神道 – Shintō von Sas-_- (Weg der Götter) ================================================================================ Prolog: 混乱 – Konran ------------------- „Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, wie unwahrscheinlich es auch wirken mag, die Wahrheit sein.“   - Sherlock Homes -   †††   „Ich wusste, dass du hierher kommen würdest. Ich wusste, dass du versuchen würdest ihn zu finden. Ich weiß, dass du weitergehen wirst. Dass ihr euch wiederseht. Du musst nach Norden. Du musst zum Schrein. Du weißt wieso.   Shikamaru.“   Ino saß an eine nasse Kellerwand gelehnt da und ließ den Zettel, von dem sie gerade diese Worte gelesen hatte, langsam sinken. Sie atmete schwer aus und hielt kurz darauf die feuchte Luft an. War da ein Schlurfen, draußen, vor dem Fenster? Von dort aus konnte sie auf den Bürgersteig hinaussehen. Auf eine graue, von Gram gebeugte Welt. Es regnete schon seit Stunden gleichmäßig, das machte es schwer für sie zu lauschen. Ino stand langsam auf, ihre Beine waren sehr wackelig. Der Keller war extrem dunkel, um den Zettel lesen zu können, hatte sie sich unter das Fenster setzen müssen. Ein Risiko, wenn auch nur für kurze Zeit. In dem Keller lag allerlei altes und neues Gerümpel herum: Stühle, Tische, sogar ein Sofa, Kinderspielzeug, verpackte Kisten, Gartengeräte, Gardinen, ein aufblasbares Planschbecken – ohne Luft versteht sich, und vieles mehr. Es war ein typischer Keller an einem untypischen Tag. Dämmerig war es, die einzige Lichtquelle bestand aus besagtem Fenster, der Raum selbst war nicht sehr groß. Ino hatte sich an einigen ausrangierten Möbelstücken vorbeidrücken müssen und froh, dass das Fenster einigermaßen freigeräumt war. Spinnweben hingen überall, die Luft war feucht und kalt – zitternd rieb sie sich über ihre Arme. Warum hatte sie nur ein T-Shirt an? Auch die Hose war viel zu dünn. Es sollte doch Sommer sein … Ino hob den Zettel frierend noch einmal hoch und las ihn erneut. „Du musst zum Schrein. Du weißt wieso. Wieso … Ich weiß wieso … Ich weiß … Ich hab … Ich weiß es nicht“, murmelte sie leise, faltete hastig den Zettel zusammen und steckte ihn in ihre Umhängetasche, die schon vor dem ganzen Chaos schlimm ausgesehen hatte und jetzt noch mehr Flecken und Schrammen aufwies. Das Kunstleder litt enorm. Der Zettel hatte schon Wasserschaden genommen, manche Buchstaben konnte man nur noch dank des Kontextes verstehen – er durfte nicht noch unleserlicher werden. Sie musste Richtung Norden. Dieser Zettel war nicht der erste seiner Art, es war der zweite. Auch den ersten hütete Ino wie einen Schatz und auch dieser stammte von Shikamaru. Ino musste aus diesem Keller wieder heraus, obwohl sie das nicht wollte. Es gab schönere Orte, das schon, aber im Moment war es auch sehr sicher hier. Sie sah noch ein Mal aus dem Fenster, auf der Straße schien nichts los zu sein, der Regen prasselte weiter nieder. Sie scannte den Raum, sie musste wieder vorbei an den Möbeln, die so dumm standen, da möchte man meinen, dass sie mit Absicht so hingestellt wurden. Ächzend, aber leise, schlängelte sie sich um Stuhlbeine und offenstehende Schranktüren herum. Ino traute sich nicht, irgendwas davon zu verschieben oder zu schließen – es könnte Geräusche verursachen und so die Aufmerksamkeit auf sie lenken. Darauf konnte sie gerade gut und gerne verzichten. Nach einigen Minuten hatte sie es wieder zur Kellertreppe geschafft, die wenigstens aus Beton bestand, also keine knarzenden Holzdielen. Auf Zehenspitzen schlich sie sich die Treppen wieder hinauf. Die Kellertür stand noch immer offen. Oben an der Türschwelle angekommen streckte sie ihren Kopf aus der Tür und schaute den Gang auf und ab. Ino befand sich in einem kleinen Einfamilienhaus. Eines von den hübschen, oder zumindest war es das mal. Hier schälte sich die Tapete von der Wand, in der Luft lag ein modriger Geruch. Das Laminat war dreckig und zerkratzt, an manchen Stellen aufgequollen. An den Wänden hingen einst Bilder, die auf den Boden gefallen waren. Die Rahmen waren aufgesprungen, das Glas zersplittert und die Bilder darin bereits verblasst oder von Wasser geschädigt, dass sich nichts mehr auf ihnen erkennen ließ. Es war ruhig, für Inos Geschmack fast schon zu ruhig, aber niemand schien hier zu sein – eine gute Sache. Immer noch auf Zehenspitzen schlich sie Richtung Ausgang, der praktischerweise einfach am Ende des Hauptflures lag. Ein Wohnzimmer ging von dem Flur rechts ab – darin gab es nicht viel zu sehen. Nur einen umgeworfenen Tisch, zerstörte Kommoden und ein gesprungener Fernseher. Auf dem durchgesessenen, vor Dreck starrenden Sofa saß jemand. Ein Mann mittleren Alters. Ino erstarrte mitten in ihrer Bewegung. Wäre die Situation nicht so ernst, sähe es ziemlich lustig aus, so wie sie dort stand und mit großen Augen zu dem Mann hinüberstarrte. Die Person auf dem Sofa rührte sich nicht. Er saß nach hinten gelehnt da, den Kopf im Nacken. Seine Augen waren milchig und starrten leer an die Decke. Der Mund stand leicht offen, rissig und blutleer waren seine Lippen. Die Zähne sahen falsch aus, verschoben und zerborsten. Sein Haar war verfilzt und genauso dreckig wie das Sofa. Die Haut wirkte erschlafft und gräulich, Hämatome scheußlichen Ausmaßes prangten auf Wangen und Hals. Dieser Mann bot einen entsetzlichen Anblick. Seine Erscheinung reichte, um selbst den hartgestottensten Horrorfan viele schlaflose Nächte zu bescheren. Auf den ersten Blick schien es sich um eine Leiche zu handeln, aber Ino wusste es besser. Er durfte sie auf keinen Fall hören! Leise schlich sie weiter. Als sie das Wohnzimmer hinter sich ließ, hörte sie ihn leise winseln: „Wir … müssen hier raus … Alice. Wir … Nimm das Fenster … Alice …“ Seine Stimme war brüchig, krächzend und hörte sich für Inos Ohren an wie Nägel, die über eine Tafel gezogen wurden. Sie hasste es, dass diese abscheulichen Dinger die letzten Worte ständig wiederholten, die sie gesagt hatten, bevor sie sich in diese wandelnden Albträume verwandelten. Es war so irritierend, so verstörend und oft sagten sie die schlimmsten Sachen, manchmal auch die unpassendsten. Wie die Frau, die Ino als eine der ersten gesehen hatte – vor einem Kleidungsgeschäft. Ständig redete sie davon, dass sie diese eine Tasche hätte nicht kaufen sollen. Da dachte Ino noch, dass sie solchen Menschen helfen könnte, obwohl das Äußere dieser Wesen Ino beinahe den Verstand kosteten. Aber diese Dinger waren keine Menschen mehr. Es gab nichts mehr für sie zu tun, außer, ihnen aus dem Weg zu gehen, wenn möglich. Die andere Möglichkeit behagte Ino nicht. „Alice!“ Ino bemühte sich, nicht tief ein- und auszuatmen, draußen vielleicht. Sie hatte die Eingangstür erreicht, diese hing schief in den Angeln. Das Holz war an vielen Stellen gesplittert, selbst der Türgriff war herausgerissen worden. Was hier wohl passiert ist?, ging es Ino durch den Kopf. Hin und wieder dachte sie darüber nach, über den Schrecken um sie herum, der ihre Welt in Trümmer gelegt hatte. Sie sind stark genug, sie könnten eine Tür aus den Angeln heben. Ob man versucht hat, sich hier zu verschanzen? Egal, ich muss nach Norden … An der Türschwelle verhielt Ino sich wie an der Kellertreppe: Den Kopf nach draußen strecken und wachsam nach links und rechts sehen, ob jemand oder etwas in ihrer Nähe war. Der Regen hörte zu ihrem Glück gerade auf. Als sie niemanden erkennen konnte, ging sie vorsichtig die Treppen hinunter. Kapitel 1: 目的 – Mokuteki ------------------------ Der Garten war das reinste Chaos wie alles andere. Die Hecke, die das Grundstück einst eingefasst hatte, sah aus, als hätten mehrere Menschen versucht sie zu überfahren. Vielleicht war genau das der Fall. Ino befand sich in einem kleinen Wohngebiet, nicht weit vom Stadtzentrum. Der schnellste Weg nach Norden führte sie dort durch. Sie könnte außenherum gehen, aber das würde viel zu viel Zeit kosten – es war bereits Nachmittag. Bis zum Schrein war es noch ein gutes Stück. Das Wohngebiet lag wie ausgestorben da. Das einzig Schreckliche, das es zu sehen gab, war eine Leiche in einem Pool, dessen Wasser sich rötlich gefärbt hatte. Ino nahm das am Rande wahr, aber fasste sie nicht weiter ins Auge. Sie wollte solche Dinge nicht sehen, nicht mehr. Ino kämpfte weiter um ihren Verstand. Sie durfte nicht dem Wahnsinn verfallen und das Chaos, das um sie herrschte nicht in sich hineinlassen. Umso weniger Ino von dem Grauen zu ihr durchdringen ließ und in Augenschein nahm, desto besser gelang es ihr, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Diese Art von Ablenkung konnte tödlich enden, nicht nur für ihre Seele. Ino blieb immer wieder stehen und lauschte, konnte aber nichts und niemanden hören; noch nicht mal Vögel oder andere Tiere, die sich hier sonst in den Bäumen und Sträuchern der Gärten aufhielten. Um Ino herum herrschte Zerstörung, aber neu war das nicht mehr. Kaputt gefahrene Gärten, gebrochene Mauern, plattgedrückte Zäune, brennende Häuser und querstehende Autos. Als hätte Krieg geherrscht, und vielleicht war das auch so, aber Ino war nicht dabei gewesen. Sie sah nur noch, was von ihrer Welt übriggeblieben war – und das war nicht viel. Dramatisch ausgedrückt lag Inos Welt in Scherben, doch sie hatte ein Ziel, welches sie durch all dieses Chaos führen sollte; einen Weg, den sie gehen würde, etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte. Nach einigen Straßen wurde das Wohngebiet von der Innenstadt abgelöst. Es tauchten Häuserblocks auf und schließlich Geschäfte. Auch hier war es gespenstisch ruhig. Die Ruhe nach einem gewaltigen Sturm lag in der Luft. Das einzige, was Ino in regelmäßigen Abständen zu hören bekam, war das Schreien und Winseln von Verwandelten oder die Explosion eines Objekts – einem Auto, einem Topf auf dem Herd, solche Dinge. Alle Straßen waren wie ausgestorben. Die sonst so belebte Innenstadt lag zerstört da. Überall standen oder lagen Autos, die Fensterfronten von Geschäften waren eingeschlagen oder gar nicht mehr vorhanden. Die entsprechende Ware lag verteilt auf Gehsteig und Straße. Ino fragte sich, wer in so einer Situation nur daran denken konnte, Wertgegenstände an sich zu bringen. Wozu? Für wen? Für was? Das einzige, das jetzt noch wertvoll ist, ist Essen, Wasser, Kleidung und ein Platz zum Schlafen. Diamanten helfen mir nicht dabei, Shikamaru zu finden oder mich gegen sie zu verteidigen, dachte Ino und schüttelte stumm in Unverständnis den Kopf. Der Himmel blieb grau in grau, es fielen nur noch vereinzelte Tropfen. Laut Inos Uhr war es ungefähr halb fünf am Nachmittag. Es sollte Sommer sein, aber ihr war einfach nur kalt. Sie lief die große Einkaufspassage entlang, weiter Richtung Norden. Warum auch immer Shikamaru will, dass ich ihn beim Schrein treffe. Was ist daran nur so besonders? Und von welcher Person schreibt er da nur? Wen werde ich wiedersehen? Ich verstehe überhaupt nichts mehr! Große, graue Häuserfassaden ragten in den trüben Himmel, manche erschienen Ino schief, aber das konnte eigentlich nicht sein … Sie ging an einem Auto vorbei, das auf dem Dach lag und spärlich rauchte – irgendwie musste sie an einen Teekessel denken. In dem Auto saß jemand. Derjenige hatte sich nicht verwandelt. Er war einfach nur tot. Ob er allein in dem Auto war oder ob da noch andere Personen bei ihm waren wollte Ino gar nicht wissen – sie wandte hastig den Blick ab. „Heute Morgen bin ich wie immer … Wann ist das alles nur passiert?“, murmelte sie leise. Sie war morgens aufgewacht und nichts war mehr so wie am Tag zuvor. Aber wie? Das alles hier muss doch länger gedauert haben als ein Tag! Shikamaru konnte es ihr vielleicht erklären, ihr einfach alles erklären. Seine Nachrichten waren allerdings reichlich merkwürdig. Ino wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ein Teenager murmelnd aus einer Seitengasse getorkelt kam. Er war einer von denen und er sah bereits schlimm aus. Seine braunschwarzen Haare klebten ihm verknotet am Kopf, sein Gesicht war voller Schrammen und Schmutz, die Kleidung hing in Fetzen an ihm herunter. Er hatte sie auch, die milchigen Augen – der eindeutige Beweis. Blicklos starrte er ins Leere, mit diesem entrückten Gesichtsausdruck, den Ino kaum ertragen konnte. Der Teenager hatte sie noch nicht gesehen. Sie hielt die Luft an und ging langsam, möglichst geräuschlos, hinter einem auf der Seite liegenden Auto in Deckung. Wenn das Ding sie sah, würde sie rennen müssen und wenn es ganz schlecht ausging, würde sein scheußliches Gebrüll noch mehr von seiner absonderlichen Art anlocken. Ino war das noch nicht passiert, aber sie hatte zugesehen, wie es einem anderen Überlebenden dabei ergangen war. Nicht so gut – Ino konnte ihm leider nicht helfen. Nur daran zu denken zerrte an ihrem ohnehin schon sehr dünnem Nervenkostüm. Wie sehr wollte sie demjenigen beistehen, der um sein Leben schreiend vorbeigerannt war, aber an seinen Fersen hatten sich so viele Verwandelte geheftet … Sie waren nicht sonderlich schnell, teilweise sogar extrem langsam, aber sie konnten sehr schnell mehr werden, und Ino hatte wahrlich kein Interesse an einer Bekanntschaft mit einer ganzen Horde von ihnen. Die Schreie, die diese Wesen ausstießen, gingen einem jedes Mal durch Mark und Bein. Ino wusste, sobald sie die Augen schließen würde um zu schlafen, würden die grässlichen Schreie sie in jeden Traum verfolgen. Heute Morgen war Ino aufgewacht und ihre Welt war ins Chaos gestürzt worden. Eigentlich beginnt für die meisten Menschen auf diese Weise ein alltäglicher Montag, aber dieser hier war tatsächlich ein wenig schlimmer als alle anderen Montage zuvor. Ino war aufgewacht, allein zu Haus. Von ihren Eltern fehlte bereits jede Spur. Anfangs hatte die 17-Jährige sich nicht gewundert – ihre Eltern waren häufig früh morgens unterwegs. Als Ino beim Frühstücken aus dem Fenster blickte und die gesamte Nachbarschaft aussah, als wäre eine Bombe hochgegangen, war ihr sehr schnell klar geworden, dass etwas nicht stimmte. Ihr erster Impuls, nachdem sie minutenlang schockiert aus dem Fenster gesehen hatte, bestand daraus nach ihrem Smartphone zu greifen. Aber ein Smartphone ohne Internet stellte sich bald als weitaus weniger smart heraus. Auch das Festnetztelefon war tot. Das war der Augenblick, wo es schlimm wurde, aber noch nicht am schlimmsten – das sollte noch kommen. Der Teenager tappste auf die Straße, wankend, mit zuckenden Armen, und sagte immer wieder: „Oh Gott, hilf mir, hilf mir, bitte!“ Ino würde sich am liebsten die Ohren zuhalten, aber sie musste ihn hören können, wenn sie ihn nicht sah. Sie musste irgendwie an ihm vorbei … Es dauerte mehrere Minuten bis der Junge weit genug weggetorkelt war, damit Ino leise an ihm vorbeischleichen konnte. Sie fühlte sich für einen kurzen Moment wie in einem dieser Stealth Games – nur, dass es keinen Neustart gab, sondern entweder Permadeath oder Verwandlung. Zumindest nahm Ino das an, denn eine Verwandlung hatte sie noch nicht miterlebt, aber auf irgendeine grässliche Art und Weise musste das ja geschehen. Schade, dass man nicht leise rennen kann! Es wird bald dunkel … Der Strom ist komplett weg und ich hab keine Taschenlampe!, ging es ihr nervös durch den Kopf. Wenn Ino es nicht bis zum Schrein schaffte, musste sie sich eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Aber konnte Shikamaru so lange auf sie warten? Ino würde es am liebsten nicht darauf ankommen lassen. Außerdem würde das ohnehin eine schlaflose Nacht werden, selbst wenn sie eine einigermaßen sichere Umgebung finden würde. Immer weiter bewegte Ino sich die ehemalige Einkaufspassage hinauf, trat über zerstörte Möbel, die aus einem Laden gezerrt worden waren, Haushaltsgegenständen, einem Bügeleisen, Kleidung. Kleidung? Ist ja nicht so, als würde ich shoppen … Sie sah sich wachsam um, niemand in der Nähe, weder lebendig noch mutiert. Ihr war trotz der ganzen Aufregung eiskalt; das war die Gelegenheit, sich nach passenden Klamotten umzusehen, allerdings nicht hier draußen. Der Regen hatte sämtliche Kleidung durchnässt. Mit langsam Schritten stieg Ino gebückt durch das zerbrochene Schaufenster in den Laden hinein. Die Glasscherben knirschten unter ihren Schuhen. Immer, wenn eine Scherbe besonders laut zerbarst, zuckte sie zusammen und wartete mehrere Sekunden ab, ob etwas darauf reagierte. Erst, wenn die Stille nicht durch Gemurmel gebrochene wurde, ging Ino leise weiter. Der Eingangsbereich wurde von einem qualmenden Autowrack blockiert. Im Laden sah es aus als hätte kürzlich der berühmt berüchtigte Black Friday stattgefunden. Der Verkaufstresen stand nur deswegen noch an Ort und Stelle, weil er wohl zu schwer war, um ihn durch die Gegend zu wuchten. Nachdem Ino sich versichert hatte, dass sie alleine in dem Gebäude war, durchwühlte sie mit spitzen Fingern die Sachen; da es ja Sommer war, stand Ino in einem Meer aus Kleidern, Röcken, Tops, Leinenhosen und T-Shirts. Gibt's denn nichts Wärmeres?! Ich kann mir doch nicht drei Tops überziehen, da ist mir ja an den Armen trotzdem kalt! Oh! Eine Jacke! Endlich! Glücklich hob Ino sie auf, klopfte Dreck und vornehmlich Glassplitter weg und zog sie zufrieden an. Das gute Stück hätte sie vor dem ganzen Chaos nicht mal mit dem Hintern angesehen. Bevor Verwandelte die Straßen unsicher machten, hatte Ino Stunden mit ihren Freundinnen in Shopping-Centern verbracht. Scheiß Zeitverschwendung, ich hätte lieber Survival-Videos anschauen sollen, anstatt das perfekte Make-up rauszufinden! Die Jacke war ihr zu groß, dunkelgrün und schlicht – um es diplomatisch auszudrücken. Natürlich war Ino nicht blitzartig warm, aber sie fühlte sich schon viel besser. Leise seufzend kuschelte sie sich ins Innenfutter, hielt aber sofort erschrocken die Luft an. Hatte sie jemand gehört?! Mochte Ino noch vor einer Woche bereitwillig Kämpfe um das hübscheste Sommerkleid ausgefochten haben, stand ihr derzeit nicht der Sinn nach einer Keilerei um diese äußerst wertvolle Jacke. Als sich weiterhin nichts regte, scannte sie den Raum erneut. Ob's hier auch eine warme Hose gibt? Begierig sah sie sich um. „Alice!“ Kapitel 2: 認識 – Ninshiki ------------------------ Verflucht! Ino sah erschrocken auf. Der Kerl aus der Bruchbude schlurfte ziellos durch die Einkaufspassage und rief ständig mit gurgelnder Stimme diesen Namen. Sie ließ alles stehen und liegen und huschte wieder aus dem Laden heraus. Laut knirschten Glassplitter unter ihren Schuhen, aber das Gebrüll des Verwandelten übertönten diesen Fauxpas mühelos. Gebäude, die nur einen Ausgang hatten waren keine gute Idee, egal wie wertvoll der „Loot“ in ihnen auch sein mochte. Der nützte einem dann auch nichts mehr, wenn kreischende Verwandelte den Ausgang blockierten. Mit Tops verteidigt es sich ohnehin sehr schwierig. Schon ganz am Anfang hatte Ino herausgefunden, dass die Verwandelten nicht mehr so gut sehen konnten. Zum Glück. Sonst hätte Ino noch nicht einmal Shikamarus ersten Zettel finden können. Denn als das Telefon sich in Inos Zuhause als tot herausgestellt hatte, war sie hilferufend aus dem Haus gerannt. Hinaus in die Nachbarschaft, in deren Gärten Autos gefahren waren und zum Teil auch in die Häuser hinein. Die Zäune sahen alle aus als seien sie überrannt worden, Beete waren zertrampelt, Fensterscheiben eingeschmissen. Bei einem Garten war der Gartenschlauch abgerissen worden und Wasser spritzte in großer Menge quer über die Straße. Ino eilte von einer Tür zur nächsten, aber oftmals gab es keine Tür mehr oder sie hing zersplittert in den Angeln. Niemand befand sich mehr zu Hause, zumindest reagierte keiner auf Inos Rufen. Eine Verwandelte war die einzige Lebensform, wenn sie sich so schimpfen durfte, auf die Ino schlussendlich traf. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, was es mit diesen furchtbaren Gestalten auf sich hatte. „Alice!” Der nervt vielleicht, dachte Ino und verdrückte sich ein Knurren. Die Dinger sahen zwar kaum noch was, aber meist hörten sie noch sehr gut –, aber manchmal noch nicht einmal das. Ein paar von ihnen reagierten schlicht auf nichts mehr. Ino erinnerte sich mit Grauen daran, wie sie einen von ihnen wortwörtlich über den Haufen gerannt hatte. Der alte, verwandelte Mann kippte einfach zur Seite um und da lag er dann, auf der Straße. Linkisch versuchte er aufzustehen, mit seinen zerschrammten, mit geronnem Blut überzogen Gliedmaßen. Er grunzte und stöhnte und wiederholte beharrlich, dass sein Stück Kuchen keine Sahne hätte. Ino würde liebend gerne ein Bad nehmen bei dem Gedanken an diese Szene. Jedes Mal fühlte sie sich schmutzig und infiziert, wenn sie daran dachte. Die erste Verwandelte, die sie traf … Ihre Nachbarin war an ihrem Küchentisch gesessen und bat darum, dass ihr jemand die Butter reichen sollte. Ironischerweise stand diese direkt vor ihr. Mit milchigen Augen starrte sie ins Leere und ihre äußere Erscheinung war für Ino schwer in Worte zu fassen. Das Szenario war so verstörend gewesen, dass die 17-Jährige fast eine halbe Stunde in der Küche stand und versuchte zu verstehen, was gerade vor sich ging. Schließlich hatte sie sich ihrer Nachbarin zugewandt, die allerdings auf nichts reagierte. Wegen ihrer milchigen Augen und gräulichen Haut hatte Ino sich nicht sehr nahe an die ältere Frau herangetraut – Gott sei Dank. Schließlich war Ino völlig durcheinander aus dem Haus geflohen und lief in ihrer Verzweiflung zum Blumenladen ihrer Eltern. Dort sah sie die erste Leiche ihres Lebens und leider nicht die letzte.   Ino hatte sich schon ein weites Stück von dem Verwandelten Alice-Schreier entfernt, der nun mit hängendem Kopf auf der Straße stand, regungslos. Das kam vor. Die 17-Jährige empfand das immer so, als würden sie in eine Art Stand-by-Modus gehen. Geräusche konnten die Biester allerdings wieder munter machen, weshalb es Lärm unbedingt zu vermeiden galt. Nach der Einkaufspassage folgte die Altstadt, der Grund, warum so viele einst diesen Ort besucht hatten. Historische Gebäude, schmale Gässchen, Museen … All diese Dinge hatten Touristen angezogen wie das Licht die Motten, aber nun … Hier gab es nicht so viele querstehende Autos, aber Müll lag überall herum, und die Fenster der Altbauwohnungen waren zum Teil eingeschlagen. Das Chaos hielt sich in Grenzen; dafür gab es hier mehr Leichen, die aus den oberen Stockwerken gestürzt zu sein schienen – oder gesprungen. Wenn sie diesen Schrecken begegnet waren wie einst Ino selbst, dann kann sie es ihnen nicht verdenken, dass diese Menschen in wilder Panik den einzigen schnellen Weg genommen hatten, den es gab. Ino schauderte. All die Blutlachen und rot getränkten Regenpfützen … Die Altstadt war verwinkelt, die 17-Jährige kannte den schnellsten Weg, aber war es klug, durch schmale Gassen zu gehen? Lieber rechtzeitig beim Schrein ankommen, überzeugte Ino sich selbst, um sich Mut zu machen. Jede Gasse, die sie nicht komplett einsehen konnte, bremste ihren schnellen Gang. Ständig blieb sie stehen um zu lauschen. Die meisten Verwandelten waren kaum zu überhören, weil sie entweder vor sich hin murmelten, Gegenstände umstießen oder gegen etwas liefen. Jede Gasse, die Ino nahm war wie ausgestorben – außer die letzte. Die junge Frau war so darauf konzentriert, dass sie die Altstadt bald hinter sich hatte, dass sie ihre Wachsamkeit ein wenig vernachlässigte und dies wurde sofort bestraft. Ino rannte förmlich in eine verwandelte Frau. Im Gegensatz zur 17-Jährigen, war diese nicht verdutzt. Das blutleere Gesicht der Verwandelten verzerrte sich, sie riss ihren fauligen Mund auf und stieß einen schrillen Schrei aus. Das Wesen stürzte sich direkt auf ihr lebendiges Gegenüber; mit ausgestreckten Händen, die Finger gekrümmt wie Klauen. Ino konnte gerade so zurückweichen. Als sie den ersten Schreck überwunden hatte, flitzte sie an der Verwandelten vorbei und rannte so schnell sie konnte. Wenn Ino es nicht schaffte genügend Strecke zwischen sich und dem brüllenden Ding zu bringen, dann war es vorbei. Dieser Gedanke spornte sie zu Höchstleistungen an; sie stürzte Treppen hinauf und hinunter und jagte über freie Straßen – keine Gässchen mehr, jetzt musste sie sehen können, wohin sie da in Windeseile rannte. Schon bald übersäuerten schmerzhaft ihre Waden und in ihren Lungen stach es. Trotz der Panik und der Aufregung, die sie seit einiger Zeit begleiteten, war Inos Kondition kein Wunder widerfahren und noch genauso schlecht wie tags zuvor. Die entsetzlichen Schreie verfolgten die junge Frau noch lange, denn wo ein Verwandelter schrie, schrien bald noch mehr. Eine vielstimmige Kakophonie hallte durch die tote Stadt und wurde von den Häuserschluchten hin- und hergeworfen. Ino fühlte sich wie in einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab. Immer weiter trugen sie ihre schmerzenden Beine, während die Dinger träge aus den Seitenstraßen schlurften, schreiend oder weinend. Einer von ihnen blieb an dem halb zerstörten Glas eines Schaufensters hängen und fiel jammernd um. Ino sprang keuchend über ihn hinweg. „Was ... ist los ...? Was willst ... du?” Er streckte seine Hand aus, er hatte nur noch vier Finger, der Daumen fehlte. Seine verrottete Hand wollte sich um Inos Fußgelenk schließen, aber sie war schneller. Weiter, immer weiter. Eine Straße folgte der nächsten, die 17-Jährige war froh, dass sie nicht die Orientierung verloren hatte. Sie musste zum Park, der Park im Norden. Dort war der Schrein. Warum auch immer Shikamaru sich ausgerechnet dort mit ihr treffen wollte.Endlich konnte sie den Eingang zum Park sehen, er bestand aus einem großen, steinernen Torbogen ohne viel Details, aber umrankt von Kudzu; eine Kletterpflanze, welche in Windeseile alles überwuchern kann. Keuchend und mehr joggend als rennend passierte Ino den Eingang, beugte sich nach vorn und stützte sich auf den Knien ab. Jetzt ist mir wenigstens warm! Der Schweiß rann ihr übers Gesicht und dem Rücken hinunter. Hinter ihr verebbte allmählich das hundertfache Brüllen. Die Verwandelten hatten Inos Spur verloren, zum Glück. Nachdem die junge Frau wieder zu Atem gekommen war, richtete sie sich auf und sah sich schnell um. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren, aber auch auf keinem Fall mehr so einem Ding begegnen. Der Park sah erschreckend normal aus: Gemähte Rasenflächen, gepflegte Teiche, gestutzte Büsche. Es gab kaum Chaos. Umgeknickte Bäumchen und platt getrampelte Gräser vermittelten höchstens den Eindruck, dass hier eine Art Festival stattgefunden hatte, aber sicherlich keine Apokalypse. Die weiten Grasflächen, auf denen sich für gewöhnlich gestresste Städter entspannten, waren größtenteils leer, hier und da lag etwas Müll. Ein paar wenige Leichen gab es auch – der einzige Hinweis, dass hier mehr geschehen war als Party. Ino wandte den Blick ab, trotzdem erinnerte sie sich schmerzlich und voller Grauen an den ersten Toten, welchen sie zu Gesicht bekommen hatte. Panisch war sie nach dem Zwischenfall mit der verwandelten Nachbarin zum Blumenladen ihrer Eltern gerannt, in der vagen Hoffnung, sie dort zu finden. Ihre Eltern waren immer dort, vielleicht sogar jetzt. Der Laden sah schlimm aus. Tränen schossen Ino in die Augen, als sie die zerstörten Fensterfronten sah. Es fühlte sich an, als hätte jemand ihre Kindheit mit einem Vorschlaghammer zertrümmert. Dieser Laden war das Lebenswerk ihrer Eltern, ihrer Großeltern und deren Eltern. Der Blumenladen war etwas besonderes, und nun lag er in Trümmern. Das allein reichte bereits aus, um Ino an den Rand eines völligen Zusammenbruchs zu treiben. Die verglaste Eingangstür bestand nur noch aus dem Metallrahmen, das Glas war zerschlagen worden. Ob in wilder Panik oder aus bösem Willen war nicht zu erkennen. Nach ihren Eltern rufend lief Ino hastig hinein. Innen ... Nun, sie hätte die Räumlichkeiten nicht mehr als das Geschäft ihrer Eltern wiedererkannt, hätte man ihr ein Bild davon gezeigt. Es gab kaum noch etwas, das an seinem angestammten Platz stand. Tische und Regale waren umgerissen worden, alle Blumen und Pflanzen lagen zerstört am Boden, selbst die Gartengeräte waren zum Teil kaputt. Vor dem Verkaufstresen lag jemand, die Gliedmaßen auf eine Art und Weise verdreht, dass es Ino eisig über den Rücken lief. Wie zu Stein erstarrt stand sie da. Sie konnte nicht hingehen. Unmöglich. Was, wenn das mein Vater ist?! Ich kann nicht! Ich kann das nicht! Größe und Statur passten ungefähr, die Kleidung war voller Erde und Risse, er trug nur noch einen Schuh. Die 17-Jährige weinte und schluchzte, während sie sich nach mehreren Minuten endlich doch dazu durchringen konnte nachzusehen, wer da so regungslos im zerstörten Laden ihrer Eltern lag. Zentimeter für Zentimeter rückte sie an die Leiche heran, ihre Füße schoben Bruchstücke von Blumentöpfen zur Seite, es knirschte – ansonsten herrschte Totenstille. Als sie schon so nahe bei ihm war, konnte Ino sehen, dass in seinem Kopf eine Gartenschere steckte. Offenbar war er damit niedergestreckt worden. Die Hände der jungen Frau zitterten vor Angst und Weinen wie verrückt, als sie den Leichnam auf die Seite drehte. Er war sehr schwer, sie brauchte beide Hände. Es war nicht ihr Vater. Ino schluchzte laut auf und sank erleichtert, aber gleichermaßen zutiefst schockiert über diesen Anblick, auf den mit Erde, Pflanzen und Tonscherben bedeckten Boden. Die Knie anziehend saß Ino einige Zeit weinend da. Sie hatte noch nie eine Leiche gesehen, der Anblick war so surreal, so albtraumhaft – sie wartete verzweifelt darauf aufzuwachen. Aber sie war nicht aufgewacht. Kapitel 3: 精神 – Seishin ----------------------- Noch lange war Ino neben dem Leichnam gesessen, hatte alle schrecklichen Fragen, die ihr in den Sinn kamen, gewälzt und Schmerz, Verwirrung und Angst zugelassen. Aber nach einiger Zeit, einer Stunde oder zwei, hatte sie sich schließlich am Riemen gerissen; nun stand sie in einem Park und war auf dem Weg zu einem Schrein, den sie vor Jahren das letzte Mal besucht hatte. Dieser befand sich in der Mitte der Anlage. Es handelte sich um ein traditionelles, japanisches Gebäude. Außen waren Shide angebracht – Papierstreifen, die in Zickzackform geschnitten waren. Ähnlich wie Girlanden zierten sie die Fassade, so hatte Ino es in Erinnerung, so sah es vor Jahren dort aus. Ihr Weg führte sie schnell tiefer in den totenstillen Park. Der kalte Sommerwind fuhr seufzend durch die dicht belaubten Bäume, welche sich träge wiegten. Leise erklang das Gezwitscher vereinzelter Vögel, für Ino hörten sie sich verängstigt und vorsichtig im Gesang an. Die Natur säuselte. Normalerweise ist das entspannend. Jetzt mach ich mir bei jedem plötzlichen oder ungewöhnlichen Geräusch ins Hemd!, dachte Ino, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Als Stadtkind fiel es ihr schwer zu sagen, ob das Rascheln, das sie gerade hörte, nur von einem kleinen Tier im Geäst herrührte oder ob ein Verwandelter sich seelenlos seinen Weg durchs Unterholz bahnte. Die Stimme der Natur war Ino oftmals fremd. Es war nur ein Park, aber ihr war das im Moment genug unbekanntes Terrain. Müde, aber auch beharrlich trugen Inos Beine sie immer weiter; vorbei an Rasenflächen, auf denen sich Liegen und Sitzgelegenheiten befanden, welche jedoch achtlos umher gestoßen worden waren. Der Kies der Schotterwege knirschte verhalten unter ihren Schuhen. Sie ging über eine Brücke, die sich ein kurzes Stück über einen kleinen See spannte. Die trügerische Idylle wurde dadurch gestört, dass im See mehrere Leichen trieben, man sah lediglich ihre Rücken aus dem Wasser ragen. Irgendwann würden sie auf den Grund des Sees sinken und das Wasser verderben. Könnten sie noch erwachen? Können Verwandelte schwimmen? Aber Ino bezweifelte das. Wenn sie nur daran dachte, wie unbeholfen diese Wesen durch die Stadt streiften, dann fehlte es ihnen bestimmt an der Motorik sich so koordiniert fortzubewegen. Wie konnten sie die Überhand gewinnen? Sie sind so langsam und ungeschickt ... Wie konnten sie gewinnen?! Gegen uns alle?! Hin und wieder, wenn die Umgebung es zuließ, dann dachte Ino wieder darüber nach wie die Verwandelten so viele werden konnten, und warum niemand etwas dagegen unternommen hatte. Oder warum das so schnell gegangen war. Erschreckend schnell! Ino hatte den Schrein erreicht, und er sah noch genauso aus wie in ihrer Erinnerung. Zu ihrem Erstaunen befand sich dort keine einzige Leiche. Hoffentlich gibt es hier auch keins von diesen Dingern!, dachte sie zitternd und ging ganz langsam auf den Schrein zu. Als erstes musste sie ein Torii durchschreiten. Das charakteristische Tor mit einem Querbalken darüber, welches ein beliebtes typisch japanisches Fotomotiv darstellt. Das Torii markiert, ab wann das heilige Gelände beginnt und trennt auf dem Gelände selbst einzelne Areale. Um den Schrein herum befand sich ein Graben, der mit Wasser gefüllt war. Um zum Gebäude selbst gelangen zu können musste Ino eine recht wackelig aussehende Brücke überqueren. So weit die 17-Jährige zurückdenken konnte, bot die Brücke seit jeher einen trauriger Anblick. Ino gehörte nicht zu denjenigen, die häufig Schreine besuchte. Wie die meisten tat sie das eher zu besonderen Anlässen oder an Neujahr; bei Besuchen in Städten, in denen sie noch nie war, gehörte der Besuch bei einem berühmten Schrein einfach dazu. Das hatte aber nicht wirklich was damit zu tun, dass Ino so furchtbar gläubig war, sondern weil man den Schrein einfach gesehen haben musste – so wie Europäer berühmte Kirchen anschauten, ohne gläubig zu sein. Selten hatte die junge Frau besondere Schreine zu bestimmten Zwecken aufgesucht, denn manche eigneten sich für spezifische Gebete wie Erfolg, Glück und ähnliches. Aber das war schon ein Weile her. Dennoch wusste Ino genau, warum um den Schrein ein Graben mit Wasser gezogen worden war. Das Überqueren dieses Wasser soll den Besucher selbst reinigen, und auf die Gottheit im Schrein vorbereiten. Mit ausgebreiteten Armen balancierte die junge Frau über die Brücke, knarzend gaben die Holzbalken unter ihrem Gewicht leicht nach, aber zu ihrer Erleichterung erreichte sie unbeschadet das andere Ufer. Ino näherte sich vorsichtig und auf leisen Sohlen dem Hauptgebäude, in diesem Fall das einzige Gebäude des Schreins. Vor dem Gebäude war das Chōzuya – ein großes, aus Stein gefertigtes, rechteckiges Becken mit einem hölzernen Dach darüber. Vier Pfosten hielten das Dach, so kam es einem Unterstand gleich. Das Becken war mit Wasser gefüllt, am Rand war ein Brett befestigt, darauf lagen mehrere Kellen aus Bambus. Das Chōzuya dient zur Reinigung von Händen und Gesicht, eine unumgängliche Notwendigkeit, bevor man sich dem Kami im Hauptschrein zuwendet. Obwohl in Inos Hinterkopf der Gedanke herumspukte, dass man lieber nichts anfassen sollte, griff sie nach der Kelle, schöpfte Wasser, machte einen Schritt zurück und goss sich erst über die rechte, dann die linke und wieder über die rechte Hand. Wichtig ist, dass das Wasser nicht wieder zurück ins Becken fließt! Nachdem Ino auch ihr Gesicht mit dem Wasser benetzt hatte, nahm sie einen Schluck davon – so wie immer, so machte man das. Selbst dann, wenn deformierte Menschen die Straßen unsicher machten und die Stadt in sich zusammenbrach. Irgendwas musste so sein wie es immer war, und wenn es nur das war! Ino wandte sich nach der Reinigung dem Schrein zu und ging mit gespitzten Ohren und laut klopfendem Herzen zum Heiden, der Gebetshalle, die dem Honden, dem Hauptgebäude vorgelagert war. Der Honden war für Laien nicht zugänglich, nur Priester hatten Zugang, denn dort befand sich der Shintai – der ehrwürdige Körper der Gottheit. Ein Objekt, von dem man glaubt, dass sich darin die Seele des Kami, also der Gottheit, befindet. Nur zu Ritualen und besonderen Anlässen betraten Priester den Honden, aber es gibt sogar Schreine, wo selbst die Priester nicht wissen, was der Shintai eigentlich ist. Meist handelt es sich um einen Spiegel, ein Schwert oder einen Edelstein, aber im Grunde konnte jedes beliebige Objekt als Shintai dienen. Die Nervosität erreichte ihren Höhepunkt, gleich würde sie Shikamaru wiedersehen können und ihn all das fragen, was Ino durch den Kopf ging und drohte, ihre den Verstand zu rauben. Shikamaru! Du musst mir einfach helfen! Aber bevor sie die Gebetshalle betreten konnte, musste sie noch etwas tun. Mit zitternden Händen kramte die 17-Jährige in ihrer Hosentasche nach Kleingeld. Irgendwas muss ich doch noch haben, verdammt! Ah, na endlich! Erleichtert förderte sie 50 Yen zu Tage und wirft das Geld in eine kleine Holzkiste, dann wandte sie sich einer Glocke zu, die sich über dem Eingang der Halle befand. An der Glocke hing ein Seil, welches Ino packte und daran zog, um die Glocke zu läuten, anschließend sollte sie in die Hände klatschen. Laut. Zwei Mal. Denn so fordert man von dem Kami die Aufmerksamkeit für das Gebet, das man sprechen möchte –, aber Ino war nicht zum Beten hergekommen. Sie wollte nur Shikamaru treffen. Wenn mich eines von diesen Dingern dabei hört! Das ist eine dumme Idee, ich sollte das auf keinen Fall tun! Unschlüssig stand Ino da, trat von einem Bein aufs andere und lauschte so gut sie konnte. Es war, abgesehen von dem Vogelgezwitscher und dem Plätschern des Wassers nichts zu hören. Wenn Shikamaru in der Gebetshalle war, dann musste er die Glock gehört haben! Vielleicht sollte ich doch klatschen … Damit Shikamaru weiß, dass ein Mensch hergekommen ist, dass Ich hergekommen bin! dachte Ino, hob die Hände und klatschte schnell zwei Mal. Dann huschte sie in die Gebetshalle – und war allein. So eine verdammte Scheiße! Kapitel 4: 儀式 – Gishiki ----------------------- Ein Schrei voller Verzweiflung wollte aus Ino herausbrechen, ihre Kehle brannte davon, ihn zu unterdrücken. Shikamaru ist nicht da! Warum ist er nicht da?! Sie sank auf die Knie und schlug stumm mit den Händen auf den Holzboden ein, bis ihre Hände sich taub und geschwollen anfühlten. Wenn Ino schon nicht schreien konnte, dann wollte sie sich wenigstens so Luft machen. Als die 17-Jährige aufsah, fiel ihr Blick auf einen Zettel, der an der Wand der Gebetshalle geklebt worden war; hastig und schief, und genauso hastig und schief war die Schrift darauf. Ino sprang auf ihre Füße und stürzte zum Zettel, so wie sie das erste Mal losgestürmt war, als sie Shikamarus Handschrift wiedererkannt hatte.   Der erste Zettel, den Ino von Shikamaru fand, befand sich in ihrem Klassenzimmer. Es war der einzige Ort, der ihr noch eingefallen war, wo sich noch jemand befinden könnte, den sie kannte. Jemand, der sich nicht verwandelt hatte, jemand, der nicht tot war. Der Weg dorthin war ein Spießrutenlauf, Zerstörung begleitete sie und einige Verwandelte, deren Anblick sie zu diesem Zeitpunkt noch zutiefst schockierte. Sehr schnell hatte Ino begriffen, dass diese Dinger gefährlich werden konnten, denn schon kurz darauf sah sie einen ihr Unbekannten um Hilfe schreiend über eine Straße rennen. Die Verwandelten waren ihm mehr oder weniger dicht auf den Fersen; manche waren gut zu Fuß, andere schlurften, wieder andere fielen ständig um und wurden von ihresgleichen überrannt, was sie gleichgültig über sich ergehen ließen. Wie versteinert war Ino dagestanden und hatte nur zugesehen, aber daraus gelernt. Diese Dinger griffen an, sie schienen keinen Verstand mehr zu haben und man musste sich von ihnen fern halten. Schnell stellte Ino auch fest, dass sie häufig blind waren, aber meist gut hörten. Die Angst, die sie zu Beginn ständig zu übermannen drohte, verlieh der 17-Jährigen auch Flügel, und dank vieler Schleichwege fand sie schnell ihren Weg zur Schule. Ihre Schule … Ino stand vor dem Eingang, mit offenem Mund und verarbeitete, was sie sah. Dasselbe Chaos, dieselbe Verwüstung wie überall anders auch. Eingeschlagene Fenster, ein Auto war gegen das Gebäude gerast, andere Autos standen auf den Parkplätzen in Flammen. Die Eingangstür stand offen, es war totenstill. Aber Ino wusste, hier waren bestimmt auch Verwandelte, und in einem Gebäude konnte sie nicht so gut ausweichen. Deshalb wählte sie den Weg um das Gebäude herum. Ino wusste nicht so genau, wonach sie suchte, oder warum sie glaubte, einen Klassenkameraden finden zu können. Sie versprach sich etwas davon hierher zu kommen, ohne sagen zu können, was genau sie sich erhoffte. Zu Inos großer Erleichterung befand sich ihr Hauptklassenzimmer im Erdgeschoss, das bedeutete, dass sie über ein Fenster hineinklettern konnte. Als die 17-Jährige am Gebäude entlang ging setzte ihr Herz einen Schlag aus. Es war tatsächlich jemand hier, den sie kannte! Ino machte die ersten schnellen Schritte, sie wollte winken, rufen, auf sich aufmerksam machen, als ihr auffiel, dass ihr Klassenkamerad Choji völlig verdreckte Kleidung trug, barfuß war und erschreckend still da stand. Sein Kopf war geneigt, er wirkte teilnahmslos und phlegmatisch. Ino blieb stehen und sah, wie Choji sich schlurfend in Bewegung setzte – ohne Ziel und ohne Verstand, mit hängenden Armen, seine Füßen vermochte er kaum anzuheben. Und Ino konnte nur da stehen, ihn anstarren, schlucken, fühlen, wie Tränen heiß ihre Wangen hinunterrannten. Erinnerungen an Choji stürzten gewaltig auf sie ein. Es war kaum zu ertragen, diesen leeren Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht zu sehen, wo Ino sein Lachen und seine Stimme in Gedanken hörte und sein Lächeln sah. Choji war da, und er war es nicht. Jemanden so zu sehen, den Ino kannte – einer ihrer schlimmsten Albträume wurde gerade wahr. Die 17-Jährige kämpfte den irrationalen Wunsch nieder, Choji ein letztes Mal zu umarmen, auf Wiedersehen sagen, zu sagen, dass sie zwar gesagt hat, dass sie ihn doof findet, es aber nie so gemeint hatte. Weinend wandte sie den Blick ab und stolperte weiter. Ihr Gedankenkarussell hatte neues Futter, schreckliches Futter; was, wenn ihre Eltern so aussahen? Wenn sie nicht da waren, weil sie eines von diesen Dingern geworden waren? Sofort stürmten Bilder von ihren Großeltern und Freunden in Inos Gedankenwelt. Sollten sie sich alle verwandelt haben, dann wollte Ino sie nicht sehen – niemals. Die anderen Verwandelten, die sich auf dem Gelände herumtrieben, sah Ino sorgfältig nicht an und wich ihnen auf Zehenspitzen aus. Sie könnte es nicht ertragen, noch einen Klassenkameraden so zu sehen! Schließlich erreichte sie ihr Klassenzimmer, fast alle Fenster waren auch hier eingeschlagen worden. Ino fragte sich, wie das sein konnte, wann das nur gewesen war. Tags zuvor war alles in bester Ordnung! Sie war später aufgestanden, hatte eine Freistunde, aber eine Stunde reichte doch nicht, ihr ehemaliges Klassenzimmer in so ein Chaos zu verwandeln! Denn genau das war es nun. Nachdem Ino einen Fensterrahmen von seinen restlichen Splittern befreit hatte, um gefahrlos reinklettern zu können, sah sie sich in einem Raum wieder, in dem alle Tischen umgeworfen und verschoben worden waren. Gegenstände waren an die Tafel geworfen worden, weshalb sie tiefe Risse aufwies; unter Inos Füßen knirschte Glas und zersplittertes Holz, wenn sie sich bewegte. Eine Weile sah sie sich, die Arme um sich geschlungen, um. So lange, bis Ino den Zettel bemerkte, der an die Tafel geklebt worden war. Als sie sich diesem näherte, erkannte sie Shikamarus Handschrift. Nach einem kurzen Moment des Verstehens und Begreifens stürzte sie sich auf den Zettel wie ein Ertrinkender sich an die Oberfläche kämpfte.   „Ich weiß nicht, ob du hierher kommen wirst, Ino. Aber ich hoffe es. Ich verstecke mich bei Alice. Das rotweiße Haus. Alice hilft uns. Ich will versuchen auf dich zu warten, aber ich kann es nicht versprechen. Ich weiß, wen du suchst. Wir finden ihn.   Shikamaru.   PS: Alles was wir sehen oder scheinen, ist es nichts anders als ein Traum in einem Traum?“   Über die letzten Worte hatte Ino viel nachgegrübelt, während sie verbissen das rotweiße Haus gesucht hatte, ohne zu wissen, wer Alice war. Dass Shikamaru noch die Zeit fand irgendwelchen philosophischen Quatsch von sich zu geben wunderte die 17-Jährige gar nicht so sehr, so war Shikamaru, irgendwie. Und es war beruhigend, dass er so war! Trotz all dem Horror war er immer noch er selbst, zumindest etwas. Aber es gab einiges, das Ino einfach nicht verstand: Wen suchte sie, laut Shikamarus Woten? Ihre Eltern? Aber das passte nicht … Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto eher bekam sie Kopfschmerzen, weshalb Ino es bald darauf sein ließ, bis sie Shikamarus zweiten Zettel fand. Und nun den dritten.   „Ino. Bestimmt hast du den Wunsch zu schreien und den Zettel aufzuessen, …“   Sie zog die Augenbrauen hoch, ihre Verzweiflung war der Erleichterung etwas gewichen, als sie den Zettel gesehen hatte, aber wenn sie so über Shikamarus Worte nachdachte … Ja, ich könnte schreien und den Zettel aufessen! Da kennt er mich wie kaum ein anderer!   „… aber dafür haben wir keine Zeit. In diesem Schrein befindet sich die einzige Waffe, die uns helfen kann. Der Shintai ist ein Spiegel, hab ich gehört. Ich hoffe, du hast die Rituale durchgeführt so wie immer! Du musst bereit sein, für den Kami! Wir brauchen ihn! Nimm den Spiegel! Du weißt, was du tun musst. Alice findet dich.   Shikamaru.“   Ihre Hände zitterten, da Ino sich davon abhalten musste, den Zettel zusammnzuknüllen und schreiend durch die Halle zu werfen – was sich absolut nicht in einem Schrein schickte. Wieso denkt der Wichser die ganze Zeit, dass ich wüsste, was los ist?! Ich hab keine scheiß Ahnung, was ich mit dem Spiegel dann machen soll!, dachte sie vor Wut schäumend. „Du musst bereit sein, für den Kami!“ Schön, dazu gehörte noch das Beten, so weit kam Ino noch mit. Aber den Honden, den Hauptraum, den darf ich doch nicht betreten!, ging es Ino erschrocken durch den Kopf. Das geht nicht, das dürfen nur Priester. Wie kommt Shikamaru darauf, dass ich das darf?! Und wie kann ein Spiegel …? Es klatschte herrlich laut, als Ino ihre Hand gegen die Stirn schlug. Jaah! Wie kann man nur so blöd sein! Die 17-Jährige überlegte kurz, woraus ihr Gebet bestehen sollte, hielt sich dann aber kurz mit dem Gedanken, dass ihr Vorhaben ihr gelingen möge und wünschte sich Glück für ihr weiteres Vorgehen. Ino atmete für ein paar Sekunden tief ein und aus, ehe sie ihre Hände auf die holzvertäfelten Türflügel legte und diese aufdrückte. Es war bereits sehr dunkel, sie konnte nicht viel erkennen. Der Spiegel, von dem Shikamaru gesprochen hatte, befand sich auf einem kleinen Podest und reflektierte das hineinfallende Restlicht. Er war rund, circa 30 Zentimeter im Durchmesser, und glatt poliert. Eigentlich hätte er staubig sein müssen, verkratzt, alt aussehend … aber das tat er nicht. Inos Herz klopfte so laut, dass sie es in ihren Ohren hämmern hörte, während sie langsam Schritt für Schritt auf den Shintai zuging. Spiegel … sind sehr mächtig. Sie vertreiben das Böse, und Dämonen, die einen Blick in ihn werfen, sterben. Es hatte ein wenig gedauert, aber nun hatte sie begriffen, worauf Shikamaru hinaus wollte. Warum er nicht einfach schreiben konnte: „Hey, mit dem Spiegel kannst du vielleicht die Verwandelten loswerden!“ wusste die 17-Jährige zwar nicht, aber vielleicht hielt er es einfach für unnötig, solch „offensichtlichen“ Dinge zu erwähnen. Inos Hände schlossen sich schweißnass um das eisige Metall und hoben den Shintai ehrfürchtig an.Als sie ihn in den Händen drehte sah sie, dass die Rückseite mit Ornamenten und Figuren verziert worden war. Die Figuren schienen Fabelwesen aller Art darzustellen, Ino erkannte den Schild als Shinjū-kyō wieder – einem Spiegel, der Gottheiten und Biestern gewidmet war. Wie passend … Noch nie hatte ein Laie, zumindest nahm sie das an, einen Shintai angetatscht, um ihn anschließend durch die Gegend zu tragen. Sie war sich nicht sicher, ob die Seele des Kami, der sich darin befand, damit einverstanden war. Hoffentlich … Plötzlich brandete ein stechender Schmerz, so heftig und unerwartet, durch Inos Kopf. Er zwang sie, mit dem Spiegel in den Händen, stöhnend in die Knie, kraftlos sank sie zu Boden. „Ino? Ich bin's … Ino … Bitte sprich mit mir … Sag doch was!“ Genauso plötzlich wie der Schmerz gekommen war, war er auch wieder weg. Keuchend saß Ino vornüber gebeugt da, die Hände um den Spiegel gekrampft. War das der Kami, der da mit mir gesprochen hat?! Unglaublich! Mit großen Augen starrte die 17-Jährige den Spiegel in ihren Händen an. „Herzlichen Glückwunsch. Ich weiß schon, einen Shintai sollte man sich nicht einfach unter den Arm klemmen und dann ab durch die Mitte, aber etwas weniger Knien und Anbeten wäre angebracht. Ich hab eine Menge auf mich nehmen müssen, um diese Dinger vom Schrein fernzuhalten, damit du, wie Shikamaru es so gerne wollte, den Spiegel an dich nimmst. Hättest du jetzt die Güte aufzustehen?“ Ino war zu Tode erschrocken, als eine männliche und sehr gelangweilte Stimme sie von hinten ansprach. Sie zuckte zusammen, als hätte ihr jemand einen Stromschlag verpasst, schrie spitz auf und drehte sich, noch halb auf dem Boden liegend, zu dem fremden Sprecher um. „Bist … bist du Alice?!“ „Ja, na klar. So einen bescheuerten Namen haben wirklich nicht viele. Na los, steh schon auf, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“ Kapitel 5: 友達 – Tomodachi ------------------------- Ino hatte das Gefühl, als hätte sie das Gesicht des jungen Mannes schon mal gesehen. Bevor sie diesem Gedankengang jeodch weiter nachgehen konnte, hatte Alice sich bereits die schwarze Motorradmaske über den Mund gezogen. Seine dunklen, mandelförmigen Augen waren ihr trotzdem vertraut. Es ist, als hätte ich ihn unzählige Male angesehen – warum kann ich mich nicht erinnern?! Mit derselben Hand zog Alice sich die Kapuze seines weißen Hoodies über den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Na los jetzt, es wird dunkel. Es gibt nichts Ätzenderes als Verwandelte in der Finsternis den Schädel abzuschlagen.“ Er griff hinter seinen Rücken. Um seine Schulter war ein japanisches Schwert gehängt – ein Katana, welches in einer schwarz grün karierten Scheide steckte. Ino machte große Augen, so eine Waffe konnte richtig gefährlich sein, wenn man wusste, wie man mit ihr umzugehen hatte. Langsam und unsicher kam sie, mit dem Spiegel in der Hand, auf die Beine. Schweigend sah Alice ihr dabei zu. „Mein … Mein Name ist Ino“, sagte sie stockend und merkte, dass ihre Stimme krächzte. Sie hatte schon eine Weile nicht mehr gesprochen, nur geschrien oder geweint. Überraschend, wie schnell man aus der Übung kommen konnte; oder war es schon länger her, dass Ino richtige Worte von sich gegeben hatte? Alice seufzte und rollte mit den Augen. „Was du nicht sagst, da wäre ich ja nie drauf gekommen. Hör mal, es ist nicht so, dass Manieren mir egal sind, aber sie nützen uns auch nichts, wenn die Verwandelten jagt auf uns machen – also lass uns schnell von hier verschwinden.“ Ino wusste einfach, dass sie ihn schon mal gesehen hatte, insbesondere das Augenrollen kam ihr so vertraut vor! Sie nickte schwach und folgte ihrem neuen Begleiter, der selbstsicher nach draußen stapfte. Im Freien warf die 17-Jährige einen prüfenden Blick zum Himmel um zu sehen, wie weit die Sonne schon untergegangen war. Nur noch wenige Sonnenstrahlen brachen durch das Geäst der umstehenden Bäume, deren dunkle Silhouetten sich von der orange roten Dämmerung abhoben. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die Nacht hereinbricht! Alice lief eilenden Schrittes wieder zum Tor, um den Schrein zu verlassen. Er warf dabei einen Blick hinter sich zu seinem Anhängsel, das ihm unsicher folgte. „Eine Sache, die ich dich fragen soll, von Shikamaru aus“, begann Alice, ohne langsamer zu werden. „Die Rituale, hast du die gemacht? Bevor du in den Schrein rein bist? Hab's nicht mitbekommen, ich hab da den Schrein gesichert. Ein paar von den Dingern umgemäht, wenn du verstehst.“ Er klang erschreckend ruhig, während er davon sprach, ehemals lebendige Menschen den zweiten Tod beschert zu haben. Ino schauderte bei dem Gedanken und redete sich ein, dass das bestimmt nur so ein Spruch war oder Alice sich nur wichtig machen wollte. „Ja, ich hab alles so gemacht wie immer. Ich weiß nicht, es hätte sich einfach falsch angefühlt, es nicht zu tun. Das … war doch richtig, oder?“, fragte sie unsicher, mit einem unguten Gefühl im Bauch und dem Verdacht, dafür eine Schelte zu kassieren. „Nein, das war nicht richtig, aber wichtig. Zumindest sagt Shikamaru das. Er meinte nur, ich zitiere: „Es klappt nicht, wenn sie's nicht so macht!“ Ich denke, er meint damit die Seele des Kami im Spiegel. Dass er einem nicht hilft, wenn man die Rituale nicht ausführt.“ Alice überquerte leichtfüßig die Brücke, als wäre er es gewohnt sich über Geländer und Ähnliches fortzubewegen. Ino brauchte etwas länger und musste die Arme ausstrecken, um die Balance zu halten. Sie hoffte, nicht im Wasser zu landen. Das fehlte ihr gerade noch, bei der einsetzenden Kühle nass zu werden! Alice war schon aus dem Tor draußen und bedeutete seiner Begleitung etwas Tempo zu machen. Das Katana klapperte auf seinem Rücken, als er sich umdrehte und weiter eilte. Ino schloss joggend zu ihm auf, nachdem sie es trocken über die Brücke geschafft hatte. „Und der Spiegel, der Shintai, das ist jetzt eine Waffe?“ Alice bückte sich wortlos unterm Laufen, hob geschwind einen Ast auf und zielte damit. Als die 17-Jährige erriet, was er vorhatte, war es bereits zu spät. In hohem Bogen flog der Ast durch die Luft und traf eine Verwandelte am Kopf, welche teilnahmslos am Wegesrand stand. Dem Kinderwagen nach zu urteilen, der neben ihr stand, war sie mal eine junge Mutter gewesen. Ihre milchige Augen schossen ausdruckslos in die Richtung, aus der der Ast geflogen kam. „Bist du bescheuert?!“, zischte Ino Alice wütend zu. Ihr Herz beschleunigte ruckartig, als die Verwandelte grunzend auf sie zugelaufen kam. Ihre langen, braunen Haare hingen strähnig von ihrem blassen Kopf, die Wangen waren eingefallen und bereits grünlich gelb verfärbt wie faulendes Obst. In Fetzen hing ein grünes, mit Schlamm verkrustetes Kleid an ihr; die Schuhe hatte die ehemalige Frau verloren und ihre Socken waren voller Löcher. „Du wolltest wissen, ob dein Spiegel eine Waffe ist – finden wir es heraus“, sagte Alice ruhig. Seine Augen ruhten auf dem Unding, die rechte Hand auf dem Griff seines Katana. Alices Körperhaltung war locker und zum Kampf bereit. Er kämpfte nicht zum ersten Mal gegen einen Verwandelten, das sah Ino sofort, denn Alice wirkte keineswegs nervös. Sie hatte Rückendeckung, und es war nur eins von diesen Dingern, das röchelnd auf sie zutorkelte. Ihr neuer Begleiter hatte vielleicht recht: Lieber so testen, ob der Shintai das tat, was Shikamaru vermutete, als es im Schlachtgetümmel tun zu müssen. Als die Verwandelte nahe genug herangekommen war, hob Ino den Spiegel so, damit sich das Ding darin spiegeln konnte. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt blieb die Frau plötzlichen stehen. Ihr Kopf zuckte ekelerregend und ihr Kiefer klapperte, dann ging alles blitzschnell: Sie zerbröselte zu feiner, schwarzer Asche, welche zu Boden fiel und und vom Wind erfasst und davongetragen wurde. Nach kurzer Zeit war das Unding zu Staub zerfallen. Ino senkte mit offenem Mund den Spiegel und wandte sich langsam und staunend zu Alice um. Ich glaub's nicht, es funktioniert! Es stimmt also wirklich, Dämonen sterben, wenn sie sich in einem Spiegel sehen! Oder zumindest, wenn sie sich in diesem hier sehen … Ich hätte nie gedacht, dass das klappt! Alice nickte nachdenklich, musterte den Shintai und löste die Hand von seinem Schwert. „Interessant, Shikamaru hatte tatsächlich recht …“ Er sah Ino eindringlich an. „Verlier diesen Spiegel bloß nicht, der ist sozusagen IMBA.“ Die 17-Jährige sah ihn verständnislos an, mit diesem Begriff konnte sie so gar nichts anfangen. Alice runzelte die Stirn und kratzte an seiner Maske. „Na, IMBA. Du weißt schon, imbalanced! Ach, vergiss es!“ Genervt winkte er ab. „Verlier den Spiegel einfach nicht. Wir müssen unbedingt weiter!“ Als Alice sich in Bewegung setzte, packte Ino ihn schnell am Ärmel, bevor dieser wieder im Stechschritt davon jagen konnte. „Aber wohin denn?! Zu Shikamaru?“, fragte sie hoffnungsvoll. Sie würde gerade einiges dafür geben, ihren alten Klassenkamerad wiederzusehen. Alice löste sich aus Inos Griff und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ob wir Shikamaru an der Klippe treffen, aber da müssen wir auf jeden Fall hin – das weißt du doch.“ Bevor Ino ein weiteres Wort sagen konnte, war er auch schon weiter gelaufen. Der Kies knirschte leise unter seinen Turnschuhen und das Katana klapperte wieder. Es sollte Sommer sein und trotzdem war Ino einfach nur kalt. Fröstelnd rieb sie sich mit ihrer freien Hand über den Arm und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Ihr wurde jedoch gerade etwas wärmer – vor Wut. Offensichtlich waren sowohl Shikamaru als auch Alice davon überzeugt, dass Ino wusste, was zu tun war und was gerade von statten ging. Schließlich ließen sie es sich nicht nehmen, in Rätseln mit ihr zu sprechen. Obwohl sie lieber vorsichtig damit sein sollte, die Stimme zu erheben, donnerte sie trotzdem los: „Was soll ich wissen?! Was weiß ich?! Ich weiß überhaupt nichts!“ Alice zuckte unterm Gehen zusammen und zog den Kopf ein. Blitzschnell drehte er sich zu ihr um und fuchtelte mit den Händen. „Bist du wahnsinnig?!“, zischte er. „Du hetzt uns ja Himmel und Hölle auf den Hals!“ Ino hätte am liebsten noch viel lauter geschrien, aber sie senkte dennoch ihre Stimme. Die Angst vor den Dingern war doch ein wenig größer als ihr Zorn. Ob Shintai oder nicht, eine ganze Horde Verwandelte konnte ein Problem für die beiden werden. „Sag mir, was los ist! Sag mir, was passiert ist, und warum wir zu dieser Klippe sollen! Wo ist Shikamaru?! Wo sind meine Eltern?!“ Als Ino diese Worte aussprach, sie endlich an jemanden richten konnte, spürte sie, wie Angst, Verwirrung und die Sorge um ihre Liebsten wieder in ihr hochkochte. Ino sprach laut aus, was sie sich vorher nur zu denken traute. So merkwürdig das auch war: Es zu sagen machte es realer als es nur zu denken. Aber eigentlich sollte es nicht wahr sein – das durfte es einfach nicht! Bevor Ino etwas dagegen tun konnte, strömten heiße Tränen ihre Wangen hinunter und sie schluchzte laut. Schnell wischte sie sich ihre Tränen aus dem Gesicht und wandte Alice den Rücken zu. So soll mich doch niemand sehen! Und für so was haben wir auch gar keine Zeit! „Tja …“, setzte er unsicher an, „Ich hab keinen blassen Schimmer, was los ist, um ehrlich zu sein. Ich weiß nur, dass mein Katana und ich uns problemlos durch den Park schnetzeln können, wenn wir's müssen. Shikamaru hat gesagt, wir müssen zur Klippe. Er hat gesagt, du weißt wieso. Und dann ist der Kerl abgehauen, ich kann dir auch nicht sagen wohin. Wird schon wichtig sein, so wie er gerannt ist. Das mit deinen Eltern tut mir leid.“ Verlegen legte er seine Hand in den Nacken und senkte den Kopf. „Aber wir müssen zur Klippe … Jetzt.“ Ino blieb von ihm abgewandt und umklammerte den Spiegel. Ihre Knöchel traten weiß hervor, so fest hielt sie ihn. Weinend sagte sie leise: „Was soll das bringen?! Was sollen wir bei dieser Klippe?! Ich will zu meinen Eltern, ich will, dass ich mit ihnen andere finde, und wir einen Weg aus all dem hier rausfinden!“ „Tut mir leid, aber das ist ein echt mieser Plan. Wir wissen nicht mal, wo wir deine Eltern suchen sollen, und andere Überlebende sind eher eine Last, als dass sie einem nützen …“ „Wie kannst du so was nur sagen?!“, krächzte Ino und bekam Schluckauf, über den sie sich furchtbar ärgerte. Alice brummte. „Hör mal, mir ist schon klar, dass das alles nicht einfach ist für dich, aber wir müssen wirklich gehen! Es wird mit jeder Minute dunkler.“ Ino wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht und drehte sich zu Alice um. Sie sah bestimmt total verheult aus, was ihr gar nicht passte. Wütend ballte sie ihre Hand zur Faust. „Die Klippe, die ist doch außerhalb der Stadt, oder? Klingt jedenfalls so. Das schaffen wir eh nicht mehr. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.“ Alice verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte entschieden den Kopf. „Auch ne ganz miese Idee. Wenn's darum ginge, dass du uns beide umbringst, dann wärst du mein Kandidat Nummer 1, aber wir müssen es heil zu diesem einen Ort schaffen, okay? So schnell wie möglich.“ Ino rieb sich die Nasenwurzel und schloss angestrengt die Augen. Sie hörte, wie der Wind flüsternd durch die Bäume strich und die Blätter raschelten. Nur noch wenige Vögel zwitscherten verhalten, es war still, so unglaublich still. Kein Rauschen vom Verkehr, kein Geschrei, keine Gespräche, kein Ballkicken, nichts. Als Stadtkind war Ino so eine Ruhe selten gewohnt, schon gar nicht von ihrem Zuhause. „Hast du nicht selbst gesagt, dass du im Dunkeln schlecht gegen Verwandelte kämpfen kannst?!“, argumentierte die 17-Jährige trotzig. Sie wollte nicht im Dunkeln durch die Stadt schleichen müssen, sie war müde. Ino wollte viel lieber ein sicheres Versteck finden, sich irgendwo einrollen und für einige Stunden die Welt ausblenden – schlafen und vergessen. Alice deutete mit hochgezogenen Augenbrauen auf den Shintai. „Wir haben unseren Spiegel ex Machina, das schaffen wir, und ich hab eine Taschenlampe. Shikamaru hatte doch mit allem bis jetzt recht, oder nicht? Wir sollten unbedingt auf ihn hören, anstatt auf Eigenregie unseren Suizid auszurichten.“ Zögerlich stand die 17-Jährige da und warf erneut einen Blick in den Himmel. Ja, Shikamaru hatte recht bis jetzt, aber war es wirklich klug, das zu tun, was Alice für das Richtige hielt? „Ich … muss dir vertrauen, oder?“ Alice blinzelte, irgendwie sah er schelmisch dabei aus. „Wieso mir? Du vertraust Shikamaru, das reicht doch alle mal. Los jetzt, komm schon!“ Nun wartete er nicht mehr auf sie. Er schien sich sicher, dass sie ihm folgen würde, und lief im Eiltempo weiter. Ino folgte ihm tatsächlich. Alice hatte ein Katana, eine Taschenlampe und er wusste, wo die Klippe sich genau befand, was sie nicht von sich behaupten konnte. Ino wünschte nur, ihr Begleiter konnte ihr sagen, warum sie so unbedingt dort hin mussten. Shikamaru hielt es ja offenkundig wieder nicht für notwendig ihr das zu verraten. Als Ino loslief spürte sie, wie ihre Beine zitterten und sich anfühlten wie Götterspeise. Seit einigen Stunden glaubte sie, ihr Limit überschritten zu haben. Ino nahm an, dass sie einfach umkippen würde oder in sich zusammenbrechen, aber es ging einfach weiter. Immer, wenn es aussah als könnte es nicht noch schlimmer werden wurde es schlimmer. Und immer, wenn Ino glaubte, nicht mehr ertragen zu können, ertrug sie es dennoch. Ihr blieb gar keine andere Wahl, und Aufgeben – das war noch nie eine Option für sie gewesen, auch nicht jetzt. Schon gar nicht jetzt! Schweigend liefen Alice und Ino nebeneinander her und verließen auf dem schnellsten Weg den Park. Die 17-Jährige betrachtete währenddessen eingehend den Spiegel in ihren Händen. Sie strich mit den Fingern über die feinen Muster und Figuren und bewunderte die Jahrtausend alte Arbeit. Doch noch viel interessanter war der Gedanke, dass sich offenbar tatsächlich die Seele eines Kami darin verbarg, der – wenn Ino das richtig verstanden hatte – bereits zu ihr gesprochen hatte. Allerdings konnte sie sich auf das Gesagte keinen Reim machen. „Bitte sprich mit mir!“ „Hey, nicht träumen! Manche Verwandelte können hinterrücks angreifen, immer wachsam bleiben!“, mahnte Alice und schnippte vor Inos Gesicht mit den Fingern. Sie ignorierte seine warnenden Worte und dachte laut nach: „Der Kami hat gesagt: „Bitte sprich mit mir.“ Ich verstehe nicht, was das heißen soll …“ Die beiden erreichten das Ende des Parks, am Ausgang konnte Ino einen Verwandelten ausmachen, der ziellos herumtrottete und den Kopf hängen ließ. Augenscheinlich war es mal ein männlicher Teenager und vielleicht sogar ein Punker gewesen. Die Kleidung sah aus, als wären die Schnitte und Risse mit Absicht gemacht worden. Der Irokesenschnitt hatte allerdings ordentlich gelitten, statt stachlig klebten die Haare platt am Kopf. Alice zog mit geübter Bewegung das Katana aus der Scheide und warf Ino einen hochmütigen Blick zu. „Ich wärm mich mal eben auf.“ Mit dem Schwert in der Hand lief Alice leichtfüßig zu dem Verwandelten hin, der sich träge in die Richtung drehte, aus der die leisen Schritte kamen. Ehe das Unding überhaupt reagieren konnte, schwang Alice das Katana, und mit einer fließenden Bewegung trennte er den Kopf von den Schultern. Dumpf schlug der Schädel auf dem Boden auf. Der Verwandelte torkelte noch ein paar Sekunden linkisch herum, dann stürzte er und blieb reglos liegen. Alice schenkte all dem keine Aufmerksamkeit und lief bereits zu Ino zurück, die mit offenen Mund da stand und nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. So etwas hatte sie noch nie gesehen, außer vielleicht in Filmen oder Spielen, aber auch da nicht oft. Mit einem Taschentuch, das Alice aus der Hosentasche zog, wischte er über die Klinge und schob das Katana zurück in die Scheide. „Nicht schlecht, was?“ „Hn … H-hast … du das schon oft …?“, stotterte Ino und wich unwillkürlich vor ihrer Begleitung zurück, die offenbar keinerlei Probleme damit hatte, anderen Lebensformen Gliedmaßen vom Körper zu schlagen. Alice streckte sich gönnerhaft. „Klar, als der ganze Zirkus losging hab ich mir das Katana geschnappt, das bei uns zu Hause an der Wand rumhing. Ist eigentlich so ein Familiending, uralt und schon ewig nicht mehr benutzt worden. Muss aber sagen, dass es wirklich gut durchs Fleisch –“ „Ja, ja, schon verstanden! Das reicht! Lass uns einfach meinen Spiegel benutzen, okay?“ Er rollte gelangweilt mit den Augen. „Ts, sei nicht so ein Mädchen. Du spiegelst, ich schneide – passt doch.“ Mit diesen Worten bog er mit wiegenden Schritten in die nächste Straße ein, Ino folgte ihm widerwillig fluchend. Ihr Begleiter schien auch noch Spaß daran zu haben, die Untoten auf diese Weise aus dem Weg zu räumen. Mag sein, dass sie keinen Verstand mehr haben und uns angreifen, aber muss das sein? Das waren mal Menschen! Die beiden gingen weiter durch die Stadt, weiter durch Zerstörung und Verwüstung, weg von der Innenstadt Richtung Außenbezirk. Auch hier herrschte das Chaos, das Ino überall schon zu Gesicht bekommen hatte. Als sie auf der Straße schon nach kurzer Zeit einem weiteren Verwandelten begegneten, konnte Ino gar nicht so schnell reagieren, da war Alice mit seinem Katana schon zum Angriff übergegangen. Ihm nachrufen konnte sie auch nicht, ohne ganze Scharen von Untoten anzulocken. Als Alice sein Schwert schwang, schloss Ino einfach die Augen. Hören konnte sie leider trotzdem, wie die Klinge durchs verrottete Fleisch glitt und ein Kopf mit einem dumpfen Aufschlag auf den Beton fiel. „Hey, ich sagte doch immer wachsam bleiben! Nicht die Augen zumachen!“, mahnte Alice, als er zu Ino zurückkam. Sie verzog das Gesicht. „Ich will das nicht mit ansehen müssen! Außerdem ich hab ein paar Fragen.“ Er steckte das Katana weg und lief weiter, Ino ging neben ihm her. Um sie herum qualmten Autowracks, bröckelten Häuserfassaden und lagen Straßenlaternen auf der Straße. Zerborstenes Glas knirschte unter ihren Schuhen, Ino versuchte die größten Scherben zu meiden. Ihr fehlte es an Lust in einem zerstörten Laden nach bequemen Schuhen zu suchen, nur, weil sich eine Scherbe in ihre Sohle gebohrt hatte. Bevor Ino eine ihrer Fragen stellte, kam Alice ihr zuvor. „Den Kopf, am besten den Kopf abtrennen. Oder ins Herz stechen, aber das trifft man ja nicht immer, deswegen lieber der Kopf.“ „Ich hab einen Spiegel, ich muss niemanden den Kopf abschneiden!“, fauchte die 17-Jährige und hob den Shintai demonstrativ. Er winkte ab. „Schon klar, aber falls du ihn nicht hast …“ „Lass gut sein! Ich will wissen, wann das alles hier passiert ist. Und wie? Die Verwandelten sind so dermaßen langsam, wie konnten sie gewinnen?!“, platzte es aus Ino heraus, während die beiden um ein Auto herumliefen, das mit voller Wucht gegen einen Häuserblock gefahren war. „Was meinst du damit: „Wann ist das passiert.“?“ Alice klang ehrlich verdutzt, blieb dann aber plötzlich stehen. Er hob eine Hand, um Ino zum Stehen und Schweigen zu bringen und lauschte angestrengt. Die 17-Jährige stand wie eingefroren da und wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu rühren. Angespannt hielt sie den Atem an und horchte so angestrengt wie noch nie zuvor. Sie konnte aber nichts hören, außer das Knistern der Feuer oder wie der Wind Blätter und Unrat über die Straße trug. „Lauf, Ino!“, sagte Alice plötzlich, packte sie an den Schultern und schubste sie grob vorwärts. Vor Schreck darüber wäre sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert und fing sich gerade noch auf. Verständnislos sah sie über ihre Schulter zu ihrem Begleiter. Dessen Blick war in die Ferne gerichtet, mit schmalen Augen und angespannten Schultern, seine Hand am Griff des Katana. „Ich sagte lauf!“ Kapitel 6: 勇敢 – Yūkan --------------------- Alice verpasste Ino noch einen weiteren, sehr festen Stoß, ehe die 17-Jährige sich endlich in Bewegung setzte. Den Spiegel fest umklammernd rannte Ino los, einfach geradeaus, denn sie wusste gar nicht wohin überhaupt. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was hat Alice gesehen?! Er hat ja sonst keine Angst! Wenn er will, dass ich weglaufe, dann … Ino stürmte um zerstörte Autos, umgeworfene Müllcontainer und Brocken aus Beton. Sie musste höllisch aufpassen, nicht versehentlich irgendwo hängen zu bleiben oder zu stolpern – das könnt ihr zum Verhängnis werden. „Sieh nicht zurück! Lauf!“, rief Alice ihr nach. Ino konnte hören, dass er hinter ihr herlief, und irgendwas sagte ihr, dass er viel schneller sein könnte, wenn sie nicht so eine lahme Krücke wäre. Sie spannte ihre Muskeln an und rannte mit so viel Kraft wie es ihr möglich war. Aber jahrelang nur im Sportunterricht unmotiviert herumzuhampeln forderte nun ihren Tribut. Ino war einfach nicht in Form. Schon nach dem zweiten verwüsteten Straßenzug, bei dem sie durch ein zerstörtes Haus kletterte, ging ihr die Puste aus. Alice gab ihr einen „sanften“ Stoß und fauchte, dass sie nicht langsamer werden durfte. „Mach schon, mach schon!“ „Von … was … laufen … wir …“, versuchte Ino zu sagen, aber es fehlte ihr an Luft und Energie, während ihre Beine übersäuerten und bleischwer wurden. „Ich will es nicht beschreiben, und du darfst es nicht sehen“, erklärte Alice kurz angebunden und rannte neben Ino her. Er könnte viel schneller sein, aber sie nicht. Das Gefühl in auszubremsen frustrierte Ino und spornte sie weiter an. „Hat … Shika...“ „Hör auf zu labern und renn, du lahme Ente!“ Das war gemein. Alice zog an seinem hechelnden Schützling vorbei, derweil fragte sie sich, wie er mit der Motorradmaske im Gesicht überhaupt genug Luft bekam, um solch ein Tempo vorzulegen. Der Ärger über seine Beleidigung half ihr sich noch mehr ins Zeug zu legen. Sie schaffte es sogar, über eine verbeulte Motorhaube zu springen, wie es Alice vorgemacht hatte. Die Häuser um Ino herum, das Chaos, die Verwüstung, das alles verschwamm vor ihren Augen. Sie sah nur noch, was direkt vor ihr lag: Ino musste Steinen ausweichen, über die Straßenlaterne springen, um einen Container laufen und Alice nicht aus den Augen verlieren. „Hier rein!“ Ihr Begleiter bremste scharf und verschwand in einem mehrstöckigen Häuserblock, der vermutlich bereits vor der Zerstörung nicht schön ausgesehen hatte. Die Fassade war durchzogen von tiefen Furchen, überall fehlten Fenster und nacktes Gemäuer trat hervor. Stolpernd kam Ino zum Stehen und hätte sich dabei beinahe aufs Gesicht gepackt. Sie folgte Alice heftig keuchend ins Haus, innen angekommen lehnte sie sich gegen eine brüchige Wand. Kurz darauf warf Alice die Tür ins Schloss, wandte sich Ino zu und scheuchte sie knurrend die Treppen hinauf. „Hoch, hoch! Nicht bummeln, wir sind hier nicht beim Shoppen!“ „Ich … bummel … nicht!“, sagte die 17-Jährige atemlos. Aus dem bösen Fauchen war ein jämmerliches Keuchen geworden. Anbiestern konnte sie ihren Begleiter erst wieder, wenn sie zu Atem gekommen war und das konnte eine Weile dauern. Mit Beinen, so schwer wie Blei, schleppte Ino sich Stufe für Stufe nach oben, während Alice unzufrieden über ihre Leistung grunzte. Hätte sie auch nur einen Funken Energie über, würde sie sich am liebsten umdrehen und ihm eine runterhauen, aber das schaffte sie einfach nicht. Im oberen Stockwerk lief Alice den verwahrlosten Gang auf und ab. Er warf Blicke in die teils leeren Zimmer und entschied sich für eines, das ein Stück von der Treppe weg lag. In diesem Raum war eine alte, kaputte Matratze, auf die er sich niederließ. Daneben lagen die Überreste eines Schrankes und die Tapete schälte sich von den Wänden. Träge trottete Ino hinterher und dachte darüber nach, ob sie sich ebenfalls setzen sollte, oder ob die Matratze zu widerlich dafür war. Alice musterte Ino argwöhnisch mit schmalen, dunklen Augen und murmelte durch seine Maske: „Ich nehme an, Madame muss Luft holen, bevor wir weitergehen können, oder?“ Ino hob schnaufend das Kinn, um Stolz zu zeigen und verzog angewidert das Gesicht, als ihr der Geruch von Moder und Schimmel in die Nase stieg. „Bäh!“ Angeekelt drückte sie sich ihre Hand ins Gesicht und stolperte ein paar Schritte aus dem Raum heraus. Alice seufzte genervt. „Stell dich nicht so an.“ „Fein! Wie du meinst! Ich hab da draußen weder was gesehen noch gehört. Vor was sind wir weggelaufen?!“, wollte sie neugierig wissen und lief auf das Fenster zu, um es zu öffnen. Ihr Begleiter sah ihr misstrauisch dabei zu und antwortete: „Das ist sehr gut. Shikamaru meinte, dass du es nicht sehen sollst.“ „Ja, aber was denn?!“, bohrte sie ungeduldig nach und zerrte am Griff des Fensters, dessen Rahmen wohl verzogen war. Sie bekam es einfach nicht auf, dabei würde sie einiges für ein bisschen Frischluft hier drinnen geben. Alice stand gemächlich auf, trat ebenfalls ans Fenster, packte den Griff und mit einem Ruck war es auch schon offen. „Das muss man mit Kraft machen, nicht mit Motzen.“ „Halt's Maul!“ „Kannst du nicht wenigstens kreativ beleidigen?“, fragte er gelangweilt und setzte sich wieder auf die Matratze. Ino starrte derweil verärgert nach draußen in die zerstörte Stadt und atmete tief die mehr oder weniger frische Luft ein. Es roch nach Rauch, nach verbranntem Gummi, nach Blut und Beton. Auf den Straßen trotteten Verwandelte herum, einer stolperte über eine Straßenlaterne und blieb liegen. Ino fühlte ein wenig mit dem Untoten. Man möchte meinen, die 17-Jährige hätte sich langsam an den Anblick der Verwandelten gewöhnt, aber das war keineswegs der Fall. Noch immer lief es ihr kalt den Rücken runter, wenn sie die Dinger sah. Sie wandte den Blick von den Verwandelten ab und blickte dem Sonnenuntergang entgegen. Der Sonnenuntergang … „Müsste … Müsste die Sonne nicht schon untergegangen sein?“, dachte sie laut nach und runzelte die Stirn. „Es ist Sommer, das dauert eben. Beeil dich mit dem Ausruhen, wir müsse so schnell es geht weiter.“ Ino drehte sich zu Alice um, der sein Katana gezogen hatte und Übungen damit machte. Misstrauisch zog sie sich etwas zurück. „Pass auf, wo du damit hinschlägst!“ Er sah sie schelmisch von der Seite an. „Jeder Schlag ein Treffer, versprochen.“ „Sag mir, was uns verfolgt“, bat Ino etwas sanfter, mit harten Worten stieß sie bei ihrem Begleiter auf Granit. Alice vollführte mit seinem Schwert eine Aufwärtsbewegung, dann steckte er es wieder weg. „Der Tod. Hör zu, mach dir keine Gedanken darüber. Ich hab Shikamaru versprochen, dich sicher zur Klippe zu bringen und das mach ich auch“, antwortete Alice ernst, die Arme vor der Brust verschränkt. In Ino glomm ein Feuer auf, das sich immer dann bemerkbar machte, wenn ein Mann der Meinung war, eine Frau wüsste sich selbst nicht zu helfen. „Ich käme auch prima ohne dich zurecht!“, fauchte sie und ballte ihre freie Hand zur Faust. Alice sah sie ausdruckslos an, dennoch hatte sie das untrügliche Gefühl, dass er unter seiner Maske blöde grinste. „Das mein ich ernst!“, setzte sie mit blitzenden Augen nach. „Zugegeben, du bist erstaunlich weit gekommen, ohne Waffe und Shintai“, gestand er ihr gönnerhaft zu. Ino straffte die Schultern und reckte das Kinn. „Weißt du, wie ein mexikanisches Sprichwort lautet?!“ Alice zog die Augenbrauen zusammen und sah sie verdutzt an. „Dass Chili mehrere Stunden ziehen muss?“ „Was? Nein! Ein mexikanisches Sprichwort besagt, das Haus ruht nicht auf der Erde, sondern auf den Schultern einer Frau.“ Schweigend standen die beiden sich gegenüber, die Sekunden strichen dahin, irgendwo summte ein Verwandelter. Schließlich lockerte Alice seine Schultern. „Äh ja. Dazu fällt mir wiederum ein Sprichwort aus Disney ein.“ Jetzt war es an Ino verdutzt dreinzuschauen. „Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten. Schön, damit wäre das geklärt. Bist du so weit, können wir weitergehen?“ Ino knirschte mit den Zähnen, während sie das Zimmer stapfend verließ. „Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht wie einen hilflosen Idioten behandeln würdest!“ „Einverstanden. Ich behandle dich nur wie einen Idioten.“ „Alice!“ Er keckerte nur und nahm mehrere Stufen auf einmal, während er regelrecht nach unten flog, Ino folgte ihm so schnell sie konnte, wollte aber zugleich keinen Sturz riskieren. Keiner von beiden hatte großes Interesse an einem verstauchten Knöchel und der entsprechenden Verzögerung. Die beiden kamen gerade im Foyer an, als ein dicker, sehr unansehnlicher Verwandelter durch die Eingangstür hereingetorkelt kam. Mit einem spitzen Schrei haute Ino die Bremse rein, war aber zu langsam und fiel gegen Alices Rücken, der sie während seines Sturzes als „dummes Huhn!“ beschimpfte. Mit einem dumpfen Aufschlag landete Inos Begleiter ächzend halb auf der Treppe, halb auf dem Boden. Inos Blick schoss zu dem Verwandelten, dessen hässlicher Kopf sich zu ihnen drehte und sie mit seinen weißen, leeren Augen anstarrte. Ihr Puls schwoll an, das Blut rauschte in ihren Ohren. Tu was! Steh nicht nur so herum! Tu was! Alice blieb in seiner schmerzhaften Position liegen, der Kopf seitlich gedreht. Er konnte sich jetzt nicht bewegen, das könnte sein sofortiges Ende sein. Sein schwarzes Auge bohrte sich in Ino. Es schrie förmlich, dass sie zum Angriff übergehen möge. Beweg dich, mach endlich! Wenn du nichts tust, dann wird Alice …! Ino holte tief Luft, als würde sie gleich abtauchen. Dann sprang sie über Alice hinweg, hob den Spiegel und hielt ihn dem Verwandelten entgegen. Wenige Sekunden später zerfiel er zu Asche. Es war so simpel, aber es kostete sie so viel Kraft. Stöhnend konnte Alice sich endlich aufrappeln und rieb sich die Rippen. Ino kam besorgt zu ihm hinüber. „Hast du dich verletzt?!“ „Glaube nicht und selbst wenn, könnten wir daran nichts ändern“, sagte er kaltschnäuzig und verließ vor Schmerzen gebeugt das Haus. Ino folgte ihm hastig und versuchte, die Asche des Untoten nicht zu berühren. „Es tut mir ehrlich leid! So schnell konnte ich nicht reagieren!“ „Okay, okay, schon gut. Du hast es ja geschafft, ich nehme das mit dem Huhn zurück. Ich mag Hühner.“ Ino wäre normalerweise wohl zornig darüber, was Alice ihr damit unterschwellig sagen wollte, musste jetzt aber einfach lachen. Die Erleichterung überwog den Schrecken und die Angst, sie fühlte sich in diesem kurzen Moment unbesiegbar. Inos Begleiter warf ihr einen misstrauischen Blick zu und mahnte sie leiser zu sein, aber sie klopfte ihm grinsend fest auf die Schulter. „Dann gehen wir mal im Eiltempo, Man of Steel!“ Alice musterte sie kurz, dann nickte er und klopfte auf sein Katana. Er streckte den Rücken durch, zog einen Kompass aus der Hosentasche und wandte sich Richtung Osten. „Es ist noch ein gutes Stück.“ Ino warf wieder einen besorgten Blick gen Himmel. „Ob das immer noch so eine gute Idee ist?“ Ihr Begleiter ging bereits los. „Finden wir es heraus.“   Nur Mut, Ino. Nur Mut …, redete die 17-Jährige sich seit einigen Sekunden in Gedanken gut zu. Alice flitzte mit seinem Katana von einem Verwandelten zum nächsten, seine Klinge blitzte, Köpfe rollten. Die beiden hatten die Stadt verlassen. Um schnell voranzukommen hatte Alice darauf verzichtet jeden Verwandelten umzumähen, der ihnen über den Weg lief. Ino war darüber ausgesprochen froh gewesen. Aber jetzt, wo sie den Vorort erreicht hatten, befanden sie sich sozusagen in einer Invasion. Es waren so viele Untote, dass man nicht mehr um sie herumschleichen konnte. Kaum, dass sie angekommen waren, zog Alice sein Schwert und meinte zu Ino, dass sie in den Kampf ziehen müssten. Entsetzt hatte sie ihn angesehen und geflüstert, ob er wahnsinnig sei. Alice wog sein Katana in der Hand und sprach davon, dass er eben mutig sei, Ino nannte ihn dumm. Sie hatte Angst und zeigte das auch. Er musterte die 17-Jährige mit schief gelegtem Kopf. „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass etwas anderes wichtiger ist als Angst. Die Tapferen leben vielleicht nicht ewig, aber die Vorsichtigen leben überhaupt nicht!“ Dann war er losgestürmt, Ino hatte ihm verwirrt nachgesehen. Als der erste Verwandelte auf sie zu kam floh sie erschrocken und verschanzte sich in einer Hecke. Die Äste rissen an ihrer Jacke und Hose und stachen ihr ins Gesicht, aber das war allemal besser, als Verwandelten die Stirn bieten zu müssen. Als sie diesen Untoten im Haus schließlich angegriffen hatte, da hatte Ino nicht weiter nachgedacht. Da hatte sie handeln müssen, um Alice zu retten … Jetzt müsste sie sich bewusst dem Kampf stellen, und es waren so unglaublich viele! Alice schwang schweigend das Schwert. Die Kunst bestand darin die Klappe zu halten, das hatte er Ino immer wieder gesagt, bevor er leichtfüßig in eine Schlacht zog. Verwandelte reagierten auf Stimmen am meisten. Derzeit irrten sie teils orientierungslos umher. Sie wussten, dass da jemand war, aber sie waren zu langsam, und wer Alice zu nahe kam verlor den Kopf. Alice wusste, wo Ino sich verkrochen hatte und warf ihr hin und wieder verachtende Blicke entgegen. „Feigling“ konnte sie in seinen Augen lesen. Elender Feigling. Da hatte Ino schon die einfachste Waffe überhaupt und kam trotzdem nicht aus dem Quark. Nur Mut, Ino! Nur Mut! Jetzt mach schon! Du musst nur einen Spiegel halten! … Aber was, wenn es nicht funktioniert? Eine Minute verging. Die Straße wurden gepflastert mit Köpfen, immer mehr Untote strömten stöhnend und gurgelnd nach. Alice schnetzelte unermüdlich weiter, tänzelte nach einiger Zeit zu Inos Hecke hinüber und beugte sich zu ihr hinunter. „Komm endlich da raus, du jämmerlicher Hasenfuß! Du musst was wagen, wenn du gewinnen willst!“, zischte er ihr so leise er konnte zu. Ino klammerte sich an ihren Spiegel. „Was ist … wenn der Spiegel nicht funktioniert? Ich kann den Kami nicht hören!“ „Wir müssen unbedingt weiter, du musst da rauskommen! Wir müssen zur Klippe, es werden immer mehr Verwandelte!“ Er richtete sich wieder auf und schlug einem ehemaligen Polizisten nieder. Der Untote wollte gerade zu schreien anfangen, da er Alices Worte gehört hatte. Stumm sackte er in sich zusammen, nachdem Alice ihm den Schädel gespalten hatte. Ino biss sich auf die Zunge, unterband den Drang bis drei zu zählen und stürzte aus ihrer Hecke hervor. „Die Vorsichtigen leben überhaupt nicht!“ Gleich darauf rempelte sie gegen eine Teenagerin, der das halbe Gesicht fehlte. Ino riss den Shintai hoch und wich entsetzt zurück. An den Anblick dieser Dinger würde sie sich nie gewöhnen können! Noch während die Verwandelte zu schreien begann zerging sie zu Asche. Ino spürte eine Welle der Erleichterung über sich schwemmen, der Shintai funktionierte also weiterhin! Sie versuchte Alice zu folgen, der wie ein Dartpfeil hin- und herschoss. Um Ino herum verwandelten sich die Untoten zu Staub. Mit jedem Schritt wurde sie etwas selbstsicherer, während Alice mit blitzender Klinge herumwirbelte. Ein Totentanz der besonderen Art. Nach einiger Zeit wurden die Verwandelten weniger und Alice bedeutete Ino, dass sie jetzt losrennen sollten, um zwischen den Untoten und sich Distanz zu schaffen. Die 17-Jährige versuchte ihre Erschöpfung so gut es ging zu verdrängen und rannte so schnell und so lange sie konnte die Straße entlang. Nach zwei weiteren Straßen musste sie stehen bleiben, um zu Atem zu kommen. Ino lehnte sich gegen die Überreste eines Zauns und beugte sich keuchend nach vorn, Alice kam neben ihr zum Stehen. „Geht doch, Hasenfuß. Den Mutigen gehört heute die Welt, du musst aus deiner Komfortzone raus.“ Ino stand einige Minuten da und schnaufte, Alice reinigte derweil sein Katana mit einem Zeitungspapier, das er auf der Straße gefunden hatte. Anschließend führte er wieder Übungen aus, Ino sah ihm keuchend zu. „Wirst du nie müde?!“, fragte sie erstaunt, als Alice mit dem Katana um sich wirbelte wie ein Tornado. Er kam zum Stehen, ohne zu taumeln. „Ich bin eben gut in Form.“ Gerade wollte er die nächste Übung ausführen, als er in seiner Bewegung erstarrte und in den Himmel blickte; seine Augen weit aufgerissen. Ino folgte seinem Blick sofort, als erstes fiel ihr die Sonne auf. Sie war sich absolut sicher, dass der Stern sich nicht von der Stelle rührte. „Alice …“ Er zischte leise, dass sie still sein sollte. Nervös drehte sie den Spiegel zwischen den Händen. „Alice, die Sonne.“ „Nicht jetzt!“ Er lief los, sprang auf eine Motorhaube und stieg auf das Dach des Toyota. Ino folgte ihm und sah mit gerunzelter Stirn in die Ferne. Ja, ein paar Verwandelte trotteten über die Straßen, denen waren sie spielend ausgewichen. Was also gab es zu sehen? Und dann sah Ino es. Der Himmel im Westen färbte sich tiefschwarz, und die Schwärze breitete sich aus und brannte sich in die Wolken. Finsternis strömte über das Himmelszelt, als verbreite sich Tinte im Wasser. Ino sah entsetzt zu Alice, der bereits vom Auto heruntersprang und losstürmte. „Renn, renn, renn, nicht schauen!“, schrie er und seine Füße flogen förmlich über den Asphalt. Ino stürzte ihm nach einigen Sekunden der Verwirrung hinterher und sah über ihre Schulter. Die Dunkelheit kam näher, strömte wie eine Flutwelle auf sie zu. „Was ist das!“ „Ich hab dir doch gesagt, dass du es nicht ansehen sollst!“ Kapitel 7: 痛み – Itami --------------------- Ino hatte sich vorhin kaum erholen können, da musste sie schon wieder rennen, was ihre schwachen Beine hergaben. Die Sicht verschwamm vor ihren Augen, Alice befand sich vor ihr und ließ sich immer wieder nach hinten fallen. Sie konnte hören, dass er sie versuchte anzuspornen, immer weiter und noch schneller zu laufen, und ja nicht nach hinten zu sehen. Die 17-Jährige hatte das Gefühl, jeden Augenblick einfach ohnmächtig umzufallen, aber ihr Begleiter packte sie am Arm und zerrte sie grob hinter sich her. „Komm schon, Ino! Wir haben so viel Scheiße durch, jetzt lass dich nicht gehen, verdammt!“ Er hatte recht, sie konnte jetzt nicht einfach aufgeben, so verlockend es sich auch anfühlte. Einfach Licht aus, Ruhe, kein Stress mehr. Vielleicht wäre sie dann wieder bei den Menschen, die sie liebte und so sehr vermisste. Vielleicht … „Weiter, weiter, weiter! Komm schon! Hast du nicht damit angegeben, wie stark du bist?!“, brüllte Alice Ino so laut ins Ohr, dass sie das Gefühl hatte, ihr Trommelfell würde platzen. Ino bekam kaum noch Luft, ihre Lungen brannten wie Feuer. Jetzt oder nie! Für einen kurzen Moment rannte Ino wie der Wind, dann wurde ihr tatsächlich schwarz vor Augen.   Dunkelheit war das erste, was Ino wahrnahm, als sie langsam zu Bewusstsein kam. Sie konnte gedämpft Geräusche hören, es hörte sich an als … würde jemand mit einer Klinge … Sie öffnete die Augen, die Umgebung sah verschwommen aus und Ino war wahnsinnig schwindelig. Stöhnend griff die 17-Jährige sich an die Schläfe. Sie lag seitlich auf einer Straße, vor sich konnte sie Füße sehen, die schnell hin- und herliefen und … Oh nein, ein Kopf landete nicht weit von ihr und zwei leere, weiße Augen starrten sie tot an. Ino wollte sich so schnell es ging aufrichten, aber Übelkeit zwangen sie wieder in die Knie. Schmerzerfüllt legte sie ihre Hände um ihren Kopf und saß vornübergebeugt da. „Auch schon wach, Prinzessin? Lass dir nur Zeit, es kommen uns nur ein paar Verwandelte besuchen. Sie bringen Blumen und Pralinen und wollen wissen wie's dir so geht!“, schnarrte Alice sarkastisch. Kurz darauf hörte Ino, wie er seine Klinge in den Leib eines Untoten rammte und sie wieder herauszog. Das Geräusch war ekelerregend. Die 17-Jährige konnte ihrem Begleiter nicht antworten, so gerne sie das auch getan hätte, aber ihr Zustand ließ es nicht zu. Sie musste sitzen bleiben, die Augen geschlossen halten und es ertragen, dass Alice ein Blutbad um sie beide anrichtete. Als der Schmerz allmählich abebbte stand Ino mit wackeligen Beinen auf und sah sich mit schmalen Augen um. Sie befanden sich in irgendeiner Straße des Vororts und im üblichen Chaos: Verwüstete Vorgärten, zerstörte Häuser, brennende Autos, dumme Untote. Das einzig Neue, Nennenswerte, war eine Art Finsternis, die im Westen des Himmels saß und zu pulsieren schien. Als hätte jemand mit Tinte den Teil dieses Firmaments angemalt. Sie verschluckte alles unter sich und war nicht weit weg, aber rührte sich auch nicht mehr von der Stelle. Entsetzt starrte Ino das Schauspiel im Himmel an, als ihr ein Kopf vor die Füße rollte und gegen ihren Zeh stieß. Angewidert machte sie einen Schritt zurück und sah Alice missmutig an. „Musste das sein?!“ „Weiß nicht, hab die Flugbahn nicht berechnet“, antwortete er flapsig. Da dies vorerst der letzte Verwandelte war, den er aus dem Weg räumen musste, machte Alice sich gleichmütig an die Reinigung seiner Waffe. „Sag an, wie fühlst du dich?“ Ino sah ihrem Begleiter dabei zu, wie er nach einer Art Papier suchte, um die Klinge ein wenig säubern zu können. „Nicht so toll, aber ich kann laufen. Wir können weiter … Wo ist –?!“ Ihr fiel etwas auf, etwas sehr Wichtiges! Ihr Shintai! Er war nicht bei ihr! Ino sah sich panisch um, drehte sich um die eigene Achse und trat dabei sogar unbewusst den Kopf des Untoten aus dem Weg. Alice reinigte seine Klinge und sah Ino dabei zu, wie sie aufgescheucht auf der Straße herumlief, die Hände über den Kopf zusammenschlug und irgendwas vor sich hin stammelte. „Ich hab deinen Shintai, falls du den suchst …“, meinte er nach einer Weile amüsiert. Ino drehte sich blitzschnell zu ihm und keifte: „Danke! Hättest du das nicht früher sagen können?!“ „Als würde ich einer ohnmächtigen, nutzlosen Person so was Nützliches überlassen. Das hättest du dir denken können, Blondie.“ Er hob seinen Hoodie und zog den Spiegel hervor. „Da, fast wie neu.“ Erleichtert griff Ino danach und drückte den Shintai an ihre Brust. Sie wäre endgültig verzweifelt, wenn sie die Seele des Kami verloren hätte. Nachdem sie sich eine Weile der Erleichterung hingegeben hatte, hob sie den Spiegel und hielt ihn sich ans Ohr. Ob ich den Kami noch mal hören kann? Ob er noch mal was sagt? Sollte ich mit ihm sprechen? „Wüsste ich nicht, dass das ein echter Shintai ist, den du da hältst, würde ich ja sagen, dass du gerade total doof aussiehst“, meinte Alice und lachte leise. Ino schüttelte nur ein wenig den Kopf. Sollte Alice doch seine Gemeinheiten von sich geben, denn immerhin war er bei ihr geblieben, als sie das Bewusstsein verloren hatte. Er war bei ihr geblieben und hatte sie verteidigt, er hatte sein Leben ohne zu zögern für sie riskiert. Alice schien dafür auch keinen Dank zu erwarten, es war eben so. „Der Kami hat mit mir gesprochen, ich hoffe, dass er das wieder tut“, erklärte Ino und ließ den Spiegel seufzend sinken. Nichts, kein Wort. Nur Stille. Alice betrachtete den Shintai nachdenklich. „Tja, wer weiß schon, wie so was funktioniert. Nun, wenn Madame sich wieder fit genug fühlt, dann würde ich sagen auf zur Klippe.“ Ino warf noch einen bangen Blick zur Finsternis, die sich im Westen in den Himmel gekrallt hatte. Außenrum war alles normal geblieben, und es war noch immer Sonnenuntergang. Ob das mit dieser Dunkelheit zu tun? „Was ist das da hinten?“, fragte Ino, während sie sich in Bewegung setzte. Alice lief voran und blickte nicht mehr zurück. Er war der Typ, der die Vergangenheit hinter sich ließ und nur noch mit dem Hier und Jetzt beschäftigte, fand Ino. „Ich kann's dir ehrlich nicht sagen. Shikamaru meinte nur, dass es auftauchen könnte, und wenn das der Fall ist, dann dürfen wir uns davon niemals erwischen lassen. Das klang sehr eindeutig, und wenn ich mir dieses Etwas so ansehe, beherzige ich seine Worte gerne.“ Ino summte leise zustimmend und sah sich schweigend um. War sie schon mal hier gewesen? Vielleicht, die Vororte sahen sich alle so ähnlich. Hübsche kleine Häuser, hübsche kleine Gärten, gepflegte Autos – normalerweise. Hier hatte einst die obere Mittelschicht gewohnt, so wie Ino. Genügend Geld, um sich ein halbwegs sorgenfreies Leben zu garantieren, aber nicht genug, um sich prächtige Villen leisten zu können. Normal gab es nicht mehr, aber warum gab es auch keine anderen Überlebenden? Alice und ich … und Shikamaru – wir können doch nicht die einzigen sein! In einer einzigen Nacht soll all das geschehen sein? In einer einzigen Nacht … Da kann doch was nicht stimmen! „Alice, ich wollte wissen …“ „Ach nö, das klingt, als würdest du mir ne Frage stellen wollen. Keinen Bock! Können wir nicht schweigend zur Klippe gehen?“, maulte er und trat eine Coladose über den Gehweg. Ino seufzte. „Danke, dass du dich um mich gekümmert hast, als ich weggetreten bin.“ „Nicht gern geschehen, war's das?“ „Nein …“ „So'n Mist auch.“ Ino seufzte erneut, dieses Mal sehr tief und ausgiebig. „Ich muss wissen, wann das alles angefangen hat …“ Alice verschränkte beim Laufen die Arme hinter dem Kopf, sein Katana klapperte im Takt seiner Schritte. „Weiß nicht mehr, Zeit wird relativ, wenn man damit beschäftigt ist zu überleben.“ „Na ja, aber was würdest du schätzen?“, bohrte Ino hellhörig nach. „Eine Woche? Zwei? Einen Monat?“ Alice schwieg. Sie spürte, wie ihr elend wurde. Wie kommt es, dass ich wie Dornröschen alles verschlafen habe? Dass mich niemand angegriffen hat?! Dass ich das überlebt habe, einfach aufwache und … Das macht einfach keinen Sinn! Ino fühlte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten, stumm wischte sie diese weg. Sie musste damit klar kommen, dass es so war, etwas Anderes blieb ihr auch gar nicht übrig. Trotzdem kehrten ihre Gedanken zu ihren Liebsten zurück, zu ihrer Familie, zu ihren Freunden, zu ihrem Leben, das vorbei war. Traurigkeit breitete sich in ihr aus wie ein Lauffeuer und die Tränen wurden immer mehr. Heiß liefen sie ihr über die Wangen und es fiel Ino immer schwerer ein Schluchzen zu unterdrücken. Alice warf beim Gehen einen kurzen Blick zu ihr. „Ich weiß ja, Gefühle und so. Aber verheult siehst du zu wenig zum Kämpfen, also beeil dich damit, ja?“ Wieder wischte die 17-Jährige sich übers Gesicht mit einer Hand und merkte, dass sie ein Taschentuch brauchen könnte. „Du bist so ein … herzlicher Mensch, Alice!“, murmelte sie mit gebrochener Stimme. „Jeder hat seine Stärken. Zum Händchenhalten hat Shikamaru mich nicht abgestellt. Er hat behauptet, du wärst stärker als du aussiehst. Zeig das doch mal.“ Er will mich stark sehen? Ich soll so sein wie er? Das kann er haben! „Da war dieser Mann!“, platzte es aus Ino. „Er war in deinem Haus, er hat ständig deinen Namen gerufen! Er hat nach dir gesucht, er kann sich an dich erinnern!“ Was will ich damit erreichen? Alice an sein altes Leben erinnern? Sehen, ob er Gefühle zeigt? Ihn verletzen, weil er so unzerstörbar tut? Ino merkte, das war genau das was sie wollte. Er griff sie dafür an, dass sie Gefühle hatte, nun wollte sie wissen wie es um seine stand. Alice wurde tatsächlich ein wenig langsamer, als Ino das sagte. „Hm … Stimmt … Du warst in meinem Elternhaus, ganz vergessen. Hast du ihn wenigstens von mir gegrüßt?“ „Tu nicht so, als würde dich das kalt lassen!“, brüllte Ino, so laut, dass Alice wieder zusammenzuckte und sich wütend zu ihr umdrehte. „Wenn du schon Untote in einer Tour auf mich hetzen musst mit deinem Geschrei, dann hilf mir gefälligst auch beim Bekämpfen, ist das klar?!“ „Wer war dieser Mann?!“ „Das ist völlig egal!“ „Was ist mit deiner Familie, Alice?! Was ist mit ihr passiert?!“ „Sie ist nicht mehr da, okay?!“ Zum ersten Mal wurde Alice tatsächlich laut und war sogar stehen geblieben, obwohl er sonst nie Zeit verlor, um Ino vorwärts zu treiben. Er ließ die Arme hängen und stand leicht gebeugt da. „Sie ist nicht mehr da, und ich kriege sie nie mehr zurück. So einfach ist das.“ Mit schmalen Augen starrte er Ino an. Sie konnte Schmerz und Bedauern darin erkennen, aber auch ein Feuer, das nichts zu löschen vermochte. Ihr Blick fiel auf Alices Katana, er bemerkte das. „Ich hab meine Familie nicht beseitigt, falls du das denkst!“, sagte er knapp und schnaubte verächtlich unter seiner Maske. Ino war zu wütend, um ihre Worte zurückzuhalten, die sie ihm entgegenwarf: „Ach, nein? Zugetraut hätte ich es dir.“ „Jemand anderes hat das für mich getan, hat meine ganze Familie „befreit“. Dann nahm ich das Schwert und zog los“, erzählte Alice mit eisiger Stimme, seine Schultern und sein Nacken spannten sich an. Offenbar machte es ihn sehr zornig, jemand könnte denken, er hätte seine eigene Familie getötet. „Wer … Wer ist der Mann, den ich im Haus gesehen habe?“, fragte Ino, unerbittlich, aber irgendwie musste sie es einfach wissen. Sie konnte sein Rufen noch immer hören, seine letzten Worte, die er ständig wiederholte. „Wir … müssen hier raus … Alice. Wir … Nimm das Fenster … Alice …“ Ihr Begleiter wandte ihr den Rücken zu und ging schnellen Schrittes weiter, die Wut trieb ihn an wie eine Sprungfeder. „Er war derjenige, der meine Familie gen Himmel geschickt hat, und jetzt komm endlich, wir müssen zu dieser verdammten Klippe. Da vorne ist die Straße blockiert … Ich hab wenig Lust durch Vorgärten zu schleichen, aber das werden wir jetzt wohl müssen.“ Ino schwieg nun und folgte ihm. Jeder ging anders mit seinem Unglück um, er hatte seinen Weg gefunden, um nicht verrückt zu werden. Genau wie sie verfolgte er ein bestimmtes Ziel, denn das war das einzige, was einem in diesem Schrecken noch geblieben war. Gedankenversunken ging Ino weiter, ihre Wut verrauchte langsam. Alice war eben wie er war, daran hatte sie mit ihren Worten auch nichts geändert. Ino fühlte sich jetzt unendlich schlecht, dass sie all diese Dinge gesagt hatte. Sie fühlte sich schlecht dafür, dass sie Alice an seine Familie erinnert hatte, an seinen persönlichen Albtraum. Ino war wütend gewesen, weil er sich so kaltherzig und distanziert gab, aber jetzt war sie keinen Deut besser als er. Die Stille zwischen ihnen gefiel der 17-Jährigen nicht, zugleich käme sie sich blöd vor, sich jetzt zu entschuldigen – außerdem wäre es Alice egal, das bedeutete ihm nichts, das wusste Ino. Ihr Begleiter kletterte geschickt über einen halb eingebrochenen Zaun und wartete darauf, dass Ino es ihm gleichtat. Nicht ganz so elegant schaffte sie es drüber, die Hände um den Spiegel geklammert. Hinter ihr rotteten sich Verwandelte zusammen, die vom Geschrei der beiden angelockt worden waren. Blind, aber beharrlich strichen sie durch die Straße. Schweigend wies Alice Ino den Weg, sie liefen durch teils verwilderte Gärten, umrundeten Pools, in denen braunes, abgestandenes Wasser war und überquerten verlassene Kinderspielplätze. Schon bald hatten sie auf leisen Sohlen genügend Strecke zwischen den unruhigen Verwandelten und sich gebracht. „Ich weiß nicht, was mit mir los ist …“, flüsterte Ino Alice zu, als er einige Äste einer Hecke zur Seite bog, um sie hindurchzulassen. „Ich wollte … Ich wollte nicht alleine sein, mit diesem Gefühl. Ich wollte nur, dass du mich verstehst …“ „Wenn das deine Art ist dich zu entschuldigen, schon gut“, brummte er nur missmutig und folgte ihr. Sie waren nun wieder auf einer Straße, am Straßenende konnten die beiden einen Pfad erkennen, der sich in einem düsteren Waldgebiet verlor. Die dünnen Nadelbäume warfen lange Schatten auf den Kiesweg, wahrscheinlich war es im Wald wegen der untergehenden Sonne schon sehr dunkel. Ino fröstelte wieder. „Da müssen wir rein?“ „Sieht so aus, so hat Shikamaru es beschrieben.“ Ino dachte nach, während sie beide losgingen. „Bist du mir noch böse?“, fragte sie aus heiterem Himmel. Es täte ihr nicht gut zu wissen, wenn Alice einen Groll gegen sie hegte. Die Frage klang kindisch und doof, aber die 17-Jährige wusste nicht, wie sie hätte sonst fragen sollen. „Ich bin immer böse auf dich, das weißt du doch“, knurrte er nur, aber sie konnte raushören, dass er es nicht ganz so meinte. „Ich würde so gerne ein wenig trauern … Ich glaube, ich bräuchte das … Du etwa nicht?“ Alice seufzte, während sie der Straße folgten, immer weiter auf den Wald zu. „Nein, und wozu auch. Ich kann im Selbstmitleid zergehen oder das tun, was Shikamaru für das Richtige hält. Wie du mir sicher zustimmen kannst, ist Letzteres die bessere Option.“ „Verstehe … Shikamaru und du, ihr seid Freunde? Ich kenne Shikamaru schon ewig, schon seit dem Kindergarten. Von dir hab ich noch nie gehört …“, hakte Ino vorsichtig nach. Sie trat auf einen Ast, der trocken knackte und blieb zitternd vor dem unheimlichen Wald stehen. „Tja, du hörst eben nie zu“, murmelte Alice und zog das Katana hervor, als erwarte er Feinde im Unterholz, und vielleicht war das auch so. Ino spürte, wie ihr schlechtes Gewissen dem Ärger wieder Platz machte. „Ha, ha, lustig. Ich wüsste ja wohl, wenn einer meiner besten Freunde einen Kumpel namens Alice hätte!“ „Da hast du was falsch verstanden, Shikamaru und ich sind keine Freunde“, stellte Alice kaltschnäuzig klar und ging leicht geduckt und langsam Schrittes in den Wald. Ein bisschen sah er aus wie eine Katze, die sich an ihre Beute heranpirschte. Nicht Alice war der Gejagte hier, sondern die Untoten. Ino folgte ihm genauso vorsichtig, den Spiegel von sich gehalten, bereit, ihn jederzeit einem Verwandelten entgegenzurecken. „Das verstehe ich nicht … Wenn ihr keine Freunde seid, woher kennt ihr euch dann? Und warum tust du, was er sagt?“ „Wir kennen uns eben, aber mögen uns nicht. Aber er war schon immer ein schlauer Bursche, dieser Shikamaru“, sagte Alice so leise, dass er beinahe flüsterte. „Außerdem muss ich nicht sein Kumpel sein, um ihn recht zu geben, oder?“ Ino schüttelte zustimmend den Kopf, dann ging ihr auf, dass Alice das gar nicht sehen konnte. Er war mit seinen dunklen Augen überall, außer bei ihr. „Dauert es lange, der Weg durch den Wald?“ Alice grunzte genervt. „Tut mir leid, aber ganz so detailliert war die Beschreibung dann doch nicht. Da waren eine Menge Verwandelter, und während Shikamaru mir seinen Plan mitteilte, hab ich mit dem Schwert trainiert, wenn du verstehst.“ Eine merkwürdige Vorstellung, aber Ino glaubte Alice das aufs Wort. Der hätte kein Problem damit, sogar während einem Date das Katana zu schwingen. Bei jedem Ast, der unter ihren Schuhen knackte (hauptsächlich unter Inos) wurde kurz innegehalten und gelauscht. Hier konnten Untote nicht so leicht gesehen werden, keiner von beiden hatte große Lust auf einen Überraschungsangriff. Dämmerig lag der schmale Trampelpfad vor ihnen, Stück für Stück ging es in die Höhe, dicht standen die Bäume und schluckten fast das ganze Licht. Das Sonnenlicht war matt und alles wirkte, als wäre ein Weichzeichner darüber gelegt worden. Aber Ino hatte irgendwie das Gefühl schon mal hier gewesen zu sein. Das war ja auch nicht so ungewöhnlich, immerhin war sie in dieser Stadt geboren und aufgewachsen, trotzdem fühlte es sich hier anders an. Als wäre dieser Ort wichtig, ohne, dass sie sagen könnte warum. Aber ihr Herz schlug schneller und ein Gefühl von … Geborgenheit breitete sich in ihr aus. „Ino … Ich werde immer bei dir sein, Ino! Wenn du doch nur … mit mir reden würdest …“ Ino blieb wie angewurzelt stehen, sie fühlte sich, als wäre Strom durch ihre Adern geflossen. Alice ging noch ein paar Meter, bis ihm auffiel, dass sie stehen geblieben war. Geduckt stand er da und warf einen Blick über die Schulter zu ihr. Mit gerunzelter Stirn fragte er: „Was ist? Hast du was gehört?“ Er sah sich augenblicklich um, das Katana fest in den Händen. Ino schüttelte den Kopf und hob leicht den Shintai. „Er hat mit mir gesprochen!“, sagte sie aufgeregt, nervös drehte sie den Spiegel in den Händen Wie funktioniert er nur? Es will mit mir kommunizieren, wie kann ich antworten?! „Sssch, ich freu mich ja für dich, aber freu du dich gefälligst leiser!“, flüsterte Alice energisch und schlich zurück zu Ino. Sie ließ den Shintai wieder sinken und seufzte leise. „Ich weiß nicht, wie ich mit ihm sprechen kann. Er ist immer nur ganz kurz da …“ Alice dachte eine Weile darüber nach, kam aber offenbar zu keinem Schluss. „Lass uns zur Klippe, vielleicht gibt es dort eine Antwort darauf“, drängte er schließlich und ging wieder voraus. Ino sah noch kurz den Spiegel an, dann folgte sie ihrem Begleiter. Kapitel 8: 覚醒 – Kakusei ----------------------- Umso näher sie der Klippe kamen, desto aufgeregter wurde Ino, ohne den Grund dafür benennen zu können. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust, ihre Hände wurden schwitzig und ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Wenn sie so darüber nachdachte hatte sie den Eindruck gleich zu einem Date zu gehen … Ihr Blick schweifte zu Alice, der geduckt vor ihr herschlich. Das Langschwert in den Händen, bereit, jederzeit Köpfe rollen zu lassen und einen Totentanz aufzuführen – nicht sehr romantisch, befand Ino. Aber warum fühlte sie sich dann so merkwürdig? Alles um sie schien sich zu intensivieren: Ganz deutlich nahm sie den Geruch der Bäume wahr, sah das Harz an der Rinde matt glänzen. Sie roch feuchte Erde und merkwürdigerweise Pilze, dabei wuchsen die im Herbst. Sie hörte das leise Rascheln, wenn der Wind durch die Bäume strich, das Knarzen des Holzes, wenn die Stämme träge wankten. Ino spürte das wenige Sonnenlicht auf ihren Händen, plötzlich war ihr doch warm und sie strich sich die Jacke von den Schultern und band sie sich um die Hüfte. Gut fühlte sich das Licht auf ihren Armen an, ihr war danach kurz die Augen zu schließen … „Hey. Alles klar dahinten?“, flüsterte Alice fast lautlos und schaute kurz zu Ino. Sie brauchte eine Sekunde, um sich wieder bewusst zu werden, dass das hier leider kein schöner Waldspaziergang war. Ino nickte stumm, den Shintai fest gegen die Brust gedrückt. Noch immer strömte Aufregung durch ihre Adern, noch immer wusste die 17-Jährige nicht warum. Flüsternd strich der Wind erneut durch die Nadelbäume und ließ sie sachte schwanken, das Holz knarzte als seufzte es tief, und Ino seufzte ebenfalls. Das Gefühl von Geborgenheit steigerte sich mit jedem Schritt, sie freute sich auf die Klippe, sie musste dorthin – so schnell es ging! Fühlt Alice das auch? Wollte er deswegen schon seit langem so unbedingt dorthin?, fragte Ino sich und räusperte sich leise. „Alice … Ähm, ich fühl mich komisch …“ „O nein, jetzt bitte keine Aktion wie „Ich muss Pipi“ oder „Ich hab Hunger!“ oder „Wann sind wir da?!“ oder „Ich hab Bauchweh!“ Verschon mich bloß mit so was!“, zischte ihr Begleiter so leise er konnte und ging lautlos weiter. „Nein, das doch nicht! Ich meine, ich fühle mich total wohl an diesem Ort … Ich muss unbedingt zur Klippe!“ „Hast du's endlich gerafft, ja?“ „Eigentlich „raff“ ich noch weniger als davor“, gestand Ino frustriert. „Merk ich.“ Sie widerstand dem Drang, Alice einen großen Ast an den Kopf zu werfen und erläuterte leise: „Ich muss zur Klippe, weil ich mich dort richtig gut fühlen werde, verstehst du?“ Alice hörte plötzlich auf zu schleichen. Er richtete sich auf, packte sein Katana und schlug damit elegant, aber zielsicher ins Gebüsch. Kurz darauf fiel ein kopfloser Verwandelter vor Inos Füße. Seine Kleidung sah aus, als wäre er schon länger im Unterholz unterwegs gewesen. Hemd und Hose waren voller Löcher, Blätter und Zweige. Der ganze Körper war mit verkrusteter Erde bedeckt. Den hatte Ino gar nicht bemerkt, aber ihr Begleiter wohl, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen waren noch mehr von den Dingern hier. Wie konnte mir das nur entgehen?! Ich hab doch alles so genau im Blick behalten! Oder … Hab ich nur das gesehen, was mir gerade wichtig war? Alice schnarrte: „Würd mich ja furchtbar gern deiner Gefühlswelt widmen, aber wir haben Besuch!“ „Lügner!“, fauchte Ino, richtete sich ebenfalls auf und machte sich bereit für das, was nun kam. „Stimmt …“ Aus dem Wald schleppten sie sich, Verwandelte in großer Zahl, sie sahen genauso aus wie der, den Alice schon erledigt hatte. Es hatte den Anschein, als wären sie in einer Art Schlaf gewesen und die Anwesenheit der beiden Menschen hatte sie aufgeweckt. Wie richtige Untote erhoben sie sich und schleppten sich träge auf ihre beiden Opfer zu. Ino hob den Spiegel, jeder Verwandelte, der ihr zu nahe kam, zerfiel augenblicklich zu schwarzer Asche. Neben ihr schwang Alice sein Schwert, aber er bewegte sich dabei weiter vorwärts. Das war unüblich, er nahm sich ja sonst gerne die Zeit „aufzuräumen“. „Wir müssen weiter, Ino!“ „Aber es sind so viele!“ „Also möchtest du ihnen einen Kuchen backen?! Jetzt komm endlich, die Dunkelheit bewegt sich wieder! Siehst du das nicht?!“, brüllte Alice, denn zum Leisesein hatten die zwei keinen Grund mehr. Ino spürte einen Stich in ihrem Bauch. O nein! Wenn die Dunkelheit uns einholt …! Shikamaru hat gesagt …! Alice hatte eine Schneise geschlagen, die 17-Jährige folgte ihm so schnell sie konnte, den Shintai hier- und dorthin schwenkend, um sie herum war so viel Asche in der Luft, dass ihre Sicht verschwamm. Der Geruch der Untoten war kaum zu ertragen, die 17-Jährige atmete angewidert durch den Mund. Sie konnte sehen, wie der Wald sich lichtete, die Bäume wurden weniger, der Boden steiniger – die beiden kamen der Klippe schnellen Schrittes näher. Als die Nadelbäume so licht waren, dass Ino trotz der Untoten zum Himmel blicken konnte musste sie mit Schrecken feststellen, dass Alice recht hatte. Die Finsternis kam wieder auf sie zu, nicht sehr schnell, aber beständig. „Weiter, weiter, weiter!“ Obwohl die Situation so brenzlig wurde befand Ino genervt, dass Alice manchmal wie ein Trainer wirkte, der seinen Schüler ständig anfeuern musste. Oder wie ein Drill-Sergeant. Da war sie endlich, die Klippe! Sie war … nicht sehr spektakulär. Es war einfach nur eine Klippe, dank der man über die Stadt einen ganz hübschen Blick hatte. Der verwitterte Fels lud dazu ein, sich an die Kante zu setzen. Ein Schild riet jedoch dringend davon ab, aber Ino wusste, dass man hier picknickte. Aber woher? „Lauf zur Klippe!“, rief Alice, er ließ sich zurückfallen und war damit beschäftigt, die stöhnenden Untoten loszuwerden, die ihnen beharrlich folgten. Inos Augen schossen zwischen Alice, den Verwandelten, der näher kommenden Finsternis und der Klippe hin und her. „Aber … Was soll ich denn da machen?!“, rief sie verzweifelt und würde sich am liebsten die Hände an die Schläfen pressen, weil ihr die Situation über den Kopf zu wachsen drohte. Irrationaler Weise dachte sie in diesem Moment: Und warum geht die Sonne einfach nicht unter?! Alice schwang das Katana, Köpfe flogen, Körper wurden rabiat durchstoßen. Stöhnen und Ächzen, Schneiden und Schlitzen hallten durch die Luft. „Was weiß denn ich?! Shikamaru hat gesagt, du sollst dahin gehen, das war alles!“ Ino atmete heftig ein und aus, sie hatte das Gefühl eine Papiertüte zu brauchen, um nicht zu hyperventilieren. Mit wackeligen Beinen folgte sie der Anweisung und sah sich verloren an der Klippe um, als sie einen Zettel erkannte, der unter einem Stein klemmte. Hastig stürzte Ino drauf zu und holte ihn hervor.   „Alles was wir sehen oder scheinen, ist es nichts anderes als ein Traum in einem Traum? Ino, ich hoffe, dass du es verstehst. Du hast es bis hierher geschafft. Du MUSST dich erinnern! Sonst kommst du nicht mehr zurück! Nimm den Shintai, sieh dich an!   Shikamaru.“   Alice sah zu Ino hinüber, bald darauf war er wieder mit den Verwandelten beschäftigt. „Ein Zettel von Shikamaru?! Sehr gut! Was hat er geschrieben?“ Ino steckte den Zettel ein und legte den Kopf schief. Musst dich erinnern … Kommst nie mehr zurück … Traum in einem Traum … „Ich … Ich verstehe es nicht!“, rief sie und in ihrer Stimme legte sie all ihre Verzweiflung, ihre Wut und ihre Trauer. „Ich verstehe es nicht! Er schreibt wirres Zeug!“ „Okay … Konzentrieren wir uns auf das“, Alice drehte sich mit dem Katana, drei Köpfe flogen geordnet durch die Luft, „was er sagt, dass du tun sollst.“ „In den Shintai blicken“, erklärte Ino und sank zu Boden. Es ging nicht weiter, das hier war Endstation. Die Klippe war das endgültige Ziel, hier sollte sie hingebracht werden, mit dem Shintai, und offenbar sollte sie auch wissen, was sie hier zu tun hatte. Aber sie wusste es nicht, Ino verstand Shikamarus Worte nicht so richtig. Ein Traum? Soll das hier alles nur ein Traum sein? Nein … Ich fühle alles, ich sehe alles, ich schmecke, ich rieche, und vor allem … ich wache einfach nicht auf! Das hier ist kein Traum! Außerdem hätte ich mir so einen Arsch wie Alice bestimmt nicht angetan! Ino hörte, wie Schritte näher kamen, dann sah sie eine blutverschmierte Klinge neben sich, blutverschmierte Schuhe und blutverschmierte Hosen. „Ich bin die erste Welle von Untoten losgeworden, aber weiter hinten kommen schon neue nach. Die Dunkelheit kommt ebenfalls näher“, murmelte Alice, hörbar außer Atem. „Mach schon, mach, was Shikamaru gesagt hat. Was anderes bleibt uns eh nicht mehr übrig.“ War das Resignation in seiner Stimme? Schwand seine Hoffnung? Er ließ die Schultern hängen, Alice hatte noch nicht mal Interesse daran gezeigt sein Katana zu säubern. Bitte nicht aufgeben, Alice! Ino nickte schwach, mit zitternden Händen hob sie langsam den Spiegel, um sich darin anzusehen. Was auch immer Shikamaru sich davon versprach. Sie schluckte, irgendwie traute sie sich nicht so recht … Irgendwie rechnete sie mit neuem Schrecken, rechnete damit, nicht sich selbst in diesem Spiegel zu sehen … Alice räusperte sich leise, als sie zögerte. „Angst, zu Asche zu zergehen, Prinzessin? Wundern würd's mich nicht …“ „Halt die Schnauze, ich muss mich konzentrieren!“, keifte Ino ihn ungehalten an. Das war jetzt nicht der richtige Moment. „Glaub ich dir, das muss für dich eine sehr schwierige Aufgabe sein.“ „Aaaah!“ Ohne weiter Zeit zu verlieren sah Ino in den Spiegel und … Sah sich selbst. Sich selbst mit einem dreckverschmierten Gesicht, mit Blut auf einer Wange, mit Asche auf der Nase, mit fettigem, verworrenen Haar. Sie sah nur sich, und nichts weiter. „Ino … Geh nicht weg, Ino! Du musst … Du musst … !“ Sie sah blass und erschrocken auf, Alice zog eine Augenbraue hoch. „Redet es wieder? Macht es Sinn?“ Sie schüttelte den Kopf, blickte panisch zur Dunkelheit – sie kam immer näher! Sie hörte die trägen, schlurfenden Schritte der Verwandelten, ihr Murmeln und Flüstern. Langsam aber beharrlich liefen sie die Klippe hinauf. „Bist du vielleicht einfach nur zu dumm es zu verstehen?!“ „Das hilft nicht!“ „Schade …“ Alice knurrte, rieb sich mit seinen Händen übers Gesicht und seufzte tief. „Okay, neuer Ansatz: Du hast gesagt, dieser Ort hier, dass du etwas fühlst … Das sag ich sonst nicht, aber … fühl in dich hinein, Ino. Was fühlst du?“ Ino schüttelte den Kopf, Tränen bahnten sich über ihre mit Asche bedeckten Wangen den Weg und tropften schwarz auf den Stein. „Ich hab Angst!“ „Erinner dich an das Gefühl, vergiss alles andere um dich herum.“ Verzweifelt kämpfte Ino die Furcht in sich nieder, drückte sich die Hände auf die Ohren und konzentrierte sich auf das, was sie gefühlt hatte, bevor die Verwandelten und die Dunkelheit kamen. Das Gefühl von Aufregung, von Geborgenheit und Glückseligkeit … Es war an diesen Ort gebunden, das spürte Ino ganz tief in sich drinnen. Sie atmete tief ein und aus und versuchte, so gut sie konnte, in sich hineinzuhorchen. „Ino, ich liebe dich, komm zurück, bitte!“ Als sie ihre Augen öffnete und in den Spiegel sah, sah sie ein anderes Gesicht. Das Gesicht eines jungen Mannes, mit Augen, so blau und tief wie das Meer, und Haare so golden wie Weizen. „N-Naruto …“, murmelte Ino. Eine Welle brach über sie herein, eine Welle aus Erinnerungen durchströmten ihren Kopf und warf sie von den Füßen. Sie sah sich selbst und diesen Jungen an dieser Klippe, sie sah sich, wie sie sich umarmten und liebten, wie sie lachten. Ino sah, wie sie zu verschiedenen Jahreszeiten hier waren: Im Frühling, wo alles blühte. Im Sommer, wo der Fels im hellen Licht der Sonne strahlte. Im Herbst, als es furchtbar regnete. Im Winter, als es dicke Flocken schneite. Ino hörte sich selbst zu ihm sagen, wie sehr sie ihn liebte. Er gab ihr einen Ring, er bat sie – für immer bei ihm zu bleiben. „Ino?“ Sie lag auf dem Boden, das spürte sie, aber wie lange schon? Ino fühlte kalten Stein unter sich und kalten Wind über ihren Körper streichen. „Ino, steh auf, komm schon.“ Jemand zog sie in eine sitzende Position, zwei dunkle, mandelförmige Augen blickten sie besorgt an. Alice trug keine Motorradmaske mehr, das war das erste, was Ino sofort auffiel. Die beiden waren noch immer auf der Klippe, die Dunkelheit waberte nicht weit von ihnen. Die Finsternis war wie eine pulsierende Wand, die sich weiter in den Himmel und die Welt unter sich fraß, aber sie blieb wo sie war. Von den Untoten war nichts mehr zu hören. Als Ino an Alice vorbeischaute sah sie, dass der gesamte Boden bedeckt war mit schwarzer Asche, selbst die Bäume waren voll davon. War ich das? Mit dem Shintai? Sie sah wieder zu Alice. „Deine Maske“, murmelte Ino. Er sah sie verdutzt an. „Maske?“ „Sie ist weg …“ „Ich hab nie eine getragen.“ Er hatte sich die Kapuze vom Kopf gezogen, rabenschwarz umrahmten seine Haare sein blasses Gesicht. „Ich kenne dich“, murmelte Ino, ihre Hände ließen den Shintai los und legten sich auf Alices Wangen. Er hob nur die Augenbrauen. „So, tust du das? Ich bin Alice.“ „Nein“, sagte Ino und Tränen der Erleichterung liefen ihr die Wangen hinunter. Endlich erkannte sie dieses Gesicht und diese Augen. Ja, es stimmte also. Sie hatte diese Augen unzählige Male angesehen, viele Jahre sogar. Sie wusste ganz genau, wer vor ihr saß. „Nein, du bist nicht Alice.“ „Ach so? Und wer bin ich dann?“ „Das weißt du jetzt genauso gut wie ich …“ Er grinste schief und schnaubte. „Ts.“ „Alice“ hatte sich verändert, das konnte Ino fühlen. Er wusste nun, wer er war. Neben dem Feuer brannte dort auch Erkenntnis in seinen Augen. Alice nahm Inos Hände in seine und zog sie auf die Füße. Der Shintai glitt zu Boden und blieb dort liegen. Er hat seinen Zweck erfüllt, die Seele im Spiegel ist … ein Teil von mir gewesen, die ganze Zeit … „Du hast recht gehabt, Ino. Alles ruht auf deinen Schultern. Für mich gibt es nichts mehr zu tun. Nur noch …“ Alice stieß Ino von sich und seine Hände lösten sich von ihren. Sie verlor den Boden unter den Füßen und stürzte die Klippe hinunter. Die Welt um Ino herum wurde zu einem Farbwirbel, drehte sich, drehte sich und drehte sich. Ich hab es verstanden, Shikamaru. Glaube ich. Und nun?   ~~~   „Sie ist stabil.“ „Sind Sie sicher?!“ „Aber ja doch. Es war ein paar Mal wirklich haarscharf, aber jetzt ist sie wieder da.“ „Wann wird sie aufwachen? Sagen Sie's mir!“ „Naruto, der Mann ist Arzt, kein Hellseher.“ „Ihr Freund hat recht, wir hoffen natürlich bald. Das künstliche Koma war leider absolut notwendig.“ Ino gab ein gequältes Stöhnen von sich, und ab diesem Moment brach das Chaos über sie herein.   Ino saß aufrecht in einem Krankenhausbett, ständig kamen und gingen Ärzte und Krankenschwestern. Neben ihr saß ein völlig zerzauster und übernächtigter Naruto, mit dunklen Augenringen, aber überglücklich. Er schien nicht mehr mit dem Grinsen aufhören zu können. „Das war die längste Woche meines Lebens, Ino. Das war ein echt schlimmer Unfall, aber jetzt wird alles gut!“ Ihr Blick ging an Naruto vorbei, hinten auf einem Stuhl lümmelte Sasuke Uchiha und daddelte an seinem Handy herum. Als er ihren Blick spürte sah er auf. „Ts … Da soll ich ein Mal an deinem Bett sitzen, weil ich gerade Zeit hatte und Naruto sonst durchgedreht wäre … und dann kratzt du mir fast ab. Ganz toll, einer von fünf Sternen, bloß nie wieder“, maulte er und rümpfte die Nase. Ino grinste nur breit. Das erste, was sie Sasuke gesagt hatte war: „Wo ist dein Katana?“ „Mein was?!“ Sie wandte sich Naruto zu und drückte überglücklich seine Hand. Sie erinnerte sich an alles, an ihr vollständiges Leben, und vor allem an jede Person darin, die ihr unendlich wichtig war. „Naruto, wie war das noch mal?“ Er rieb sich das übermüdete Gesicht. „Okay, noch mal von vorn.“ Sasuke grunzte. „Schnauze da hinten!“, giftete Naruto seinen ehemaligen Klassenkamerad an, dann blickte er wieder zu Ino. „Das war so, deine Eltern und du, ihr hattet diesen schlimmen Autounfall …“ „Und meinen Eltern geht es gut?“ „Ja, ganz okay. Aber sie müssen das Bett hüten deswegen konnten sie nicht zu dir kommen, aber sie fragen natürlich ständig nach dir“, erklärte Naruto geduldig, denn das machte er bereits zum dritten Mal. Der Stuhl knarzte, als Sasuke aufstand. „Okay, ich geh dann mal.“ Sein Blick suchte kurz Inos, sie konnte es auch hier und jetzt sehen – das Feuer, das nie ausgehen wollte. „Glück gehabt, Ino.“ Naruto knurrte. „Ist gut jetzt, sag lieben Dank an Itachi, der dich dazu verdonnert hat kurz hierzubleiben.“ „Dem und Shikamaru“, maulte Sasuke, winkte zum Abschied und verließ das Zimmer. Ino legte ihre Stirn in Falten. „Shikamaru … Ist hier?“ Naruto wirkte überrascht. „Ähm, nein. Du weißt doch, er studiert, ewig weit weg von uns. Er kommt aber, hat er versprochen. Ab und zu, da konnte er telefonieren, hab das Telefon an dein Ohr gehalten. Weiß nicht, was er dir gesagt hat, aber ich hatte das Gefühl, dass es dir hilft. Tja, es war auch seine Idee, dass dieser Trottel Sasuke kurz bei dir bleibt, als ich umgekippt bin … Shikamaru meinte … Also er hat sich das so gedacht …“ „Dass jemand aus meiner Vergangenheit vielleicht dabei hilft, dass ich aufwache?“, vollendete Ino lächelnd seinen Satz. Naruto nickte, während er sich die Haare weiter zerstrubbelte. „Ja, glaub irgendwie so hat er sich das gedacht.“ „Ich bin so froh endlich wach zu sein!“, sagte Ino und wollte Naruto am liebsten umarmen, aber die medizinischen Gerätschaften ließen sie nicht, Händchenhalten musste erst mal reichen. Naruto grinste von einem Ohr zum anderen. „Und ich erst, echt jetzt! Alles wird jetzt wieder gut, Ino. Alles wird gut!“ „Ich weiß.“ Epilog: 解答 – Kaitō ------------------ Die welken Nadeln und Äste raschelten und knackten unter Inos Schuhen, als sie durch den Wald ging. Sie war fasziniert davon, wie genau ihre zerrütteten Erinnerungen diesen Ort im Koma wiedergegeben hatten. Nun war sie in Wirklichkeit hier und alles sah fast genauso aus, nur, dass nun Herbst war und nicht Sommer. Und dass es keine Verwandelten und lauernde Dunkelheit gab – Gott sei Dank. Sie konnte bereits die Klippe in der Ferne ausmachen und sehen, dass jemand dort stand. Inos Herz machte einen freudigen Sprung, es war schon so lange her, dass sie ihn gesehen hatte. „Shikamaru!“ Die Person drehte sich zu ihr um und lächelte. Er hat sich kaum verändert! Ino war in einen Laufschritt verfallen, um schneller zur Klippe zu gelangen und blieb aufgeregt vor ihrem ehemaligen Klassenkameraden stehen. „Shikamaru! Ich freu mich so, dich zu sehen!“ „Geht mir ebenso“, sagte er lächelnd. Während Ino eine Decke ausbreitete damit sie sich kurz setzen konnten, tauschten sie die üblichen Worte aus. Wie es einem so geht, was man gerade so machte, was man noch so alles vorhatte. Nachdem die beiden Platz genommen hatten, sah Shikamaru sich fragend um. „Hier wolltest du also unbedingt hin, statt in ein warmes Café. Hätte ich mir denken können.“ Ino nickte. „Ich war mit Naruto die letzte Zeit wieder öfter hier, weil mir das hilft. An diesem Ort hab ich es zurückgeschafft, als ich „weg“ war.“ Shikamaru runzelte die Stirn. „Du hast mir schon davon geschrieben, von deinem Nicht-Traum, aber … erzähl's mir noch mal.“ Ino lächelte breit. „Unbedingt.“   Während der Nachmittag voranschritt und es immer kühler wurde, hatte Ino Shikamaru die ganze Geschichte noch mal im Detail erklärt. Er hatte schweigend, aber aufmerksam zugehört. Als sie geendet hatte schwiegen die zwei eine Weile. Schließlich sagte Shikamaru grinsend: „Ich verstehe. Okay, es ist sehr schmeichelhaft, dass ich die Stimme der Vernunft sein durfte und dir den Weg gewiesen habe.“ „Tja, der kluge Teil von mir brauchte ein Gesicht, und deines hat gut gepasst“, meinte Ino schulterzuckend. „Hm … Der Schrein, das sieht für mich aus, als hättest du deine Seele sozusagen gereinigt und vorbereitet und dass das irgendwie dabei geholfen hat, dass du Naruto hören konntest“, rätselte er nachdenklich. Ino nickte zustimmend. „So verstehe ich das auch. Ich bin kein großer Schreingänger, aber diese Rituale und die Normalität dabei, das muss geholfen haben. Der Shintai war das Tor zur Außenwelt, ich konnte Naruto hören und auch fühlen, aber ich hab ewig gebraucht, bis ich das verstanden habe. Und danach war der Moment, als Alice aufgetaucht ist.“ „Sasuke.“ „Ja, und nein. Ich meine, es war nicht unser Sasuke …“ Shikamaru grinste. „Ja, deine Version redet zu viel und hat dir zu oft in den Arsch getreten.“ Ino rollte mit den Augen und schlang ihre Jacke enger um sich, als eine kalte Brise über sie strich. „Jaah, Alice war der Teil von mir, der mir Mut gemacht hat, der mich immer weiter angetrieben hat, der niemals aufgeben wollte und mich weitergebracht hat, egal, wie schwer es mir auch gefallen ist … Es stimmt schon, Alice war nicht direkt Sasuke, aber er hatte am Ende sein Gesicht, weil … Ach, du weißt ja, wie das in der Grundschule mit ihm war.“ Ino wurde verlegen, irgendwie war ihr das jetzt peinlich. Shikamaru grinste wissend. „Oh ja, Sasuke dein Held. Ich hab nie kapiert, was du damals an diesem antisozialen Typen gefunden hast. Zu cool für alle, keinen einzigen Freund –“ „Ich fand das damals eben ziemlich toll, und offenbar hat das Kind in mir aus Sasuke einen Helden gebastelt, den ich gerade gebraucht habe!“ „Ich hab ihn nicht umsonst darum gebeten bei dir zu bleiben, als Naruto die Lichter ausgegangen sind“, warf Shikamaru ein. „Eine gute Entscheidung. Auch wenn Itachi Sasuke nachhelfen musste … Verstehe ich auch, wir hatten seit drei Jahren eigentlich keinen Kontakt mehr.“ Ob das Schade ist? Ich wollte mit Sasuke nach der ganzen Sache reden, aber wir hatten uns nichts zu sagen … Wir gehen wieder getrennte Wege, Sasuke war mir wichtig in der Vergangenheit, aber jetzt nicht mehr. Er ist nicht Alice, irgendwie hatte ich erwartet, dass es ein Wiedersehen mit ihm wäre, aber das war es einfach nicht. Ino rieb sich das Kinn. „Aber ich hab keine Ahnung, warum er Alice hieß. Ist ein etwas merkwürdiger Jungenname“, meinte sie und blickte nachdenklich in die Ferne. Sie sah über die intakte Stadt – Kein Qualm, keine brennenden Gebäude, keine Verwandelten und keine Dunkelheit in der Ferne, die immer näher kam. „Alice im Wunderland.“ Ino sah verdutzt auf. „Was?! Nicht dein Ernst, Shikamaru!“ „Doch, ich glaube schon,“ widersprach er grinsend. „Alice im Wunderland ist Teil des Wunderlands und trotzdem ist es real. Dein Alice war auch Teil des Wunderlandes, sozusagen. Er hat dir den Weg gewiesen, er kannte sich in deinen zerrütteten Erinnerungen aus. Ich glaube, das ist die Erklärung.“ Ino sah ihren alten Schulfreund mit hochgezogener Augenbraue an. „Wohl eher Alice im Horrorland!“ „Hm, kann ich mir vorstellen. Aber es ist vorbei, du hast es geschafft.“ Mit diesen Worten stand Shikamaru auf und klopfte sich ein paar trockene Nadeln von der Kleidung. „Aber wollen wir nicht vielleicht doch in ein Café gehen? Es ist kalt und der Wind, der hier ständig über die Klippe fegt nervt.“ Ino nickte zufrieden. „Ja, können wir machen.“ Sie packte die Sachen zusammen und gemeinsam gingen sie langsam durch den Wald zurück in die Stadt. Es war ein goldener Herbsttag, das Sonnenlicht brach wärmend zwischen den Bäumen hervor und Ino schwelgte in angenehmen Erinnerungen an diesen Ort. „Tja, aber irgendwie kann ich Alice gut leiden. Der hat dir wenigstens mal die Meinung gesagt“, meinte Shikamaru plötzlich und lief schneller, weil er genau wusste, wer ihm gleich nachkommen und eine verpassen wollte. „O das hast du nicht umsonst gesagt!“, fauchte ino und setzte ihrem Kumpel nach, um ihn spielerisch eine runterzuhauen. Es tat gut Shikamaru noch mal zu sehen, bevor er wieder monatelang verschwunden sein würde, aber Ino freute sich schon darauf, die Klippe wieder mit Naruto zu besuchen. Sie hatte ihren persönlichen Albtraum hinter sich gelassen und war sich sicher, an sich selbst gewachsen zu sein. Ino hatte sich bewiesen, dass sie mehr aushalten, mehr schaffen und mehr erreichen konnte, wenn sie es nur wirklich wollte. Und manchmal, wenn sie Albträume hatte, war Alice doch wieder da und hatte nette Worte für sie übrig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)