Die Vergessenen von phean ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Einmal mehr vergrub die Gedächtniszelle seine Finger in den Haaren. Seit gut einer halben Stunde versuchte er, sich zu erinnern, doch irgendwie wollte es nicht so recht. Leises Gemurmel war von ihm zu hören. Dann lief er einige Schritte in die eine Richtung und ein paar in die Andere. Bis es schließlich einen dumpfen Aufprall gab und er auf den Knien landete. Mittlerweile hatte ich meine Arme vor der Brust verschränkt, während ich ihn beobachtete. Für einen Augenblick verzog sich mein Gesicht, als ich mich fragte, ob es nicht wehtat. Der Aufschlag klang in meinen Ohren so laut. Aber die Zelle vor mir war nach wie vor in seinen Gedanken versunken. Allmählich wurde es wirklich anstrengend mit ihm. Er murmelte weiter vor sich hin, von dem ich kaum ein Wort verstand. Das einzige Wort, welches immer wieder zu hören war, war ‚Prophezeiung‘ – nicht wirklich hilfreich. Aber es kam immer wieder, half aber nicht bei unserem Problem. Nervös tippte ich mit dem Fuß auf dem Boden. Zumindest waren wir im Archiv, aber statt meinen Vorschlag, die Akten danach zu durchsuchen, anzunehmen, ging er lieber in seiner Verzweiflung auf. Es war doch jedes Mal das Gleiche. Schnaubend wandte ich mich herum und trat an ein Regal heran, um die erste Akte in die Hand zu nehmen. Dabei drang aus seiner Richtung immer noch das leise, unverständliche Gemurmel an mein Ohr. Energisch schlug ich die Akte auf und begann zu lesen. Oder unternahm vielmehr den Versuch, es zu tun. Zum einen störte mich natürlich das leise Gemurmel, welches nicht abbrach, zum anderen wusste ich natürlich nicht, wonach ich suchen musste. Der Kerl hier sprach ja nicht ordentlich mit mir. Mit jedem Wort welches ich las, das nicht wirklich in meinem Kopf ankam, verkrampfte ich meine Hände mehr. Mein Mund verzog sich weiter, weil es einfach nicht aufhörte. Mit Schwung warf ich schließlich die Unterlagen auf den Boden und wandte mich ruckartig der Gedächtniszelle zu. Diese saß noch immer auf dem Boden. Bedrohlich schritt ich näher heran und griff nach der Weste. Mit einem Ruck zog ich den anderen auf seine Beine zurück. Wütend funkelte ich ihn an. Ich hasse es, ignoriert zu werden und das sollte die Gedächtniszelle eigentlich wissen, immerhin verbrachten wir viel Zeit zusammen. „Kannst du mal damit aufhören?“, keifte ich den Schwarzhaarigen an. Dabei zog ich ihn mir nah heran, damit er mich nicht wieder ignorierte, sondern mir in die Augen sah. „Ich hasse es, wenn du das machst – weißt du das?“, fragte ich ihn mit zusammengebissenen Zähnen. Ich fixierte ihn. Seine Augen waren weit aufgerissen und ebenso grau wie meine eigenen. Wütend funkelte ich ihn weiterhin an, während er verwirrt wirkte. Manchmal ging mir seine Art wirklich auf die Nerven. Die Gedächtniszelle war nicht auf den Kopf gefallen, immerhin erinnerte sie sich an alles. „B-... B-Zelle“, entgegnete er. Mein Blick lag noch immer streng auf ihm. Zitternde Hände berührten mein. Sie fühlten sich warm an und ließen mich zusammenzucken. Es fühlte sich an, als würde etwas durch meinen Körper fahren. Was konnte das sein? Verwirrt weiteten sich jetzt meine Augen und ich sah auf unsere Hände. Ich hielt gar die Luft an, während ich sie anstarrte. „B-Zelle?“, erklang erneut seine Stimme. Er war vorsichtig, als würde ich ihm bei einem bösen Wort etwas antun. Meine Lippen pressten sich aufeinander, während ich wieder aufsah. Erneut durchzuckte mich etwas, als sich unsere Blicke kreuzten. Schwer schluckend musterte ich ihn. Meine Wut verrauchte. Wie kam das auf einmal mit einem Blick in seine Augen? Mein Mund öffnete sich, während ich noch immer verwirrt war. Er hingegen sah mich einfach nur an. Als sei alles normal. Ich wollte mich ehrlich von seinem Blick lossagen, aber es ging nicht. Statt mich zu beruhigen, schlug mein Herz immer schneller. Nervosität machte sich in mir breit und ich bekam schwitzige Hände. Sowas hab ich noch nie erlebt. Das war für eine B-Zelle doch nicht normal. Mein Mund verzog sich wieder. Meine Brust hob sich immer schwerer. „B-Zelle ... was ist ...“, begann mein Gegenüber. Doch ich konnte nicht wirklich auf seine Worte hören. Meine Augen huschten über sein Gesicht. Ich bekam kaum mehr Luft und eine ungewöhnliche Furcht überkam mich. Das hier war mir unbekannt. Die Gedächtniszelle schien jedoch vollkommen gelassen und ruhig, was mich noch mehr beunruhigte. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er mich schließlich. Mein Mund öffnete sich für eine Antwort, doch kein Wort wollte mir über die Lippen. Stattdessen machte sich ein anderes Gefühl in mir breit. Zusätzlich beschleunigte sich meine Atmung ungewöhnlich. „B-Zel...“, begann er noch, da hatte sich alles bei mir abgeschaltet. Mit geweiteten Augen starrte ich die Gedächtniszelle vor mir an, während ich meine Lippen auf seine presste. So starrte ich in seine, die ebenfalls weit aufgerissen waren. Wir sahen uns nur an, lösten uns aber auch nicht voneinander. Noch immer atmete ich schwer, aber bemerkte, dass es ein schönes Gefühl war. Eine angenehme Wärme machte sich in meinem Inneren breit. So etwas hatte ich noch nie verspürt. Wie auch, wenn ich sonst nur Antikörper auf seine Anweisung herstellen sollte. Dadurch hatten wir aber auch schon viel Zeit miteinander verbracht. Ganz nebensächlich bemerkte ich die Hände des anderen zitternd an meiner Seite und wie sie sich in meinen Overall gruben. Einem inneren Gefühl nachgebend, machte ich einen Schritt auf ihn zu und drückte ihn dadurch, da er bereits schon dicht vor mir stand, gegen das Regal hinter ihm. Forschend bewegte ich meine Lippen auf seinen, was er erwiderte. Kurz darauf schloss erst er die Augen und dann auch ich. Meine Zunge bewegte sich nach vorn und stupste gegen seine Lippen ... Da wurde die Tür in meinem Rücken aufgerissen. Schnell machte ich mir Luft und sprang zur Seite. Aufgeschreckt wie ein Huhn sah ich auf und erblickte das rote Blutkörperchen – AE3803. „Oh ... hier bin ich falsch ...“, murmelte es, sah sich verwirrt um und erblickte uns zwei, „hallo“, lächelte es und winkte, „entschuldigt die Störung.“ Da schloss sich die Tür wieder. Erschrocken sah ich weiter zu der Tür und nur langsam zur Seite. Die Gedächtniszelle war zurück auf den Boden gerutscht und schien erneut abwesend. Verwirrt musterte ich sie, seufzte dann aber und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)