ANEMIA von Anemia ((Association of Nocturnal Entities of Moral Individuality and Anachronism)) ================================================================================ Kapitel 9: KOMFORTZONE ---------------------- So wie es aussah, würde es zu einer Gewohnheit zwischen Fuji und Teru werden; dies war das zweite Mal, dass sie aufeinandertrafen und auf dem Dach landeten, um dort Fujis Hunger zu stillen. Und Terus Bedürfnis nach aufregenden Begebenheiten. Dieses Mal hatte Teru sich freiwillig angeboten, fast wie eine Nutte, fand Fuji. Eine Bluthure. Diesen Namen hatte Fuji ihm in Gedanken mit einem Grinsen verpasst. Ausgesprochen hatte er ihn nicht. Die Gefahr, Teru zu sehr zu erregen, war zu groß. Und daraufhin noch eine Schlappe - im wahrsten Sinne des Wortes - konnte Fuji sich nicht erlauben. Obwohl es Teru gewesen war, der sein Loch um keinen Preis Fuji zur Verfügung hatte stellen wollen. Womöglich aber war das nur eine Masche gewesen, argwöhnte Fuji. Er wäre nicht der erste Typ, der hard to get spielte. Bevor sich wieder fiese Gedanken anschleichen konnten, reichte er seiner Beute ungefragt Feuer, als diese sich die berühmte Zigarette danach zwischen die Lippen schob. Heute hatten die beiden sich nicht vollkommen abgeschossen. Das wohlige Gefühl der Angetrunkenheit erfüllte Fuji. Die Nacht in diesem Zustand zu genießen, konnte man mit nichts anderem vergleichen. Fuji, Kind der Nacht, liebte die Finsternis. Obwohl sich ihm noch tausende Gelegenheiten bieten würden, diese zu zelebrieren. "Ich will auch 'n Vampir werden", platzte Teru plötzlich heraus. Fuji, der sein Handy in der Hand hielt, um ein paar Nachrichten zu checken - denn endlose Nächte konnten sich ziehen, selbst mit Teru an der Seite - sah gar nicht erst von seinem Display auf, das sein Gesicht erhellte und bleich erscheinen ließ. "Du hast wohl den Arsch offen", war sein einziger, trockener Kommentar. Natürlich nahm er Teru kein bisschen ernst. Dafür nahm Teru seine Idee umso ernster. "Wieso denn? Das muss doch total cool sein, so 'n Leben! Ihr seid stärker als 'n Mensch, so weit wie ich das bislang mitgekriegt hab', ihr seid total schnell und außerdem unverwundbar! Hast du selbst gesagt. Eure Spucke hat Heilkräfte! Ihr könnt euch doch in Fledermäuse verwandeln, oder? Heißt doch immer so. Das wäre krass! Ich und 'ne Fledermaus!" Er kratzte sich den Kopf. "Aber scheiße wär's, wenn ich mein Spiegelbild nich' mehr sehen könnte..." Fuji sah noch immer nicht auf. Der Redeschwall des anderen hatte ihn überhaupt nicht beeindrucken können. "Und? Ich wär' doch bestimmt 'n rattenscharfer Vamp! Kannst du das nich'...irgendwie machen? Ihr könnt das doch, Menschen in Vampire verwandeln", schwallte Teru ihn deshalb weiter zu, und als Fuji schließlich gezwungenermaßen schwerfällig und gelangweilt den Blick hob, sah er, wie der andere ihn ganz erwartungsvoll anlächelte. Beinahe schon niedlich. Die Bluthure erinnerte Fuji eher an ein Hündchen als einen Wannabe-Vampir. "Menschen", seufzte Fuji tief; wenn man fast hundert Jahre lebte, entwickelte man eine gewisse Arroganz gegenüber den dummen Sterblichen. Er strich sich durch die Haare und zog dann an seiner Zigarette. "Du bist auch auf der Nudelsuppe hergeschwommen, mh?" "Häh, wieso? Auf der Nudelsuppe?" Fuji ließ sein Handy sinken. "Hör mir mal zu. Du kannst mir nicht erzählen, dass du Bock drauf hast, ewig zu leben. Kaum ein Vampir hat das. Die meisten haben die Schnauze voll nach einer Weile. Die Geschichte wiederholt sich - eure Geschichte, eure menschliche Geschichte - und alles wird irgendwann stinklangweilig, wenn man es tausendmal gemacht oder gesehen hat." Teru legte den Kopf leicht schief und blinzelte dann mit einem Schmunzeln. "Ich könnte für immer Musik machen und auftreten", hielt er dagegen. "So schlimm kann's gar nich' sein, Mann. Und erstmal würde ja alles beim Alten bleiben." Er knuffte Fuji gegen die Schulter. "Hey! Ich würde für immer sexy sein! Du hast selbst gesagt, es wäre schade um meinen Körper...warum ihn dann nich' konservieren?" Fuji ließ sich nicht beirren. "Erstmal würdest du auch kein Menschenessen mehr vertragen. Du bräuchtest Blut, und sich das zu beschaffen ist gar nicht so einfach. Bluthuren gibt's nicht wie Sand am Meer, und außerdem muss man vorsichtig sein, wem man von seinem Geheimnis erzählt." "Bluthuren?", hakte Teru nach und lachte auf, tätschelte Fujis Schulter immer noch. "Okayokay...das klingt jetzt echt nich' so geil. Und was is' mit Schnaps? Vertrag' ich den dann noch?" "Was schätzt du denn?" Teru wackelte mit dem Kopf, zog den Mund breit. "Also eher nich' so..." "Schlauer Junge." Nun sah Teru doch reichlich nachdenklich aus. Sein Blick zuckte aber bald schon wieder hin zu Fuji. "Aber du hast dich schon wieder dran gewöhnt?" Fuji blies den Rauch aus, nickte. "Wie man sieht." Er sortierte seine Beine neu, setzte sich in den Schneidersitz. Irgendwie musste er Teru von seiner Schnapsidee - im wahrsten Sinne des Wortes war es eine - abbringen. Schließlich bereuten die meisten Vampire tatsächlich, Vampire zu sein. Für Menschen sah das alles so lustig und cool aus, weil sie für Menschen mitunter nichts als wandelnde Fetische darstellten. Fuji hasste diese Idioten aus tiefstem Herzen. Wenigstens schien Teru keinen solchen Fetisch zu haben. In dem Fall hätte er ihn wohl schon vom Dach geschubst, schöner Körper, um den es schade gewesen wäre, hin oder her. "Weißt du, wenn ich dich zu einem Vampir machen würde, dann würde das bedeuten, dass du mein Untertan bist. Du würdest dann auf mich hören müssen. Als mein Vampirkind." Fuji ahnte, dass Teru das nicht gefallen würde, und entsprechend veränderte sich auch sein Gesichtsausdruck. Es lag auf der Hand, dass ihm etwas Aufmüpfiges auf der Zunge lag, aber in dem Moment leuchtete das Display von Fujis Handy wieder auf, da er eine Nachricht erhalten hatte. Der Sperrbildschirm zeigte ein Bild von Maki. Makis Lächeln. "Woah, wer is' das denn?", wollte Teru wissen, der unweigerlich ebenfalls auf das Display geschaut hatte. "Kommt mir irgendwie bekannt vor...is' doch 'n Typ, oder?" "Das ist mein Kätzchen", erklärte Fuji mit definitiv zärtlicher Stimme, als er den Blick auf das Handy senkte. "Mein Prinzesschen." Warum etwas leugnen? Er hatte keine Lust, das Gespräch abzuwiegeln. Viel mehr war er stolz darauf, etwas so Schönes wie Maki sein eigen nennen zu dürfen. Teru sollte ruhig neidisch sein. "Süß", lächelte Teru und zog ebenfalls an seiner Zigarette. Aber anstatt er damit Fuji eine triumphierende Antwort entlockte, überkamen den Vampir die traurigen Gefühle. "Leider hat er mich schon ewig nicht mehr so angelächelt. Immer faucht er nur herum. Ich glaube, er kann mich nicht leiden. Kommt nur zu mir, wenn er es nötig hat. Und selbst dann hat er keinen Spaß..." "So 'n schlechter Lover bist du?" Teru schnippte die Zigarette weg und gluckste, brachte damit Fujis Augen zum roten Glühen. Als Warnung. Das aber schüchterte Teru nicht ein. Der Kerl kannte keine Angst. "Sorry, Mann. Aber irgendwas muss da ja verdammt schief laufen bei euch." Fuji wollte aus einem Impuls heraus protestieren, doch im Grunde hatte Teru den Nagel auf den Kopf getroffen. Etwas lief verdammt schief. "Wenn er nich' von selber lächelt, dann bring' ihn zum Lächeln.", schlug Teru locker vor und legte sich nun hin, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. "Gib' dein Bestes, um ihn glücklich zu machen." Fuji glotzte ihn an, als hätte er im gerade eröffnet, dass die Welt eine Scheibe war und Kühe lila. "Wer bist du denn?", entgegnete Fuji befremdet mit gerümpfter Nase. "Mister Verliebt?" Vollkommen überraschend lachte Teru daraufhin und nickte. "Yeah. Aber du doch auch, Fucker!" Das rührte Fuji wie der Donner. Er, verliebt? Das war genauso unvorstellbar wie die Tatsache, dass Teru offenbar selbst auch verliebt war. Wieso wollte er dann ein Vampir werden? Der Typ sollte mal nachdenken. Aber das kümmerte Fuji im Moment weniger. Hastig pfriemelte er eine neue Zigarette aus der Schachtel und steckte sie sich eilig an. Das musste er erst einmal verdauen. Noch nie hatte ihm jemand den Spiegel vorgehalten. "Aber ich kann doch nicht monogam mit einem Sklaven zusammen sein", überlegte er laut nach einer Weile, anstelle Terus Behauptung abzustreiten. Es wäre wohl ohnehin nur eine Ausrede gewesen. "Häh? Sklave? Monogam? Was laberst du für 'n Bullshit, Mann?" "Vampire dürfen einen Harem haben, zumindest die, die dem Clan angehören und in der Hierarchie ganz oben stehen", erklärte Fuji leidlich, denn schließlich war er derjenige, der das Thema erst auf das Tapet gebracht hatte. Klar, dass Teru nachfragte. "Man kann auch mehrere Leute lieben", erwiderte Teru locker und lächelte hoch zu den Sternen, als würde er über diese sprechen und diese lieben, jeden einzelnen. "Ja, vielleicht, aber..." "Du liebst nur den Kleinen." Fuji wandte den Kopf ab. Trommelte auf das Beton unter ihm. Sein Herzschlag. "Ich kann das Gesetz nicht brechen", murmelte er. "Ich hab' das schließlich mitbegründet." "Das würde dein Kleiner aber bestimmt ziemlich antörnend finden, wenn du für ihn dein eigenes Gesetz brichst", meinte Teru. "Krasser Liebesbeweis. Mann, lass dir mal was einfallen, wenn du ihn wirklich willst. In der Komfortzone passiert doch nie was richtig Geiles." Fuji seufzte. Betrachtete Teru. "Du hast mehr Plan von der Materie als ein Hundertjähriger. Sicher, dass du nicht schon ein Vampir und prähistorisch bist?" "Ich hab' bloß die besten Lehrer", entgegnete Teru versonnen, was Fuji die Stirn runzeln ließ. So richtig verstand er nicht... "Unterschätz' die Bluthuren mal nich', Mann." Das sollte Fuji wohl wirklich nicht tun. Teru jedenfalls war so viel mehr, als er auf den ersten Blick zu sein schien. Er hatte Fuji die Augen geöffnet. Nun sah er klar. Und würde handeln können. Müssen. Raus aus der Komfortzone. Rein in Makis Herz. Falls es dafür noch nicht zu spät war... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)