Cirque "Rires d'enfants" von Lupus-in-Fabula (Not macht erfinderisch) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Fleissig sammelten die Bienen den Honig. Summten und tanzten in der Luft. Der Geruch der Suppe vermischte sich mit bunten Blättern des Waldes. Genauso wie die Bienen arbeitete Senri für das Mittagsessen der bunten Gruppe. Jeder der Freunde tat das, was für das Wohl der Gruppe das Beste war. Der Unterschied zwischen den Bienen und den Freunden bestand darin, dass die Bienen sich nicht wegen Geringfügigkeiten stritten. Senri rührte in der Suppe. Husky ging Fischen. Nicht, dass er diese Aufgabe gerne nachging. Allerdings hätte er sonst Nana jedes einzelnes Haar ausgerissen. Cooro schlief auf einem Baum. Ein ganz normaler Tag. So normal, wie es eben bei den Freunden ablief. Freudestrahlend blickte Cooro in die Runde. Er hatte sich bereits entschieden. Das würde jedem Spass machen und an diesem Ort gab es leckeren Kuchen. Kuchen! Vielleicht auch Apfelkuchen. Weshalb Husky und Nana dagegen waren, konnte er nicht verstehen. Vielleicht mussten sie nur eine Nacht darüber schlafen und dann sah die Welt sicherlich wieder besser aus. Er wünschte seinen Freunden eine gute Nacht und kuschelte sich in eine Decke ein. „Nana, wir müssen es Cooro ausreden.“ „Er wird es nicht verstehen.“ Der Junge und das Mädchen sassen Abseits des Lagers und versuchten einen Plan zu schmieden. Einen Plan, nicht in diese Stadt zu gehen. Nicht, solange dieses Individuum dort ihr Unwesen trieb. Ruhig sass Senri unter einen Baum und hielt Wache. Ihm war es gleich, wohin sie gingen. Solange er eine Aufgabe hatte und bei seinen Freunden war, fühlte er sich wohl. Nana verzog das Gesicht. Sie wollte diesen Menschen nicht nochmal begegnen. Für die sind Anima nichts wert. Eine Begegnung in der Stadt Octopus reichte ihr für den Rest ihres Lebens. Husky sah es ähnlich. Sie hatte nicht die Geduld, um mit Cooro zu reden. Ausserdem waren es beide Burschen und sollte dies untereinander ausmachen. Sie war ein Mädchen und Senri schon ein Mann. Also beinahe ein Mann. Mürrisch blickte Nana zu dem schlafenden Cooro. Warum musste es so kompliziert sein? Husky, der keine Lust hatte sich weiter mit dem Mädchen zu beschäftigen, drehte ihr den Rücken zu. Auch er dachte über diesen Menschen nach. Als er die Attraktion in einer Menagerie war, wollte man ihm abkaufen. Er wusste bis heute nicht, ob er Glück hatte, das sein Besitzer vor Geiz zerfressen war. Der andere Mann war abscheulich und boshaft. Sein Besitzer war im Vergleich zu ihm ein Heiliger. Tief in Gedanken versunken starrte Husky in den klaren Himmel über ihm. Etwas in ihm verkrampfte sich. Er wusste nicht weshalb. Ob es wegen Cooros Beschränktheit, des ungutes Gefühls oder das Nana eingeschlafen war und sich nun an seinen Rücken lehnte. Senri sah in seine Richtung. Widerwillig trug Husky das einzige Mädchen der Gruppe zurück ans Lagerfeuer. Obschon es leicht regnete, hatte Cooro die beste Laune. Das Frühstück war lecker und heute würden seine Freunde und er ein Stadtfest besuchen. Jeder würde Spass haben. Die langen Gesichter von Nana und Husky überlachte der Junge einfach. Langsam nährten sie sich der Stadt. Cooro flog über ihnen und plauderte ununterbrochen. Nana zuckte beim leisesten Geräusch zusammen. Huskys Miene verfinsterte sich bei jedem Schritt, bis es ihm zu viel wurde. Er rief Cooro zu, dass dieser herunterkommen müsse. Danach bekam Cooro mündlich von ihm eine Verbotsliste mitgeteilt. Natürlich protestierte Cooro, doch die Drohung von Husky liess ihn verstummen. Nicht einmal Senri nahm ihn in Schutz. Nana warf Cooro hin und wieder einen warnenden Blick zu, den er missverstand. Lachend nahm er sie in Arm und versprach ihr einen tollen Tag zu schenken. Gerne hätte Nana ihm dies geglaubt. Sehr gerne. Senri sah zu Corro und lächelte brüderlich. Der Älteste der Gruppe band Cooro sein grünes Tuch um, tätschelte ihm dazu den Kopf. Diese Geste verstand Cooro nicht ganz, aber lächelte ihm dankbar zu.   ***   Der Regen hörte auf, als die Gruppe die Stadt erreichte. Cooro sah dies als ein gutes Omen. Freudig blickte er sich um, zeigte auf alles möglich und kommentierte dies auf seine fröhliche Art. Die Gruppe fiel nicht auf. Leute von nah und fern kamen vorbei. Es duftete nach frischen Kuchen. Hungrig blickte Cooro die Verkaufsstände an. Husky zog ihn missgelaunter als sonst von ihnen weg. Nana musste sich auch beherrschen. Das Brot lockte mit feinem Duft das Mädchen an, wie Blumen die Schmetterlinge. Senri, der dies mit ansah, kniete sich vor ihr hin. Zuerst war sie irritiert, doch dann verstand sie. „Nicht nötig, ich bin eine Dame. Ich übe mich in Geduld“, antwortete sie und flüsterte zu sich selbst „Achte lieber auf unseren Tollpatsch.“ Mit einem Stück Kuchen in der Hand sassen die Kinder am Strassenrand. Nanas und Huskys Puls beruhigten sich. Vielleicht war das Glück ihnen tatsächlich hold. Die Leute lachten und freuten sich. Es war, wie Cooro es sagte. Ebenso Senri, der wie sonst nichts sagte, schien sich zu amüsieren. Keiner blickte sie böse an oder schickte sie weg. Unbewusst summte Nana ein Lied, während sie sich neugierig umsah. Ein Mädchen rannte auf die Gruppe zu und verkündete stolz, das die grosse Vorführung bald begänne. Und sie mit ihrem Vater dort aufträte. Cooro nickte und versprach vorbeizukommen. Nana, die das getragene Kleid neidisch musterte, verzog das Gesicht schmollend. Dies brachte Husky zur Weissglut. Er schlug zuerst seinen vorlauten Freund mit seinem Stab, weil er einfach wieder über alle bestimmte, bevor er sich zu dem schmollenden Mädchen umdrehte. „Wir haben kein Geld für Kleider. Sei nicht kindisch, wie sonst.“ „ICH habe gar nichts gesagt. Bis nicht so gemein.“ Schlichtend griff der älteste der Vieren ein. Er zog Nana weg, die Husky umschubsen wollte und blickte den Jungen kurz an. „Sie hätte wieder herumgezickt“, sagte Husky kalt und blickte Nana böse an. Auf diese Behauptung warf ihn Nana die Dinge an den Kopf, auf die er mehr oder weniger empfindlich reagierte. Senri runzelte die Stirn. Kramte in seiner Tasche und zog sein Buch mit den gepressten Blumen heraus. Blätterte in diesem, bis er die gewünschte Seite fand. Sanft stupste er Nana an, die sich wütend und doch bemüht würdevoll zu ihm umzudrehen. Mit einem sanften Lächeln zeigte Senri ihr die Seite im Buch. Eine rotgefleckte Blume war zu sehen. Auch ohne Worte wusste das Mädchen, was er damit sagen wollte. „Husky, du bist ein Grobian und Sturkopf. Aber ich verzeihe dir.“ „Du entschuldigst dich nur, weil du musst.“ Schon wollte Senri wieder eingreifen, doch Nana streckte Husky die Hand entgegen. Während die Menschen an den Kindern vorbeigingen, Lachen und Musik ertönte und die der Duft der Backwaren in der Luft hing, blickte ein Junge mit blasser Haut und silbernen Haaren grimmig ein Mädchen mit dunkelblonden, ja fast rötlichen, Haaren an. Betrachtetet von einem fast erwachsen Burschen mit Augenklappe und grauen Haaren, der wie ein stummer Beschützer wirkte.   Cooros Abwesenheit wurde in, man kann wirklich von einem magischen, Moment sprechen nicht bemerkt. Als es auffiel, war er schon in Schwierigkeiten geraten. Der Junge mit den rabenschwarzen Haaren wollte das auftretende Mädchen nicht warten lassen. Ausserdem war neugierig und wollte nichts verpassen. Flink schlüpfte er durch die Menge. Wollte ganz nach vorne, um einen guten Blick zu erhaschen. Da fiel ihm ein weinendes Kind auf. Es hatte seine Eltern aus den Augen verloren. Durch die Menschenmenge getraute es sich nicht. Natürlich hatte Cooro eine Lösung bereit. Die ihn in die Armee jener Leute trieb, von denen sich Nana und Husky fürchteten. Der Vorstand des Cirque "Rires d'enfants" hatte ihn entdeckt.       Empört blickten die Besucher den Kindern nach. Einige wünschten ihnen den Tod, weil solche Blagen in ihren Augen Abschaum waren. Zwei junge Männer fanden es sogar bedauerlich sie nicht erschiessen zu können. Wäre kein Fest gewesen dann hätten sie die Welt von diesen Monstern befreien können. Das Mädchen, das Cooro angesprochen hatte, sah ihren Vater wütend an. Er verbot ihr jemals wieder mit Monstern wie ihnen zusprechen. Auf die Frage, weshalb er Cooro und seine Freunde als Monster bezeichnete, antwortete der Vater nicht. Das Mädchen verstand nicht, weshalb er so reagierte. Nicht verstehend blickte es zum Himmel. „Hoffentlich findest du zurück zu deinen Freunden.“ Der Vater ergriff den Arm seiner Tochter und zog es wortlos weg. Er hoffte, dass niemand mitbekam, wie sein Kind Mitleid mit den Monsterblagen hatte. Irgendwann beruhigten sich die Leute. Die Strandwache würde sich um die Anima kümmern. Musiker spielten auf der Bühne. Die Stände verkauften weiter ihre Backwaren. Ein gut gekleideter Herr mit seiner blutjungen Begleiterin schlenderte die Stände entlang. Gelangweilt blickte die Frau herein. „Willst du auch was zum Naschen?“ Auf diese Frage zischte sie ein „Nein, Geliebter.“ Und versuchte nicht noch gelangweilter hereinzuschauen. Das Essen widerte sie an. Der ganze Ort widerte sie an. Es stank nach Provinz. Nach Vieh und Dreck. „Benimm dich.“ „Wieso sollte ich?“ Ein Blick reichte und die Frau setzte ihr strahlendes Lächeln auf. Die Verkäuferin nickte und packte einige Plätzchen ein. „Für die wunderschöne junge Dame an ihrer Seite“, sprach sie zu dem Herrn. Gerne wäre sie an seiner Seite gewesen. Seine Haare waren lockig, sein Teint dunkel. Feine Seide zierte ihn. Seine exotische Ausstrahlung und sein charmantes Lächeln zogen jeden in den Bann. Lange blickte sie den beiden nach. Träumte davon, wie er durch die Welt zu reisen. Unregelmässig kam dieser Zirkus in die Stadt. Und jedes Mal, wenn dies geschah, freuten sich die Menschen. Er zähmte sie und man konnte sie in sicheren Abstand betrachten. Ein Schauder lief über den Rücken der Verkäuferin. Vielleicht war es sicherer in der Backstube ihres Bruders zu arbeiten. Als sie die Stände hinter sich gelassen haben, zog der Mann seine Begleiterin in eine Häuserecke. Bevor sie protestieren konnte, drückte er sie unsanft zur Boden. „Wenn ich dir was anbiete, hast du ja zusagen. Verstanden?“, zischte er ihr zu. Trotzig blickte sie ihn direkt ins Gesicht. „Ich hasse dieses Provinzstädtchen. Es stinkt und ich friere.“ Der Trubel des Festes verschluckte den Schrei. So schnell wie die Klinge des Dolches einen tiefen Schnitt in die Wange der Frau ritze, verschwand er wieder in den Mantel seines Besitzers. Zitternd taste die Frau die Wunde ab. „Wo du herkommst, gibt es noch mehr. Du bist nichts Besonderes. Wenn du weiterhin in Luxus leben willst, gehorche mir.“ Stammelt bat die Verängstige um Vergebung. Versprach, weiterhin alles zu tun, was er befahl. Endlich, nach dem er sie derartig schmoren liess, vergab er ihr. Kniete sich hin, küsste ihre Stirn und half ihr auf. „Weine nicht, meine Liebe“, flüsterte er nun liebevoll in ihr Ohr. Sie lächelte und folgte ihm. Sie konnte nicht verstehen, was geschehen war. Die Angst verschleierte ihre klaren Gedanken, die sie anflehten diesen Tyrannen zu verlassen.  Renn weg! Fliehe von ihm! Wo soll ich hin? Geh! Sein Geld brauchst du nicht. Aber ich brauch ihn.      Summend sass Cooro auf dem seidenen Diwan. Hier würde es Nana sicherlich gefallen. Husky sicherlich genauso. Cooro blickte zu den Blumen, die in einer vergoldenden Vase platziert waren. Auch Senri würde sich wohlfühlen. Ob er ihn verzieh, dass er das Halstuch verlor? Für einen Moment schloss Cooro die Augen. Wenn das Tuch noch da lag, wo es ihm wegflog, sollte es kein Problem sein es zu holen. Voller Tatendrang sprang der Junge auf und lief zum Fenster. Der nette Herr würde sicherlich nichts dagegen haben, wenn er schnell das Tuch holen würde. In diesen Moment klopfte es an der Türe. Enttäuscht entfernte Cooro sich vom Fenster und setzte sich wieder auf den Diwan. Doch als ihm der Geruch von Kuchen in die Nase stieg, lächelte er voller Freude. „Er kommt später dazu, Kleiner.“ „Aber ich kann nicht zu lange warten. Willst du die Plätzchen nicht?“ Cooro ass nicht alle Plätzchen, was die junge Frau nicht mitbekam. Angewidert sah sie weg. Sie ekelte sich neben einem Anima zu sitzen. Doch die Angst, seinen Zorn wieder abzubekommen, war stärker als der Ekel. Sie sah sich um. Die seidenen Vorhänge, treuen Speisen, das wertvolle Kleinod. All der Luxus brauchte sie. Wollte sie. Der Preis war sie bereit zu zahlen. „Hast du dich verletzt?“ Erschrocken zuckte sie zusammen. Das ging den Bengel nichts an. Seinetwegen war ihr hübsches Gesicht verletzt. Für einen Moment glühten in ihre Augen vor Zorn und Ekel auf das Kind. Cooro blickte sie mit grossen Augen an. Er streckte seine Finger aus und wollte die Wunde berühren. Die Frau sprang auf und hob abwehrend ihre Hände. Niemals würde sie sich von diesen Monstern berühren lassen. Eingesperrt sollten sie bleiben. Ihr einziger Zweck war es ihrem Mann zu dienen. Sonst sollten sie in der Gosse bleiben und sterben. „Fass. Mich. Nicht. An“, keuchte sie und drehte sich vor ihm weg. Sie bemerkte nicht wie Cooro sie besorgt ansah. Das er dachte, ihre Wunde würde so sehr schmerzen. Er kramte in seiner Tasche und zog ein Papierbriefchen heraus. Er legte es auf die Lehne des Diwans, auf die Seite, wo sie gesessen hatte. Bevor er sich weiter den Plätzchen widmete, sprach er sie an. Erzählte von seinen Freunden und wie sehr sie schätzte. Wie sie aufeinander aufpassten. Er erzählte und erzählte, während ab und zu ein Plätzchen ass. „…deswegen musste ich Nana versprechen, mich um meine Wunden zu kümmern. Ich gib dir ein wenig ab. Du musst die Kräuter zerreiben und erst dann die auf deine Wunden legen. Husky sagt, ihr Mädchen schaut auf eure Schönheit. Du musst müde sein.“ Cooro streckte sich, bevor er aufstand. Er ging zum Fenster und sah sehnsüchtig hinaus. Wie gerne hätte er das Tuch gesucht.     ***   „Sucht diese verdammten Kinder!“ Die Stadtwachen schwitzten, während sie grob eine Schleuse durch die Menschenmenge bahnten. Von überall brüllten die Besucher und wollten diese Blagen in Ketten wissen. Ein Anima war schlimm genug, aber gleich vier Stück? Während des Festes und dem Besuch des ehrenwerten Zirkus? Es war die Schuld der faulen Wachen. Der Direktor hatte seine Sensationen im Griff. Im Wissen, wie die Leute über sie dachten, würden die Kinder den Frust abbekommen. Ängstlich drückte sich Nana an Senri. Sie wimmerte leise und sah ängstlich zu Husky. Dieser lugte um die Ecke. Wie sollten sie Cooro bloss retten, wenn sie nicht wussten, wo er steckte und die Wachen hinter ihnen her waren? „Sie kommen näher!“ Nanas Stimme schrillte regelrecht, teils vor Angst, teils wegen ihrer Fähigkeit. Husky sah das Mädchen böse an. Er schluckte seine Bemerkung runter. Sanft streichelte Senri ihr über den Kopf und erhob sich. Er schritt langsam zum Anfang der Sackgasse. Alarmiert hielt ihn Husky zurück. „Nicht! Du darfst nicht auch gefangen genommen werden!“, sprach der Junge panisch. Ja, Husky spürte nicht nur Ärger, sondern auch Angst. Senri war nicht nur ein Anima er gehörte ebenso zu einem gemiedenen und gefürchteten Volk. Was die Wachen mit ihm anstellen würden, wollte Husky sich nicht ausmalen. Und falls er in die Fänge dieses Mannes kommen würde, würde er für seinen Freund lieber ein angemessenes Ende wünschen. Nana rannte mit Tränen in den Augen auf Husky zu. „Halte ihn auf. Wir dürfen uns nicht verlieren!“, schrie sie, ihre Stimme schrillte noch stärker. Husky hielt sich die Ohren zu, da Nanas Stimme einer Waffe gleich kam. Senri schloss die Augen. Er überlegte, was er tun sollte. Er wollte Cooro finden, jedoch auch seine zwei Freunde beschützen. Doch sie hielten ihn auf zu kämpfen, um Zeit zu schaffen. Die Stimme von Nana schmerzte in seinem Kopf, er ignorierte es. Er musste eine schnelle Entscheidung treffen. Die Wachen kamen näher. Sie wollten seinen Freunden Schaden zufügen. Blitzschnell schnappte er sich die Zwei. Der Pfeil traf Senris Schulter, doch dies hielt ihn nicht von seinem Vorhaben auf. Nanas erschrockener Schrei und Huskys Verwünschungen hallten über die Häuserdächer. Seine Freunde tragend flüchtete der Jugendliche, in dem er über die flachen Dächer sprang. Seine Schulter brannte wie Feuer. Der Pfeil war mit einer Flüssigkeit getränkt, die ihn langsam lähmte.     „Senri … lass mich los …“ Flehend versuchte Nana dem Getroffenen zu überzeugen, sie fallen zu lassen. Sie konnte auf sich selbst aufpassen. Sie konnte Fliegen und mit ihrer Stimme kämpfen. Husky sprach auf ihn ein, versuchte sich aus dem Griff herauszuwinden. Senri keuchte vor Schmerzen, rannte jedoch weiter. Sein Ziel war es aus der Stadt zu kommen, ein sicheres Versteck für seine Reisegefährten zu finden. Dieser Gedanke liess Senri die Pein vergessen. Unermüdlich verfolgten ihn die Wachen. Einige kletterten auf die Häuser, nahmen die Verfolgung auf. Da die meisten Bewohner der Stadt beim Fest waren, konnten die Wachen rücksichtslos ihrer Aufgabe nachgehen. Der Kommandant befahl im Notfall die Häuser niederzubrennen. Um uns einzufangen, schaden sie der eigenen Bevölkerung. Wäre der herrschende Fürst damit einverstanden? Huskys Gedanken kreisten unermüdlich. Als Anima hatten sie hier wohl keinerlei Hoffnung auf Hilfe. Er kam zu schnell. Nicht einmal Nana konnte es sehen. Ein weiterer Pfeil traf Senri. Brachte den Bärenanima ins Straucheln. In letzter Sekunde konnte er seine Freunde loslassen, bevor er in eine Gasse zwischen zwei Häuser fiel. Nanas Tränen und Huskys entsetzter Schrei verschluckten seine Worte. „…findet Corro …“     Jubelnd versammelten sich die Wachen. Der älteste der Flüchtetenden war verletzt und fiel vom Dach. Die anderen zwei Blagen sprangen ihm hinterher. Sie konnten nicht mehr entkommen! „Männer, wir haben diese Monster. Bringt sie zu mir. Lebendig.“ Der Kommandant versteckte sein gieriges Grinsen nicht. Er würde sie beim Zirkus abliefern und das Geld einkassieren. Die Wachen wussten, was er vorhatte. Sie hofften, wenigstens einen kleinen Teil davon abzubekommen oder die Habseligkeiten der Kinder zu verhökern. Zwei der Wachen nährten sich der Sackgasse. Sie hörten kein Geräusch. „Ist der Wilde krepiert?“, fragte der einte seinen Freund. Seine Antwort war ein sarkastisches Lachen. „Solange die zwei Mädchen gesund sind“, gab er andere von sich und zwinkerte seinem Freund zu. Ihr Glück war es, das Husky dieses Gespräch nicht mitbekam. Nichts war für ihn schlimmer, als wie ein Mädchen behandelt zu werden.   Langsam gewöhnte sich Nana an die Situation. Dunkle Orte gaben dem Mädchen ein beengtest Gefühl in ihrer Brust. Sie atmete tief ein und aus. Das Zittern hörte langsam auf. Husky knirschte mit den Zähnen. Seine Körperhaltung war angespannt. Gerne hätte er die Wachen verprügelt, auch wenn das eine unsinnige Handlung wäre. Der verletzte Senri hatte die Augen geschlossen. Schritte kamen näher. Sofort drehte sich Husky um, fixierte den Fremden. Bevor Husky was sagen konnte, rannte Nana auf ihn zu. Dankbar murmelte sie etwas Unverständliches. Der Fremde legte den Finger auf seinen Mund und zeigte auf den schwach beleuchteten Weg. Vor wutschäumend stolzierte der Kommandant davon. Wie konnten diese Blagen verschwinden?! Sie sollten in der Sackgasse auf ihn warten. Hilflos und gewinnbringend. Die Wachen folgten stumm. Auch sie konnten es sich nicht erklären. „Vielleicht ist es ein Fluch?“, sprach der jüngste der Wachen. Ungläubig blickten ihn seine Kameraden an. Er erklärte den Rat seines Grossvaters. Nach der Erklärung blickten sich die Wachen verdattert an. „Solche Macht …?“ „Ja! Das Volk der Kim-un-kur ist schon mächtig. Wenn solch einer noch Anima Kräfte hat …“ Das wütende Gebrüll ihres Kommandanten unterbrach das Gespräch auf der Stelle.     ***     Der Tunnel war nicht gross, aber der Fremde konnte ohne Probleme Senri tragen. Nana klammerte sich an Husky, der widerwillig ihr Verhalten duldete. Der Fremde war die Rettung in letzter Sekunde. Zu ihrem Glück waren die Wachen von ihrem angeblichen Sieg geblendet und deswegen abgelenkt. Schweigend setzten sie einen Fuss vor den anderen. Nana spitzte die Ohren, was Husky bemerkte. Leise fragte er, was sei. Die Antwort beruhigte ihn und auch nicht. Die Stadt rückte in weiter Ferne, dafür nährten sie sich den Bergen. Was der Fremde wohl plante? Nana atmete erleichtert aus. Sie genoss die Sonne und den frischen Wind. Der Helfer in der Not schwieg immer noch, seinen Gesichtsausdruck konnte man nicht deuten. Er legte den Verletzten, jedoch noch ansprechbaren, auf einen seiner Schlafplätze. Danach ging er in den stillgelegten Bergstollen. Husky kniete sich vor Senri hin und seufzte tief. „Vertraust du ihn?“, fragte er, obwohl er die Antwort schon ahnte. Nana hielt es nicht mehr aus. Sie musste einfach das Schweigen durchbrechen. Immerhin waren sie jetzt in Sicherheit. Senri schien sich auch erholt zuhaben. Er leckte sich die Wunden sauber, während Husky den angebotenen Tee ignorierte. Sie war zu aufgeregt, um einen Schluck zu nehmen. „Vielen Dank für deine Hilfe. Als wäre ein Wunder geschehen“, fing sie an und bevor Husky sie stoppen konnte, bombardierte sie den Fremden mit Fragen. Husky genervtes „Halt den Mund!“ stoppte Nana nicht. Der Gefragte, der sich um die Wunden kümmerte, an die Senri nicht selbst ran kam, hörte zu. Huskys stechender Blick liess ihn kalt. Gemächlich verarztete er Senri, die Kabbelei der beiden Kinder störte ihn überhaupt nicht. Nachdem der Fremde seine Arbeit erledigt hatte, drehte er sich zu dem Mädchen um. Nana verstummte augenblicklich, genauso wie Husky.   Der alte Bergstollen ist meine einzige richtige Heimat. In der Stadt werde ich nicht mehr gerne gesehen. Seit einem gewissen Vorfall, der totgeschwiegen wird. Viele Kinder, wie ich mussten im Bergstollen arbeiten. Ich tat es für meinen kranken Vater, der nicht selbst arbeiten konnte. Die Kinder waren Waisen oder die Familien hatten Schulden. Vielleicht zwangen einige ihre eigen Kindern aus Habgier. Nach einigen Tagen erwachte ich aus den Trümmern. Oder Wochen? Ich besass schon als Kind kein Zeitgefühl. Die Bewohner sahen mich wie ein Gespenst an, als ich in die Stadt zurückkehrte. Ich war zu einem Anima geworden. Einem Salamander. Ich kann mich selbst heilen. Das hat wohl mein Leben gerettet. Sie versuchten mich zu verkaufen. Irgendwie entkam ich. Wie lange ich hier schon lebe? Wie gesagt, weiss ich nicht. Interessiert mich nicht. Habe mir einen Tunnel in die Stadt gegraben. So kann ich mir das nötigste zusammen klauben. Manchmal verkleide ich mich. Ich verabscheue die Menschen nicht und habe gern Kontakt mit ihnen. Wie ich Waren kaufe? Gar nicht. Ich tausche. Nein, keine Edelsteine. Dieser Stollen besitzt nichts mehr. Denke ich. Interessiert mich nicht. Mein Name? Habe ich vergessen. Mein Alter? Kenn ich nicht. Ob ich ein Mann oder Frau bin? Ist das wichtig? Ich bin ich. Ich lebe. Ob ich es vergessen habe? Vielleicht. Oder es war mir nie wichtig. Jedoch könnt ihr mich als Mann sehen, wenn es euch wichtig ist. Einen Namen? Nennt mich der Erfinder. Ruht euch aus. Oder belastet euch noch etwas?     Endlich kam ihr Geliebter zurück. Länger hätte sie es mit diesem Balg nicht ausgehalten. Wie er sie ansah. Fast so, als hätte er Mitleid mit ihr. Wie konnte es dieses Balg wagen, sie so anzusehen? Anmutig schritt sie auf den Mann zu und schmiegte sich an ihn. Cooro blickte dieser Szene neugierig zu. Dann stellte er die Frage, die er schon öfters gestellt hatte, nochmal. Natürlich bekam er keine Antwort. Die Frau reagierte nicht. Deswegen sah der Junge den Kommenden an und stellte die gleiche Frage ihn. „Na, du bist aber ein neugieriges Kerlchen. Hat dir mein zartes Blümchen dich mit Schweigen bestraft?“ „Ist schon gut, Onkel. Es war trotzdem nett.“ Das Lachen des Zirkusdirektors erfüllte den Raum. Cooro bemerkt, wie die Frau leicht zusammenzuckte. Ebenso, wie der Mann seinen Griff um sie verstärkte. „Sie ist keine Blume, sondern ein Mensch. Und ich geh jetzt nach Hause.“ Das Gesicht der Frau erbleichte. Niemand widersprach ihm. Besonders kein Kind, welches für ihn weniger wert als Dreck war. Nein, er verdiente mit dem Anima Geld. Alleine dafür würde das Kind am Leben gelassen. Cooro würde für seine Widerworte bezahlen. „Swana. So nennt man mich“, sprach sie zu Cooro und riss sich los. Rannte aus dem Zimmer, vorbei an den Gehilfen des Zirkus. Sie wollte nicht dabei sein. Nicht miterleben, wie der Junge gezüchtigt wird.      ***   Stumm blickten die anderen Attraktionen zu, wie Cooro in einen Käfig gequetscht wurde. Die Gehilfen spuckten auf den Boden und gingen weiter durch die Scheune. Die Stadt baute die für den Zirkus. Zu der Scheune gehörte eine kleine Villa. Der Zirkusdirektor besass auch eine in der Stadt. In vielen Städten hatte er sich einen Ruheort erschaffen. Jeder liebte den Cirque "Rires d'enfants“. Besonders in jenen Orten, an denen die Anima gefürchteten werden. „Geht es dir?“ „Bist du tot? „Seid … Still … Sonst kommen … Sie zurück.“ Cooros Kopf schmerzte. Irgendwas musste in dem Getränk gewesen sein, die ihm Swana auftischte. Sonst wäre er ohne Probleme entkommen. Vorsichtig versuchte er seine Flügel zu benutzen. Er schaffte es nicht. „Bleib liegen. Der Schmerz lässt bald nach.“ Im Dunkeln erkannte der Junge die Gestalt eines Kindes mit Hasenohren. Dieses lächelte und sprach mit sanfter Stimme weiter. Stellte sich und die anderen Kinder vor und ermahnte ihn, seine Kräfte nicht zu benutzen. Langsam beruhigte Cooro sich. Der Hasenanima sprach so lange, bis Cooro sich zu ihm umdrehte. „Der Onkel hat mich hereingelegt. Ich komme hier heraus. Und befreie euch alle. Meine Freunde werden mich nicht in Stich lassen.“ Diese Aussage löste verschiedene Reaktionen aus. Einige der gefangenen Kinder lachten hämisch, andere fingen an zu schluchzen oder schwiegen einfach. Ein kleines Mädchen versuchte mit ihren dünnen Ärmchen den Krähenanima zu berühren. Verwirrt über die Reaktionen bemerkte er es nicht. Erst auf das leise Wimmern drehte Cooro sich um. „Bitte nicht … Keinen Ärger machen …“, sprach es und fing bitterlich an zu weinen. Cooro tröstete sie mir Grimassen, was auch die anderen Anima genauso aufheiterten. Der Hasenanima legte den Kopf schief. Versuchte die Gerüche des fröhlichen Neuen zu analysieren. Er roch nach Sonne, frischen Wind. Nach Meer und Bergen. Doch ausserdem nach fremdem Blut, nach dem Tyrannen und seiner neuen Gespielin. Jedoch roch er auch nach anderen Anima. Ein wenig Hoffnung erfüllte das Herz des Schnupperten. War er der Engel auf den sie gewartet haben?     Summend holte der Erfinder einen grossen Topf hervor. Er warf einige Kräuter hinein, bevor er Wasser auffüllte. Husky fluchte vor sich hin, blickte seinen Retter böse an. Sein Blick sprach Bände. Natürlich wollte er Cooro retten. Genauso wollte er persönlich diesem Mistkerl eine Lektion erteilen, der Anima wie Dreck behandelte. Weshalb musste er wieder diese Nummer abziehen? Senri sah wehmütig zur Stadt, die in der Ferne lag. Fest sein Buch an sich gedrückt. Der Erfinder schritt zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter. Sie sprachen nicht miteinander und doch konnte er Senri ein Lächeln entlocken. Nana betrachtete diese Szene. Sie musste kichern. Ihr Retter war eine sehr sonderbare Person. Er - oder doch eine sie?- war unwissend und trotzdem glücklich. Suchte nach dem Unfall keinen Kontakt zu dem Vater. Möchte die Menschen und die Stadt. Schlenderte unter ihnen trotz der Gefahr, gefangen und verkauft zu werden. Lebte in dem Bergstollen, der ihn fast getötet hatte. Fast bewunderte Nana den längst erwachsenen Anima. „Darf ich helfen?“, fragte das Mädchen. Gerne hätte sie der kleinen Szene weiterhin zugeschaut. Jedoch musste Cooro so schnell wie möglich befreit werden. Was wäre, wenn der Zirkus abreisen würde? Das Mädchen würde keinen ihrer Freunde in Stich lassen. Nicht einmal Husky. Der Erfinder schritt auf sie zu und mustere sie. Gemächlich schritt er in den Stollen. Husky, der sich umgezogen hatte, zischte Nana an. Ein Angsthase wie sie sollte hier bleiben. Bevor es zu einer Streiterei kam, setzte sich Senri zwischen sie. Er kramte in seiner Tasche und überreichte Husky einen bläulichen Stein. Für einen Moment war der Junge verwirrt. Doch dann wusste er, was Senri mit seiner Geste meinte. „Ich tu das nur für Cooro“, murmelte er, während er den Stein mit einem seidenen Band um sein Handgelenk band. Widerwillig blickte Husky zu sich hinunter. Er trug ein grünliches Kleid mit passendem Schleier für das Gesicht und die Haare. Sogar eine dünne Schicht Schminke trug er. Mit dem Stein sah er wie eine Prinzessin aus. Husky musste zugeben den Erfinder für seine Lebensweise zu beneiden. Er lebte frei und glücklich. Nichts konnte ihn beunruhigen. Seine Vergangenheit hat er abgeschlossen und pflegte seinen Interessen, ohne sich um die Meinung anderer zu kümmern. Tief im Stollen hat der Erfinder sich ein Heim erschaffen. Ein kleiner unterirdischer See hat sich gebildete, dort wohnte der Anima. Von oben spendete ein grosser Spalt Sonnenlicht. Husky konnte es sich vorstellen unter dem Sternenhimmel und doch gut geschützt die Nächte zu verbringen. Der Anima kleidete sich manchmal wie eine Dame an anderen Tagen wie ein Herr. Es kümmerte den Erfinder wirklich nicht, was die Leute von ihm dachten. Diese Eigenschaft und ein anderes Steckenpferd kamen wie gerufen, um Cooro zu retten. Dies musste Husky zugeben. Trotzdem musste er nicht dankbar oder sogar fröhlich deswegen sein.   Nana betrachtete sich im Wasser. „Wie hübsch ich aussehe. Fast wie eine Braut eines Edelmannes“, quietschte sie und drehte sich begeistert im Kreis. Der Erfinder schwieg. Er wartete bis Nana wieder still stand. Änderte fix noch einige Kleinigkeiten des Kleides, wie er es für den Jungen getan hat. „Weshalb brauche ich den Schleier für das Gesicht?“, fragte Nana ein wenig mürrisch. Lieber hätte sie sich geschminkt. Der Gefragte nähte zuerst den Saum um, bevor er antwortete. „Es schützt dich“, sprach er schlicht. Keine weiteren Erklärungen. Nana seufzte tief. Immerhin plauderte er mehr als Senri. Trotzdem hätte sie gerne mehr erfahren. Auch über seine selbstgebauten Gerätschaften. In Tüchern trocknete er Kräuter. Die Kleidung nähte er selbst. So gerne hätte sie sich mehr in seinem Heim umgeschaut. Man konnte sich nicht vorstellen in einem Bergstollen zu sein. Es gab eine Wasserstelle, die selbst Wasser schöpfte. Öllampen, die sich selbst anzündeten und wie von Zauberhand erlöschen. Sogar die Stoffe webten sich von selbst! Diese und noch mehr Spielereien gab es zu bestaunen. Es gab am See einen wunderschönen dekorierten Ort. Tücher und künstliche Blumen verzierten einen Pavillon. Eine Ecke war eingerichtet mit grossen und kleinen Spiegeln. Als wäre man in einer Schneiderei. Er ist wirklich nicht eine Frau oder ein Mann. Aber möchte er keine Familie gründen? Es gibt Menschen, die nichts gegen Anima haben. Nein. Ich darf nicht so neugierig sein. Konzentriert versuchte Nana an den Plan zu denken. Husky und sie sollen versuchen, sich mit dem Handlanger Nummer Eins anzubändeln. Danach sollte Huskys aus Versehen herausrutschen, das er ein Anima sei. Senri und der Erfinder würden ihnen folgen. Der Rest würde sich ergeben. „Ich habe eine Frage“, Nana sah den Erfinder tief in die Augen. „Können wir dir wirklich vertrauen?“ Wieder konnte man nicht erkennen, wie der Angesprochene sich fühlte. „Ich hege keinen Groll gegen irgendjemanden, noch begehre ich irgendwas“, bekam Nana als Antwort. Das Mädchen sah sich um. Erblickte die kleinen und grossen Wunder. Selbstgebaut von ihrem Schöpfer, der feine Details in jedes seiner Werke verewigte. Ob Werkzeug oder Möbel, ob Dekoration oder Kleidung. „Fühlst du dich nicht einsam?“ Dieses Mal konnte Nana die Traurigkeit in dem Blick bemerken. Der Anima schloss die Augen. „Ich wollte … Ich wollte nicht zu neugierig sein“, sprach sie, umarmte ihren Retter und kurzzeitiger Verbündeten dem Trost. „Ich bin Ich. Du hast deine Freunde. Vergiss sie niemals, gleich, welchen Weg du einschlagen wirst.“ Nana nickte. Sie versuchte sich ihre Schwermut nicht anmerken zu lassen. Dieser Mensch überlebte zwar dank der Animafähigkeit, doch zu welchem Preis?     ***     Cooro hielt immer noch die Hand des Mädchens, die nun eingeschlafen war. Zwar tat dies dem Krähenanima weh, weil er sich in dem kleinen Käfig mit seinen Verletzungen verdrehen musste, um die Hand halten zu können. Der Hasenanima summte, wie jedes Mal um diese Zeit, ein Lied. Ein Lied, das allen Gefangenen Hoffnung gab. Cooro versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er verspürte Hunger. Es dämmerte, Senri würde langsam das Abendessen vorbereiten. Die Plätzchen wollte er nicht Essen. Nicht vor den anderen Kindern. Es war ein Geschenk für seine Freunde. Ausserdem reichten die paar Plätzchen nicht für alle unfreiwilligen Zirkusattraktionen. Egal, wie viele Stückchen es geben würde. „Sie kommen. Darauf wett ich“, sagte Cooro und versuchte den steckenden Blick eines Ziegenanima zu ignorieren. Der Hasenanima sah zum Eingang. Spitze die Ohren. „Seid still. Tut, als würdet ihr schlafen.“ Der Zirkusdirektor nährte sich. Er würde seinem neusten Darsteller die Spielregeln beibringen.     Swana japste. Wischte sich die Tränen von ihrem Gesicht. Ihre Wange glühte, die Wunde blutete wieder. Weshalb nur musste sie an das Balg denken? Das Balg mit den Flügeln? Ihr Liebster tickte vollkommen aus, weil er das Briefchen erblickte. Eigentlich sollte sie böse auf den Anima sein. Das Balg. Jedoch dachte sie daran, wie er fröhlich von seinen Freunden erzählte. Wie er für sie überhaupt mitgekommen war. Er dachte, ihr Liebster würde seine Freunde hierher bringen. Sie von den Wachen beschützen würde, die das Balg überhaupt angelockt hatte. Aber warum fühlte sie Mitleid mit ihm? Störrisch versuchte Swana ihre Tränen zu unterdrücken. Es gelang ihr nach einigen Minuten. Gerade wollte sie sich wieder frisch machen, doch bemerkte Stimmen vor ihrem Fenster. Zwei Mädchen sprachen mit dem engsten Vertrauten ihres Geliebten. Neugierig verfolgte die Frau die Szene. Beide Mädchen trugen Körbe bei sich. Ob sie Blumenmädchen waren? Gerne hätte sie jedes Wort verstanden das gewechselt wurde. So musste sie sich richtig anstrengen, um den Zusammenhang nicht zu verlieren. Das Gespräch wurde plötzlich hektischer. Grob packte der Mann den Arm des grössren Mädchens und drückte es zu Boden. Zog am Kragen ihres Kleides. Er erblickte irgendetwas am Hals. Swana spitzte die Ohren. Doch was sie hörte, brachte sie zum Zittern. Sie zitterte vor Wut, weil sie begriff was hier vorging. Das Balg hatte bessere Freunde, als sie jemals haben würde.   Nana spielte ihre Rolle hervorragend. Den ganzen Weg zu der Scheune schrie sie wie vor Sinnen. Da die Männer nicht wussten, welche Fähigkeit sie besass, würde es ihr Trumpf sein. Nur in dem Fall, wenn der Plan nicht funktionieren würde. Husky, der mit jeder Minute ungeduldigere wurde, sah die Männer mit funkendem Blick an. Einer der Handlanger grinste und kniff Husky in die Wange. „Du hast ja Feuer in dir, Mädel. Wärst du einfach kein Anima … Obwohl, abwarten.“ Lachend sahen sich die Männer an, da sie alle insgeheim das Gleiche dachten. Husky hätte um sich geschlagen, wenn Nana nicht eingegriffen hätte. „Dummes Mädchen, du…!“ Bevor Husky mit Nana schimpfen konnte, faltete sie ihre schwarzen Flügel aus. Ihre Schallwellen hatten die Handlanger ausgeknockt. Dies war nicht Teil des Planes. „Nur weil du als Mädchen …“, wollte das Mädchen ihm kontern. Husky hatte jedoch keine Lust auf einen Streit. Wie schneller er aus den Mädchenkleidern kam, desto besser. „Was habt ihr Missgeburten?“, schrie der Zirkusdirektor und schwang bedrohlich die Peitsche. Cooro schwieg, da nicht den Zorn des Mannes auf die anderen Kinder lenken wollte. Doch als er die näher kommenden Schritte und Stimmen erkannte, konnte er trotz seiner misslichen Lage erfreut lachen. „Du ekelhafter Feigling. Komm und hol uns oder du wirst es bereuen!“ Nana provozierte den Mann. Diese blickte zu verschlossenen der Scheune. Er konnte es nicht glauben, was er da hörte. Welches Gör wagte es, ihn solch eine Drohung quasi direkt ins Gesicht zu sagen? Bedrohlich nährte sich der Türe. „Achtung! In Deckung“, schrie Nana. Cooro, der als einziger gefesselt war, konnte dies nicht. Aber er vertraute seinen Freunden. Dicker, modriger Rauch erfüllte den Raum. Erschreckt versuchten die Kinder sich zu schützen. Einigen gelang es, anderen nicht. Hustend und keuchend waren sie für einen Moment hilflos. Der Hasenanima sang wieder das Lied. Dieses Mal voller Hoffnung. Cooro war wirklich der Engel, auf den sie gewartet haben.   Senri knurrte. Der Erfinder beruhigte ihn mit einer kleinen Bemerkung. Er blickte auf den selbstgebauten Radar. Das Licht blinkte in einem orangen Ton. „Wir sind in der Nähe“, sprach der Erfinder. Ob die Rauchbomben ihre Dienste leisteten? Mit schnellen Schritten nährten sich die Nachhut Nana und Husky. Der Radar blinkte gleichmässig, was ein gutes Zeichen war. Plötzlich blieb Senri stehen. Der Salamanderanima runzelte die Stirn. Seine Harre fielen ihn ins Gesicht, die sich von seinem Dutt lösten. „Oh“, sprach er und betrachtete die ohnmächtigen Männer. Der Anima ging in die Knie. Kontrollierte den Atem der Männer. Seine Rauchbomben waren nicht im Einsatz gewesen. Dann wären die Augen geöffnet, das Weisse des Auges grün verfärbt. Senri entspannte sich merklich. „Komm mein Freund. Diese Männer sind keine Gefahr mehr.“ Senri lächelte wieder, da dies seine Art war zu sagen, dass er verstanden hatte.     ***     „Könnt ihr mir wieder den Stein geben?“, fragte der Erfinder Nana und Husky. Husky hörte auf den gutgelaunten Cooro zu belehren, der immer noch gefesselt war, und griff in den Korb. Auch Nana tat es und holte den orangefarbenen Stein hervor. Die befreiten Kinder erholten sich. Die Rauchbomben wirkten tatsächlich. Der Erfinder konnte sagen, dass der erste Feldversuch ein voller Erfolg war. Als Senri und der Erfinder ankamen, waren Nana und Husky dabei die Gefangenen zu befreien. Panisch schrien einige herum, die den Rauch teilweise eingeatmet hatten. Husky hatte den Zirkusdirektor in einen Käfig gezwängt, der früher echte Tiere beherbergte. Man konnte sein Gesicht noch sehen. Sein Blick war starr. Als erblickte er etwas Abscheuliches. Die kaputte Peitsche in seiner Hand. Husky wäre es egal gewesen, wenn er in dieser Scheune verhungern würde. Nana kümmerte sich um die Kinder. Geistesanwesend verabreichte sie ihnen die mitgegebene Medizin. Der Erfinder nickte stolz. Das Mädchen hat sich die Worte gemerkt und den Schleier anbehalten. Der Erfinder fühlte sich merkwürdig. Die Wiedersehensszene der Freunde war auf ihre Art einzigartig. Der Anima fühlte sich nützlich. Gebraucht. Ob er es genoss oder sich davor graute? Einige der befreiten Kinder gingen ihres Weges. Einige bedankten sich, andere verschwanden ohne ein weiteres Wort. Die Stimmung war schwer zu beschreiben. Senri kümmerte sich um die gebliebenen Anima. Tröstete ohne Worte, sah nach den Wunden. Der Hasenanima sass neben seiner Seite und lächelte. Ihre Augen waren trüb und gerötet. Starr, wie die des Zirkusdirektors. Sie hatte sich jedoch schützen können. Nana und Husky schimpften mit Cooro. Nana unterstrich ihre Worte mit einem „Wir haben es dir gesagt!“, während Husky unzimperlich seinen Stab benutze. Als sie fertig waren, kramte der Ausgeschimpfte in seinen Taschen. „Was willst du mit den Plätzchen?“ „Sind für euch. Schmecken echt gut.“ Huskys Miene verfinsterte sich. Gerade wollte er seinen Freund den Rücken kehren, da sagte er noch etwas. Etwas was Husky die Gelegenheit gab seinen angestauten Frust an ihm herauszulassen.   Der Erfinder erhob sich. Nun waren noch der Hasenanima und die vier Freunde in der Scheune. „Ihr könnt zu mir in den Stollen kommen. Danach …“ Panisch sprang der Hasenanima auf. Die Ohren zuckten nervös. Auch Nana erbleichte. Schrill schrie sie „Da kommt jemand!“ Wer da nun genau mit schnellen und wütenden Schritten der Scheune nährte, hätte allein der Anima mit den Hasenfähigkeiten sagen können. Senri knurrte und stellte sich vor seine Freunde. Die Hand verwandelte sich in die Klaue eines Bären. Zur Überraschung aller hob der Erfinder die Hand, um Senri aufzuhalten. „Ich kümmere mich darum.“ Der vorrückende Mann blickte grimmig. Seine Augen waren noch immer grünlich verfärbt, nahmen ihn einen Teil seiner Sicht. Dies hielt ihn nicht auf. Treu eilte er zu der Scheune, in der die wichtigen Attraktionen seines Meisters hausten. Bereit, sich mit den Monstern anzulegen. Für seinen Brötchengeber die Hände schmutzig zu machen. Jedes Anima war ein blutrünstiges Monster. Nichts konnte seine Meinung ändern. Mit einem Schrei rannte er in die Scheine. In seinem Zustand konnte er nicht erkennen, dass die Kinder befreit waren und das der Direktor in einem Käfig steckte in dem einst ein richtiger Löwe mitreiste. Bevor der Zirkus sei Programm änderte. Der treue erste Mann des Direktors brüllte den kleinen Rest der Anima an. Der Erfinder schritt auf ihn zu. Sprach mit ihm mit ruhiger Stimme. Erklärte die Situation und die Lage, als wäre sein Gegenüber ein kleines Kind. Husky wollte den Erfinder zurufen, das dies nichts nütze. Das man ihn ausschalten sollte. Seine Einwände kamen zu spät. Der linke Arm des Erfinders fiel wie ein Ast, der vom Wind abgerissen wurde, zu Boden. Blut tropfte auf den staubigen Lehmboden. Nana erbleichte und schrie. Schrill und laut. Rannte panisch hinaus. Cooro griff zu seiner kleinen Axt, die die Männer nicht abgenommen hatten, bereit seinem Retter zu helfen. „Geht. Ich komme nach“, sprach der Verletzte. Seine Miene war emotionslos. Senri zögerte einen Moment. Sein Blick wechselte zu dem Angreifer, der den blutigen Säbel wild herumwirbelte und Verwünschungen gegen die Anima brüllte, und den Erfinder. Der trotz seiner schlimmen Verletzung ruhig blieb. Husky liess es sich nicht zweimal sagen. Er packte Cooro und zog ihn hinaus. Senri nahm den Hasenanima huckepack. Zurück blieben der Erfinder und der Handlanger. Beides Männer im gleichen Alter. Unterschiedlich und trotzdem teilten sie das gleiche Schicksal. Und beide wollten niemanden eine Last sein und ihre Aufgabe zu Ende bringen.     Die Nacht war frisch. Es regnete wieder, wie zu Anfang des Tages. Nana und Husky waren umgezogen. Cooros Verletzungen geheilt. Die Peitschenhiebe hatte er schon vergessen. Cooros Fröhlichkeit konnte nichts stoppen. Er dachte kurz an Swana. Ob ihre Verletzung an der Wange verheilt war? Er war sich sicher, das Nana diese hübsche Frau gerne gesehen hätte. Husky blickte den Erfinder misstrauisch an. Er konnte sich nicht sicher sein, ob er sie nicht doch verraten würde. Deswegen wollte er schnell aufbrechen. Nanas Tränen waren getrocknet. Ungläubig blickte sie zu dem Armstumpf. Er schien sich schon verheilt zu haben. Der Erfinder versicherte ihr das es ihm gut ginge. In gut drei Monaten würde sein linker Arm vollständig nachgewachsen sein. Der Hasenanima sah zum Himmel. Genoss den Regen auf seiner Haut. Die Luft. Die Freiheit. Bis es dem Erfinder besser ging, würde er bei ihm bleiben. Er war glücklich, wenn er jemand helfen konnte.   Der Abschied ging kurz vonstatten. Cooro bedankte sich und wünschte den beiden alles Gute. Das er Schuld an dem ganzen Ärger war, schien ihm nicht bewusst zu sein. Der Erfinder gab Husky den Radar und die Steine mit. Damit sie sich nie aus den Augen verlieren würden. Senri pflückte eine Blume vor dem Eingang des Stollens. Nana winkte noch einmal. Sie durften Schleier als Erinnerung mitnehmen. Der Erfinder schloss die Augen. Da ertönte die wütende Stimme des hellhaarigen Jungen. „Cooro! Was hast du vor? FLIEG NICHT DAVON!“ Als der Erfinder die Augen wieder öffnete, sah er, wie Cooro Richtung Stadt flog. Das Tuch. Cooro wollte das Tuch wieder Senri zurückbringen. Und vielleicht, wenn er Glück hatte, würde er noch ein Stück Apfelkuchen bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)