Die Shinsengumi-Hanahaki-Krise von MariLuna (oder: wenn die Mehrheit von etwas überzeugt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie Recht hat) ================================================================================ Kapitel 2: Saitō Shimaru – Teil II Dienstag, 11:55 Uhr ------------------------------------------------------- Saitō Shimaru – Teil II Dienstag, 11:55 Uhr   Shimaru kann sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren, immer wieder muß er an das denken, was während der Morgenbesprechung vorgefallen ist. Er versteht nicht, wie Hijikata-san gegenüber Yamazakis Schicksal so gleichgültig bleiben kann. Das passt nicht zu dem, was er in den letzten Monaten beobachtet hat. Er war sich so sicher, dass sich zwischen dem Fukuchō und dem Spion eine innige Freundschaft entwickelt hat. Das hat ihn ehrlich gesagt, gefreut. Für Yamazaki, denn auch wenn es in der Shingensumi niemanden gibt, der Yamazaki nicht mag, erinnern sich die wenigstens daran, dass er existiert. Die Masse der Männer hat ihn vergessen, sobald er aus ihrem Bildfeld verschwunden ist. Das macht ihn zu einem so guten Spion – er ist wie Inventar: leicht zu übersehen. Menschlich ist es aber traurig, beinahe schon tragisch. Daher war es erfreulich zu sehen, wie Yamazaki in Hijikata Interesse weckte. Shimaru verlässt sein Zimmer zwar nur zu den gemeinsamen Mahlzeiten und wenn er etwas Wichtiges in Edo zu erledigen hat, aber wann immer er zum Abendessen ging, sah er sie zusammen an einem Tisch sitzen und sich angeregt unterhalten. Manchmal, wenn er sah, wie sie sich zufällig berührten, bekam er das Gefühl, dass da mehr zwischen ihnen ist als bloße Freundschaft, aber er ist nicht gut darin, solche Dinge zu beurteilen. Und genau deshalb ist ihm Hijikatas Benehmen jetzt so ein Rätsel. Er hat lange mit sich gerungen, aber die Sache läßt ihm einfach keine Ruhe und so nimmt er all seinen Mut zusammen, verlässt die Sicherheit seines Büros und betritt kurz vor zwölf Uhr mittags das Büro von Kyokuchō Kondō, seinen Schreibblock fest in der rechten Hand. Überrascht blickt Kondō von seinen Unterlagen auf. „Ja? Was ist los, Shimaru?“ Vielsagend hält ihm Shimaru seinen Block entgegen. Wo ist Yamazaki? Kondōs eben noch so freundliche Miene verdunkelt sich etwas. Er versucht sich in einem schiefen Lächeln und streicht sich dann verlegen durch seine kurzen Haare. „Das ist geheim. Selbst ich weiß nicht, wo er steckt.“ Er seufzt einmal tief, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und mustert seinen rothaarigen Spion nachdenklich. „Du willst ihn selbst hierher zurück holen?“ Shimaru nickt so heftig, dass sein Afro ins Schwingen gerät. Wieder seufzt Kondō tief. Dann starrt er lange an die Decke über sich. Shimaru wartet geduldig. Wenn man ihn nicht kennt, hält man Kondō leicht für einfältig und behäbig, aber alle, ausnahmslos alle korrigieren diese Meinung über ihn, sobald sie ihn einmal im Einsatz gesehen haben. Seine Methoden mögen unkonventionell sein, aber sie sind von Erfolg gekrönt. Er ist ein ausgezeichneter Stratege und in einem Schwertkampf ist er ein Gegner, vor dem man sich hüten sollte. Seine Gedanken sind – wenn sie sich nicht um seinen Schwarm Shimura Tae drehen – fast genauso scharf und klar wie Hijikatas, nur mit dem Unterschied, dass Kondō viel zu gutmütig ist und immer das Gute in den Menschen sieht. Wie er sich diesen Optimismus bei seiner schicksalsgebeutelten Vergangenheit bewahren konnte, wird Shimaru wohl immer ein Rätsel bleiben. „Ich kann dich verstehen“, meint Kondō schließlich langsam, eindeutig jedes Wort sorgsam abwägend, richtet seine Aufmerksamkeit von der Decke und sieht Shimaru direkt in die Augen. „Aber ich vertraue Tōshirōs Urteil.“ In seiner Stimme liegt die ihm typische Unerschütterlichkeit, wenn er von Hijikata oder Okita spricht. Die drei kennen sich ihr halbes Leben lang und im Grunde genommen waren sie die Gründer der Shinsengumi. Shimaru liegt es fern, Kondōs Vertrauen anzuzweifeln, aber ... hastig kritzelt er etwas auf seinen Block: Und wenn er sich irrt? Kondō runzelt die Stirn und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch dann dringt ihm überraschenderweise Shimarus leise Stimme an die Ohren. Und das Wissen, wieviel Kraft es ihn gekostet haben muss, sie auszusprechen, verleiht seinen Worten zusätzliches Gewicht: „Dann verlieren wir beide.“ Sprachlos starrt Kondō ihn an. Daran hat er nicht gedacht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein guter Mann unter Hijikatas Kommando stirbt – das gehört hier nun einmal zum Berufsrisiko – aber das war immer in einem Kampf. Noch nie hat Hijikata das Leben eines Mannes leichtsinnig aufs Spiel gesetzt oder sich dagegen entschieden, ihn zu retten, obwohl er die Gelegenheit dazu hatte. Er ist eher dafür bekannt, der erste zu sein, der sich in die Gefahr stürzt. Je länger Kondō darüber nachdenkt, desto mehr muß er Shimaru Recht geben - wenn Yamazaki etwas wegen dieser Entscheidung zustößt, wird Tōshirō sich das nie verzeihen. „Ich werde nochmal mit ihm reden“, verspricht er ihm daher. Erleichtert bedankt sich Shimaru mit einer Verbeugung und zieht sich dann wieder eilig zurück.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)