Sunrise - Daisuga von Scharon ================================================================================ Prolog: Sommerwind ------------------ „Warte.“ Ich will gerade die Sporthalle betreten, da fast mich Sugawara am Ärmel und meine Bewegung stoppt augenblicklich. Mit fragendem Gesichtsausdruck drehe ich mich zu ihm um, treffe auf seinen aufgeregten Blick, der meine rechte Stirnseite zu fixieren scheint. Ich blinzele ihn langsam an als er an meiner Schulter zerrt und ich mich leicht hinunterneige. „Halt still. Nicht bewegen.“ Sofort spanne ich alle meine Muskeln an, bewege mich keinen Millimeter. Nur meine Augen verfolgen die Bewegungen seines Körpers, der sich meinem langsam nähert. Er fasst mit der linken Hand meine linke Schulter fester, drückt sich auf die Zehenspitzen hoch und neigt sich zu mir vor. Die Röte schießt mir auf die Wangen als sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt ist. Ich spüre wie seine Finger mein Ohr streifen und das Kitzeln meiner Haare als er nach einer Strähne greift. Der milde Wind trägt seinen Duft zu mir und ich atme tief ein. Suga riecht mach Sommer. Süßlich voll mit einem Hauch Zitrus. Ich schließe kurz die Augen, genieße seine Nähe, bevor ich langsam wieder ausatme und zu ihm hoch schaue. Sein Blick ist starr auf meine Stirn gerichtet. „Gleich...“, kündigt er an und ein liebevolles Lächeln legt sich auf seine Lippen. Mein Herz schlägt schneller. Wenn er lächelt, ist er noch schöner als er es eh schon ist. Ich beobachte das Muttermal unter seinem linken Auge, welches mit seinen Kopfbewegungen hin und her tanzt. Warum ist er so aufgeregt? Warm streift sein Atem meine Wange, dass mir ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Sein Mund öffnet sich und er lehnt sich zurück. „Hier.“, sagt er erfreut und zeigt mir einen Marienkäfer, der auf seinem Finger krabbelt. Noch immer von seiner Nähe benebelt, kann ich ihn nur überfordert anstarren. „Die bringen Glück.“ Langsam bewege ich meinen Blick zu seinem Finger und sehe das Krabbeltier blinzelnd an. „Ja?“, sage ich leise und beobachte sein fröhliches Gesicht. Er nickt. „Komm her.“ Was? Er hebt den Finger mit dem Käfer an und kommt mit ihm auf mich zu. Reflexartig hebe ich meinen Arm und imitiere seine Handhaltung. Er dreht seine Finger, dass der Marienkäfer auf mich zu läuft, dann legt er seine Hand an meine. Mit klopfendem Herzen beobachte ich das kleine Tier, wie es von seinem Finger auf meinen krabbelt. Gleichzeitig genieße ich das Gefühl, dass entsteht, wo sich unsere Haut berührt. Sugas Wärme ist berauschend. „Streck ihn hoch.“ Er zeigt in den Himmel. Zögerlich hebe ich meine Hand immer höher, sehe zu, wie der Marienkäfer meinen Finger hinauf wandert und an der Spitze stehen bleibt. „Sieh hin, gleich hebt er ab.“ Sugas Stimme ist aufgeregt hoch. Ich lächle ihn sanft an, da spüre ich wie der Käfer seine Flügel aufschlägt und losfliegt. Suga lacht. Ich tue es ihm gleich. Mein Blick bleibt an ihm haften, während er dem Insekt freudig hinterher sieht. Sein sanfter Blick, das Lächeln auf seinen Lippen, wie er verspielt die Finger hinter dem Rücken verschränkt...Suga... Ich mag ihn. Ich mag ihn wirklich sehr. In letzter Zeit fällt mir das immer wieder auf. Wenn er so dicht bei mir ist, wenn er lächelt, wenn er mich ansieht... dann klopft mein Herz schneller. Wir sind seit Jahren befreundet, schon in die selbe Mittelschule gegangen und dort schon unzertrennlich gewesen. Als wir diesen Sommer in die Oberschule, nach Karasuno, gewechselt sind habe ich gespürt, dass sich unsere Beziehung weiter entwickelt. Die Schuluniform steht ihm wirklich gut. Er sieht so erwachsen aus. Auch ich fühle mich erwachsener, vielleicht auch, weil ich zum Captain des Volleyballteams gewählt wurde. Und Suga an meiner Seite zu wissen, fühlt sich toll an. Einfach richtig. Doch genau dieser Gedanke beginnt langsam unsere Freundschaft zu überlagern. Ich will mit ihm zusammen sein. Für immer. Mein ganzes Leben will ich mit ihm teilen. Er ist meine Sonne an Regentagen... Ich... „Daichi, gehen wir rein? Wir haben Training.“ Suga lacht mich an und ich kann nur aus vollstem Herzen zurück lächeln. Ich liebe ihn. Kapitel 1: Sonnenaufgang ------------------------ Nach dem Training räumt das Team gemeinsam auf. Als Erstklässler sind Suga, Asahi und ich für die Ordnung im Geräteraum zuständig. „Uff.“, keucht Suga auf als er die letzten Wagen in den Raum schiebt. „Kommt es mir nur so vor oder werden die Wagen von mal zu mal schwerer?“ Er lacht und ich lächle ihn mit klopfendem Herzen an. „Ah, ich muss los!“ Von der plötzlichen Lautstärke überrascht, schrecke ich zusammen und sehe zu Asahi, der mit panischem Gesichtsausdruck zur Uhr an der Hallenwand hinauf sieht. „Meine Mutter hat heute Geburtstag und wir gehen gemeinsam essen. Der Tisch ist reserviert und...“ „Ist schon gut, Asahi.“ Ich hebe beschwichtigend die Hände. „Geh ruhig. Wir schaffen den Rest auch alleine.“ Er senkt den Kopf tief und sieht skeptisch zu mir auf. „Ganz sicher?“ Ich nicke. „Tut mir leid.“ „Braucht es nicht. Jetzt geh schon.“, meint Suga und beginnt ihn zu schieben. Widerwillig setzen sich Asahis Beine in Bewegung. „Ich danke euch. Bis morgen!“ Asahi läuft los und Suga kommt taumelnd neben mir zum Stehen. Dann dreht er sich zu mir und schließt die Augen lächelnd. „Wir haben schon alles eingesammelt. Noch die Tore schließen, dann wars das für heute.“ Ich nicke ihm zu und wir machen uns an die Arbeit. Anschließend gehen wir in die Umkleide und ziehen uns um. Ich erwische mich, wie ich öfter zu ihm rüber sehe als normalerweise. Suga ist schlank und trainiert zugleich. Seine Muskeln zeichnen sich nicht so deutlich unter der Haut ab, wie es bei mir oder Asahi der Fall ist, dennoch wirkt er athletisch. Vor allem ohne sein T-Shirt. Ich werde rot und sehe schnell weg. „Hast du gemerkt, was in den Fluren für ein Andrang herrscht?“ Ich sehe ihn fragend an, während er beim Sprechen weiter zu seiner Tasche blickt, sein Shirt faltend. „Die Schülerinnen aus der 3-1 verkaufen selbstgemachte Karten.“ Ich lege irritiert den Kopf zur Seite. Er sieht mich an und beginnt zu lachen. „Nächste Woche ist Valentinstag.“ Erkennend ziehe ich Luft durch die Nase ein. „Ich bin gespannt wie viele Pralinenschachteln du dieses Jahr mit nach Hause nimmst.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und stoße ihn in die Seite. „Das musst du gerade sagen, Schönling. Du kannst dich doch sonst nicht vor Verehrerinnen retten.“ Er lacht. Ok, in der Mittelschule waren wir wohl beide recht beliebt, doch jetzt sind wir praktisch Fremde. Es ist unser erstes Jahr an der Karasuno und außer den Mädchen in unserer Klasse, kenne ich kaum eines, welches auf diese Schule geht. Außer... „Ich wette, Yui macht dir Schokolade.“ Suga stemmt die Hände in die Hüfte und hebt die Nase zum Himmel. Ich sehe verlegen zu Boden. Yui Mishimiya ist im Mädchenvolleyballteam und genau wie wir im ersten Schuljahr der Oberschule. Sie kommt immer und sieht unsere Spiele an, jubelt uns zu, auch wenn wir am Ende immer verlieren. Anschließend unterhält sie sich meistens noch ein bisschen mit mir. Vielleicht hat Suga Recht. „Was wirst du dann tun?“ Er zieht sein Hemd an und sieht mich auffordernd an. „Hm?“ Wie meint er das? Er sieht zur Decke auf. „Na, wenn sie dir Schokolade gibt.“ „Ich nehme sie an und bedanke mich?“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Er lächelt mich mit schmalen Augen an. „Nein, ich meine...“ Er sieht zu Boden. „Gehst du mit ihr aus?“ Sofort schlägt mein Herz schneller. Prüft er gerade durch die Blume, ob ich sie mag? Ich senke den Kopf, halte ihn aber im Blick. „Nein.“ Überrascht sieht er zu mir rüber. „Das wäre nicht gerecht, ihr gegenüber.“ Seine Augen werden groß und mein Herz klopft noch wilder. Mit leicht zittrigen Fingern gleite ich in meinen Pullover. „Wieso..?“, hakt er mit leiser Stimme nach, wirkt ein wenig aufgeregt. Ich schlucke, beschließe aber ehrlich zu bleiben. „Weil ich... jemand anderen...mag.“ Ich spüre die Röte in mein Gesicht schießen, in dem Moment, in dem ich ausgeredet habe. Ich wende den Kopf schnell ab, in der Hoffnung, dass er es nicht bemerkt hat. „Und...wen?“, fragt er und tritt näher an mich heran. „Das... Das sage ich dir nicht.“ Ich schlucke trocken, während mein Blick gegen meinen Willen an ihm hinauf wandert. Als sich unsere Blicke treffen, senkt er den Kopf. „Was? Ich dachte wir würden uns alles sagen...“ Ich sehe runter zu seinen Lippen als er einen Schmollmund zieht. Sofort klopft mein Herz schneller. Er ist mir so nah und wir sind ganz alleine. Das wäre der perfekte Moment, um ihm meine Gefühle offen zu legen. Aber... ich fürchte mich auch ein wenig davor. Was, wenn er sie nicht erwidert? Wie stehen wir dann vor einander? Könnten wir trotzdem Freunde sein? Ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Doch, wenn ich es nicht riskiere und wir sind tatsächlich für einander bestimmt... könnte ich damit leben? Er legt den Kopf zur Seite und sieht zu Boden. Ich beobachte wie er durchatmet, sich seine Brust hebt und wieder senkt. Ich möchte ihn anfassen. Ich möchte ihn an mich drücken und... Ich hole tief Luft und atme langsam aus. Er hebt den Blick und wir sehen uns in die Augen. Sofort bin ich in dunklem Karamell gefangen. Mein Atem geht schneller. Ich will es tun. Wir stehen bereits so dicht an einander, dass ich mich nur leicht vorbeugen brauche, um ihn zu erreichen. Meine Hand wandert an seine Schulter, während er mich überrascht ansieht. Langsam senkt sich mein Blick zu seinen Lippen und ich nähre mich ihnen. Je dichter mein Gesicht seinem kommt umso stärker spannen sich seine Muskeln unter meiner Hand an. Es ist zu verlockend, ich kann nicht mehr zurück, ich möchte... Sanft und mit wenig Druck lege ich meine Lippen auf seine, schließe meine Augen. Mein Herz beginnt aufgeregt zu klopfen. Sein Mund ist so weich. Es fühlt sich noch viel schöner an, als ich es mir vorgestellt habe. Kurz genieße ich den Moment, dann spüre ich, dass Suga regungslos verharrt. Er ist wie erstarrt, küsst mich nicht zurück. Habe ich ihn einfach überrumpelt oder geschieht das nicht in seinem Interesse? Ich löse mich von ihm, schlage die Augen auf und blicke direkt auf seine geschossenen Lider. Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, auch nicht als er die Augen öffnet und sich unser Blick trifft. Doch er hat meinen Kuss nicht erwidert. Dann heißt das wohl... „Ich...“, sage ich aufgeregt und hebe ruckartig die Hand von seiner Schulter. „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht...“ Weiter komme ich nicht. Er wirft sich nach vorne, gegen mich, legt die Hände auf meiner Brust und küsst mich zärtlich. Sofort schießt ein warmer Schauer durch meinen Körper und ich lege die Arme um ihn. Es fühlt sich so schön an. Er will mich also auch. Erleichtert lächle ich ihn an, als er sich wieder zurücklehnt. Das Funkeln in seinen Augen erwärmt mein Herz. Dann verschwindet es plötzlich und die Ruhe, die sonst in seiner Ausstrahlung wohnt, gleich mit. Aufgeregt beschleunigt sein Atem und er drückt sich von mir weg. Was ist denn jetzt auf einmal? Beunruhigt sehe ich ihn an, wie sein Blick über den Boden huscht. „Suga...“, sage ich leise, da sieht er mich erschrocken an. „Nein...“ Meine Augen weiten sich überrascht. Er schüttelt den Kopf. „Nein.“ Er sieht mich mit traurig zusammengezogenen Augenbrauen an. „So fühle ich nicht. Es tut mir leid.“ Er schüttelt weiter mit dem Kopf, während er zwei Schritte rückwärts macht. „Was...?“, hauche ich überfordert. Wenn er nichts für mich empfindet, warum hat er mich dann geküsst? „Ich...“, sagt er aufgeregt und senkt den Blick. „Ich sollte gehen.“ Er greift seine Tasche und dreht sich weg, doch ich fasse im Reflex sein Handgelenk. „Bleib hier.“, bitte ich ihn. „Reden wir darüber.“ Er dreht sich langsam zu mir um. „Lass mich bitte gehen.“ Seine Stimme wackelt, die Augen sind mit Tränen gefüllt. Erschrocken lasse ich sein Handgelenk los und er verlässt den Raum mit eiligen Schritten. Ich schlucke, sehe ihm nach. Ein dumpfer Schmerz macht sich in meiner Brust breit und mein Hals schnürt sich zu. Ich beginne an meiner Unterlippe zu knabbern als ich spüre, wie die Leere des Raumes auf mich drückt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nachdenklich gehe ich alleine nach Hause, kann nicht schlafen in dieser Nacht. Kapitel 2: Sommerregen ---------------------- Mit einem mulmigen Gefühl betrete ich die Umkleide, nachdem ich das Hallenlicht eingeschaltet habe. Suga hat nach dem Unterricht nicht auf mich gewartet, wie sonst. Er braucht wohl noch ein bisschen Zeit für sich, ehe er wieder mit mir alleine sein kann. Ich schlucke. Wir waren uns immer so nah. Selbst wenn wir uns gestritten haben, sind wir nie auseinander gegangen ohne uns zu versöhnen. Und jetzt... Es fühlt sich komisch an, als hätte sich eine Wand zwischen uns aufgebaut. Er steht an seiner üblichen Stelle und zieht sich gerade sein Trainingsshirt an. Lautes Gemurmel erfüllt den Raum. Wenn ich mich jetzt an einen anderen Ort im Raum stelle als sonst, dann wirkt das sicher als wollte ich Abstand. Doch das will ich nicht. Wenn ich mich aber neben ihn stelle, wo ich hin gehöre, könnte es ihn bedrängen. Doch hier, vor allen anderen, sollte er meine Nähe ertragen können, oder? Ich gehe zu ihm und stelle mich an die Bank. „Hey.“, kommt es freundlich über meine Lippen, ehe ich drüber nachgedacht habe. Er sieht mich kurz an, senkt den Blick. „Hey.“, sagt er bedrückt. Ich presse die Lippen zusammen. Es ist ungewohnt ihn so in sich gekehrt zu sehen. Das ist meine Schuld, das weiß ich. Ich muss uns irgendwie ablenken. „Hilfst du mir bei den Flaschen?“ Er hebt den Kopf ohne zu mir rüber zu sehen, starrt vor sich auf den Spind. „Klar.“ Ich nicke. Innerlich bin ich sehr erleichtert, dass er unsere gemeinsame Routine vor dem Training beibehalten will. Ich nehme die Kühltruhe mit den leeren gelben Sportflaschen hoch und gehe um die Ecke zum Wasserspender. Er folgt mir und hockt sich neben mich, reicht mir eine Flasche nach der anderen an und ich befülle sie. Wir kennen unseren gegenseitigen Rhythmus, brauchen nichts zu sagen, wissen, wann wir die Hände bewegen müssen, um die Flaschen zu übergeben. Unsere Finger streifen sich leicht, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Doch ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, will ihn nicht erschrecken. Als ich nach der nächsten Flasche greife, erwische ich seine Hand komplett. Überrascht sehe ich zu ihm runter ohne meine Hand von seiner zu nehmen. Er blickt zu mir auf, mit seinen großen braunen Augen, dann senkt er betroffen den Kopf. Ich ertrage es nicht ihn so traurig zu sehen. Ich kann nicht so tun als wäre nichts geschehen, obwohl ich mir das wünsche. „Suga...“, setze ich an und er lässt die Flasche los, entzieht mir seine Hand. Ich spüre einen Kloß in meinem Hals anschwellen. „Wir sind immer noch die selben wie gestern Abend.“ Er sieht zu mir auf, was mein Herz direkt schneller schlagen lässt. Sein Blick ist fragend. „Ich bin Daichi Sawamura. Jetzt gerade, vor 12 Stunden und vor 4 Jahren.“ Seine Augen funkeln als würde er verstehen, was ich versuche ihm zu sagen. „Du bist Koshi Sugawara. Du warst es vor 4 Jahren, du warst es vor 12 Stunden und du bist es jetzt in diesem Augenblick.“ Sein Mund öffnet sich und ich kann hören, wie er einatmet. Er blinzelt langsam und atmet wieder aus. Ich drehe mich ihm zu. „Du bist mein bester Freund.“ Er schluckt. Ich merke, wie der Kloß in meinem Hals mir das Atmen erschwert. „Dein skeptischer Blick macht mich fertig.“, gebe ich zu und er steht auf, dass wir auf einer Augenhöhe sind. „Ich... Ich hab Angst dich zu verlieren.“, bricht es aus mir heraus. Ich wollte das alles nicht sagen. Ich dränge ihn mit meinen Worten in die Ecke, das will ich gar nicht. Warum bin ich so emotional? Warum vermisse ich ihn obwohl er direkt vor mir steht? „Daichi...“ Mein Name aus seinem Mund schießt warm durch meinen Körper. Ich merke sofort, wie es einfacher wird zu atmen. Nur ein Wort. Meine Erlösung. „Du bist nach wie vor auch mein bester Freund. Ich werde dich nicht verlassen.“ Erstaunt und erleichtert zugleich keuche ich auf. Überrascht weiten sich meine Augen als er meine Hand in seine nimmt. Seine schmalen Finger legen sich über meinen Handrücken und lassen mein Herz schneller schlagen. „Du verlierst mich auch nicht. Ich werde immer an deiner Seite sein.“ Die Wärme, die in meinem Bauch entsteht strahlt hoch in meine Brust. Er sagt so wunderschöne Worte zu mir. Und das obwohl er mich nicht so mag, wie ich ihn. Ich bin so dankbar, dass er mein Freund ist. „Wirklich?“ Meine Stimme wackelt leicht, was ihm meine Unsicherheit wohl verdeutlicht haben wird. Er sieht mich an und nickt. „Dann kannst du meine Gefühle akzeptieren und wir bleiben trotzdem Freunde?“ „Ja.“ Er lächelt leicht und mein Herz geht auf. Ich bin so erleichtert. „Weil ich..“ Ich sehe ihn fragend an. Der Druck seiner Finger auf meine Hand erhöht sich und er beißt sich sichtbar auf die Lippe bevor er weiter spricht. „Weil ich dich auch mag.“ Was? Ich blinzel erstaunt. Dann war der Kuss doch...? „Nicht im romantischen Sinne.“ Oh, ok... Ich bin verwirrt. „Du fragst dich, warum ich dich geküsst habe, oder?“ Er hält den Blick gesenkt und ich nicke obwohl ich weiß, dass er mein Gesicht gerade nicht sehen kann. Er verlagert sein Gewicht auf sein anderes Bein, schiebt meine Finger in seinen umher. „Ich... Ich wollte nicht, dass... Es war ein Reflex.“ Ich blinzle überrascht. Das erste was ihm eingefallen ist, ist mich zurück zu küssen? Heißt das dann nicht, dass er mich auch... „Das... Das war mein erster Kuss. Ich war einfach überfordert.“ Er sieht zu mir auf. „Tut mir leid, wenn ich dir damit falsche Hoffnungen gemacht habe.“ Ich versuche seinem Blick stand zu halten, was mir schwer fällt, da mein Herz ganz unrytmisch schlägt. Ich bin hin und her gerissen zwischen Erleichterung und... was ist es... Liebeskummer? „Ich stehe auf Mädchen.“ „Oh, okay.“, sage ich und versuche es so locker wie möglich klingen zu lassen, während sich meine Brust schmerzhaft zusammen zieht. Das war das Siegel, die endgültige Aussage, die mir bewusst macht, was ich nicht hören wollte. Ich habe keine Chance. „Mir tut es leid.“ Er sieht mich überrascht an. „Ich...ein Kerl... habe dir deinen ersten Kuss gestohlen.“ „Das ist okay.“ Ich sehe ihn verdutzt an, er lächelt. „Solange du es bist, ist das okay.“ Mein Herz beruhigt sich ein wenig und ich lächle zurück. „Ist es denn für dich in Ordnung?“ Ich nicke. „Ja. Danke, dass du zu mir hältst, auch wenn das sicher unangenehm für dich ist.“ Er schüttelt den Kopf. „Du bist mein bester Freund. Wir haben schon ganz andere Sachen zusammen durchlebt.“ Da hat er Recht. Ich sehe runter zu unseren Händen, spüre die Wärme seiner Finger, die sich an meine drücken. Als er meinem Blick folgt, lässt er mich langsam los. *** Nach dem Training verlasse ich gedankenversunken die Umkleide. Heute wurde die Entscheidung bekannt gegeben, wer das Team alles verlässt. Ab nächste Woche sind wir nur noch zu fünft. Wir sind nicht mal mehr eine komplette Mannschaft. Seufzend mache ich ein paar Schritte, als eine Windböe mich zu einem Ausfallschritt zwingt. Die Luft ist warm, die Sonne scheint. Das Wetter passt ganz und gar nicht zu meinem Gemütszustand. Ich bin doch der Teamcaptain. Wie soll ich das machen, ohne Team? Erschöpft lasse ich mich in das Gras neben der Sporthalle fallen, bleibe auf dem Rücken liegen und sehe hoch in den Himmel. Ein paar runde Wolken ziehen in beachtlichem Tempo vorbei. Ach, ich wäre auch gerne ein solche Wolke. Ich müsste mir keine Gedanken um das Team, um den Volleyball, die Schule oder Suga machen. Ich könnte einfach davon schweben. Das Gras unter mir kitzelt meine Ohren und die Arme, als es vom Wind bewegt wird. Ich schließe die Augen und atme tief durch, versuche mich zu entspannen. Ein kurzer Moment vergeht, da höre ich das Gras neben mir rascheln. Jemand ist zu mir auf die Wiese getreten. Ich öffne die Augen und sehe, ohne den Kopf zu drehen zur Quelle des Geräusches rüber. Suga tritt wortlos an meine Seite, setzt sich ins Gras. Ich sehe ihn von unten an, beobachte, wie er sich zurücklehnt, bis er mit etwas Abstand, neben mir liegt. Er atmet tief durch, versucht wohl ebenfalls ein wenig abzuschalten. Ich sehe ihm eine Weile zu, wie er in den Himmel schaut, bis ich meinen Kopf zurückdrehe und mit ihm zusammen in das tiefe Blau hinauf schaue. Es sind mehr Wolken als eben. Ob es heute noch regnen wird? „Was geht dir durch den Kopf?“, erklingt seine Stimme leise, fast besorgt. Natürlich ist ihm klar, dass mich die Mitteilung des Trainers nicht kalt lässt. Im Gegenteil. Ich atme durch. „Hätte ich das verhindern können?“ „Dass sie austreten?“ Ich nicke. „Nein.“ Eigentlich ist es mir auch klar, dennoch bin ich enttäuscht über diese Situation. „Sechs Leute haben heute den Volleyballclub verlassen.“ Er seufzt und ich ziehe die Augenbrauen zusammen. „Suga, das sind mehr als die Hälfte.“ „Ich weiß.“ Seine Stimme gleicht einem Flüstern. „Aber das ist nicht deine Schuld.“, sagt er etwas lauter. „Sie kommen nicht mit Trainer Ukai zurecht. Ich kann es ihnen nicht mal verübeln.“ „Ich auch nicht.“, seufze ich und beobachte die Schleierwolken, die das Blau des Himmels überdecken. Wir liegen eine Weile im Gras, ohne zu sprechen. Ich genieße es, dass wir auch die Stille gemeinsam verbringen können, ohne dass ich mich unwohl fühle. Ich schließe die Augen. Gerade als ich beginne ein wenig weg zu dämmern, spüre ich eine Berührung an der linken Hand. Ich lasse meinen Blick hinunter wandern und beobachte, wie Suga seine Finger zwischen meine schiebt. Der Hautkontakt lässt mein Herz schneller schlagen. Es ist kein wirkliches Händchen halten oder Trösten, unsere Finger überlagern sich nur ein paar Zentimeter. Es ist ein Statement, ein stummes ´Ich bin da.´, ein ´Du bist nicht alleine.´ und das bedeutet mir gerade alles. Der ruppiger werdende Wind zerrt an meinem Hemd, da trifft mich ein Wassertropfen ins Gesicht. Ich sehe zum Himmel in die grauen Schwaden über uns und setze mich auf. Suga tut es mir gleich, schaut mich erwartungsvoll an. „Es fängt an zu regnen.“ Ich habe kaum ausgesprochen, da treffen mich weitere Tropfen und hinterlassen dunkle Punkte auf meinem Hemd. Ich hole meine Jacke aus der Tasche und sehe zu Suga rüber, der bedrückt den Kopf senkt. Auch sein Hemd hat erste Tropfen abbekommen. Er hat keine Jacke dabei, weiß ich. Ich öffne meinen Mund, um ihn anzusprechen, da beginnt es zu regnen. Sofort rutsche ich näher an Suga und werfe meine Jacke über unser beider Köpfe. Er zuckt zusammen, dann sieht er zu mir auf, wie ich die Jacke an den Schultern über uns halte. Ein zärtliches Lächeln legt sich über seine Lippen und ich lächle zurück. Der Regen wird stärker. „Wir sollten nach Hause gehen.“, sage ich, mache aber keine Anstalten aufzustehen. Ich bin unmotiviert. Auch Suga bewegt sich nicht vom Fleck, bleibt einfach sitzen. Vielleicht eine Minute vergeht, in der wir schweigend im Regen sitzen. Dann spüre ich, wie er sich zu mir lehnt, legt den Kopf auf meine Schulter. Ich werde spürbar rot. Kuschelt er sich an mich? „Ich will noch nicht nach Hause.“, dringt es bedrückt aus seinem Mund. Überrascht hebe ich die Augenbrauen. „Was hast du?“, frage ich mit weicher Stimme, lehne meinen Kopf an seinen. Warum ist er so traurig? Er seufzt. „Ich hab Stress zu Hause.“ Er schmiegt seine Wange an meine Schulter, direkt wird mir wärmer. „Mein Vater ist nicht gerade davon begeistert, dass ich Volleyball spiele...“ Ich seufze, wissend dass es ihm wohl besser gefiele, wenn er statt des Trainings lernen würde. „Und meine Mutter...“ Er seufzt abermals. „Ihre ständigen Andeutungen, dass ich eine Freundin mit nach Hause bringen soll... sind anstrengend...“ Ich nicke. „Kann ich mir vorstellen.“ Der Regen wird stärker und beginnt damit unsere Hosen dunkel zu färben. „Soll ich mit zu dir nach Hause kommen?“ Suga hebt den Kopf und ich stehe auf. „Wenn ich dabei bin, lassen sie dich sicher noch ein bisschen in Ruhe.“ Er sieht mit großen Augen zu mir auf und ich kann sehen, wie ein freudiges Funkeln in sie einkehrt. „Das würdest du tun?“, fragt er begeistert und ich nicke. „Klar.“ Er steht ebenfalls auf und nimmt mir eine Schulter der Jacke ab, hält sie selbst über seinen Kopf. „Danke, Daichi.“ „Gerne.“ Wir gehen los und es dauert keine drei Schritte, da spüre ich seinen Arm, wie er sich bei mir einhakt. „So ist es einfacher, findest du nicht?“ Ihn so dicht bei mir zu haben, fühlt sich schön an. „Ja.“, bestätige ich mit klopfendem Herzen und wir setzen unseren Weg fort, dicht an einander gedrückt, unter meiner Trainingsjacke, durch den Regen. Bei Suga zu Hause, kommt uns seine Mutter bereits im Eingangsbereich entgegen. In beiden Händen hält sie Handtücher. „Oh je, ihr seid ganz nass. Ich sage noch, Koshi, nimm den Regenschirm mit, aber nein...“ Sie lächelt und übergibt uns die flauschigen, warmen Tücher. „Vielen Dank, Frau Sugawara.“, sage ich freundlich und sie nimmt mir meine Trainingsjacke ab, die bereits begonnen hat auf den Boden zu tropfen. „Kein Problem, Daichi. Immerhin hast du eine Jacke dabei.“ Sie sieht ihren Sohn neckend an, der sich am Kopf kratzt. „Daichi, das Mädchen, dass dich mal abkriegt, kann sich glücklich schätzen.“ Sie lacht und ich lächle verlegen. „Ich mache euch einen schönen warmen Tee. Kommt erst mal aus den Klamotten, bis dahin ist der Tee fertig.“ Daraufhin verschwindet sie in der Küche. „Entschuldige.“, haucht Suga traurig. „Es gibt nichts, weswegen du dich entschuldigen brauchst.“ Ich klopfe ihm auf den Rücken und er sieht überrascht zu mir auf. „Leihst du mit ein paar Klamotten?“ Er nickt lächelnd und geht an mir vorbei. Ich folge ihm auf sein Zimmer. Dort angekommen zieht er sein Hemd aus und wirft sich einen Pullover über, der auf dem Schreibtischstuhl lag. Es geht so schnell, dass ich nicht mal auf seinen Körper spinzen kann. „Zieh dich aus.“, sagt er von mir abgewandt und öffnet die Türe seines Schrankes. Ich sehe ihn überrumpelt an. Das hat er sicher nicht so gemeint, doch der Gedanke allein treibt mir die Röte auf die Wangen. Ich verkneife mir einen Kommentar. Während Suga Klamotten aus dem Schrank holt, ziehe ich Hemd und dann meine Hose aus. Zumindest versuche ich es. Der Stoff klebt nass auf meiner Haut, was es mir etwas erschwert, dies zu tun ohne umzufallen. Tatsächlich gerate ich ins Schwanken. Gerade als ich das Gleichgewicht verliere, fasst mich Suga an den Schultern. „Woa.“, macht er belustigt. Seine Finger sind warm auf meiner ausgekühlten blanken Haut. Ich gebe es nur ungern zu, doch es fühlt sich schön an. Schnell schüttel ich den Kopf. Ich muss solche Gedanken wirklich los werden. Sonst wird es für uns beide unangenehm. „Alles ok?“ Ich nicke, stelle mich wieder aufrecht hin und ziehe den Fuß aus der klammen Jeans. Er legt Klamotten für mich aufs Bett, dann zieht er seine Hose aus. Schluckend beobachte ich ihn dabei, kann nicht anders als hinzusehen, wie sich die Muskeln unter seiner Haut bewegen. Mein Puls steigt spürbar. Ich möchte ihn anfassen. Als mich diese Erkenntnis trifft, wende ich schnell den Kopf ab, spüre die Röte auf meinen Wangen. „Jungs?“ Dringt die Stimme von Sugas Mutter gedämpft durch die verschlossene Türe und ich schrecke aus meinen Gedanken. „Der Tee ist soweit. Wenn ihr fertig seid, kommt gerne runter.“ Mein Blick gleitet zurück zu Suga, der mich anlächelt. Er trägt eine Freizeithose. „Ich habe dir meine Jogginghose und einen Pullover raus gelegt. Ich hoffe, sie passen dir, du bist ja doch etwas...“ Er zeigt auf seine Schultern. „... breiter als ich.“ Ich muss lachen. „Ich dachte schon du sagt dicker.“ Neckend piekse ich ihn in die Seite. Er wird rot und schüttelt lächelnd den Kopf. „Das würde ich niemals sagen. Solange es nicht stimmt.“ „Ja ja.“, scherze ich und greife nach der Jogginghose. Als ich sie über die Hüfte ziehe, legt Suga die Hand auf meinen Rücken. Angenehm überrascht durch die Wärme, die von ihm ausgeht, zucke ich zusammen. „Sie passt.“, stellt er zufrieden fest, dann bewegt er seine Finger über meine Haut. Ich bekomme Gänsehaut. „Du bist ganz schön ausgekühlt.“, stellt er fest und ich drehe mich zu ihm um. Durch meine Bewegung gleitet seine Hand meine Seite entlang und kommt an den Rippen zur Ruhe. Er sieht mich fragend an als ich ihn anstarre. Mein Herz schlägt wie wild. Warum nimmt er seine Hand nicht weg? Er senkt den Blick, dann kommt er näher. Ich erstarre als er sich an mich drückt, die Arme um mich schlingt und die warmen Hände auf meinen Rücken legt. Er ist so nah. Vorsichtig bewege ich meine Arme und lege sie mit leichtem Druck um ihn. Sofort erfüllt mich seine Wärme und ich spüre, wie sich meine Muskeln ein wenig entspannen. „So schön warm.“, seufze ich und atme tief durch. „Ist es jetzt besser?“, fragt Suga nach einen kurzen Augenblick. Ich nicke, schmiege meine Wange in sein weiches Haar. „Dann lass uns den Tee trinken gehen.“ Er lehnt sich zurück und ich löse mich widerwillig von ihm. Ich nicke ihm zu und er lächelt. Mein Herz klopft viel zu schnell. Ich hoffe wirklich, ich kann meinen Körper im Zaum halten, denn alles in mir schreit danach ihn zu erobern. Und seine Bereitschaft Nähe zuzulassen, macht es noch schlimmer. Es wird wohl schwieriger als ich erhofft hatte. Kapitel 3: Sonnenwende ---------------------- Am nächsten Tag schlendern wird durch die Schulflure, auf dem Weg zum Volleyballtraining. „Nur zu fünft...“, seufze ich. Deprimiert lasse ich den Kopf hängen. Ich weiß wirklich nicht, wie wir so trainieren sollen. „So lange geht das Schuljahr ja gar nicht mehr.“ Mein Blick fliegt zu Suga, der neben mir her läuft und seine Tasche mit beiden Händen vor der Hüfte trägt. „Wenn unser zweites Jahr an der Karasuno beginnt, dann kommen sicher neue Erstklässler zu uns.“ Ich atme tief durch. „Trainer Ukai...“ „Er wird nicht alle vergraulen.“, unterbricht mich Suga und lächelt mir zu. Meine Wangen werden warm. „Die, die Volleyball wirklich lieben, die werden dennoch bleiben.“ Er streckt seine Hand zu mir rüber, legt sie an meinen Arm. „Ich bleibe immer bei dir.“ Suga... Seine Worten lösen ein Kribbeln in meinem Bauch aus. Seine bedingungslose Ehrlichkeit fährt mir unter die Haut. Gerade will ich meine Hand über seine legen, da biegen ein paar Mädchen um die Ecke, kommen auf uns zu. Suga lässt seine Hand sinken und ich fasse ins Leere. Sie lachen, zeigen sich gegenseitig pinkfarbene Umschläge und passieren uns, ohne größere Aufmerksamkeit auf uns zu legen. „Die waren ja gut gelaunt.“, sage ich lächelnd und drehe mich nach ihnen um. „Natürlich. Hast du nicht die Karten gesehen?“ Hm? Suga lächelt als ich den Kopf zu ihm drehe. „Morgen ist Valentinstag.“ Ich schnipse mit den Fingern. „Stimmt. Jetzt wo du es sagst.“ Wir gehen einen weiteren Gang schweigend neben einander her, bis Suga das Wort ergreift. „Sag mal, Daichi...“, beginnt er zögerlich. Überrascht zieh ich die Augenbrauen hoch. Er ist doch sonst so direkt. Was verunsichert ihn? „Ich... Ich habe deine Gefühle zurückgewiesen...“ Ah, verstehe. Er versucht mich nicht unnötig zu verletzen. Dennoch sorgen seine Worte dafür, dass sich mein Magen leicht zusammen zieht. „Hast... hast du schon damit begonnen, dich anderweitig umzusehen?“ Ich sehe ihn mit großen Augen an. Sein Blick ist gen Boden gerichtet, er spielt mir dem Anhänger an seiner Tasche während wir gehen. Es ist ihm unangenehm. „Hm...“, mache ich und sehe auch zu Boden. Anderweitig? Für mich hat es nie eine Option gegeben. Und das hat sich auch nicht geändert. Ich will niemand anderen, nur ihn. Und wenn ich ihn nicht bekommen kann, dann... wird es wohl so reichen müssen, wie es jetzt ist... Auch wenn es mir schwer fällt, so ist es besser als... „Stehst du auf Jungs... oder nur auf mich?“, fragt er plötzlich und ich sehe ihn wieder überrascht an. Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, fällt mir auf. Es gab immer nur ihn für mich. „Ich..“ Sein Blick schnellt zu mir rüber und er sieht mich erwartungsvoll an. „Hey, Leute. Da seid ihr ja.“ Wir drehen beide den Kopf nach vorne als Asahi vor uns erscheint. Er lächelt verlegen und kratzt sich am Kopf. „Ich habe mir Sorgen gemacht, nach... letztem Mal.“ Ich nicke ihm zu. „Ja, ich auch. Sieht so aus als hielten wir die Stellung.“ „Da bin ich froh.“ Er lacht leicht. Wir betreten gemeinsam die Umkleide. Asahi hat uns unterbrochen, doch... tatsächlich bin ich ein wenig froh darüber. Suga lächelt ihn zwar an, aber er wirkt nachdenklich. Ich hätte nicht gewusst, was ich ihm antworten soll. Ich bin froh, dass wir jetzt erstmal Training haben. Kapitel 4: Sonnenuntergang -------------------------- Valentinstag. Ich stehe in der Umkleide und sehe runter zu der Pralinenschachtel, die in meinem Spind auf dem Schulflur gelegen hatte. Die kleine Pappbox ist aufwändig mit Seidenpapier verziert und die Handschrift auf der Karte wirkt verspielt. Es ist ein Geschenk eines Mädchens, dass sich wirklich Mühe gemacht hat. Ich lasse den Kopf hängen. „Was hast du da?“ Suga neigt sich von hinten über meine Schulter. „Oh, ähm...“, erschrecke ich und lege beide Hände über die Schachtel vor mir. „Sag bloß, du verheimlichst etwas vor mir.“ Seine Stimme ist herausfordernd. Ich seufze. Warum stelle ich mich so an? Vielleicht freut er sich ja auch für mich. Ich reiche ihm die Schachtel und er sieht sie sich an. „Willst du mit mir ausgehen?“, liest er vor. „Yui hat mir tatsächlich Schokolade geschenkt.“ Er sieht zu mir auf und ich seufze erneut. Dann verändert sich sein Blick. Ich kann zusehen, wie sich seine Augen mit Tränen füllen. Mein Atem stockt. Was ist mit ihm? „Daichi...“, dringt es gepresst aus seinem Mund und ich ziehe mitfühlend die Augenbrauen zusammen. Meine Brust verengt sich spürbar. Ich kann es nicht ertragen, wenn er weint. Er streckt die Arme nach mir aus, während die ersten Wassertropfen seine Wangen entlang laufen. Sofort mache ich einen Schritt auf ihn zu und schließe ihn fest in meine Arme. Meine Hand schnellt an seinen Hinterkopf, während er sein Schluchzen an meiner Brust erstickt und seine Arme um mich schlingt. Ich streichle ihm über das Haar, schmiege meinen Kopf an seinen. Ist es falsch, dass ich seine Nähe genieße? Dass es mich berauscht, wie gut er riecht? Das ist alles jetzt nicht wichtig. „Was hast du?“, flüstere ich in sein Haar, während ich ihn weiter an mich drücke. Er presst sich gegen mich, kuschelt sein Gesicht an meine Brust. „Ich...“, erklingt seine gebrochene Stimme, von Tränen erstickt. „Ich kann nicht mehr...“ Besorgt lasse ich meine Hand an seinem Kopf liegen. „Wie meinst du das? Was kannst du nicht mehr?“, frage ich mit leiser Stimme. Er atmet stoßartig durch, krallt die Finger in mein Shirt. „...lügen...“ Ich blinzle überrascht. „Was...wen lügst du denn an?“ Das passt gar nicht zu ihm. Er schluchzt. „Dich.“ Mein Herz schlägt schneller. Er belügt mich? Dafür gibt es doch keinen Grund. Ich schlucke. „Warum machst du das?“, sage ich sanft, ohne einen Vorwurf in meiner Stimme. „Weil ich dir nicht weh tun will...“ Ich merke, wie sich seine Fingerkuppen in meinen Rücken drücken. Er hat gerade Angst, das spüre ich deutlich. „Das ist schon ok.“ Er schnieft. „Es ist mir lieber, du tust mir weh, als dass du mich belügst.“ Er kauert sich zusammen und ich streiche über seinen Rücken. „Ich vertraue dir. Bitte vertrau auch mir, Suga.“ Ich schließe die Augen und höre ihn durchatmen. „Ok.“, haucht er und lehnt sich zurück. Er sieht schniefend zu mir auf und ich fahre mit dem Daumen über seine Wange, streiche ein paar Tränen aus seinem Gesicht. Ich weiß, diese Geste ist zu zärtlich, doch ich kann nicht anders. Er lässt es zu, schließt sogar die Augen. Ich lasse meine Hand an seiner Wange verharren. „Was war deine Lüge?“, frage ich leise und er öffnet die Augen. Seine Hand legt sich über meine und er drückt meine Finger sanft gegen seine Wange. Mein Herz klopft schneller. „Dass ich nur Freundschaft für dich empfinde.“ Ich sehe ihn geschockt an. …Was...? Seine Augen werden schmal und weitere Tränen fließen. Ich atme aus, mir fehlen die Worte. „Ich bin schon lange in dich verliebt.“ Er kneift die Augen zusammen, hält meine Hand mit zittrigen Fingern gegen seine Wange gedrückt. Ich spüre mein Herz gegen die Brust hämmern. „Als du mich geküsst hast, konnte ich es nicht mehr verbergen.“ Er öffnet die Augen, blickt mich zärtlich an. „Du hast mir die letzte Hemmung genommen, die Grenze überschritten.“ Er atmet leise ein. „Darum habe ich dich zurück geküsst. Weil ich es genossen habe, mich mal nicht verstecken zu müssen.“ Er sieht mich leidend an. „Ich liebe dich.“ Mein Herz macht einen Satz. Er... er liebt mich? Ich schüttel bedrückt den Kopf. „Warum sagst du etwas so Schönes, so traurig?“ „Weil wir nicht zusammen sein können.“ Er kneift die Augen zusammen. Ich blinzel. „Warum denn nicht?“ Er öffnet langsam die Augen, sieht zu Boden. „Weil das nicht der Plan ist, den mein Schicksal für mich bereit hält.“ Ich sehe ihn fragend an, hebe eine Augenbraue. „Was für ein Plan?“ Er schluckt, hält den Blick gesenkt. „Ich werde heiraten und eine Familie gründen.“ Leise hauchend, atme ich aus. „Das ist dein Plan?“, frage ich sanft und er nickt. „Würde dich das glücklich machen?“ Ich bewege meine Finger an seiner Wange und er sieht mich an. „Ist das denn wirklich, was du willst? Eine Frau und Kinder?“ Sein Körper beginnt zu zittern, während es ihm sichtbar schwer fällt meinem Blick stand zu halten. Schließlich kneift er die Augen zusammen, presst seine Finger an meine und beginnt den Kopf zu schütteln. „Nein.“, dringt es gequält aus seinem Mund. Er schlägt die Augen auf, sieht mich überraschend fest an. „Ich will dich.“ Mein Herz überspringt einen Schlag und Wärme breitet sich in mir aus. Dann entspanne ich langsam mein Gesicht und ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. „Dann mach einen neuen Plan.“ Er sieht mich mit großen Augen an. „Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand.“ Seine Augen funkeln erstaunt. „Ich spüre ganz deutlich... mein Schicksal, bist du.“ Er atmet aus, hält mich in seinem Blick gefangen, doch ich mache nicht mal den Versuch mich daraus zu befreien. Ich will mich ganz und gar im warmen Braun seiner Augen verlieren. „Ich will mit dir zusammen sein.“ „Das will ich auch.“ Er drückt meine Finger in seiner Hand zusammen. „Dann soll es so sein.“, sage ich sanft, schließe die Augen und küsse ihn sanft. Seine Lippen bewegen sich zögerlich unter meinen, bis er den Kuss erwidert. Vorsichtig lasse ich meine Hand in seinen Nacken gleiten und drücke ihn leicht an mich. Seine Arme legen sich um meine Schultern und auch er zieht mich an sich. Ich atme genussvoll durch und er fährt durch mein Haar. Das fühlt sich verdammt gut an. Er lehnt sich zurück, hält die Augen noch einen Moment geschlossen als müsste er noch realisieren, dass das gerade wirklich zwischen uns passiert ist. Als er mich dann ansieht, ist sein Blick wohlig ruhig. Er lächelt und mir geht das Herz auf. „Ich liebe dich.“ Ich kann nicht anders als zurück zu lächeln. Das ist wie ein schöner Traum. „Ich liebe dich auch.“ Er lacht leicht auf, dann neigt er sich wieder vor und küsst mich zärtlich. Wow. Meine Hände wandern über seinen Rücken. Er fühlt sich so verdammt gut an in meinen Händen. Seine weichen Lippen drücken sich an meine, bewegen sich vorsichtig üben meinen Mund. Dann lehnt er sich wieder zurück und sieht kurz zu Boden, ehe sich unsere Blicke wieder treffen. Was hat er denn? „Lass... lass uns das für uns behalten.“ Er senkt den Blick wieder und ich nicke zögerlich. Natürlich würde ich es gerne allen erzählen, dass wir jetzt ein Paar sind, aber ich verstehe auch, dass er das nicht möchte. Er war ja kaum bereit mir seine Gefühle zu offenbaren. Mein Schweigen scheint ihn allerdings dazu zu bewegen, weiter zu sprechen. „Es ist nicht, weil...“ Seufzend sucht er nach Worten. „Es würde mich nicht stören, wenn das Team davon weiß...“ Er sieht zu mir auf, mit unsicherem Blick. „Aber ich will auf keinen Fall, dass es meine Mutter erfährt.“ Überrascht presse ich die Lippen zusammen. Wieso das denn? „Je mehr Leute es wissen, umso schneller wird sie es erfahren...“ Ich öffne den Mund, doch bevor ich etwas sagen kann, spricht er weiter. „Sie mag dich Daichi.“ Er lächelt und ich lege den Kopf zu Seite. „Aber ihr Plan für mich sieht anders aus.“ Ich atme stoßartig aus, begreife sofort, was hinter seinen Worten steckt. „Als du eben vom Schicksal gesprochen hast, da meintest du sie. Oder?“ Er beißt sich auf die Lippe und sieht ertappt zur Seite. „Sie wünscht sich nichts mehr als Enkelkinder...“ Oh... „Sie will mich ständig mit Töchtern ihrer Freundinnen verkuppeln, neckt mich, wo sie kann, wann ich denn mal ein Mädchen mit nach Hause bringe und wann sie Oma wird...“ Ich schlucke. „Sie meint das nicht böse, nur... Es tut weh, ihr nicht die Träume erfüllen zu...“ Ich tätschle seinen Kopf. „...wollen.“, beende ich seinen Satz. Er nickt seufzend. Es bedrückt mich und gleichzeitig bin ich erleichtert, den Grund zu wissen, warum er mich bisher abgewiesen hat. "Suga, du vergisst da was.“ Er sieht zu mir auf. „Am Ende ist es dein Leben, nicht ihres.“ Er lässt den Kopf hängen und ich küsse seine Stirn, was ihn zum Lächeln bringt. „Okay...“, haucht er selig. Ein kurzer Moment vergeht, in dem wir einfach still die Nähe des anderen genießen. „Ich denke... Asahi können wir es sagen.“ Sein warmer Blick trifft mich angenehm und ich nicke. Er wird es niemandem erzählen. Und ich bin mir zudem sicher, dass er sich für uns freuen wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)