Lichtermeer von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Lichtermeer ---------------------- Langsam sah Rose sich in dem kleinen, engen Cockpit um, betrachtete eine Mitreisende nach der anderen. Sie sah die großen, runden, traurigen Augen von Pearl, ihre kleinen, zusammengefalteten Hände und die sorgenvollen Falten auf ihrer Stirn, rund um ihren kleinen Gemstein herum. Sie sah Garnet, welche sich auf einen der großen Stühle gesetzt hatte und schweigend auf den Boden sah. Sie sah Amethyst, wie diese neugierig, wie auch gebannt auf den Monitor vor ihnen starrte, hatte sie doch außer dem Kindergarten und kleinen Teilen der Erde nichts anderes zu Gesicht bekommen. Sie war auf der Erde entstanden und hatte das All niemals gesehen. Rose seufzte. „Ich wusste, dass es so kommen würde, aber wir haben wohl keine andere Wahl“, sagte sie und blickte auf den Boden, mit den Tränen kämpfend. Nichts im Leben war ihr so schwergefallen wie das hier, weder die Rebellion gegen ihre Schwestern, noch ihr vorgetäuschter Tod. Besonders die enttäuschten und geschockten Gesichter von Garnet und Bismuth zu sehen, hatte ihr unglaubliche Schmerzen bereitet. „Es tut mir leid, dass es mit Bismuth nicht besser geklappt hat. Ich kann sie verstehen, aber es war doch nur zu unser aller Bestem gedacht!“, sagte Pearl, versuchte sie ihre ehemalige Besitzerin zu trösten, doch diese schüttelte nur den Kopf. Lose flog Rose die eine oder andere gelockte Strähne um ihren Kopf. „Ich bin schuld, ich kann es ihr nicht verübeln. Nach allem, was sie meinetwegen erlebt hat. Was mit unseren Freunden passiert ist ...“ Schnell verkrampfte sie ihre Hände, so fest sie konnte. Hätte sie Fingernägel und einen menschlichen Körper gehabt, hätten diese sich tief in ihr Fleisch gebohrt. Sie biss sich auf die Unterlippe, konnte das leichte Fließen ihrer Tränen jedoch nicht mehr verhindern. Schnell blickte sie in eine andere Richtung, sie wollte nicht, dass Pearl sie weinen sah, wusste Rose doch, dass diese recht nah am Wasser gebaut war, besonders, wenn es um sich selbst ging. „Ich … werde dann das Raumschiff starten. Seid ihr bereit? Haltet euch fest, ich habe das hier lange nicht mehr gemacht“, sagte sie, raffte ihr Kleid und stellte sich auf das Kontrollpanel. Ihr Gem leuchtete auf, was Pearl erschrocken zusammenzucken ließ. Roses Kleid verschwand, ihre gesamte Masse formte sich zu einem hellen, pinken Licht, welches dafür sorgte, dass sich nun auch die beiden anderen Passagiere umdrehte. Garnets Mund öffnete sich, als könnte sie nicht glauben, was sie dort zu sehen bekam, während Amethyst schlicht neugierig zusah. An der Stelle, an welcher sich eben noch Rose Quartz, die Anführerin der Rebellion gegen Homeworld und der Diamonds befunden hatte, stand nun eine kleinere Version ihres früheren Ichs: Pink Diamond. Erschrocken klappte Pearl ihre Hände über ihren Mund zusammen, doch diese wurden von Pink wieder heruntergenommen. „Schon in Ordnung, ich nehme dich aus deiner Schweigepflicht heraus, Pearl. Du hast genug geschwiegen und ich hätte es dir wohl nie befehlen dürfen“, sagte Pink und lächelte. „Wow! Du siehst so ganz anders aus, Rose!“, entfuhr es Amethyst erstaunt. Garnet dagegen nahm ihre Brille ab, ungläubig starrte sie zu Pink Diamond und musterte von der höchsten Haarspitze bis zu ihren Slippern hinunter. Bis sie sich wieder fing, die Brille aufsetzte und wieder auf ihren Sitzplatz zurückkehrte, nichts weiter tat als auf ihre beiden Gems zu starren. Betreten sah Pink zu Garnet hinüber, wieder seufzte sie. War es ein Fehler, ihnen die Wahrheit zu sagen? Hätte ich nicht einfach die vielen weiteren tausend Jahre mit ihnen einfach auf der Erde leben sollen, mein altes Ich, mein altes Leben für immer begraben? Sie schüttelte mit dem Kopf, als wollte sie sich selbst eine Antwort geben. „Gut, dann werde ich das Schiff starten“, sagte sie in den Raum hinein, ging in Position und fing zu laufen an.   ~   Sie waren bereits eine lange Weile unterwegs gewesen, hatten unzählige Sterne und mehrere Planeten auf ihrem Weg nach Homeworld passiert. Jetzt, da das Raumschiff flog, musste Pink nichts weiter machen, als das Raumschiff immer weiter seinen Weg fliegen zu lassen. Wieder sah sie auf den Boden und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie das Zittern ihrer Hände bemerkte. Zwar war sie eine Diamond, was jedoch nicht bedeutete, dass sie den anderen Diamonds ebenbürtig war, dies hatten diese sie immer wieder spüren lassen, als Pink um die Verschonung der Erde gebeten hatte. „Ist alles in Ordnung, my Diamond … Rose?“, korrigierte Pearl sich sofort selbst. Während Amethyst immer noch damit beschäftigt war, die Sterne um sich herum auf dem Bildschirm zu bestaunen und Garnet noch immer in ihren eigenen Gedanken versunken war, ging die dünne Gemdame auf Pink zu und legte ihre kleine Hand auf die von Pink. Dabei glühten Pearls Wangen ein wenig hellblau. „Ist … ist alles in Ordnung, Rose?“, fragte Pearl erneut und nicht zum ersten Mal befürchtete Pink, dass Pearl wieder in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen würde. „Das ist nicht Rose, das ist Pink Diamond! Und sie hat uns alle hereingelegt. Ihretwegen ist das mit unseren Freunden passiert!“, unterbrach Garnet sie, sie hatte sich die Brille verschwinden lassen, alle drei Augen waren tränenfeucht. „Garnet! Sie hat es euch doch bereits erklärt!“, begann Pearl zu argumentieren, doch Pink hielt ihr nur ihre rechte Handfläche hin. Pearl verstand, und verstummte augenblicklich. „Pearl, Garnet hat ihr gutes Recht, wütend auf mich zu sein. Sie hat jedes Recht dazu und sie bekommt von mir die Freiheit, mit mir zu machen, was sie möchte, wenn das hier alles vorbei ist. Endgültig vorbei.“ Wenn sie mich überhaupt gehen lassen. Wenn sie uns überhaupt helfen? Warum sollten sie es tun? Immerhin habe ich meinen Tod vorgetäuscht und sie zu dieser Racheaktion überhaupt erst gebracht. Meinetwegen sind die Gems auf der Erde nun Monster, meinetwegen … Pink begann zu zittern, wieder flossen ihre Tränen, dieses Mal stärker als zuvor. Unaufhaltsam bahnten sie sich ihre Wege auf ihren Wangen entlang, dabei spürte Pink wieder einen trostspendenden Druck auf ihrer Hand. „Rose, ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte Pearl, bevor sie erst auf den Bildschirm, dann auf ihre eigene Steuerung sah. „Wir haben Homeworld erreicht, wir sind … wieder zuhause.“ Sie sah zu Pink hinüber, diese wischte sich mehrfach über die Augen, konnte ihr Weinen jedoch nicht stoppen. „Es ist wegen den anderen Diamonds, nicht wahr?“ Pink nickte, sie brauchte noch ein paar Minuten, bis sie sich wieder einigermaßen fangen konnte. „Ja, es ist wegen Blue und Yellow, aber auch besonders wegen White. Sie haben mich früher auch schon bestraft, mich in dem finsteren Turm eingesperrt, mir meine erste Pearl weggenommen und mir erst einen fast toten Planeten geschenkt, als ich sie wohl zu sehr mit meiner Frage genervt hatte … oh, da fällt mir ein, ich habe Spinel im Garten vergessen … wir müssen sie auf jeden Fall zurückholen!“, sagte Pink und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm. Der Rest folgte ihrem Blick. Homeworld, ihr Heimatplanet, näherte sich immer mehr, erst schneller, dann langsam, bis Pink das Raumschiff zum Stehen brachte. Nervös biss sie sich erneut auf die Unterlippe. „Wie, denkst du, werden sie reagieren?“, fragte Pink, sah jedoch nicht zu Pearl hinunter. Ihre beiden Hände waren nun verkrampft und sie wünschte sich, sie hätte das gesamte Ereignis bereits hinter sich. Oder dass sie es nicht tun müsste. Doch sie wollte ihre Freunde retten, und dazu brauchte sie die Hilfe der anderen drei Diamonds. „Ich weiß es leider nicht“, sagte Pearl und auch sie klang alles andere als selbstsicher. „Aber wir sollten landen, man ist mit Sicherheit bereits auf uns aufmerksam geworden.“ Pink sah auf ihr Kommunikationsfeld, auf welchem sich die Nachrichten vieler Homeworld-Gems bereits zu stapeln schienen, doch sie sah sie keine einzige davon an. Konnte sie sich nicht ansehen. Stattdessen wischte sie das Kommunikationsfeld auf die Seite. „Ja, machen wir uns zur Landung bereit“, sagte Pink und machte die letzten Vorbereitungen. Sie näherten sich dem Planeten, durchquerten dessen obere Atomsphärenschichten. Erst war nichts genaues zu erkennen, dann bildeten sich Türme, Rohre, Strukturen in der Ferne. Sofort fiel dreien von ihnen etwas auf, Erkenntnis bahnte sich in ihr Bewusstsein. „Warum ist es hier so dunkel?“, fragte Amethyst, die als einzige keine Ahnung hatte, was hier vor sich ging. Der Rest hatte jede für sich eine eigene Ahnung. „Vermutlich stecken die Diamonds dahinter“, sagte Pink in einem Tonfall, als würde sie sich selbst schon lange nicht mehr zu ihnen dazuzählen. Pearl warf einen mitleidigen Blick zu ihr herüber. Garnet wandte den Blick ab. Zu sehr fürchtete sich die Fusion davor, Blue Diamond wieder zu sehen, hätte diese doch beinahe Ruby dafür zerbrechen wollen, nur weil diese versehentlich mit Sapphire fusioniert war. Pink sah ihr Zittern und hätte sie zu gerne getröstet, aber sie wusste, dass nun nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Dass nicht die nötige Menge an Vertrauen vorhanden war. „Seht doch mal, was leuchtet denn da so hell?“, fragte Amethyst und deutete auf den Bildschirm. Sie alle drei blickten ebenfalls wieder auf den Bildschirm zurück; und konnten einen kleinen hellen Lichtkreis sehen; zu dem sich erst einer, dann zwei, dann ganz viele dazugesellten. Lichter in den unterschiedlichsten Farben erleuchteten, erhellten den Platz, auf welchem sie sich befanden oder zumindest in der Nähe davon. Es war das Diamond Landepanel, auf welchem sich auch die Schiffe ihrer Schwestern befanden. Whites Torso; und die Arme von Blue und Yellow. Der Platz war gefüllt mit vielen unterschiedlichen Gems, große und kleine, sortiert nach Farben und Gem-Art. Verwirrt ließ Pink sachte ihr Beinschiff auf ihrem Teil des Panels landen, deaktivierte die Schiffssteuerung, bewegte sich jedoch keinen Schritt davon entfernt. „Was geht hier nur vor sich? Was passiert hier?“, fragte sie ahnungslos, ihre Stimme stockte und wieder sammelten sich die Tränen in ihren Augen. „Blue, Yellow, White, soll das etwa bedeuten … ich bin hier wieder willkommen? Leuchten deshalb alle Untertanen hier mit ihren Gems?“ Wieder wischte sie sich die Tränen aus den Augen. „Nun, es sieht wirklich so aus, als wollten sie dir den Weg zurück zur Heimat leuchten. Dir damit zeigen, wie sehr sie dich vermisst haben und wie sehr sie dich willkommen heißen“, sagte Pearl mit einer warmen, wohligen Stimme. „Und es wäre wohl besser, wenn du sie nicht zu lange warten lassen würdest“, fügte sie noch hinzu. „Du hast recht, Gems, nein, Freunde, versammelt euch um mich“, sagte Pink und die drei ließen mehr oder weniger nicht lange auf sich warten. Kaum standen sie gemeinsam an einem Fleck, transportierte sie Pearl auf das Dach des Schiffes, auf den Teil, welcher sich üblicherweise mit dem Schiff von White verbinden würde. Gleichzeitig verpasste es ihnen eine wunderbare Aussicht über das Lichtermeer, welches sie nach Hause geführt hatte. Welches ihnen den richtigen Weg gezeigt und ihnen beim Landen geholfen hatte. Amethyst kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und auch Garnet schien im Angesicht der tausenden leuchtenden Gemsteinen ihre Angst vor Blue Diamond kurz vergessen zu können. Zu sehr gefiel ihnen das Farbenspektakel, das Licht, das die gesamte Palaststadt zu erfüllen schien. Sie bewunderten das Farbenspiel, winkten den Gems zu und einzelne brachten den Mut auf, zurückzuwinken. Pink lächelte, auch ihre Angst nahm ein wenig, doch komplett verschwinden würde sie wohl nicht so schnell. Sie spürte sie erst wieder, als eine weiße Blase auf ihre kleine Gruppe zugeflogen kam und aus ihr heraus drei Pearls erschienen. Pink stockte der Atem, erschrocken hielt sie die Luft an. Sie sah Blues Pearl, Yellows Pearl und ihre alte eigene, komplett in weißen und grauen Farbtönen. Sie schien zu lächeln, es war jedoch ein breites, kaltes Grinsen, welches absolut nicht zu ihr passte. Dennoch erwiderte Pink es ein wenig, um ihren guten Willen zu zeigen. Die T-Pose, die White Pearl an den Tag legte, verpasste Pink einen Schauer über den Rücken. Genauso wie der Riss über White Pearls linkem Auge; oder dem, was davon noch übriggeblieben war. Er erinnerte an andere Zeiten, die Pink nur zu gerne wieder ungeschehen machen wollen würde. „Na, gefällt dir das kleine Lichtermeer, das wir für dich veranstaltet haben? Bist du gut gelandet? Hattest du deinen Spaß? Hast du dich abreagieren können? Den Sternen sei Dank, dein Streich, der uns alle für 1000 Jahre lang beschäftigt hat, ist jetzt vollkommen vorbei. Willkommen zu Hause, Pink“, sagte White Pearl in einer eigenartigen Weise, dass sich Pink alles andere als wohl fühlte. Doch sie nickte nur. „Danke, ja, es war sehr schön“, sagte sie nur. Pink wusste, sie würde mit ihren Schwestern kämpfen, hadern und argumentieren müssen. Doch Pink brauchte sie, brauchte die Hilfe aller drei Diamonds. Pink sah wieder auf die Gem-Untertanen hinunter, nun trauten sich viel mehr Gems ihrer vierten Anführerin zuzuwinken. Pink erwiderte sofort, weniger zaghaft das Winken. Möglicherweise war das Lichtermeer, mit welchem sie begrüßt wurde, doch ein erster Schritt zur Versöhnung. Pink beschloss, das herauszufinden, auf ihre ganz eigene Art und Weise. So trat sie an den Rand des Raumschiffs heran und ließ ihren eigenen Gem aufleuchten, in dem schönsten und hellsten Pink, das die meisten von ihnen noch nie in ihrem langen Leben gesehen hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)