Pokémon Orange von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Eine neue Begegnung ------------------------------ Kaum hatte ich mich mit dem Pro-Controller auf den kleinen Sessel gesetzt und den Fernseher angemacht, wartete ich, bis ich das Menü der Switch sehen konnte. Ein wenig fühlte ich mich wie ein Einbrecher, auf der anderen Seite war ich nun in diesem Körper drin und hatte auch gerade nichts Besseres zu tun. Möglicherweise war das hier auch nur ein anderes Ich aus einem Parallel-Universum, mit dem ich nun den Platz getauscht hatte. Ob sie nun in meiner Welt war? Oder habe ich sie einfach nur ersetzt? Ich zuckte mit den Schultern. Da ich wusste, dass ich auf diese Fragen keine Antworten finden würde, beschloss ich, nicht mehr darüber nachzudenken und mich lieber auf den Bildschirm vor mir zu konzentrieren. Der Sessel war sehr gemütlich und ich konnte verstehen, warum man sich für ihn beim Kauf entschieden hatte. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher vor mir. Sofort sah ich den typischen Log-In-Bildschirm, zurzeit war kein einziges Spiel offen. Schnell drückte ich dreimal auf den A-Knopf, dann konnte ich das Hauptmenü sehen. Doch allzu viele Spiele schien ich nicht zu besitzen, gerade mal zwei Stück konnte ich erkennen. Wenn ich da an meine eigene Switch dachte, kam mir die Auswahl ziemlich mager vor. Dennoch war ich auch ein wenig zufrieden damit. Denn auf der Switch hier befanden sich sowohl das Remake von „Link’s Awakening“, als auch der neueste Teil von Animal Crossing. Da das Zelda-Spiel bei jedem gleich sein dürfte, entschied ich mich, in Animal Crossing reinzusehen. Wie wohl meine Insel hier aussieht? Bestimmt ganz anders. Ob die alte Fiona besonders kreativ war? Oder hatte sie sogar ein Inselmotto? Wer wohl ihre Bewohner sind? Ob einer meiner Lieblinge dabei ist?  Ich wollte mich nicht länger auf die Folter spannen und startete das Spiel. Nach der gewohnten Ladezeit sah ich wie gewohnt das Logo der Spielereihe, auch konnte ich schon den ersten Bewohner sehen. Ebenso konnte ich erkennen, dass auf der Insel noch nicht so viel passiert war, oder zumindest in diesem sichtbaren Teil davon. Die Erwartungen etwas gesenkt, startete ich das Spiel und meine Vermutungen wurden bestätigt, als nicht Melinda, sondern Tom Nook die Inselansprache hielt. Ich sah das kleine Zelt, dass er und seine Neffen noch am Anfang des Spiels nutzen. Das Servicecenter, bevor es zu einem Haus umgebaut wird. Entweder hat die alte Fiona das Spiel nochmal von vorne angefangen, wie es meine BFF regelmäßig tut. Oder sie hat das Spiel noch nicht so lange. Möglicherweise hat sie es erst vor kurzem bekommen. Kaum verließ ich mit meiner Spielfigur, die noch recht simple Kleidung trug, das kleine Zelt, begann ich damit, mich auf die Suche nach den Bewohnern zu machen. Ein Blick auf die Karte verriet mir, dass Fiona noch wirklich nicht weit im Spiel gekommen war, sie hatte lediglich ihren zwei Bewohnern ein Haus gegeben. Auch konnte ich erkennen, was für Bewohner es waren: Ein Frosch und ein Pinguin. Da mir beide nichts sagten, begann ich nach ihnen zu suchen. Nach kurzer Zeit wurde ich fündig, sie beide liefen recht nah auf der Insel herum und wirkten ein wenig verloren. Zuerst fand ich den Pinguin, welche sich als Pinguindame mit dem Namen Susanne herausstellte. Optisch war sie jetzt nicht so mein Fall, aber sie schien ganz nett zu sein. Der rote Lidschatten passte dafür gut mit dem Rot ihres Pullovers zusammen. Ihre Floskel war „Flatsch“ und sie baute es an jedem dritten Satz an. Nur wenige Meter rechts von ihr stand ein Frosch, als ich ihn ansprach, konnte ich den Namen Fritz über seinem Textfeld sehen. Auch er war auf dem ersten Blick optisch nicht mein Fall, gefiel mir aber bei näherem Hinsehen doch besser als Susanne. Ein grüner Frosch, mit hellgrünen und schwarzen Flecken hier und dort, bekleidet mit einem schwarz-blau gestreiften T-Shirt. Die Hasenzähnchen und die kleinen Kulleraugen ließen ihn dagegen recht niedlich und unschuldig aussehen. „Ich denke, es war eine gute Idee, auf diese Insel zu ziehen. Hier kann ich Marathons laufen, ohne jemanden auf die Füße zu steigen, quäääk“, konnte ich in der Textbox lesen, welche gerade aufgepoppt war. Also musste das einer der sportlichen Bewohner sein. Der Frosch würde mir auch auf meiner Insel gefallen, vielleicht hole ich mir den Amiibo, wenn ich wieder daheim bin, dachte ich so vor mich hin, wohlwissend, dass ich das spätestens morgen wieder vergessen hatte. Dann sah ich mich noch ein wenig mehr auf der Insel um, ein weiterer Blick auf die Karte verriet mir, dass die alte Fiona ihre Insel schlicht und einfach „Marmoria“ getauft hatte. Und da ich weiterhin nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, für die alte Fiona das Spiel ein wenig weiterzuspielen, die Story fortzusetzen und die Insel Stück für Stück zu verschönern. Dass ich dabei Zeitreisen würde, musste sie ja nicht wissen.   Wie viel Zeit dabei verging, darauf achtete ich ehrlich gesagt nicht. Es kam mir jedoch wie eine Ewigkeit vor, die ich damit verbrachte, Werkzeuge zu bauen und Tiere für das kommende Museum zu sammeln. Es erinnerte mich daran, wie ich die Gegend rund um mein Haus mit Fischen und Insekten zugestellt hatte, die ich dann alle ins Museum bringen wollte. Es war mehr als chaotisch und hatte mich auch ein wenig genervt. Doch dieses Mal verteilte ich alles auf der Insel, damit es ein wenig wie eine große Ausstellung aussah. Gerade, als ich einen Barsch neben meinem Haus ausstellte, konnte ich die Stimme meiner Mutter hören, die mich wohl aus dem Erdgeschoss zu sich rief. „Fiona, hast du gerade Zeit? Kannst du bitte zu uns herunterkommen?“, fragte sie mich und ich bekam das Gefühl, dass es nicht das erste Mal war, dass sie nach mir verlangte. Vermutlich hatte ich es nicht gehört, so vertieft, wie ich in Animal Crossing war, hätte es mich nicht gewundert, wenn ich sie beim ersten Mal nicht gehört hätte. Sicher konnte ich es jedoch nicht sagen. „Klar, kann ich machen“, sagte ich und erhob mich aus dem gemütlichen Sessel heraus. Kaum hatte ich den Pro-Controller auf dem Schreibtisch abgelegt, verließ ich mein Zimmer und ging vorsichtig, aber mit schnellen Schritten die Treppe hinunter. Von dort aus ging ich ins Wohnzimmer, wo ich meine Mutter sehen konnte. Diese lächelte mich fröhlich an. „Dass du so früh wieder zurück bist, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich habe gesehen, dass du den Turnbeutel wieder an die Garderobe gehängt hast. Dabei habe ich gedacht, du würdest erst heute Abend wieder nach Hause kommen“, sagte sie und ich schüttelte mit dem Kopf. „Ich war vorhin im Museum, aber da war nicht so viel los. Da bin ich dann wieder nach Hause gegangen und hab mich ein bisschen mit meiner Insel amüsiert. Also, mit meiner Animal Crossing Insel“, fügte ich hinzu, nachdem mich meine Mutter ein wenig ratlos ansah. „Hast du dich gut amüsiert?“, wollte sie wissen und ich nickte. „Ja, das war ziemlich angenehm, ich habe auch ziemlich viel geschafft, um die Insel zu einem Paradies aufzubauen. Ich habe auch zwei nette Bewohner, glaub, einen davon werde ich behalten“, antwortete ich aufrichtig. Meine Mutter lächelte mich immer noch an und ich wurde das Gefühl nicht los, dass da noch mehr war. Ob sie sich so sehr freute, dass ich bald meine Reise antrat? Oder zuerst gegen den Arenaleiter kämpfen musste? Auch, wenn ich noch kein Pokémon hatte? Steckte da noch mehr dahinter? Fragend sah ich meine Mutter an, doch diese blickte mittlerweile an mir vorbei und schien jemanden herbeizuwinken. Verwirrt drehte ich mich um und sah einem fremden Mann ins Gesicht. Auch dieser lächelte mich freundlich an. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass das Lächeln mir galt. Ich versuchte seinem Blick zu folgen und er sah mehr in meine Richtung als in die meiner Mutter. „Da ist ja meine große Tochter!  Na, bist du schon aufgeregt, freust du dich schon auf deine Pokémon-Reise?“, fragte er und grinste mich mit einem Lächeln an, das vermutlich ein Vaterlächeln sein sollte. Zumindest vermutete ich es, mangels Erfahrung. Dabei sah ich ihn näher an, meine Augenfarbe hatte ich definitiv von ihm und da er schlanker als meine Mutter aussah, vermutete ich, dass ich meine Figur seinen Genen zu verdanken hatte. „Ja, ich bin schon ziemlich aufgeregt, das wird immerhin meine eigene Reise sein und ich bin sehr neugierig darauf, was ich sehen werde“, sagte ich und klang nicht so begeistert, wie ich mich in meinem Innern fühlte. Ich fühlte mich einfach durch die Anwesenheit von zwei Menschen, die ich eigentlich überhaupt nicht kannte, unruhig und nervös. Doch das versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen. Sollten sie doch glauben, dass es nur wegen meiner kommenden Reise wäre. Dass ich mich darauf freute, war jedoch die volle Wahrheit. Mein Vater grinste noch mehr und ich fragte mich langsam, ob er und meine Mutter irgendwas ausgeheckt hatten. „Das freut mich zu hören. Du bist auch mittlerweile alt genug und kannst auch schon für dich selbst sorgen. Dennoch, bevor du die Stadt verlassen kannst, musst du erst einmal einen Orden gewinnen, das haben dein Vater und ich so besprochen“, sagte meine Mutter und gesellte sich zu ihrem Ehemann. Erst jetzt fiel mir auf, dass er einen seiner Arme hinter seinem Rücken versteckt hielt. „Gut, dann möchte ich jetzt, dass du deine Augen zumachst, meine Kleine“, sagte mein Vater ruhig und da ich keine Ahnung hatte, zu was es führen würde, schloss ich sie. „Jetzt strecke deine Hände aus, kannst du damit eine kleine Schale formen?“, wollte er von mir wissen und ich ging seiner Anweisung nach. Obwohl ich wegen meinen geschlossenen Augen nichts sehen konnte, fiel mir die Übung leicht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich spürte, dass mein Vater mir etwas in die Hand legte. Es fühlte sich hart, rund und leicht kühl an. Sofort musste ich an die ständigen Ratespielchen denken, die meine echte Mutter mit mir gespielt hatte, wenn sie mir etwas gekauft hatte. Ich musste dann auch immer mit geschlossenen Augen das Geschenk entgegennehmen und erraten, was es war. Die Erfolgsquote lag dabei zwischen 50 und 60 Prozent, aber gefreut hatte ich mich jedes Mal aufs Neue. Eines der weiteren Dinge, die nun für immer vorbei waren. „Es fühlt sich rund an, wie ein Ball oder eine Kugel“, sagte ich und hatte schon einen Verdacht. Erst wollte ich ihn gar nicht aussprechen, aber da ich nicht wie ein kompletter Idiot rüberkommen wollte, sprach ich ihn doch aus. „Oder wie ein Pokéball.“ „Dann mach deine Augen auf und sieh es dir an“, konnte ich die Stimme meines Vaters hören. Als ich meine Augen öffnete, brauchten sie ein paar Sekunden, um sich wieder an das Licht zu gewöhnen. Anschließend warf ich einen Blick auf den runden Gegenstand in meiner Hand, es war tatsächlich ein Pokéball. „Ist der für mich? Vielen Dank, Papa, das wird mir auf meiner Reise wirklich helfen“, sagte ich und lächelte. Gleichzeitig überlegte ich mir, welches Pokémon ich mir damit wohl fangen wollen würde. Doch mein Vater lächelte noch intensiver, dabei legte er eine Hand auf meine Schulter. „Das ist nicht nur irgendein Pokéball, meine Kleine.“ „Nicht? Was ist denn damit?“, wollte ich von ihm wissen, da ich keine Ahnung hatte, was er damit meinte. Für mich sah es wie ein normaler Pokéball aus. „Nun, das liegt daran“, fing er zu erklären an, „dass du diesen Ball nicht mehr benutzen musst. Du hast sicherlich vermutet, dass du damit ein Pokémon fangen musst, aber da bin ich dir einen Schritt voraus. In diesem Ball befindet sich bereits ein Pokémon und es gehört nun ganz allein dir.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an, was ihn ein wenig zum Lachen brachte. Ich fühlte, wie meine Augen feucht wurden und am liebsten hätte ich angefangen zu weinen. Doch noch brachte ich es nicht über mich. Noch konnte ich es nicht zulassen. „Warum lässt du es nicht einfach heraus und begrüßt es ein wenig?“, sagte er und ich blickte wieder auf den Ball. Dann nickte ich entschlossen und drehte die Öffnung des Balls von mir weg. „Also gut, komm heraus, mein kleines Pokémon“, sagte ich und fragte mich, welche Art von Pokémon mein Vater mir mitgebracht hatte. Der Pokéball öffnete sich, das übliche rote Licht erschien und manifestierte sich auf unserem Wohnzimmerboden. Zuerst war es ein unförmiges Nichts, dann doch nahm es Gestalt an und ich konnte genau erkennen, welches Pokémon dort auf dem Boden saß. Ich hatte mit allem gerechnet, einem Starterpokémon oder einem kleinen wie Raupy oder Taubsi, doch mit dem Pokémon, das vor mir saß, hätte ich niemals gerechnet. Ein niedliches, schwarzes Augenpaar schaute mich an, neugierig, aber offenbar auch erfreut, mich zu sehen. Überhaupt machte das Pokémon einen vergnügten Eindruck auf mich. Die Feuchtigkeit in meinen Augen stieg, sachte ging ich in die Hocke, um dem Pokémon näher zu sein. Als hätte ich Angst, dass es weglaufen oder mich nicht mögen würde. „Hallo, Dratini“, sagte ich und streckte meine Hand aus, in die Richtung seiner Schnauze. So, wie ich es immer bei fremden Katzen tat, damit sie mich erstmal ausgiebig beschnuppern konnten. Doch das Dratini war keine Katze und wohl auch nicht so scheu wie ich. Stattdessen schloss es die kleine Distanz zwischen uns und schmiegte sich mit seinem kleinen Köpfchen an meine Schulter. „Du bist so niedlich!“, sagte ich und begann das Dratini zu streicheln. Gleichzeitig blinzelte ich wie verrückt die Feuchtigkeit in meinen Augen weg, jetzt zu weinen war das letzte, was ich tun wollte. Kaum hatte ich das einigermaßen geschafft, nahm ich Dratini in meine Arme, stand auf und drehte mich zu meinem Vater um. „Ich weiß … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … vielen Dank, Papa. Um das Dratini werde ich mich gut kümmern, verspochen!“, sagte ich und stellte schon erste Überlegungen an, was ich und Dratini alles erleben konnten. Zwar war es kein Haustier, aber dennoch war ein Pokémon wie ich ein Lebewesen, um das man sich kümmern musste. Daran lag in meinen Augen kein Zweifel. Etwas mutiger durch die ersten Körperkontakte, begann ich Dratini am Kopf zu streicheln. Dafür bekam ich zum Dank ein erfreutes „Dra-Dratini!“ zu hören. Ein Blick in das Gesicht meiner Eltern zeigte mir, dass sie lächelten. Vermutlich aus Stolz, zumindest ist es ein Lächeln, wie ich es oft in Serien gesehen hatte. Und auch bei meiner eigenen Mutter. „Das freut mich zu hören und ich bin überzeugt davon, dass du dich gut um das Dratini kümmern wirst“, sagte mein Vater und wuschelte mir kurz mit seiner Hand durch die Haare. Es fühlte sich gut an, also lächelte ich ein wenig. „Hast du schon einen Namen für es?“, wollte meine Mutter von mir wissen und ich schüttelte überrascht mit dem Kopf. Normal war ich recht schnell, was das Vergeben von Spitznamen anging, zumindest in den Pokémonspielen. Aber jetzt, jetzt fiel mir die Namensfindung doch ein wenig schwer. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht … ich weiß auch noch gar nicht, ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist?“, sagte ich und hob das Dratini ein wenig vor mir hin, fast so, als würde ich irgendwas erkennen können. Gleichzeitig bemerkte ich, dass Dratini mir langsam ein wenig schwer wurde. Vorsichtig setzte ich es ab, setzte mich daneben auf den Boden und streichelte es nun ein wenig am Kinn. Mein Vater begann dabei ein wenig zu lachen. „Ich kenne mich da ehrlich gesagt auch nicht aus, aber eins kann ich dir sagen: Es ist ein Weibchen.“ „Ein Weibchen also…“, sagte ich, doch so recht wollte mir dann doch kein Name einfallen. Wo mein Vater das Dratini überhaupt herhat? Hat er es gefangen? Der Pokéball ist ja ein ganz normaler gewesen, also kann es schon mal nicht in der Safarizone gewesen sein. Oder hat er es von jemanden abgekauft? „Gut zu wissen“, sagte ich nach ein paar langen Sekunden des Schweigens. „Noch habe ich keinen Namen, aber ich bin mir sicher, dass mir der perfekte Spitznamen für meinen süßen, kleinen Minidrachen noch einfallen wird“, sagte ich überzeugt. Kurz musste ich an die Yakuza-Reihe denken, doch das erschien mir nicht passend. Zumal Kiryū dort ein männlicher Charakter war. Es muss einfach ein Name sein, der ihr als Dragoran, sollte sie jemals eins werden, auch noch stehen sollte. Als ich wieder zu meinem Vater sah, hatte er die Arme verschränkt. „Du musst auch nicht sofort einen Spitznamen finden, verbring doch erst einmal ein wenig Zeit mit deinem Pokémon, dann wird er dir schon von ganz allein einfallen“, meinte er und ich gab ihm recht. Zuerst war es wichtig, dass Dratini und ich uns näher kennenlernten, im Grunde waren wir noch Fremde zueinander. Dabei fiel mir etwas ein. „Dratini, dann zeige ich dir als erstes mein Zimmer. Ich muss sowieso nach oben, meinen Spielstand speichern und alles ausmachen, dann kann ich dir schon mal ein wenig von mir zeigen“, sagte ich und blickte zu Dratini, bereit, es die Treppen hinaufzutragen. Doch das war nicht nötig, Dratini sah die Stufen und begann, ein wenig in der Luft zu schweben. „Wow, cool, ich dachte, nur Dragonir können das“, sagte ich beeindruckt und sah zu, wie Dratini in den ersten Stock schwebte. Dann folgte ich ihr.   Oben angekommen zeigte ich ihr die Tür zu meinem Zimmer und öffnete diese. Kaum war sie offen, schwebte Dratini hinein, ließ sich sachte auf das Bett fallen und blickte sich immer wieder um. In dem Zimmer befanden nicht sehr viele Möbelstücke und diese sahen auch eher schlicht aus, es war aber genug, um Dratinis Neugierde zu wecken. „Ja, das hier ist mein Zimmer“, sagte ich, obwohl es für mich vor wenigen Stunden auch noch ein sehr fremder Ort war. Dann legte ich Dratinis Pokéball auf dem Tisch ab, nahm den Pro-Controller und sah auf den Fernseher. „Dratini?“, konnte ich mein neues Pokémon fragen hören, ich drehte mich zu ihr um und beschloss, ihr kurz zu erklären, was ich da machte. „Keine Angst, ich bin gleich wieder für dich da. Ich habe nur bis vorhin ein Spiel gespielt und habe einen ziemlich guten Fortschritt gemacht. Den muss ich jetzt nur noch schnell speichern, damit ich das alles nicht nochmal machen muss“, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, ob ich jemals dazu kommen werde. Während ich vor dem Fernseher stand und die Konversation mit dem Bewohner, bei dem ich zuvor unterbrochen worden war, nun schnell fortsetzte, sah ich, wie Dratini neben mir schwebte. Ihre schwarzen Augen fixierten den Fernseher. Ich wusste nicht, wie viel sie davon verstand, was dort passierte, aber das Spiel hatte trotzdem ihre Neugierde geweckt. „Komm mal mit“, sagte ich, nahm mir noch die Fernbedienung und setzte mich aufs Bett. Dratini folgte mir und lies sich ebenfalls auf dem Bett nieder. „Weißt du, in diesem Spiel landet man auf einer Insel freundlicher Tiere und kann dort ein ganz neues Leben beginnen. Alles ist friedlich und es ist sehr entspannend. Man kann auch die Insel ein wenig umbauen und sie so dekorieren, wie man möchte …“, versuchte ich Dratini das Spiel ein wenig zu erklären. Nach wie vor war ich mir nicht sicher, ob und welche Art von Tieren in der Welt der Pokémon existierten, aber zur Not hätte ich auch einfach sagen können: Es sind simple Fabelwesen, die sich jemand mal ausgedacht hat, basierend auf Pokémon. Doch Dratini blickte nicht verwundert, sondern nur neugierig auf den Fernseher, weshalb ich die Erklärung runterschluckte. „Ich hatte mir gedacht, dass ich hier eine kleine Plattform mache, damit ich am Ende rechts und links vom Haus eine kleine bergige Landschaft habe. Als würde ich in einer kleinen Schlucht wohnen. Und hier, an den Seiten vom Schluchteneingang kommt dann jeweils ein kleiner Wasserfall hin, aber wie das genau aussehen wird, weiß ich noch nicht. Sag mal, magst du Wasserfälle?“, fragte ich Dratini. „Dratitini“, antwortete es mir und ich vermutete, dass es ja bedeutete. Zwar konnte ich mein Pokémon noch nicht so gut lesen oder verstehen wie Ash sein Pikachu, aber ich war mir sicher, dass das noch kommen würde. „Ok, dann zeige ich dir noch kurz die Bewohner, es sind noch nicht viele, da ich erst noch drei suchen möchte, aber die zwei werden dir bestimmt gefallen …“ So verging ein wenig Zeit, ich zeigte Dratini ausführlich die Insel, die ich hatte und welche Pläne ich für diese oder jede Ecke bereits im Kopf hatte. Auch zeigte ich ihr wie versprochen die Bewohner, noch immer kam keine Reaktion von Dratini. Erst, als ich ihr mein kleines Häuschen mit seiner spärlichen Einrichtung gezeigt hatte, begann ich, das Spiel zu speichern. „Denke, du hast genug gesehen“, sagte ich und streichelte Dratini wieder am Kopf. „Du bist echt niedlich, weißt du das? Und auch so angenehm warm.“ Dratini schmuste sich in meine Hand hinein, die Streicheleinheiten schienen ihr immer besser zu gefallen. Hm, selbst bei Pokémon fällt mir das mit dem Körperkontakt leichter als bei Menschen … Schließlich schaltete ich sowohl die Switch als auch den Fernseher ab, legte den Controller wieder auf den Tisch und wandte mich Dratini zu. Beobachtete es kurz, wie es mich ansah und setzte mich dann wieder zum Bett. „Ich könnte mich ja ein wenig vorstellen, wenn du möchtest. Also, ich bin …“, begann ich und versuchte mich an meinen Namen zu erinnern. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich ihn wieder parat hatte. „Ich bin Fiona und ich bin nun alt genug, um endlich eine Pokémon Trainerin zu werden“, sagte ich voller Stolz. Dass ich aber in Wirklichkeit nicht zehn, sondern 29 Jahre alt war, verschwieg in an der Stelle lieber. Gleichzeitig war ich mit meinem Latein am Ende. Selbstvorstellungen waren mir noch nie leichtgefallen. „Mal sehen… ich mag Pokémon sehr gerne, ich finde sie faszinierend und auch sehr interessant. Es gibt auch so viele niedliche unter ihnen. Keine Angst, du bist auch eines der sehr niedlichen“, fügte ich aufrichtig hinzu. „Außerdem spiele ich gerne Videospiele, lese viele Bücher und schreibe auch hin und wieder eine Fanfiction zu irgendwas … außerdem bin ich neugierig, welche Abenteuer wir erleben werden.“ Kurz musste ich an Ash denken und versuchte, mich in ihn hineinzuversetzen. „Oder welche neuen Freunde wir kennenlernen werden“, sagte ich dann und fragte mich, welche Pokémon sich eines Tages zu mir und Dratini gesellen werden. „Naja, eins nach dem anderen. Erstmal muss ich herausfinden, welche Attacken du so kannst, damit wir gegen den Kampf gegen Rocko bestehen können. Immerhin wollen meine Eltern, dass ich erstmal den Felsorden gewinne, damit ich die Stadt verlassen kann. Vermutlich wollen sie sichergehen, dass mir und meinem Partner nichts passiert. Also dass dir nicht passiert“, sagte ich und lächelte Dratini an. Nachdenklich fasste ich mir ans Kinn. „Auf der anderen Seite ist es vielleicht gar nicht schlecht, sich schon mal Gedanken darüber zu machen, wohin die Reise dann gehen soll. Entweder zum Mondberg und dann nach Azuria City oder durch den Vertania Wald nach Vertania City … hm, gute Frage. Auf den Vertania Wald hätte ich schon Lust… egal. Eins nach dem anderen.“ Um zu zeigen, dass ich mit meinen Überlegungen erstmal fertig war, nahm ich meine Hand wieder runter und sah Dratini an. „Außerdem will ich noch einen hübschen Spitznamen für dich finden. Gar nicht so einfach, es soll ja immerhin der perfekte Name werden. Bestimmt fällt mir beim Abendessen was ein, oder wenn ich nicht mehr darüber nachdenke. Das ist oft so, musst du wissen.“ Dratini lachte mich an, vermutlich hatte sie es wie auch nicht so eilig, dass sie einen Spitznamen bekam. Dann kuschelte sie sich wieder an mich und ich ließ mich aufs Bett fallen. Was Dratini nur dazu brachte, sich noch mehr mit ihrem kleinen Drachenkörper an mich zu schmiegen. Ich legte meinen Arm um sie. „Ja, lass uns ein wenig ausruhen, das ist eine gute Idee.“ Für einen Moment wünschte ich mir, es würde ein wenig Musik laufen oder irgendein Podcast, damit wir noch besser entspannen konnten; doch dafür hätte ich aufstehen und zum PC gehen müssen. Nachsehen, ob es irgendeine Musik auf dem PC gab oder sowas wie Spotify. Doch um das Bett verlassen zu können, hätte ich zuerst Dratini von mir schieben müssen. Diese lag nun leicht atmend leben mir, ihr kleiner Schweif hatte sich sachte um mein Bein gewickelt. Offenbar war Dratini sofort neben mir eingeschlafen. Ich lächelte es ein wenig an. Ja, das ist wirklich keine schlechte Idee“, sagte ich mir in Gedanken und versuchte, eine noch bessere Schlafposition zu finden, ohne mich dafür groß bewegen zu müssen. Dann schloss ich meine Augen und ehe ich mich versah, war ich ebenfalls eingeschlafen.   Das bemerkte ich allerdings erst, als ich von meiner Mutter geweckt wurde. Verschlafen rieb ich mir die Augen und sah, wie zufrieden Mutters Blick aussah. „Wie ich sehe, habt ihr beiden euch schon so gut miteinander angefreundet, dass ihr sogar ein gemeinsames Nickerchen gehalten habt“, sagte sie, während sie neben meinem Bett stand. Vorsichtig richtete ich mich auf, und sah aus einem der Fenster hinaus. Die dortigen Lichtverhältnisse verrieten mir, dass es bereits Abend war. Doch wie lange wir genau geschlafen haben, konnte ich dagegen immer noch nicht sagen. „Dratini?“, konnte ich mein verschlafenes Pokémon hören, sie gähnte ein wenig und streckte sich dann, um wach zu werden. Was bei einem Drachenpokémon ohne Arme und Beine sehr niedlich aussah.  „Ich habe für heute Abend ein leckeres Gulasch mit Salzkartoffeln gekocht und Vater hat bereits den Tisch gedeckt“, sagte meine Mutter freundlich. Da sich bereits mein leerer und hungriger Magen meldete, musste sie mir das nicht zweimal sagen. „Komm mit, Dratini‘“, es gibt Abendessen sagte ich und wir beiden folgten, kaum dass wir das Bett verlassen hatten, meiner Mutter die Treppe hinunter in die Küche. Erst jetzt nahm ich den Esstisch wahr, der sich dort befand. Und Mutter hatte sich nicht geirrt, Vater hatte tatsächlich den Tisch gedeckt. Neben unserem Tisch befand sich eine kleine Schüssel, sie war himmelblau und hatte ein aufgemaltes Dratini. „Für unseren Neuzuwachs gibt es natürlich sehr leckeres Pokémonfutter“, meinte meine Mutter mit einem großen Sack in der Hand, aus welchem sie ein wenig in den Napf hineintat. Es sah aus wie übliches Pokémonfutter, wie ich es bereits aus dem Anime kannte und fragte mich, wonach es wohl schmecken würde. Dratini schien es wohl zu mögen, erst probierte es scheu ein Stück, bevor es sich erfreut auf den kompletten Napf stürzte. „Ganz ruhig, es ist alles für dich und es ist auch mehr als genug für dich da“, meinte mein Vater amüsiert, bevor er sich zu mir drehte. „Setz dich doch schon mal hin, wir servieren gleich“, sagte er und ich ging der Aufforderung nach. Recht schnell hatten die beiden die Teller mit den Portionen aufgetischt, es roch sehr lecker, soweit ich es mit meiner schwachen Nase beurteilen konnte. Anschließend brachte mein Vater die Getränke, Wasser sowohl mit als auch ohne Kohlensäure, bevor sich die beiden zu mir an den Tisch setzten. Wow, es ist echt lange her, dass ich mit meiner Familie so an einem Tisch saß und mit ihr was gegessen habe. „Das Gulasch sieht wirklich sehr lecker aus, Mama“, meinte ich und probierte ein Stück. Es schmeckte anders als das, was mein Freund immer kochte, aber war trotzdem lecker. Dass es mal Kartoffeln und nicht so wie immer Nudeln dazu gab, war auch ein wenig ungewohnt. „Und es schmeckt auch gut“, sagte ich, während ich begeistert weiter aß. Auch meine Eltern hatten bereits mit dem Essen begonnen und es schien ihnen ebenfalls wohl zu bekommen, zumindest deutete ich ihre Gesichtsausdrücke auf diese Art. Vielleicht sollte ich Vater fragen, ob er auch weiß, welche Attacken Dratini kann. Und vielleicht sollte ich Mutter fragen, ob sie mir hilft, einen schönen Spitznamen zu finden … naja, erstmal essen, sonst wird es noch kalt, dachte ich mir und steckte den nächsten Bissen in den Mund. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)