For all the Ghosts that are never gone von Schnattchen91 ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Romantisch und Actionreich ------------------------------------------------ Kapitel 1: Romantisch und Actionreich   Meine Schockstarre schien meinen unerwarteten Besuch zu amüsieren. Mein eigenes Blinzeln verriet mir, ich langsam wieder handlungsfähig wurde.   „Jessy?!“, schlussendlich hatte ich auch meine Sprache wiedergefunden.   „Was machst du hier?“, meine eigene Frage hatte mich überrumpelt. Die Erste ausgesprochen folgten tausende weitere Fragen in meinem Kopf. Warum war sie hier? Wie war sie hierhergekommen? Vor allem woher wusste sie, wo ich wohnte?   Ich hatte in der ganzen Zeit nie meine Adresse genannt. Ihr nicht, sowie keinem anderen aus der Gruppe. Selbst über die Stadt, in der ich lebte, hatte ich nie gesprochen. Nicht einmal mit Jake!   Warte…   Hatte Jake etwa meine Adresse herausgefunden? Aber warum war er dann nicht selbst gekommen? Steckte er immer noch in Gefahr? Oder dachte er vielleicht ich würde ihn nicht sehen wollen? Hatte er den wirklich keine Ahnung wie schrecklich ich ihn vermisste?   Das musste ihm doch klar sein!   Schließlich hatte ich doch meine Gefühle für ihn genauso offenbart. Und wenn er noch in Gefahr schwebte würde er niemals das Risiko eingehen und meine Adresse recherchieren.   Oder würde es das doch? Oder befand ich mich in Gefahr? Hatten seine Verfolger meine Adresse herausgefunden? Und war Jessy jetzt hier, um mich zu warnen?    Warte!   Das ergab doch alles keinen Sinn!  Ich würde dem FBI keinerlei Informationen geben können.   Mal davon ab, dass ich keinen Kontakt mehr zu Jake hatte, wusste ich kaum etwas über ihn. Ich wusste nicht einmal wie er aussah. Lediglich hatte er mir verraten, dass er schwarze Haare hatte.   Seine Stimme hatte ich auch immer nur durch einen Stimmenverzehrer gehört.     Generell war er mit Informationen über seine Person sehr spärlich umgegangen. Eine Tatsache, die ich immer akzeptieren musste. Er wollte mich damit schützen und das wusste ich. Spätestens seitdem seine Verfolger versucht hatten mein Smartphone zu hacken. Dank Nymos, einen Programm, dass er zu meinen Schutz auf meine Handy installiert hatte, war es ihnen nicht gelungen.     Ich fragte mich, ob Nymos immer noch aktiv war…   Jake würde mich doch immer noch beschützen?    Auch wenn ich rein gar nichts über diesen Mann wusste, so wusste ich doch, dass er mein Seelenverwandter war. Ich merkte nicht, wie verrückt sich dies anhörte. Aber wahrscheinlich wäre mir diese Tatsache auch egal gewesen. Ich liebte….    „Du siehst furchtbar aus!“, riss Jessy mich aus meinen Gedanken.   Mist!  Ich hatte ihre Anwesenheit komplett vergessen.     „Was machst du hier?“, wiederholte ich meine Frage und merkte selbst wie mit jeder Silbe mein Ton unfreundlicher wurde.   „Lass mich doch erstmal reinkommen“, flötete Jessy gutgelaunt und ließ sich nicht von meiner ablehnenden Haltung irritieren.   „Ja klar…“, murmelte ich schließlich, immer noch mit der Situation überfordert. Jessy unbeschwerte fröhlich Art machte es mir nicht gerade leichter meine Gedanken zu sortieren. Zwar hatte ich sie so kennengerlernt, doch auf Grund der jüngsten Ereignisse hatte ich dies nicht erwartet.     Schlichtweg, es überforderte mich…    Gerade sie stand Richy doch von allem am nächsten. Das letzte Videotelefonat der beiden hatte mir regelrecht das Herz zerbrochen. Darauf ansprechen konnte ich sie nicht, schließlich hatte ich es, dank Jake, heimlich mit ansehen können. Es war furchtbar gewesen, sie nicht in diesem Moment trösten zu können.     Ich hatte regelrecht ihren Schmerz gefühlt…   Das sollte jetzt vorbei sein?  Nach nicht einmal zwei Monaten?  Könnte sie über die Tatsache, dass Richy qualvoll verbrannt einfach so hinwegsehen?  Freute sie sich im Nachhinein sogar noch über seinen Tod?   Irgendwie konnte ich mir das gar nicht vorstellen!  Vielleicht wollte ich auch diesen Gedanken einfach nicht zulassen…  Die anderen waren jahrelang mit Richy befreundet gewesen. Dann zu erfahren, dass er Hannahs Entführer war, konnte doch nicht spurlos an ihnen vorbei gehen.   Doch dass konnte doch nicht bedeuten, dass Jessy und die anderen froh über seinen Selbstmord waren!   Er war immer noch ihr Freund!    Oder war ich einfach zu sensible?   Und nahm mich die ganze Situation mehr mit als die anderen?   Auch das konnte ich mir nicht vorstellen.     Er war verdammt noch mal deren Freund gewesen! Über Jahre!  Jahrzehnte!   Jessy skeptischer Blick holte mich wieder in die Realität.   Ich hatte ihre Anwesenheit vergessen!  Schon wieder…    Ich seufzte.   „Sorry für das Chaos…“, sagte ich als ich die Tür komplett öffnete. „Aber ich habe nicht mit Besuch gerechnet…“   Zu meiner Verwunderung kicherte Jessy.   „Wenn du mal meine Anrufe entgegengenommen hättest, hättest du gewusst, dass ich komme.“, ich konnte ihre Aussage nicht einordnen. Ihre gewählten Worte klangen wie ein Vorwurf. Doch ihre heitere, fröhliche Stimmlage deutete mehr auf das Gegenteil hin.     „Oh mein Gott, [MC]“, kam es entsetzt von ihren Lippen als ihr Blick auf die gestapelten Essensverpackungen fiel. Mir war erst jetzt aufgefallen, dass sich mittlerweile einige Fliegen darum tummelten.   „Du hast dich ja wirklich von allem und jedem abgeschottet.“, seltsamerweise klangen ihre Worte so, als hätte sie nichts anderes erwartet.     Plötzlich kam in mir ein seltsames Gefühl auf, dass mir die Kehle regelrecht zuschnürte. Ich konnte es nicht beschreiben. Es war so gemischt, aus meiner Trauer, meiner Verzweiflung und meinen Schuldgefühlen. Sie hatte mir mit diesem kurzen Satz klar gemacht, wie falsch meine Reaktion auf die gesamte Situation war. Doch war ich immer noch zu sehr in meinen Emotionen gefangen, als dass ich etwas ändern könnte.     „Ich…naja… eigentlich wir… haben uns schon gedacht, dass es dir nicht so gut geht.“ Jessy musste wohl in meinem Gesichtsausdruck gelesen haben, was ich dachte. Sonst konnte ich mir ihre rasche Antwort nicht erklären.     „Du hast weder auf unsere Nachrichten noch auf unsere Anrufe reagiert.“, sprach Jessy ruhig weiter und ich richtete meinen schuldbewussten Blick auf den Boden.   „Anfangs dachten wir noch du brauchst etwas Zeit… Gerade auch wegen Jak-“, sie stockte abrupt.     Im ersten Moment hatte ich es nicht verstanden.     Doch dann drang meine eigne Körpersprache in mein Bewusstsein. Mit aufgerissenen Augen hatte ich meinen Blick vom Boden auf sie gerichtet. Mein ganzer Körper zitterte. Meine Sicht wurde zunehmend verschwommener.   Doch die Tränen in meinen Augen konnte sie nicht gesehen haben. Sie hatte mich in eine Umarmung verwickelt. Eine Umarmung, die ich gerne erwidert hätte, doch mein Körper war wie gelähmt.   Nein, das war falsch.   Mein Körper fühlte sich nicht mehr wie mein Eigner an.  Ich konnte kaum noch atmen.   Ich wollte schreien.   Doch, die leere Hülle, die mein Körper war, stand einfach nur da.   Regungslos, unfähig mich zu bewegen.   Keine Chance der Situation zu entkommen.   Ich wusste, was Jessy mir jetzt sagen würde.   Jake war tot….  Wieder spielte sich dieser Film in meinem Kopf ab.   Sie würde es mir jetzt sagen…  Dafür war ich noch nicht bereit…  Dafür würde ich nie bereit sein…    Ich rang nach Luft. Doch mit jedem Versuch den Lebensnotwendigen Sauerstoff einzuatmen, schnurrte sich meine Kehle immer mehr zu.     Jake war tot…  Jake war tot…  Jake ist in den Minen verbrannt…  Alles nur meinetwegen….    Ich war nicht mehr in diesem Moment, nicht mehr in der Umarmung. Deswegen spürte ich auch nicht, wie Jessy mich immer näher an sie drückte. Mein Gedankenkarusselle spielte verrückt…    „Ihm geht es sicherlich gut…[MC]…hörst du…“, flüsterte Jessy in einem sanften Ton.   „Jessy…“,schluchzte ich, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen wollte. Der dicke Schwall Tränen, der über meine Wange rang, war das Erste, was ich an meinem Körper wieder spürte. Ich konnte nicht mehr an mich halten, so dass immer mehr Tränen ihren Weg, über mein Gesicht, fanden. Schließlich klammerte ich mich in ihrer Umarmung.     „Ich hatte echt gehofft, dass ihr beide in eurem Honeymoon einfach vergessen habt euch bei uns zu melden…“, kicherte sie ihren Versuch mich aufzuheitern. Doch sie erreichte das Gegenteil…  Wieder rang ich nach Luft, wieder lähmte der Schmerz meinen Körper…  Doch ich schaffte es, warum auch immer, mich einigermaßen zu fassen.    „Er war doch auch in den Minen.“, brach ich mit schwach hervor.  „Er hatte Probleme einen Ausgang zu finden…“, meine Stimme versagte.  Es war nicht leicht meine größte Angst laut auszusprechen.     „Und dann war da doch noch das Feuer…“stammelte ichschließlich. Ein erneuter Schwalltränen rannte über meine Wangen. Meine Angst um Jake wuchs mit jeder Sekunde. Ich öffnete meinen Mund. Ich musste es endlich aussprechen.     Für mich.    Ich musste mir endlich selbst bewusstmachen, dass Jakes Ausflug in die Minen kein Happy End genommen hatte, dass es kein they-live-happily-ever-after für uns geben würde.   „Er hat es sicherlich nicht rechtzeitig raus geschafft…“, meine Worte brachten nicht die erhoffte Erleichterung.   Sie machten es tatsächlich nur noch schlimmer…  Jakes Tod fühlte sich nun nur noch reale an...    „Das kann nicht sein!“, Jessy schaffte es gleichzeitige einen ernsten sowohl auch ruhigen Ton in ihre Stimme zulegen. Ich wusste, dass sie mich trösten wollte, doch ihre Worte lösten Wut in mir aus.  Ich wusste, dass sie lügt.   Dass sie das nur gesagt hatte um mir Hoffnungen zugeben.   Eine unrealistische Hoffnung…    Ich löste mich aus der Umarmung und brüllte sie regelrecht an: „ Wieso kann das nicht sein?! Richy hat das Feuer gelegt! Jake war in den Minen! Ich habe seitdem kein Wort mehr von ihm gehört! Er war also noch in den Minen! Wie soll er es also rechtzeitig rausgeschafft haben?!“    „Es wurde keine Leiche gefunden!“, Jessys Stimme war ruhig, aber auch emotionslos.   „Ach keine Leiche gefunden?“, blaffte ich sie an. „Und Richy ist hat magische Weise überlebt, oder wie?!“   „Ja…“, sagte sie knapp. Ich dachte gerade ihr letzter Satz wäre emotionslos gewesen. Doch diese eine Wort enthielt keinerlei Gefühlsregungen.   Ich blinzelte verwirrt.  Es dauerte einige Minuten bis ich die Bedeutung dieses Ja begriff.   „Richy lebt?!“, ich war fassungslos.    Jessy bestätigte dies mit einen kurzen bestimmten Kopfnicken. Ich konnte nicht anders, als sie mit weitaufgerissenen Augen anzustarren.   „Wie?“, brachte ich hervor.   Sie zuckte nur mit den Schultern.   Mein Gesichtsausdruck musste ihr wohl verraten haben, dass ich mich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben würde. Denn sie schob rasch nach: „Was genau passiert ist, weiß ich nicht. Hannah hatte nur mitbekommen, wie sich plötzlich alle zum Eingang der Mine aufgemacht hatten. Dann sah sie, dass sich Sanitäter um Richy gekümmert hatten.“ Jessy machte eine kurze Pause. „Er wurde dann ins Krankenhaus gebracht.“ Sie senkte ihren Blick. „Starke Rauchvergiftung.“    Nun senkte auch ich meinen Blick.   „Ich verstehe.“, murmelte ich schlussendlich.     Das Gefühl von Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hätte es selbst nicht für möglich gehalten, doch da war sie. Die Erleichterung. Richy hatte überlebt! Ich war so froh. Die ganzen Schuldgefühle, meine Hilflosigkeit, dass alles viel von mir ab. Diese Schwere die meinen Körper fast zerdrückt hatte.   Richy lebte. Jake womöglich auch noch. Schließlich wurde seine Leiche nicht gefunden.   So blieb nur noch, dass ihn das FBI doch noch in die Finger bekommen hatte.   Endlich fühlte ich wieder Hoffnung.   Sollte er jetzt tatsächlich im Gefängnis sitzen würde ich ihn da rausholen.   Irgendwie.   Das würde ich schon hinbekommen.   Es könnte nun doch noch alles gut werden.   „Gott sei Dank!“, hauchte ich meine Erleichterung aus.   Jessy sah mich mit einem verwirrten, so wie auch verletzten Gesichtsausdruck an.  „Wie geht es Richy jetzt?“, fragte ich freudig.   Doch Jessy schwieg für einen längeren Moment, einige Sekunden, fast eine Minute.     „Er ist jetzt in der Psychiatrie. Immer noch stark suizidgefährdet.“, es war schon erschreckend, die sonst so heitere und fröhliche Jessy, mit einer gefühlskalten Stimme zuhören. Von meinen Freunden aus Duskwood musste sie die ganze Situation am härtesten getroffen haben. Richy und sie standen sich so nah, dass ich immer dachte, sie hätten diese süßen, unschuldigen, romantischen Gefühle füreinander.  So süß und unschuldig, dass sich keiner der beiden traute diese Gefühle offen auszusprechen. Mittlerweile war es eher eine schreckliche Befürchtung, dass ich damit recht hatte. Anfangs fand ich es noch süß ein bisschen die Verkupplerin zuspielen. Doch jetzt bereute ich es.   Eine Reue, die mich wieder in das hier und jetzt holte.   Ich hatte mich auch da in Angelegenheiten eingemischt, die überhaupt nicht meine waren.     Meine ganze Hoffnung, die sich in mir breit gemacht hatte, löste sich wieder von mir.  Wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich es doch nur wohl durch mein Eimischen nur noch schlimmer gemacht. Wieder einmal deutlich meine Kompetenzen überschritten. Schlussendlich hatte ich doch nur noch mehr leid über sie gebracht.   So wie ich es auch bei Jake getan hatte…  Alle wären besser dran gewesen, wenn ich mich in diese ganze Geschichte nicht eingemischt hätte.     Ich wollte mir nicht vorstellen in welchem Gefühlschaos Jessy stecken musste. Dann auch noch zu wissen, dass der Mann, der ihr am nächsten Tag Trost gespendet hatte, sie in der Nacht zuvor angegriffen hatte. Zu wissen, dass ihr bester Freund hinter allem dem gesteckt hatte.     „Es tut mir leid.“, murmelte ich und konnte selbst nicht genau sagen, weswegen ich mich entschuldigte.   Eigentlich war das auch egal…  Es gab genug Gründe, die eine Entschuldigung rechtfertigten.   Zu viele   Viel zu viele...    Ich hörte Jessy seufzen. Mein leerer Blick musste wohl langsam verschwinden, denn ich konnte langsam ihre Konturen wiedererkennen.   „Ich hab‘ einfach noch nicht entschieden, ob ich Richy verzeihen kann.“, sagte sie mit gequälter Stimme. „Wir alle eigentlich.“ Jessy machte erneut eine kurze Sprechpause. Es schien als überlegte sie, ob sie mit etwas sagen oder doch besser verschwiegen sollte.   „Im Moment ist auch keiner von uns bereit über das Thema zu sprechen. Also meiden wir es.“, Jessy lächelte verschmitzt.     „Das ist aber nicht gut! Überhaupt nicht gut! Ihr verdrängt das total! Das kommt irgendwann wie ein Bumerang auf euch zurück.“, mahnte ich erschrocken und realisiert, warum sie gezögert hatte es mir zu erzählen. In der Vergangenheit hatte ich oft genug mein Talent für Standpauken bewiesen. Auch jetzt konnte ich mich kaum zurückhalten. Sie konnten doch nicht einfach so tun, als wäre das Ganze nie passiert. Ich hatte gerade meinen Mund geöffnet, um mit meiner Standpauke fortzufahren, doch Jessy schnitt mir ins Wort.     „Du brauchst gar nicht erst anfangen, als ob verkriechen, in der eigenen Wohnung einsperren und uns alle ignorieren, definitiv die bessere Variante wäre.“, sagte sie schnippisch.     Touché…    Beschämt sah ich auf den Boden, blickt jedoch sofort wieder auf als ich ihr Kichern vernahm.   „Ist doch okay. Irgendwie“, sagte sie und lächelte freundlich. „Deswegen bin ich ja hier.“   Ich hatte noch nie so ein breites Grinsen auf ihren Lippen gesehen. Meine Mundwinkel starteten den Versuch ihr Lächeln mit einem eigenen zu erwidern. Jedoch scheitert der Versuch an der ersten Muskelbewegung.     „Dein Retter in strahlender Rüstung, gekommen auf meinem romantischen und actionreichen Abenteuer um dich, meine holde Maid, auf mein Schloss nach Duskwood zu bringen.“, sprach Jessy theatralisch. Nicht nur ihre übertriebene Sprechweise, auch ihre Gestiken brachten mich zum Lachen.   Ein ehrliches, aufrechtes Lachen.   Etwas, von dem ich nicht mehr geglaubt hatte jemals wieder im Stande sein zu können.    „Ich hab‘ da ein paar Einwände.“, prustete ich   „Die wären?“, Jessy hob verächtlich eine Augenbraue, doch ihr breites Grinsen verriet sie.   „Erstens bist du ja wenn schon meine RetterIN in der Not. So viel Zeit muss sein.“, ich betonte das Femininum des Wortes Retter absichtlich.  „Einwand stattgegeben“, sagte sie mit gespielter Hochnäsigkeit. Zudem unterstricht sie ihre Aussage mit einer abwinkenden Handbewegung, so als wäre sie die Queen persönlich.   „Dann trägst du ein Kleid und keine Rüstung.“, ich versuchte meine Entrüstung über diese Tatsache zuspielen und deutete dabei auf ihr gelbes, geblümtes Sommerkleid. Doch gingen wohl die meisten meiner Worte in meinem Glucksen unter.   „Die habe ich abgelegt.“, seufzte sie gespielt. „Viel zu schwer.“    „Aber du bist wenigstens auf einen weißen Ross hier her geritten, oder?“, kicherte ich. Jessy verdrehte die Augen. „Der Gaul hat schlapp gemacht noch bevor ich Duskwood verlassen hatte…“, daraufhin kicherte sie.   Ich zog einen übertriebene beleidigte Miene. „Dann war dein Abenteuer ja gar nicht romantisch und actionreich.“, schmollte ich kichernd.   „Was?!“, entgegnete meine beste Freundin mit überspitzter Empörung. „Ich bin fünf Stunden mit dem Zug hierhergefahren! Was kann romantischer und actionreicher sein als das?!!!“   „Rein gar nichts!“, lachte ich aus vollem Herzen. Ich konnte nicht anders, als sie in diesem Moment zu umarmen. Jessy hatte es geschafft der benötigte Sonnenstrahl im meiner düsteren, tristen Welt zu sein. Ich hatte wirklich Glück, dass ich eine beste Freundin, wie sie gefunden hatte.   „Einen Einwand habe ich aber noch.“, sagte ich schließlich. „Eigentlich hatte ich dir doch versprochen, dich romantisch und actionreich aus Duskwood zu retten und nach Colville zu bringen.“ „Ach, das passt schon!“, meinte Jessy daraufhin gutgelaunt. „ Jetzt hast du es einfach nötiger gebraucht, gerettet zu werden.“    Jessy vertiefte unsere Umarmung. Eigentlich wollte ich ihr sagen, dass mein Versprechen nur aufschoben und nicht aufgehoben war. Dass wir schon bald nach Colville fahren würden und ich ihr helfen würde sich ihr Traumleben dort aufzubauen. In ihrer Traumwohnung, mit ihrem Traumjob und alles was sie sonst noch haben wollen würde. Gerade so eine Persönlichkeit, wie Jessy, hatte es mehr als verdient glücklich zu sein.   Doch noch bevor ich die Chance hatte etwas zu sagen, sagte sie mit trauriger Stimme: „Es tut mir leid, dass ich nicht der Traumprinz bin, den du dir erhofft hattest.“ „Ach Jessy!“, seufzt ich und schob dann lächelnd hinterher: „Du bist wirklich mehr als nur genug!“   Natürlich hatte sie in gewisser Weise mit ihrer Aussage schon recht behalten. Tief in meinem inneren hatte ich die ganze Zeit gehofft, vor allem als es an meiner Tür geklingelt hatte, dass Jake hier bei mir auftauchen würde. Doch Jessy, die in der kurzen Zeit, in der ich sie kannte, den Platz meiner besten Freundin eingenommen hatte, war wirklich mehr als nur genug.   Ihr Besuch zeigte mir, dass ich mich nicht auf denjenigen konzentrieren sollte, den ich augenscheinlich für immer verloren hatte. Sondern mich auf diejenigen konzentrieren, die mir noch geblieben sind.   „Es tut mir leid, dass ich mich solange nicht mehr gemeldet habe. Ich habe euch sicher große Sorgen bereitet.“, nuschelte ich schuldbewusst, aber aufrichtig meine Entschuldigung.   „Du, ich verstehe dich…[MC]“, antwortete sie ruhig, dennoch traurig. „Ich hab‘ ja selbst erstmal ein paar Tage gebraucht… all das zu verdauen und so“  Jessy löste sich aus meiner Umarmung. Sofort merkte ich das ihr Lächeln nur aufgesetzt war. „Jetzt müssen wir nur noch Jake finden und unsere kleine Truppe ist endlich komplett.“, ich konnte ihre Stimmlage nicht deuten. Besonders freudig klang sie jedenfalls nicht. Zumal es auch nicht so klang, dass sie Jake, als Bestandteile unsere Gruppe, komplett ablehnte.   „Ach Jake…Wer ist schon Jake?“, versuchte ich zu witzeln. Jedoch gelang es mir so überhaupt nicht. Allein seinen Namen auch nur zudenken riss ein tiefes Loch in mein Herz. Schnell versuchte ich die Situation mit einem Schulterzucken zu überspielen.   Jessy verzog seltsam ihre Mundwinkel. Wieder konnte ich diese Reaktion ihrerseits nicht einordnen. Es schien fast so als wüsste sie etwas über seinen Verbleib…. Etwas, dass sie mir wohl lieber verschweigen wollte.  Vielleicht bildete ich mir, dass auch nur ein. So unwahrscheinlich war es nicht. Vor allem weil ich so verzweifelt nach jeden mir möglichen Strohhalm griff.   „Bei Lilly hat er sich übrigens auch nicht gemeldet“, ihre Stimme klang so als hätte sie Angst vor meiner Reaktion. Doch warum nur?   „Lilly ist sich sicher, dass er sich auch bei ihr gemeldet hätte.“, schob sie hastig und unsicher hinterher. Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Worauf wollte Jessy hinaus? Jakes Verschwinden war keine neue Information! Auch das Lilly auch ein Lebenszeichen von ihm hoffte, war mehr als verständlich. Ich hätte Jessys merkwürdige Stimmlage verstanden, wenn er sich bei seiner jüngeren Halbschwester gemeldet hätte. Schließlich würde es bedeuten, dass Jake schlussendlich kalte Füße bekommen hätte. Natürlich wäre das nicht schön… Furchtbar, um genau zu sein… Doch es wäre die deutlich bessere Alternative als qualvoll verbrannt oder längere Gefängnisaufenthalt. Wenn er mich wirklich hätte sitzen gelassen, könnte ich ihn irgendwann dafür hassen und somit vergessen. Doch so würde immer die Frage bleiben, was wäre wenn   „Ich kann dir aber nicht sagen, warum“, schob Jessy so hastig hinterher, dass sie einige Silben fast verschluckte. Ich konnte nicht anders als zu Glucksen. Erst jetzt hatte ich ihre zögerliche Reaktion verstanden. Sie hatte doch ernsthaft befürchtet, ich könnte eifersüchtig werden auf Lilly.   Ich öffnete meinen Mund und wollte ihr widersprechen. Doch blieb ich stumm. Mir war noch rechtzeitig eingefallen, warum dieser Gedanke so absurd für mich, aber nicht für sie war. Nur Lilly und ich teilten mit Jake sein Geheimnis. Nicht einmal Hannah, mit der er vor Jahren regen E-Mail-Kontakt pflegte, hatte er gegenüber offenbart, dass er ihr Halbbruder war.   Wahrscheinlich hätte er es nicht einmal Lilly anvertraut, wenn er nicht durch ihr Video dazu gezwungen gewesen wäre. Sie hatte damals Jake und mich für die Entführer gehalten. In der Hoffnung ihrer Schwester wiederzubekommen, hatte sie persönliche Information über uns veröffentlicht. Für mich war es schon nicht besonders angenehm gewesen. Die ganzen fremden Menschen, die dachten ich wäre eine miese Entführerin und dementsprechend unfreundlich fielen ihre Nachrichten aus…   Doch für Jake bedeutete es zusätzlich, dass seine Verfolger endliche eine Spur in der Hand hatten. Für seine eigene Sicherheit musste er daraufhin schnellstmöglich untertauchen. Etwas, wogegen die ganzen Beleidigungen deutlich erträglicher waren. In gewissermaßen war dadurch die angespannte Situation zwischen Lilly und mir umso mehr hochgeschaukelt.   Doch Jake hatte es trotz seiner Abwesenheit geschafft, dass wir doch noch Freundschaft geschlossen hatten. Sein Rätsel hatte er absichtlich so aufgebaut, dass wir es nur gemeinschaftlich lösen konnten. Somit hatte Lilly den endgültigen Beweis und lies das Video offline. Ich wiederum verstand nun endlich, warum Jake so viel daran lag Hannah wiederzufinden. Ein wenig schämte ich dafür, dass ich zu Anfang gedachte, er wäre ihre Affäre.   Nach einem Besuch bei ihren Eltern hatte Lilly auch verstanden, warum Jake ursprünglich nicht geplant hatte, sie mit in sein Geheimnis einzuweihen. Es war ihr verdammt schwer gefallen ihrem Vater noch in die Augen zu sehen. Schließlich ist Jake der lebende Beweis für dessen Affäre. Mit diesem Gedanken beantwortete ich mir eine Frage, die erst jetzt in mir aufkeimte. Lilly würde Hannah nicht die Wahrheit über Jake erzählen. So sehr, wie ihre Schwester auch diese Information verdient hätte, würde Lilly ihr das in der jetzigen Situation nicht antun. Hannah würde nur für diese eine Millisekunde einen Bruder dazu gewonnen haben, nur um danach sofort zu realisieren, dass sie ihn für immer verloren hatte. Damit würde nur die Erkenntnis über die Affäre bleiben…   „Ja, dass hätte er wohl.“, versuchte ich liebevoll zusagen, doch meine Sorge um ihn übertünchte dies. Ich hörte, wie Jessy erleichtert ausatmete nur im nächsten Moment ein entsetzt „Warte, was?!“ von sich gab. „Jake hat seine Gründe sich auch bei ihr zu melden.“, ich merkte nicht wie geheimnisvoll meine Wortwahl war. „Dasselbe hat Lilly auch gesagt.“, grummelte Jessy genervt.   Ich verstand sie. Es war sicherlich alles andere als schön zu wissen, dass sie eigenen Freunde Geheimnisse vor einem hatten. Ganz gewiss dachte sie, wir würden sie nicht für Vertrauenswürdig genug halten, um sie einweihen zu können. „Es tut mir leid Jessy…“, seufzte ich. „Aber es ist Jakes Geheimnis. Du wirst es sicherlich noch erfahren, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“   Ihr Kichern ließ mich stutzen. Mit so einer Reaktion hatte ich definitiv nicht gerechnet. „Du klingst schon wie Jake.“, grinste sie und ich lief puterrot an. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich exakt seine Wortwahl verwendet hatte. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist… Wie oft hatte Jake wohl diesen einen Satz geschrieben… Mit gezählt hatte ich definitiv nicht. Doch ich wusste, dass es oft gewesen war. Zu oft… Wie mich dieser eine Satz in unseren Ermittlungen immer auf die Palme gebracht hatte…   „Es tut mir leid, aber ich kann es dir wirklich nicht sagen.“, ich ärgerte mich über mich selbst. Jetzt hatte ich selbst gemerkt, wie sehr ich mich nach Jake anhörte. Meine Gesichtsfarbe wurde nun nur noch dunkler.   Jessy kicherte um so mehr. „Ihr passt wirklich gut zusammen.“ Am liebsten wäre ich jetzt im Boden versunken. Es war doch höchstpeinlich so etwas ins Gesicht gesagt zubekommen. Jessy hatte wohl gemerkt, dass mir dieses Thema doch sehr unangenehm war, weswegen sie noch hinterher schob: „Und bei eurer Hochzeit bin ich dann Trauzeugin.“ „Jessy!“, schrie ich empört auf. Ihr war bewusst gewesen, dass mir diese Thematik Jake und ich unangenehm war und trotzdem hatte sie weitergestichelt. Ich unterstrich meinen Missmut noch mit einem Grummeln.   „Kleine Rache für die Geheimnisse.“, stichelte jetzt sie. „Unfair!“, protestierte ich. „Nur weil du nicht weißt, was Lillys Strafe ist.“, grinste sie verschwörerisch. „Arme Lilly!“, lachte ich und Jessy stimmte mit ein.   Doch sie stoppte abrupt. Nervös blickte sie auf den Boden. „Da ist noch etwas…“, nuschelte sie verlegen. „Ja?“, fragte ich verunsichert. Wusste sie doch etwas über Jake? Etwas das ihr schwerfiel mir zusagen? Ich merkte schnell wie lächerlich dieser Gedanken war. Nur weil meine Welt sich komplett um Jake drehte, musste ihre dies noch lange nicht… „Wenn wir in Duskwood sind musst unbedingt zu Alan Bloomgate.“erklärte sie mir nervös. „Wieso?“, fragte ich ernsthaft verunsichert. „Du musst noch eine Aussage machen…“, erklärte sie weiter.   Ich war so dumm!!! Wie konnte ich nur vergessen, dass Alan Bloomgate der Chef vom Duskwoods Polizeipräsidium war. Ich hatte auch gesehen, dass Alan mich kontaktiert hatte. Natürlich wollte er nicht einfach nur plaudern… Ich war wirklich so dumm!!! Schlussendlich, unabsichtlich hatte ich doch noch in Gefahr gebracht. Ich hatte mein Versprechen gegenüber Jake gebrochen… Alan war sicherlich alles andere, als amüsiert über die Tatsache, dass ich ihn erneut ignorierte.   „Wir konnten ihn gerade noch davon überzeugen keinen Haftbefehl gegen dich auszustellen.“, bestätigte Jessy meine Gedanken. „Ist das nicht etwas übertrieben?“, versuchte ich die Situation herunterzuspielen. „Er war wirklich stocksauer!“, erzählte Jessy weiter. „Hat gesagt einen Grund würde er schon finden und so…“   Mit einem genervten Augen verdrehen versuchte ich meine Angst zu überspielen. Ich hatte definitiv keine Lust auf einen Gefängnisausenthalt, auch nicht auf einen kurzen. „Ich habe ihn aber damit überzeugen können, es nicht zu tun, wenn ich dich nach Duskwood bringe.“, erzählte sie mir.   Diese Information ließ ich erst einmal einen Moment sacken. „Warte!“, sagte ich erschrocken. „Du hast meine Adresse von Alan?!“ Die Erkenntnis hatte mich wie der Schlag getroffen. Alles ergab plötzlich Sinn. Naja fast alles… Zu mindestens wie Jessy meine Adresse herausgefunden hatte. „Genau.“, bestätigte sie. „Von Datenschutz hält die Polizei ins Duskwood wohl nicht viel.“, grummelte ich. „Ist es den schlimm, dass ich hier bin?“, fragte Jessy erschrocken.   Ich schüttelte den Kopf. „Keineswegs!“ Daraufhin lächelte ich. „Ich freue mich ehrlich gesagt, dass du hier bist.“ „Ich freue mich auch, [MC]“, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Endlich lernen wir uns persönlich kennen.“ „Ja.“, lächelte ich. „Die anderen freuen sich auch schon auf dich! Weißt du nach deiner Aussage bei der Polizei wollen wir zur Hütte fahren und endlich mal Urlaub machen.“, erzählte sie von dem Plan. „Du meinst aber nicht die Hütte, oder?“, irgendwie konnte ich nicht vorstellen, dass sie oder einer der anderen noch einmal freiwillig in diese Hütte zurückzukehren wollten. Nicht, dass diese Hütte nicht wunderschön war. Diese idyllische Atmosphäre…. Irgendwie wäre ich damals gerne dabei gewesen. Auch wenn es eigentlich nur als Versteck diente vor dem Mann ohne Gesicht.   Doch irgendwie war gerade zum Anfang die Stimmung so harmonisch gewesen.   Lilly hatte mich extra angerufen als alle am Lagerfeuer gesessen hatten und Thomas auf seiner Gitarre gespielt hatte. Zu gerne wäre ich da gewesen… Mit Jake… Passenderweise hatten wir gerade miteinander geschrieben. Der Anruf hatte uns zwar unterbrochen, aber ich konnte mich umso mehr in den Gedanken verlieren, wie Jake und ich bei der Gitarrenmusik am Lagerfeuer schmusten.   „Doch, doch.“, holte mich Jessys Kichern in die Realität zurück, bevor ich mich wieder in meiner Phantasie verloren hätte. Ich wollte eigentlich nachhaken, ob sie oder die anderen es wirklich für eine gute Idee hielten in der Zufluchtshütte einen Urlaub zu machen.   Doch Jessy hatte es geschafft vorher das Thema zu wechseln. „Naja vorher müssen wir aber auch noch in die Aurora. Mein Bruder besteht förmlich darauf, dass du vorbeikommst.“, grinste sie vielsagend. „Warum?“, fragte ich verdutzt. Ich konnte mir wirklich nicht erklären, wieso Phil so darauf pochte mich zu treffen. „Na, weil er dank deiner Ermittlungen das Gefängnis wieder verlassen konnte.“, flötete sie fröhlich. „Naja.“, sagte ich leise. Es schien, bei dem ganzen Mist, den ich verzapft hatte, doch noch etwas Richtiges dabei gewesen zu sein. „…Wenigstens etwas“, seufzte ich.   Doch besonders wohl fühlte ich mich nicht bei dem Gedanken Phil zutreffen. Es lag ja nicht daran, dass ich ihn nicht mochte. So ganz im Gegenteil. Phil war ausgesprochen nett und höflich gewesen. Doch… Ich wusste, dass es Jake so gar nicht gefallen würde. Er war nämlich sowas von eifersüchtig auf Phil gewesen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte. Seine grundlose Ablehnung gegen Phil ließ sich nur so erklären.   Ach Jake wo steckst du bloß?   „Duuuu?“, fing Jessy plötzlich an. „Wie wäre es wenn du duschen gehst und ich hier mal anfange aufzuräumen?“ „Ähm naja duschen wäre wirklich keine schlechte Idee…“, begann ich. Ich musste fürchterlich stinken. Schließlich hatte ich in den letzten zwei Monaten auch meine Körperhygiene stark vernachlässigt. Neben allem anderen. „Aber ich kann gleich selbst aufräumen…“,meinte ich nun beschämt. „Ach was! Ich mach das schon“, lächelte sie. „Und jetzt ab unter die Dusche!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)