ANEMIA von Anemia ((Association of Nocturnal Entities of Moral Individuality and Anachronism)) ================================================================================ Kapitel 12: CLANBUSINESS ------------------------ Es geschah nicht oft, dass ein Newbie oder einer, der es werden wollte, in ihrer Mitte auftauchte. Dementsprechend schlugen Teru gebannte Blicke entgegen, als dieser von Fuji vorgestellt wurde. "Leute, Teru will Vampir werden", erklärte Fuji mit einem Seufzen und nahm einen Zug von seiner Zigarette. "Ich konnte es ihm bisher noch nicht ausreden. Aber seht es ihm nach, er hat dezent einen an der Klatsche." Fuji erntete für diese Worte eine Geste mit Terus Mittelfinger. Von den Clanmitgliedern zeigte sich jedoch keiner beeindruckt oder verzog gar eine Miene. Einer der Typen, der eine Bandana um den Kopf trug, spuckte lediglich auf den Boden, ein weiterer kaute ungeniert auf seinem Kaugummi herum. Aber sie alle starrten Teru auf dieselbe Weise an. Interessiert und zugleich prüfend. So hatte Teru sich das nicht unbedingt vorgestellt. Nicht, dass er förmlich nackt gemacht wurde mit Blicken, und erst recht nicht, dass der Vampirclan, dem Fuji angehörte, aus einer Horde von geschätzt zwanzig hauptsächlich jugendlich aussehenden Männern bestand, die optisch so ziemlich jede Subkultur vertraten. Punks mit Stachelhaaren und Nietenwesten, Rapper mit versilberten Zähnen, fetten Klunkern und riesigen Klamotten. Oder einfach nur tätowierte Typen mit grimmigen Gesichtern, die man auf dem ersten Blick nirgendwo zuordnen konnte. Fuji stach dennoch aus der Menge heraus. Er war Mister Flawless, dessen Eitelkeit keiner nachahmte. Der Vampirprinz schlechthin mit seinem langen, glatten Haar, der Lederjacke mit Skelettprint und der selbstgefälligen Attitüde. Optisch passte Teru zu den Typen, keine Frage. Aber ob das genügte? Ein paar der Kerle kannte Teru sogar von DJ-Events, wie den riesigen Typen mit den schulterlangen Haaren, der wie ein Ent aus Terus Lieblingsfilmen Herr der Ringe wirkte, wie er da auf dem Klettergerüst hockte und Teru angrinste. "Du Mutiger...", urteilte jener knapp - und eindeutig sarkastisch - und legte den Kopf schief, leckte sich obszön über die Lippen. Nein, sie musterten ihn nicht nur interessiert in Hinblick auf eine potenzielle Mitgliedschaft in ihren Reihen, eindeutig nicht. Sie nahmen ihn kaum ernst. Fuji schloss seine Finger um Terus Arm und beugte sich näher zu seinem Ohr. "So lange du Mensch bist, sehen sie dich als Beute an", zischte er. "Sei deshalb besser vorsichtig. Wenn die alle an dir saugen, bist du hinterher nichts weiter mehr als eine nicht aufgeblasene Sexpuppe, also keine Mätzchen und keine schönen Augen, okay?" Er grinste schief und stupste Teru den Ellenbogen in die Seite. "Denk' dran: Wär' schade um dich." Das sah Teru genauso. Und ganz ehrlich, es behagte ihm nicht, das Objekt der Begierde von einem Haufen Typen zu sein. Hätte es vielleicht, wenn er hätte sichergehen können, dass sie ihm nicht zu nahe kamen. Aber Vampire waren Menschen überlegen, und wenn sie sich vornahmen, eine Orgie mit ihm zu feiern oder gar einen Snuff-Film zu drehen, dann hätte er die Arschkarte gezogen, eindeutig. Er zückte seinen Flachmann und kippte sich einen gehörigen Schluck Whiskey hinter die Binde. Der war nun dringend benötigt. "Wir sind heute hier", erklärte Fuji nun feierlich, "weil wir die Wölfe in ihrem eigenen Territorium endlich mal wieder ein bisschen aufmischen wollen." Jubel tönte von der Wippe, der Schaukel, den Klettergerüsten her. Fäuste wurden emporgerissen. Teru machte halbherzig mit, auch wenn er nicht wusste, was nun genau daran so toll sein sollte. "Wölfe aufmischen?", fragte er Fuji deshalb, und der Vampir nickte, steckte sich genüsslich die Zigarette zwischen die Lippen. "Dämonen und Werwölfe sind die einzigen Spezies, die sich nicht von uns versklaven lassen", berichtete er Teru. "Sie meinen, dass sie uns überlegen sind." Er wandte sich an die Menge. "Und? Sind sie das?" "Niemals!", brüllten die Kerle und johlten. "Machen wir die Wichser endgültig kalt!" Teru zog die Augenbrauen hoch und lachte nervös. Zupfte an Fujis Ärmel. "Ernsthaft? Kalt machen?" Fuji sah ihn an, als hätte er ihn gefragt, ob der Himmel blau wäre. Dann winkte er mit einer Bewegung seines Zeigefingers jemanden heran. "Shiro?" Der Kerl, der offenbar Shiro war, trat vor. Es war ein Bürschchen, das Teru gerade mal bis zur Schulter reichte, mit dem Gesicht eines Milchbubis. Der Junge sah aus, als wäre er gerade dreizehn geworden, hatte aber dieselbe Frisur wie Teru - geflochtene Zöpfe und Undercut. Und ein großkotziges, schiefes Grinsen im Gesicht, als er ihm sein Gewehr hinhielt. "Kannst du damit umgehen?", fragte Fuji Teru, der die Waffe an sich nahm, mit dem Blick eines Kindes, dem man gerade das Spielzeugauto geschenkt hatte, welches es sich zu Weihnachten gewünscht hatte. Waffen fand er schon ziemlich cool, weil sie einen cool aussehen ließen. Er nickte, während er sich das Gewehr betrachtete. "Yeah, schon, aber...ich soll damit auf Leute schießen?" "Auf Wölfe, du Nuss", korrigierte ihn Fuji und strich sich lässig die Haare nach hinten. "Solange du ein Mensch bist, bist du wesentlich verwundbarer als wir. Deshalb solltest du von Nahkampf absehen und lieber auf Silberkugeln zurückgreifen." Teru begriff, dass Fuji ihn missverstanden hatte. Etwas ratlos betrachtete er das Gewehr. "Mann, ohne Scheiß...Gewalt?" "Und?" Fuji sah ihn ungerührt an, die Zigarette im Mundwinkel. "Hast du Schiss?" Terus Blick wanderte über die ihn lauernd ansehenden Gesichter. Ein hämisches Grinsen hier, ein verächtliches Schnauben da. Der lange Lulatsch leckte sich wieder über die Lippen. Der ist als Beute besser aufgehoben, schien er zu denken. "Nee, aber...gibt's da nich' 'ne bessere Lösung, wenn ihr Stress habt? Ich bin echt kein Fan von Gewalt." Das war sogar noch untertrieben. Teru in seiner Sensibilität machte es bisweilen sogar traurig, wenn er die Nachrichten sah und damit die sinnlosen Kriege, die auf der Welt bestritten wurden. Negative Energie nahm ihn mit. Und dieser Scheißhaufen hier war voll von negativer Energie. Aber sie waren die coolen Kids. Und Teru war trotz allem gerne ein cooles Kid. Fuji schlug ihm kameradschaftlich auf den Rücken. "Du kleine, weiche Pussy musst echt noch viel lernen." Gelächter brach los. Teru war bloßgestellt worden, vor versammelter Mannschaft. Ärgerlich hob er die Waffe an seine Schulter und zielte auf den nächstbesten Typen. Dieser aber streckte ihm bloß die Zunge heraus und zeigte ihm den Mittelfinger, wie Teru durch das Visier hindurch sah. "Schieß doch!", forderte er ihn sogar heraus, hob aufmüpfig das Kinn, denn er wusste, dass Teru das nicht hinbekam. Und er sollte recht behalten. "Schieß auf meine Bros und du stirbst einen qualvollen Tod", warnte Fuji ihn und legte ihm dann die Hand auf die Schulter. "Sie kommen. Fertig?" Zunächst wusste Teru nicht, wovon er sprach. Dann aber sah er, wie Fuji seinen Schlagstock nach unten stieß, als er ihn ausfuhr, und auch die anderen Typen verließen ihre Plätze und zückten ihre Waffen. Baseballschläger, Pistolen, Elektroschocker, Schlagringe. Dann wanderte sein Blick von den Vampiren hin zu einer weiteren Gruppe, die sich ihnen näherte. Die Mitglieder derer wirkten muskulöser, bulliger, größtenteils noch mehr wie wilde Tiere als die Vampire. Es dauerte nicht lange, bis aufeinander losgegangen wurde. Schreie und Geknurr vermischten sich mit dem ekligen Geräusch von berstenden Knochen und gebrochenen Nasen. Und dann sonderte sich einer der Wölfe ab und starrte Teru direkt an. Seine Mundwinkel zogen sich zu einem triumphierenden Grinsen empor. Natürlich roch er, dass Teru ein schwacher Mensch war. "Schieß schon, du Schlappschwanz! Bevor er dich abmurkst!", schrie ihm Fuji zu, ehe er weiter auf einen Typen eindrosch, der wenig später zu Boden ging. Zitternd setzte Teru die Waffe an, nahm den Wolf ins Visier, auch wenn ihm sein Bauchgefühl und sein Gewissen bereits sagten, dass er es nicht würde fertigbringen können. Immer näher kam der Kerl, und schließlich, als er einen Satz direkt auf Teru zu machte, machte dieser auf dem Absatz kehrt und flüchtete sich samt Waffe in sein Auto. Ein sicherer Hafen, wie Fuji ihm erklärt hatte. Von dort drinnen sah er mit großen Augen durch die Scheibe - und zeigte dem Wolf beide Stinkefinger. Attitüde bewahren. Auch wenn man eine Flachzange war. Aber fairerweise hätte selbst Fuji zugeben müssen, dass dies eine andere Liga war als eine Schulhofschlägerei. Deshalb fuhr er nun schnell heim, ab durch die Mitte, mit röhrendem Motor und hundertachtzig Kilometern pro Stunde mitten in der Stadt. Attitüde bewahren. Und sich dann schnell mit Daddy und Big Bro ins Bett kuscheln anstatt Werwölfe abzuknallen. Scheiß auf Vampir werden! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)