Das Geheimnis der Kleeblattinsel von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 7: Buch 2 - Kapitel 1 ----------------------------- Buch 2 – Kapitel 1 Aus den Chroniken der Kleeblattinsel: „Über 200 Jahre sind bereits vergangen, seit Blackbeard uns den Feueropal, unser allerheiligstes Artefakt gestohlen hat. Am Ende eines jeden Tages taucht Tosh Kamars Riesenkalmar aus den Fluten auf und zeigt sich uns. Iduna hilf uns! Sende uns ein Zeichen!“ 7. Mai 1916 1 Jahr nach der Versenkung der Lusitania Strandung der SMS GOEBEN In seinem Palast unter dem Meer saß Tosh Kamar, der böse Herrscher auf seinem Thron und rieb sich vergnügt die Hände. Seit mehr als einem Jahr tobte auf der Welt über ihm ein erbitterter Krieg, der die ganze Welt in Atem hielt. Am 28. Juli 1914 hatte Österreich-Ungarn Serbien wegen dem Mordanschlag am 28. Juni 1914 auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand den Krieg erklärt. In ganz Europa hatten die Länder massiv aufgerüstet und mobil gemacht. Die Seestreitkräfte hatten mit den Schlachtschiffen der Dreadnought-Klasse eine schlagkräftige Einheit mit hoher Geschwindigkeit und enormer Feuerkraft erhalten. Am 7. Mai 1915 hatte das deutsche U-Boot U 20 den britischen Luxusliner RMS LUSITANIA vor der irischen Südküste am Old Head of Kinsale torpediert und in 18 Minuten versenkt. 1.198 Menschen, darunter 128 US-Staatsbürger, hatten beim Untergang des Schiffes ihr Leben verloren. Dies war Tosh Kamar jedoch herzlich egal. Ihn interessierte nur sein eigener Krieg. Der Krieg gegen Oamaru, die Kleeblattinsel. Valparaíso, Chile 7. Mai 1916 In der Stadt herrschte ein geschäftiges Treiben. Überall waren Menschen. Aber am meisten war im Hafen los. Dort wurden Schiffe aller Nationen be- und entladen. Auf der Werft lag ein Kriegsschiff. Es war die „Goeben“, ein großer Kreuzer der Moltke-Klasse im Dienst der deutschen kaiserlichen Marine. Benannt war das Schiff nach August von Goeben, einem preußischen Armeegeneral. Mit seinen 186,6 m Länge und einer Breite von 29,4 Metern gehörte der Kreuze zu den kleineren Dreadnoughts. Die „Goeben“ konnte maximal 28 Knoten erreichen und verdrängte 25.400 Tonnen. Diese Geschwindigkeit war einer Maschine mit 85.661 PS zu verdanken, die auf vier 3-flügelige Propeller mit einem Durchmesser von 3,74 Metern, übertragen wurde. Der Kreuzer hatte einen Tiefgang von 9,19 Metern. Das Kommando auf der „Goeben“ hatte Kapitän zur See Richard Ackermann. 109 Bewaffnet war das Schiff mit zehn 28-cm-Geschützen, zwölf 15-cm-Geschützen und 12 8,8-cm-Geschützen. 2 Ruder sorgten für hervorragende Manövriereigenschaften. Vor drei Tagen hatte der große Kreuzer vor der Mündung des Rio de la Plata mit einem englischen Dreadnought, der HMS „Orion“, und der HMS „Dublin“, einem leichten Kreuzer der Chatham-Klasse, ein vierstündiges Gefecht überstanden. Den leichten Kreuzer hatte die „Goeben“ durch einen direkten Treffer im Munitionsdepot auf den Meeresboden geschickt. Auch der Dreadnought hatte ordentlich was einstecken müssen, hatte dem deutschen Kriegsschiff aber ordentlich zugesetzt und den Kreuzer so schwer beschädigt, dass die „Goeben“ das Gefecht abbrechen und nach Chile flüchten musste. In Valparaíso hatte Kapitän Ackermann sein Schiff in die Werft bringen und reparieren lassen. Die Chilenen leisteten gute Arbeit und hatten die Schäden unterhalb der Wasserlinie behoben. Auch die defekten Geschützrohre hatten die Werftarbeiter ausgetauscht. In Whitehall, dem Sitz der britischen Admiralität, sah man das nicht so gern. Nun wurde die „Goeben“ neu bekohlt, was den Engländern ebenfalls ein Dorn im Auge war. Um den deutschen Kreuzer an der Flucht nach Deutschland zu hindern, hatte die Royal Navy eines ihrer besten Schiffe, den 262,2 m langen Schlachtkreuzer HMS Hood nach Valparaíso geschickt. Nun wollte Kapitän Ackermann so schnell wie möglich in See stechen, denn er wusste, irgendwo da draußen wartete die HMS Orion auf ihn. Valparaíso, Chile, 8. Mai 1916 Im Morgengrauen lichtete die „Goeben“ die Anker. Kapitän Ackermann wollte den Umstand, dass eine dichte Nebelwand aufgezogen war, nutzen, um sich unbemerkt aus dem Hafen von Valparaíso zu schleichen. Denn er hatte am Abend des 7. Mai vom deutschen Botschafter erfahren, dass außerhalb der 3-Meilenzone der englische Schlachtkreuzer HMS Hood Position bezogen hatte. Wenn es Richard Ackermann irgendwie gelang, sich unbemerkt an der Hood vorbei zu schleichen, dann hatte er auch eine minimale Chance, auch der Orion zu entkommen. Schlepper hatten die „Goeben“ nach Einbruch der Dunkelheit so gedreht, dass sie mit der Flut auslaufen konnte. Auf Befehl ihres Kommandanten, wurden die Feuerbüchsen der Kessel geöffnet, und die Heizer begannen die Kohlen ins Feuer zu schmeißen. Schaufel um Schaufel wanderte in die Öfen. Mit jedem Bar, das der Druck in den Kesseln stieg, lieferte die Maschine der „Goeben“ mehr Leistung. Richard Ackermann gab den Befehl „halbe Kraft voraus“, nachdem er die Meldung bekommen hatte, dass der Druck in allen Kesseln, gleich war und konstant blieb, und der mächtige Kreuzer setzte sich in Bewegung. An Bord der Hood 110 Captain Wilfred Tomkinson stand auf der Brücke des mächtigen Schlachtkreuzers und starrte durch die Fenster in den Nebel. Über den Admiralitätscode hatte er erfahren, dass die „Goeben“ einen Ausbruch wagen würde. Der Kommandant der Hood war fest entschlossen, den großen Kreuzer der deutschen kaiserlichen Marine zu stellen und zu versenken. Doch sein deutscher Kontrahent, Kapitän zur See Richard Ackermann, war ein mit allen Wassern gewaschener und erfahrener Seemann. Captain Tomkinson wusste, dass sein Schiff der „Goeben“ in punkto Geschwindigkeit und Feuerkraft überlegen war. Denn die Hood war mit ihren 31,07 Knoten schneller als die Goeben mit ihren 28 Knoten. Außerdem besaß der englische Schlachtkreuzer von und achtern jeweils zwei Zwillingstürme mit einem Kaliber von 38,1 cm. Die „Goeben“ mit ihren 28-cm-Geschützen konnte da nicht mithalten. An Bord der „Goeben“ Der Kreuzer hatte gerade die Hafeneinfahrt passiert, als sich der Nebel etwas lichtete. Dieser Umstand passte Richard Ackermann gar nicht. Auch wenn es noch neblig war, konnte der feindliche Kapitän zumindest die Umrisse des deutschen Kriegsschiffes erkennen. Allerdings musste sich der Kommandant der „Goeben“ auch eingestehen, dass der Kapitän auf der Hood es bei diesem Nebel schwer haben würde, sein Schiff ins Visier zu nehmen. An Bord der Hood Kapitän Tomkinson entdeckte als erster den Schemen, der im Nebel aufgetaucht war. Doch die Nebelbank war noch so dicht, dass er nur vage vermuten konnte, wo sich das fremde Schiff befand. Die Stimme des ersten Offiziers riss den Kommandanten aus seinen Gedanken. „Captain, die „Goeben“ dreht nach Backbord.“, sagte dieser. „Sind sie sicher, dass es die „Goeben“ ist?“ „Absolut, Sir. Die Silhouette der „Goeben“ ist unverkennbar.“, sagte der erste Offizier. „Er bleibt also innerhalb der chilenischen Hoheitsgewässer, weil er da sicher vor uns ist. Gar nicht mal so dumm.“ Captain Tomkinson wusste nur zu gut, dass er den deutschen Kreuzer nicht angreifen konnte, solange dieser sich innerhalb der chilenischen Hoheitsgewässer befand. Hätte Wilfred Tomkinson das Feuer auf den deutschen Kreuzer eröffnen lassen, hätte dies unter Umständen bedeutet, dass die HMS Hood die territoriale Souveränität Chiles verletzt hätte. Und dann, dessen war sich der englische Kommandant bewusst, hätte die Regierung in Santiago de Chile einen triftigen Grund, die Neutralität aufzugeben und an der Seite 111 Deutschlands in den Krieg einzutreten. Das hätte bedeutet, dass England wichtige Nachschubhäfen verloren hätte, wo man die Schiffe mit neuer Kohle und frischem Proviant hätte versorgen können. Dieses Risiko wollte der Kapitän der „Hood“ partout nicht eingehen. An Bord der Goeben Der deutsche Kreuzer drehte weiter nach Backbord und verschwand wieder im Nebel. Doch Kapitän zur See Ackermann war sich durchaus bewusst, dass sein englischer Kollege auf der Hood ihn dennoch entdeckt haben konnte, und eine entsprechende Nachricht an die HMS Orion geschickt hatte. Und der Kommandant dieses Dreadnoughts würde nur darauf lauern, dass ihm die „Goeben“ wieder vor die Hauptartillerie geriet. An Bord der Orion Kapitän Isaac Hancock stand auf der Brücke seines Schiffes und starrte durch sein Fernglas nach draußen. Doch außer Nebel gab es nichts zu sehen. „Irgendwo da draußen ist die Goeben.“, dachte er. Isaac Hancock hatte nicht vergessen, dass die Goeben seinem Schiff mit ihren 28ern richtig zugesetzt hatte. Es hatte bis gestern Nacht gedauert, bis der Dreadnought wieder voll einsatzbereit war. Erst im Morgengrauen hatte die Orion Anker auf gehen und auslaufen können. „Warte, Freundchen. Komm du noch mal vor meine Geschütze. Dann schicke ich deine gottverdammte Sardinenbüchse ein für allemal auf den Meeresboden.“, murmelte der englische Kapitän vor sich hin. In dem Moment kam der diensthabende Funker auf die Brücke. In der Hand hielt er einen Papierbogen. Kapitän Hancock bemerkte ihn erst. Als der Mann neben ihm stand. „Was gibt es Mr. Kilburn?“, fragte er. „Eine Nachricht von der Hood, Sir. Sie trägt den Vermerk „DRINGEND“. Ich dachte, sie hätten sie gern sofort.“ Kapitän Hancock runzelte die Stirn. „Sind sie absolut sicher, dass die Nachricht von der Hood kam?“, fragte er vorsichtig. „Absolut, Sir. Es war ihr Rufzeichen. Wir haben die Nachricht zweimal auf Echtheit überprüft, Sir.“ „In Ordnung. Geben sie mir die Nachricht, Mr. Kilburn.“, sagte Kapitän Hancock. 112 Der Funker reichte ihm die Nachricht von der Hood und machte sich auf den Weg zurück in den Funkraum. Kapitän Hancock las die Nachricht. „An HMS ORION von HMS HOOD SMS GOEBEN heute Morgen aus Valparaíso ausgelaufen. Fährt Kurs Nordwest. Wenn Feindberührung, eröffnen sie das Feuer.“ Der Kommandant des englischen Dreadnoughts ging in den Kartenraum, suchte eine Karte Südamerikas heraus und kehrte auf die Brücke zurück. An Bord der Goeben Seiner Majestät Schiff „Goeben“ hatte die offene See erreicht und auf volle Kraft beschleunigt. Mit 28 Knoten lief das Schiff nach Nordwesten. Richard Ackermann hatte vor, nach Mexiko durchzukommen, und sich dann in einer Bucht auf der Halbinsel Yucatan zu verstecken. Dort wollte er später von einem Versorgungsschiff frische Vorräte, sowie neue Kohlen und frisches Wasser zu bunkern. Anschließend wollte er die Heimreise nach Deutschland wagen. Doch der Plan wäre zum Scheitern verurteilt, wenn die Goeben dem englischen Superdreadnought HMS Orion unter dem Kommando von Isaac Hancock begegnete. Der deutsche Kommandant wusste, dass die Briten die Jagd auf sein Schiff eröffnen würde, sobald sie Sichtkontakt mit der Goeben hatten. Richard Ackermann wusste zwar, dass sich zumindest die Orion und die Hood in diesen Breitengraden aufhielten, aber es war dennoch möglich, dass die Royal Navy weitere Einheiten in den Pazfikraum verlegt hatte. Und dann war für die Goeben die Messe gelesen. An Bord der Orion Captain Hancock kam mit der Karte in der Hand auf die Brücke und rief seinen ersten Offizier. Arthur Cavenagh Leveson erschien sofort. „Sie wollten mich sprechen, Sir?“, fragte er. „Ja, Mr. Leveson. Ich habe von der Hood erfahren, dass die „Goeben, das deutsche Kriegsschiff, dem wir vor vier Tagen begegnet sind, heute Morgen aus Valparaíso ausgelaufen ist. Laut der Nachricht fährt sie auf Nordwest-Kurs.“ Isaac Hancock nahm Lineal und Bleistift zur Hand und zeichnete von der chilenischen Hafenstadt eine gerade Linie nach Nordwest. „Was hat der Kerl vor?“, fragte Arthur Leveson. „Keine Ahnung, Mr. Leveson. Aber wäre ich der deutsche Kommandant, würde ich versuchen, auf Höhe von Yucatan einen Schwenk zu machen, um die Insel anzusteuern.“ 113 „Das würde aber nur gelingen, wenn er außerhalb der Reichweite unserer Geschütze bleibt.“, sagte der erste Offizier. „Schon möglich, Mr. Leveson. Aber die Nachricht von der Hood ist unmissverständlich. Sobald wir Sichtkontakt zur Goeben haben, sollen wir umgehend das Feuer eröffnen.“ „Klingt, als sollten wir verhindern, dass die Goeben nach Deutschland durchkommt.“, sagte Mr. Leveson. „Hab ich keine Probleme mit. Die „Goeben“ hat uns vor vier Tagen ordentlich zugesetzt. Ich finde es ist Zeit, sich für diese freundliche Behandlung bei den Krauts zu revanchieren.“ An Bord der Goeben Kapitän zur See Richard Ackermann hatte für sein Schiff erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet, damit er bei einem erneuten Aufeinandertreffen mit der Royal Navy entsprechend vorbereitet war. So waren die Ausgucks doppelt besetzt. Um 12:30 Uhr sichtete der Ausguck am Bug ein Schiff. Er griff zum Fernglas und sah sich das fremde Kriegsschiff genauer an. Die Silhouette der Orion mit ihren zwei Schornsteinen war unverkennbar. Sofort Schlug er die Glocke um Alarm zu geben. Richard Ackermann stürmte auf die Steuerbord-Nock und sah durch sein Fernglas. Auch er entdeckte schnell das feindliche Kriegsschiff. Aus der Ferne konnte der Kommandant der Goeben Geschützfeuer hören. Nur kurze Zeit später stiegen in einiger Entfernung zwei Wassersäulen auf. Die Briten hatten also zu kurz gezielt. Doch Kapitän zur See Ackermann wusste, dass das nicht lange so bleiben würde. An Bord der HMS Orion „Zu kurz.“, sagte der erste Offizier. „Wir müssen näher ran. Auf die Entfernung können wir den Kerl ebenso gut mit Schneebällen bombardieren.“ Der englische Dreadnought änderte den Kurs und hielt nun auf den deutschen Kreuzer zu. Dann ließ Isaac Hancock erneut eine Salve abfeuern. Und dieses Mal trafen die Granaten der Orion ihr Ziel. Eine Granate schlug in einen der 28-cm-Türme der Goeben am Bug. Die Druckwelle riss einen Teil des Decks mit ab. Eine weitere Granate der Orion traf das deutsche Kriegsschiff vor dem Schornstein und richtete dort schwere Schäden an. Die Goeben erwiderte zwar das Feuer, konnte ihren Gegner aufgrund der geringeren Reichweite ihrer Geschütze nicht erreichen. Erneut traf eine Granate der Orion die Goeben. Dieses Mal direkt oberhalb der Wasserlinie. Captain Hancock sah dies mit 114 Genugtuung. „Ha! Wer spricht jetzt noch von Schneebällen!“, rief er voller Freude. An Bord der Goeben „Es hat keinen Sinn, das Gefecht fortzusetzen. Sehen wir zu, dass wir verschwinden. Neuer Kurs Südwest.“, befahl Kapitän Ackermann. Der Steuermann wirbelte das Steuerrad des Kreuzers herum und die Goeben ging auf den neuen Kurs. Doch der Schaden, der durch den Treffer in der Bordwand knapp oberhalb der Wasserlinie entstanden war, sorgte dafür, dass der deutsche Dreadnought seine Höchstgeschwindigkeit von 28 Knoten nicht für die Flucht nutzen konnte. Denn es bestand die Gefahr eines unkontrollierten Wassereinbruchs. So lief die Goeben gerade einmal 15 Knoten. An Bord der Orion „He! Die Goeben haut ab, Captain!“, sagte der erste Offizier des englischen Dreadnoughts. „Wie hoch ist ihre Geschwindigkeit?“ „15 Knoten. Unser letzter Treffer hat ihr den Rest gegeben.“, sagte Arthur Cavenagh Leveson. „In Ordnung. Wir verfolgen die Goeben. Aber in einem Abstand, in dem wir sie gerade noch sehen können. Nach Einbruch der Dunkelheit gehen wir näher ran, und machen ihr den Garaus.“ Am frühen Abend, es war 17:00 Uhr, verschlechterte sich das Wetter. Am Himmel zogen dunkle, schwarze Wolken auf. Die See wurde rauer. Kapitän Ackermann hatte den ganzen Tag damit verbracht, das Loch in der Bordwand flicken zu lassen. So hatten die Leute des Sicherungstrupps leichte Stahlplatten vor das Loch geschweißt und das Leck provisorisch abgedichtet. Doch jeder wusste, dass bei einem ordentlichen Brecher der Flicken wie von einer unsichtbaren Faust gerammt, nach innen gedrückt werden konnte. Um 19:00 Uhr zuckten die ersten Blitze vom Himmel und der Wind frischte auf Windstärke 10 auf. Für die HMS Orion bedeutete dies, dass sie die Verfolgung der Goeben abbrechen musste. Eine halbe Stunde später brach das Unwetter los. Die Goeben hatte Probleme überhaupt einen Kurs zu halten. Das Schiff schlingerte durch die rauen Wellen, während Brecher um Brecher über die Goeben hereinbrach. Und es kam wie es kommen musste. Eine 3,5 Meter hohe Welle traf den Flicken und drückte ihn nach innen. Es war zwar nicht viel, reichte aber dennoch aus, um Wasser ins Schiffsinnere laufen zu lassen. Zuerst war es nur ein kleines Rinnsal, doch mit jeder Bewegung des deutschen Kreuzers drohte mehr Wasser ins 115 Schiffsinnere zu geraten. Um 21:00 Uhr, die Goeben hatte gerade die ersten Ausläufer des Riffs erreicht, das die Kleeblattinsel umgab, geschah das Unglück. Eine 6 Meter hohe Welle brach über seiner Majestät Schiff Goeben herein, und drückte den großen Kreuzer auf das Riff. Die Mannschaft schaffte es gerade noch, ein Rettungsboot klarzumachen, mit dem sich 50 Mann retten konnten. Wer es noch irgendwie schaffte, das sinkende Schiff zu verlassen, sprang über Bord. Kapitän zur See Richard Ackermann blieb allein auf der Brücke, denn er war ein Mann mit Ehrgefühl. Er hatte beschlossen, bis zum letzten Augenblick die Stellung zu halten, und mit seinem Schiff unterzugehen. Die Matrosen und Offiziere, die es ins Rettungsboot geschafft hatten, ruderten, was das Zeug hielt, um möglichst schnell von dem sinkenden Schiff wegzukommen. Sie befürchteten nämlich, dass der beim Untergang entstehende Sog sie nach unten ziehen, und so das Leben kosten könnte. Die Männer in dem Boot waren gerade 200 m von der Goeben entfernt, als einem von ihnen, dem Hamburger Heizer Dirk Hemmler ein starker Ammoniakgeruch auffiel. Noch bevor die Schiffbrüchigen etwas unternehmen konnten, wurde das Rettungsboot angehoben und umgeworfen. Doch nun fing der Horror er richtig an. Eine meterlange Fangpeitsche tauchte aus dem Wasser auf und zerschlug das Boot der Goeben in zwei Hälften. Eine Planke brach heraus, und wirbelte durch die Luft, ehe sie neben Dirk Hemmler auf dem Wasser aufschlug. Der 1,85 m große Heizer aus dem Hamburger Stadtteil Barmbek griff danach, und wurde von einer Welle über das Riff getragen. Er schaffte es als einziger. Für die anderen gab es keine Rettung. Wen Tosh Kamars Riesenkalmar nicht tötete, wurde von den Wellen gegen die Klippen geschleudert oder ertrank. Der Sturm wütete die ganze Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag. Dirk Hemmler hatte sich in eine Höhle retten können. Dort harrte er aus und sah über die Flammen des Feuers nach draußen auf die aufgewühlte See und auf das Wrack des Schiffes, das einmal seine zweite Heimat gewesen war. Die Todesschreie seiner Mannschaftskameraden hatte Dirk noch immer im Ohr. Nie würde er diese Horror-Nacht vergessen. Zwei Tage nach dem Sturm fand eine berittene Patrouille von Königin Wioletta den Schiffbrüchigen. Die Soldaten bildeten einen Halbkreis und warteten, ob der Fremde aufwachte. Als Dirk Hemmler erwachte, sah er zunächst alles verschwommen. Nur nach und nach klärte sich sein Blick. Als er die Soldaten sah, begann Dirk leicht zu zittern. Ihm war bewusst, dass er allein gegen diese berittenen Krieger keine Chance hatte. Es blieb also nur eine Option. Er musste sich ergeben. Mit erhobenen Händen kam Dirk Hemmler aus seinem Unterschlupf. Vor den Soldaten ging er auf die Knie. Einer der Krieger saß ab und trat vor ihn. 116 „Du kannst deine Hände runter nehmen, Fremder.“, sagte der Soldat. Dirk Hemmler bemerkte, dass er genau wie seine Kameraden auf Schild und Rüstung einen Weißkopfseeadler als Wappen trug. Der Soldat befahl ihm, seine Arme nach vorne zu halten. Doch gerade, als er den Deutschen fesseln wollte, kam seine Herrin auf einem weißen Schimmel angeritten. „HALT! Lasst den Mann in Ruhe!“, befahl die Königin. „Jawohl, Hoheit.“ Sie stieg von ihrem Pferd und ging auf Dirk Hemmler zu. Als sie vor ihm stand hielt die dritte Königin von Oamaru ihm die Hand hin. Der Heizer aus Hamburg sah zu ihr auf. „Du kannst aufstehen, Fremder.“, sagte Königin Wioletta. „Ich danke euch, Hoheit.“ Dirk Hemmler hatte Probleme aufzustehen, so sehr war er geschwächt. Die Königin hielt ihm eine Hand hin und half ihm wieder auf die Beine. Dann wandte sie sich an ihre Soldaten. „Gebt dem Mann Wasser!“, befahl sie. Einer der Soldaten trat nach vorne und gab ihr seine Feldflasche. Wioletta hielt sie dem Schiffbrüchigen hin. „Trink davon, dann wird es dir besser gehen.“, sagte sie sanft. Dieser nahm zögernd die Flasche, dann nahm er einen kleinen Schluck. Das Wasser war erfrischend. Noch nie hatte er solches Wasser getrunken. „Das ist das beste Wasser, was ich je trinken durfte.“, sagte Dirk Hemmler anerkennend. „Ein reineres Wasser wirst du nirgendwo auf der Welt finden, Fremder.“ Einer der Soldaten hatte zu Dirk gesprochen. Der Schiffbrüchige sah sich die Königin genauer an. Zuerst fiel ihm auf, dass sie 20 cm kleiner war als er. Wioletta war 1,65 m groß und besaß einen schlanken Körper, wie ihn kein Bildhauer besser hätte erschaffen können. Ihre Haut war weiß und ihre Haare waren braun. Die Königin sah den Fremden aus Hamburg aus ihren wunderschönen braunen Augen an und schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Bekleidet war die Königin mit einem schwarzen Trägerkleid, dass auf einer Seite einen großzügigen Blick auf eines ihrer Beine gewährte. Schuhe trug sie keine, sondern war barfuß. Wioletta ging etwas zurück und betrachtete sich den Neuankömmling genauer. Dirk Hemmler war ein athletischer Mann mit einer Körpergröße von 1,85 m. Seine braunen Haare hatte er kurz geschnitten, so dass sie nur bis zu seinen Ohren reichten. Das runde Gesicht mit dem markanten Kinn wies viele Barstoppeln auf. „Wann hat sich dieser Kerl das letzte Mal rasiert?“, dachte Königin Wioletta. Doch dann fiel ihr auf, dass die braunen Augen des Fremden unruhig und gehetzt umherblickten. Außerdem war die Kleidung des Mannes vom Kohlenstaub an einigen Stellen rußig und der Fremde roch stark nach Schweiß. „Wie ist dein Name, Fremder?“, fragte die Königin. „Dirk Hemmler. Ich war Heizer auf seiner Majestät Schiff dem großen Kreuzer Goeben.“ Wioletta nickte verstehend. „Und woher kommst du?“, fragte sie weiter. „Aus der Hansestadt Hamburg, meine Königin.“ „Ich nehme an, du bist Deutscher, Fremder.“, sagte Wioletta zu Dirk Hemmler. „Ja, meine Königin.“ „Dich schickt der Himmel. Danke Iduna.“, sagte die Königin. „Wer ist Iduna?“ „Das erfährst du alles, wenn wir in meinem Palast angekommen sind.“, sagte Wioletta. Dann drehte sie sich zu einem Soldaten um. „Nuru. Gib dem Fremden das Packpferd, das du mit dir führst.“, befahl die Königin. Der Soldat nickte. Dann sattelte er einen Rappen und brachte ihn zu dem Fremden. Dirk Hemmler stieg auf. „Wir reiten in den Palast zurück.“, sagte Königin Wioletta. Dann setzte sich die Königin in Bewegung. Ihr folgte der Schiffbrüchige. Danach kamen die Soldaten. Es war Mittag, als man den Palast erreichte. Dirk Hemmler staunte nicht schlecht. Der Eingangsbereich war mit einer Treppe aus feinstem Marmor versehen, die über 8 Stufen nach oben führte. Der Vorbau wurde von einer Säulenreihe aus sechs mächtigen Marmorsäulen gestützt und stützte 117 ein Giebeldach. Direkt hinter dem Vorbau schloss gleich ein weiterer Gebäudeteil an, der von einer Säulenreihe aus acht Marmorsäulen getragen wurde. Der Palast selbst war ein Prachtbau mit großen Fenstern und einer Fassade aus reinstem Marmor. Die Königin ging voraus, Dirk Hemmler folgte ihr. Im Thronsaal übergab Königin Wioletta den Deutschen der Obhut zweier Dienerinnen. „Geh mit ihnen. Sie werden sich um dich kümmern, Fremder.“, sagte die Königin. Und an ihre Soldaten gewandt sagte sie: „Und ihr geht wieder auf Patrouille.“ „Den Befehl bekommen, heißt ihn ausführen, meine Königin.“, sagte der Anführer und verneigte sich. Als die Soldaten den Thronsaal verlassen hatten, trat die dritte Königin Oamarus an eines der Fenster und sah nach draußen. Die Sonne stand hoch am Himmel und das Meer glitzerte. Doch Wioletta wusste, dass bei Sonnenuntergang Tosh Kamars Riesenkalmar erscheinen würde. Später am Abend bat Königin Wioletta ihren Gast zum Abendessen. Ihre Dienerinnen geleiteten Dirk Hemmler in den Speisesaal, wo die Königin ihn erwartete. Wioletta drehte sich um und schenkte dem Deutschen ein charmantes Lächeln. „Setz dich.“, sagte sie. Dirk wollte sich auf den Stuhl am anderen Ende des Tisches setzen, doch seine Gastgeberin bestand darauf, dass er neben ihr Platz nahm. Denn sie wies ihm den Platz zu ihrer Rechten zu. Dann wandte sich Wioletta an ihren Diener. „Du kannst jetzt das Abendessen servieren, Maurice.“, sagte sie. Der Diener verneigte sich. „Wie ihr befehlt, Hoheit.“ Dann verschwand er. 10 Minuten später kam er mit einer Salatschüssel zurück und gab jedem etwas von dem Salat auf einen kleinen Teller. „Darf ich mich bis zum Auftragen der Suppe zurückziehen, meine Königin?“, fragte er. Wioletta nickte. Dirk Hemmler probierte ein Stück Tomate und musste zu seiner Überraschung feststellen, dass es sehr aromatisch schmeckte. Nach dem Salat wurde die Suppe aufgetragen. Und danach servierte Wiolettas Diener Pangasiusfilet mit 118 Bratkartoffeln. Nachdem Abendessen führte die Königin den Deutschen in die Bibliothek und bat ihn, noch ein Glas Portwein mit ihr zu trinken. Dirk Hemmler stimmte zu. „Du hast am Strand gefragt, wer Iduna ist. Ich will dir alles erzählen, was du wissen musst. Denn auf dich warten noch viele Gefahren. Doch sei unbesorgt, du wirst nicht alleine gehen müssen.“, sagte die Königin. Inzwischen hatte sich Dirk Hemmler auf einen Stuhl gesetzt. Seine Gastgeberin stand am Fenster und sah nach draußen. Eine Zeitlang sagte keiner ein Wort. Doch schließlich brach Königin Wioletta das Schweigen. „Iduna ist die oberste Göttin unserer Inselwelt. Du musst wissen, dass Oamaru von anderen Inseln umgeben ist. Diese Inseln sind die Heimat unterschiedlicher Völker. Auf Aoraki leben die Berserker. Ihr Anführer heißt Nordin.“, sagte sie. „Seid ihr ihm schon mal begegnet, Hoheit?“ „Lass das alberne Hoheit weg. Nenn mich Wioletta. Und hör bitte auf, mich zu siezen. Und ja, ich bin ihm schon oft begegnet.“, sagte Wioletta. „Verzeihung. Aber… verstößt das nicht gegen die Etikette?“ „Das hier ist mein Haus. Und hier gelten meine Regeln, Dirk. Ich biete dir das „DU“ an. Das ist eine Ehre, die nur sehr wenigen zuteil wird.“, sagte Wioletta. „Du hast vorhin am Strand gesagt, mich würde der Himmel schicken. Was meinst du damit?“ „Vor genau 204 Jahren hat eine Bande Piraten, unter dem Kommando von Edward Teach, besser bekannt als Blackbeard, unser Heiligtum, den großen Feueropal aus unserem heiligsten Tempel gestohlen. Zu dem Kommandotrupp, der an dem Diebstahl beteiligt war gehörte auch ein Deutscher. Hans Langsdorff war sein Name.“, sagte die Königin. Bei der Erwähnung dieses Namens wurde Dirk Hemmler hellhörig, und er griff in den Lederbeutel, den er die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Er förderte ein in Leder gebundenes Tagebuch und den Ausschnitt einer Karte zu Tage. Er schlug das Tagebuch auf und las auf der ersten Seite den Namen Hans Langsdorff. „Das glaub ich einfach nicht.“, sagte Dirk. „Es ist aber so. Ob es dir gefällt oder nicht, du bist ein Nachkomme von Hans Langsdorff. Nur deshalb wurdest du beim Untergang deines Schiffes von Tosh Kamars Riesenkalmar als einziger verschont.“ 119 „Und wer ist dieser Tosh Kamar?“, fragte Dirk Hemmler. „Er ist ein Scheusal. Wir haben ihn in dem Jahr, als der Feueropal gestohlen wurde, auf Lebenszeit von unserer Insel verbannt. Er war es, der Blackbeard von dem Feueropal erzählt und ihm obendrein noch verraten hat, wo er den Stein findet.“ „Du sagtest vorhin, dass noch viele Gefahren auf mich warten. Aber dass ich nicht alleine gehen müsste. Was genau muss ich tun?“, fragte Dirk als nächstes. „Du und die anderen, die noch kommen, müsst ausziehen und den Feueropal wieder in den Tempel zurückbringen. Doch das kann nur gelingen, wenn ihr alle überlebt. Stirbt einer von euch, wird der Feueropal für immer verschollen sein. Und Tosh Kamars Fluch wird sich erfüllen.“ „Was wird passieren, wenn der Opal nicht in den Tempel zurückgebracht wird?“, wollte Dirk wissen. „Tosh Kamars Riesenkalmar wird aus den Tiefen des Meeres auftauchen und die Kleeblattinsel, wie Oamaru genannt wird, in die Tiefe ziehen.“ „Und wenn wir den Opal zurückbringen, hat Tosh Kamar verloren.“, schlussfolgerte Dirk. „So ist es, Liebster.“ In diesem Augenblick begann die Sonne unterzugehen und der Himmel färbte sich blutrot. Königin Wioletta wusste, was gleich passieren würde. „Es beginnt.“, sagte sie. „Was beginnt?“ „Gleich werden sich die Fluten teilen, und Tosh Kamars Riesenkalmar wird sich zeigen.“, sagte Wioletta. Kaum hatte sie ihren Satz beendet, tauchte Tosh Kamars Geschöpf aus den Tiefen des Meeres auf und schlug mit seinen Fangpeitschen und den Tentakeln auf das Wasser. Dann verschwand der Kalmar wieder. 120 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)