „Seien Sie unbesorgt“, erwiderte der Chef. „Wir haben einen Vertrag mit ihnen und jede Seite hält sich an die vereinbarten Bedingungen.“ Skeptisch blinzelte Burnett ihn an. „Und was genau heißt das?“ „Die Pension in Yamanashi, in die Sie eigentlich gebracht werden sollten“, erklärte Kunikida anstelle seines Vorgesetzten, „wird allein von einem schon etwas älteren Freund des Chefs betrieben. Er erhält jetzt sieben junge Auszubildende und eine Aufsichtsperson für die Kinder. Eine Frau, von der ausgerechnet Dazai sagt, er würde für sie bürgen und ich will gar nicht wissen, warum.“ Spyri atmete erleichtert aus und umklammerte mit einer Hand ihre Kreuzkette. „Das beruhigt mich sehr.“ „Ist das nicht das Beste?“ Zum ersten Mal, seit sie ihr begegnet waren, lächelte Burnett ein wirklich gelöstes und glückliches Lächeln. „Dass so vielen geholfen ist, wenn nur ein Mensch etwas Gutes tut?“ Sie verabschiedeten sich voneinander und Salten und Burnett begannen, die Kinder in den Bus zu bringen. Dickens verbeugte sich tief vor den Detektiven (Eleanor hatte ihm gesagt, dass man das in diesem Land so machte) und bedankte sich bei ihnen für alles. Der Junge war in der Tat ein zahmes Lamm, es gab keine Spur mehr von der gewaltbereiten Tötungsmaschine, zu der man ihn hatte machen wollen. Eindringlich und doch sanft sah er Atsushi zum Abschied an. „Beschütze sie auch weiterhin, ja? Deine Familie, meine ich.“ Atsushi stutzte, bevor er den Blick des Jungen erwiderte. „Das werde ich. Das werde ich auf jeden Fall.“ Dickens lächelte leicht und stieg in den Bus. Eleanor kam ihm hinterher und hielt plötzlich inne. Mit einem Mal hüpfte sie die Stufen wieder herunter, lief zu Fukuzawa und umarmte ihn stürmisch. „Ich bin ja so froh, dass alles wieder gut ist!“ Sie lachte und hüpfte wieder in den Bus. Der überraschte Chef blinzelte ihr verdutzt hinterher, als Spyri ebenso lachte. „Eleanor kann ihre Gefühle viel besser ausdrücken als wir Erwachsenen.“ Bevor Fukuzawa sich versehen konnte, umarmte auch Spyri ihn. Während Lucy und Kenji bei seinem völlig verdatterten Gesichtsausdruck ihr Lachen nicht mehr unterdrücken konnten, versuchten Atsushi und Kyoka mit mäßigem Erfolg an sich zu halten. Selbst Kunikida hatte plötzlich einen merkwürdig auffälligen Hustenanfall. Nachdem der Bus vom Parkplatz gefahren war und die Detektive samt Lucy sich auf den Heimweg machten, musste Atsushi eine Frage, die ihm unter den Nägeln brannte, loswerden. „Ranpo“, fragte er den ungewöhnlich schweigsamen und scheinbar schmollenden Kollegen, „hast du schlechte Laune?“ Der Meisterdetektiv warf ihm einen missmutigen Blick zu. „Wie könnte ich gute Laune haben?? Jemand konnte mein außerordentliches, geniales Hirn manipulieren und was noch viel schlimmer ist: MEINE BRILLE IST WEG!!“ „Die hier?“ Zu Ranpos Unglauben zog Fukuzawa das vermisste, schwarz umrandete Gestell aus seinem Kimonoärmel. „Was …? Wie …?“ Der Schwarzhaarige starrte auf die Brille und nahm sie andächtig an sich, als wäre sie ein heiliger Gegenstand. Bedächtig setzte er sie auf und blinzelte erstaunt hindurch. „Die Gläser waren zersprungen, also habe ich sie ersetzen lassen“, erläuterte Fukuzawa beiläufig und verdrängte dabei die Erinnerung an das irritierte Gesicht des Optikers, als er Gläser ohne Sehstärke hatte bestellen wollen. Alle anderen warteten gespannt auf eine Reaktion des Meisterdetektivs – und drehten sich diskret weg, als sie kam. Ranpo war dem Chef um den Hals gefallen.   „Was ist denn hier los?“ Kunikida hatte, gefolgt von Atsushi, Kyoka, Kenji und Ranpo, den Hauptraum der Detektei betreten. Der Chef war in sein Büro zurückgekehrt. „Tanizaki, ist alles in Ordnung?“ Besorgt blinzelte Atsushi den auf dem Boden liegenden Rothaarigen an. Seine Beine waren hochgelagert und sein Teint ein wenig … grünlich. Yosano stand über ihm und fächerte ihm mit ein paar Blättern Papier Luft zu. „E-es geht schon wieder, danke der Nachfrage.“ Tanizaki setzte sich wieder auf und unterdrückte ein Würgen, als er auf die Blätter sah mit denen Yosano gefächert hatte. Die Ärztin seufzte und grinste dann. „Ich habe Tanizaki gefragt, ob er nicht unter meiner Anleitung Medizin studieren will. Und um ihm zu zeigen, was für wundervolle Dinge man dabei lernt, habe ich ihm diese Bilder von sezierten Organen gezeigt.“ Armer Tanizaki … Atsushis Augen zuckten, als sein gleichaltriger Kollege allein bei der Erwähnung sezierter Körperteile abermals grüner im Gesicht wurde. Derweil hatte sich Kunikida vor seinen Arbeitsplatz gestellt und ein unzufriedenes Knurren von sich gegeben. Ihm gegenüber sollte doch jemand sitzen und arbeiten – und doch blickte er auf einen völlig leeren Stuhl. „Wo ist Dazai schon wieder hin?“, fragte er erzürnt. „Ich hatte ihn doch dazu verdonnert, heute endlich mal seinen Papierkram aufzuarbeiten!“ Yosano zuckte mit den Achseln, während Tanizaki vom Fußboden aufstand. „Er war bis eben hier, aber dann hat er Naomi gebeten, ihm bei der Fertigstellung eines langjährigen Projektes zu helfen und sie sind rausgegangen.“ Bei diesen Worten trafen sich die alarmierten Blicke von Kunikida und Atsushi. „K-kunikida … Dazai wird doch nicht …?“ Erschrocken sah der Junge den Älteren an. „Ist bei ihm schwer zu sagen. Wir sollten sie schnell finden.“ „Wieso? Was ist denn?“ Tanizaki war verwirrt. „Tanizaki“, seufzte Kunikida angestrengt, „überleg mal. Ein langjähriges Projekt von Dazai. Für das er ausgerechnet Naomis Hilfe braucht.“ Der Rothaarige riss erschrocken die Augen weit auf. „Oh nein! Naomi!!“ Die drei stürzten zur Tür, doch bevor sie sie aufreißen konnten, wurde sie von außen geöffnet. Sie konnten gerade rechtzeitig abbremsen, um nicht in Naomi zu krachen, die sie verwundert anschaute, während sie ein Tablett mit vielen kleinen Portionen Tofu auf den Armen trug. „Was ist denn mit euch los?“ „Naomi! Geht es dir gut?“ Tanizaki beäugte besorgt seine Schwester, die nur erstaunt eine Augenbraue hob. „Ja, warum sollte es das nicht? Und jetzt lasst mich mal durch. Ich weiß nicht, was genau Dazai damit angestellt hat, aber der Tofu ist verdammt schwer.“ Sie schritt an ihnen vorbei und stellte das Tablett auf dem Tisch des Empfangsbereichs ab. Keine Sekunde später erschien der Verursacher dieser Aufregung mit einem weiteren Tablett voller Tofu in der Türe. „Ah~, ihr seid zurück! Sehr gut, sehr gut! Gerade richtig!“ „Äh, Dazai?“ Atsushi versuchte die Situation zu verstehen und scheiterte kläglich. „Was ist hier los?“ Dazai schüttelte gespielt tadelnd seinen Kopf. „Für einen Detektiv stehst du schrecklich oft auf dem Schlauch, Atsushi. Es ist doch offensichtlich. Ich habe Tofu für euch gemacht!“ „Du hast für uns Essen gemacht?“ Atsushi wusste nicht, ob er gerührt oder beunruhigt sein sollte. „Probiert ihn! Probiert ihn!“ Die restlichen Detektive sahen sich untereinander an und nahmen je eines der kleinen Teller mit Tofu von den Tabletts. Dazais euphorischer Aufforderung nachzukommen, gestaltete sich jedoch als schwieriger als erwartet. Die beigelegten Essstäbchen zerbrachen bei dem Versuch das eigentlich weiche Sojagericht zu zerteilen, sodass Kenji dazu überging die kleinen weißen Blöcke mit Gewalt von Hand zu zerkleinern und Kyoka mit ihrem Schwert Splitter davon abschlug. Obwohl dies den Detektiven ein mehr als mulmiges Gefühl gab, sagte ihnen ihr Bauchgefühl, dass dies kein Streich des Brünetten war. So aufgeregt hatten sie ihn noch nie erlebt. Voller Begeisterung wartete er auf ihre Reaktionen. „Das ist ein … interessanter Geschma-au!“ Es knirschte in Kunikidas Mund, als würde er Steine zerbeißen. „Wie-wie kann Tofu so hart sein??“ Atsushi versuchte verzweifelt, das Stück in seinem Mund zu zerkauen. „Geschmacklich ganz gut.“ Kyoka zerbiss den knüppelharten Tofu ohne eine Miene zu verziehen. „Könnte süßer sein.“ Ranpo lutschte sein Stück nur statt draufzubeißen. „Ich bringe euch morgen selbstgebackenen Kuchen mit“, fügte Kyoka daraufhin hinzu und ließ den Meisterdetektiv zufrieden grinsen und Atsushi freudig lächeln. „Dazai“, richtete der silberhaarige Junge an ihn, nachdem er den Brocken beinahe am Stück heruntergeschluckt hatte und die anderen weiterhin mit ihrer Portion kämpften, „soll der Tofu so hart sein?“ „Ist das der härteste Tofu, den ihr je gegessen habt?“ Die anderen nickten und verzückten ihn mit dieser Antwort anscheinend. „Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um ihn so hinzubekommen!“ Für den Hauch eines sehr flüchtigen Moments trat an die Stelle von Dazais überschwänglicher Euphorie ein wahrhaft seliges Lächeln in sein Gesicht. „Wie schön, dass ihr ihn probieren konntet.“ Das war ihm wirklich wichtig, dachte Atsushi perplex, als Kunikida sich räusperte. „Nun, gut.“ Der Idealist ging zu seinem Schreibtisch zurück. „Es ist eine Menge Arbeit liegen geblieben. Wir haben viel zu tun.“ Er setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl – und fiel daraufhin mit einem krachenden Geräusch zu Boden. Der Stuhl war auseinandergefallen. „DAZAI!!“ „Oh, mir fällt gerade ein“, sagte Dazai spitzbübisch, „ich muss noch einmal dringend weg.“ Er stellte das Tablett ab und entkam blitzschnell durch die Tür – verfolgt von einem wild fluchenden Kunikida. Es war ein ganz normaler Tag im Büro der bewaffneten Detektive. Die Sonne schien hell und warm durch die Fenster der Detektei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)