Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 62: ------------ "Dieses Bild sollten wir uns einrahmen", grinste Mokuba Kaiba als er den beiden Frauen das Titelblatt präsentierte. Der Jüngere der Kaiba Brüder war - wie er selbst gesagt hatte - eigentlich wegen etwas Geschäftlichem ins Café gekommen. Nachdem er Makoto an Rins Stammplatz entdeckt hatte, weil diese ihrer Freundin von den neuesten Kreationen vor schwärmen wollte, war der schwarzhaarige Wuschel an sie herangetreten und hatte eine druckfrische Zeitung auf den Tisch geknallt. "Mokuba, ich wusste gar nicht, dass du ein Zeitungsleser bist", schmunzelte Rin, die dem jüngeren Kaiba einen Platz neben sich anbot. "Ach Quatsch", lachte Mokuba auf und machte es sich auf dem Stuhl gemütlich, "mir war bloß langweilig und da wollte ich mir am Kiosk ein bisschen die Zeit totschlagen. Aber bei der Schlagzeile konnte ich einfach nicht vorbei." Auf der ersten Seite der Tageszeitung war Rins finaler Schlag gegen Vivian Wong abgebildet. Im Zentrum der Schlagzeile - das desaströse Ende eines Duellantenmodels. Die Kamera hatte Wongs verschmiertes Gesicht perfekt aufgegriffen, ebenso ihren zerknirschten Gesichtsausdruck, nachdem sie Rin tausend Flüche an den Kopf geknallt hatte. "Vielleicht sollten wir es irgendwo aufhängen, wo jeder es sehen kann", Mokuba kam kaum mehr aus dem Prusten heraus. Sogar Makoto verkniff sich ein Lachen. Rin versuchte derweil gelassen zu bleiben. "Du bist ja richtig diabolisch, Mokuba. Das sind doch wohl nicht die Gene, die da durchschlagen." Jetzt musste Rin doch grinsen. "Das hat sie nicht anders verdient", antwortete der Jüngere und nickte wie zur eigenen Bestätigung. "Nur weil sie verzweifelt war, hätte sie nicht so austicken dürfen." Er rollte die Zeitung zusammen und stopfte sie zurück in seine Hosentasche. "Nach dieser Niederlage wird's das für sie gewesen sein", er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, "es kursiert schon seit einer Weile das Gerücht, dass Industrial Illusions seine Duellanten radikal aussortieren will. Vivian Wongs Karriere hing wohl von dem diesjährigen Worldcup ab. Naja, nachdem sie so eine Show abgezogen hat, wird Pegasus Crawford wohl kurzen Prozess mit ihr machen. Alles andere würde mich nur schwer wundern." "Nicht zu vergessen, was sie alles während des Spiels gesagt hat", entgegnete Rin und blickte in die volle Tasse Kaffee, die sie direkt vor ihrer Nase abgestellt hatte. Wenn ihr schon verboten wurde, ihr Lebenselixier zu sich zu nehmen, wollte sie doch wenigstens dessen Duft um sich haben. Besonders dann, wenn Makoto frische Bohnen in die Maschine getan hatte, dass sich der Geruch frischen Kaffees durch den ganzen Raum zog. Seufzend blickte sie auf das schwarze Gold, das seine letzten heißen Dampfwolken ausstieß. Eigentlich ist die Woche erst übermorgen rum…aber das wäre doch Verschwendung, oder? Vorsichtig nippte Rin an ihrer Tasse. Ihr war bis dahin nie bewusst gewesen, wie abhängig sie von dem Zeug geworden war. Interessiert beobachtete ihr Sitznachbar sie bei ihrem kläglichen Versuch, ihrer Kaffeesucht zu trotzen. Er selbst hatte einen Eistee überreicht bekommen, nachdem Makoto schnell hinter dem Tresen verschwunden und Sekunden später mit einem langen schmalen Glas aufgetaucht war. Wie Rin erfahren hatte, konnte Mokuba überhaupt keinen Kaffee ausstehen. Er selbst hatte einmal gesagt, dass sein Bruder genug für sie beide trinken würde und Rin hatte ihm das sofort abgekauft. Von wegen, ich hätte hier das Problem.. wer schon vier Uhr frühs damit anfangen muss- Der Jüngere der Kaiba Brüder nahm einen kräftigen Zug aus seinem Strohhalm und nickte. "Vor ein paar Wochen meldete sich Wongs Duellagent." "So etwas gibt es?" Rin hörte zum ersten Mal davon - obwohl ihr, wenn sie richtig darüber nachdachte, dieser Gedanken schon längst hätte kommen müssen. "Viele Duellanten, die früher einmal selbstständig waren, haben einen Duellagenten. Mai Kujaku zum Beispiel", der Jüngere kratzte sich am Kinn, "obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass ihr Agent empfohlen haben soll, zu Paradius Inc. zu wechseln." "Wenn ein gutes Angebot winkt", überlegte Rin. "Wohl kaum", der Jüngere begann mit dem Strohhalm im Glas herum zu rühren. "Von Aussteigern wissen wir, dass Dartz seine Spieler kaum bis gar nicht bezahlt." "Was?!" Rin verschlug es die Sprache. "Sie bekommen kein Geld?" "Selten, ja. Wie ich hörte werden sie mit allem Nötigen ausgestattet, was sie während des Turniers so brauchen. Inklusive Apartment, einem eigenen Wagen und kostenlosem Zutritt zu sämtlichen Clubs und Restaurants. Für Mai, die bereits alles davon hat, ist das ja kein wirklicher Anreiz, die Seiten zu wechseln. Schon gar nicht für ihren Agenten." Mokuba hielt inne und starrte auf sein halbleeres Glas. "Soweit ich weiß ist Industrial Illusions - in der Firmenbranche auch als I² bekannt - der beste Ansprechpartner, was die Bezahlung angeht. Die Löhne der Duellanten sollen abartig groß sein. Ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit, die ihre Spieler auf der ganzen Welt bekommen." "Ich hörte davon", murmelte Rin, die bereits eine lange Liste an verpassten, unbekannten Anrufen hatte und sie sich seit dem Abhören ihrer Mailbox sicher sein konnte, dass nur einer dafür in Frage kam. "Wenn I² Wong rauswirft, sieht es eng für sie aus. Nach China kann sie auch nicht mehr zurück. Zumindest nicht als Duellantin. Als Crawford sie von einem großen chinesischen Unternehmen abgeworben hatte, wurde sie praktisch aus ihrem Heimatland verbannt. Die dortige DuelMonsters-Branche nimmt so einen Verrat ziemlich ernst." Der Schwarzhaarige streckte die Beine aus. "Vorletzte Woche kam dann dieser Wisch zu Seto", Mokuba seufzte, "er war stinksauer, dass dieses Angebot die Geschäftsleitung erreicht hatte. Normalerweise kümmert sich die Personalabteilung um diesen ganzen Papierkram. Wahrscheinlich ist jetzt wieder ein armer Unwissender seinen Job losgeworden…naja…mein Bruder hat sich das Angebot nicht einmal durchlesen wollen. Er sagte sowas wie 'was denken die eigentlich, was wir sind. Eine Auffangstation für Obdachlose, oder was?!'" Rin sah Seto Kaiba klar vor sich. Der eiskalte Blick und der genervte Ton, weil er in seiner eigentlichen Arbeit gestört wurde. "Seto", sprach Mokuba weiter, "hat dem Agenten nicht mal eine Absage zukommen lassen. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb Vivian Wong neulich persönlich bei uns aufgetaucht ist." "Echt?!" Rin machte große Augen. Nur zu gerne wäre sie an dem Tag in der Firma gewesen. Irgendwie konnte sich die junge Frau bereits denken, was passiert war. "Das war zu dem Zeitpunkt als du noch im Krankenhaus warst und niemand von außen wusste, was nun mit dir ist. Vielleicht hat sie gedacht, du wurdest disqualifiziert und hat ihre Chance kommen sehen. Von ein paar Mitarbeitern weiß ich, dass im Flur der Kaiba Corp. ein richtiger Aufstand verursacht worden war. Wong muss geschrien haben, dass sie ein Anrecht hätte, den Chef zu sehen - sowas eben. Seit dem Grand Championship ist sie hinter meinem Bruder her…oder die Firma, ich kann es nicht so genau sagen." Mokuba zuckte mit den Schultern. "Seto hat dann einen von unseren Wachmännern aufgefordert, Wong aus der Firma zu begleiten. Wie ich gehört habe, muss sie richtig ausgeflippt sein, weil mein Bruder sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, persönlich zu antworten." Er schnaubte. "Da sieht man, dass sie nichts über ihn weiß." Rin nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Kaffee. Es war zu schwer, das Grinsen zu unterdrücken, dass sie nicht merkte, wie sie die ganze Tasse in einem Zug geleert hatte. "Ich sehe ihren Gesichtsausdruck richtig vor mir." Rin stellte die Tasse ab. "Mir war klar, dass Seto sie nie einstellen würde. Schon allein, weil sie bereits für Industrial Illusions gespielt hat und er grundsätzlich keine Spieler von anderen Firmen aufkauft. Außerdem würde sie überhaupt nicht zu uns passen." Er lächelte. "Wir haben schließlich dich." Rin lächelte zurück. Dann wurde Mokuba wieder ernst. "Lass' dir von so einer nicht einreden, dass du unter ihr stehst." Die junge Frau sah ihn verdutzt an. "Wie kommst du darauf?" "Weil sie doch sagte, dass sie viel hübscher sei als du. Das finde ich überhaupt nicht-" Er geriet ins Stocken, riss die Augen auf und wurde schlagartig knallrot im Gesicht, "also…ähm, ich meine…nicht, dass ich auf dich stehen würde-" Er fuchtelte mit den Armen, warf dabei fast seinen Eistee um, "ich meine, nicht dass du nicht süß wärst oder so…aber…nein, nochmal von vorne", er schlug mit dem Kopf auf die Tischplatte ein, "du bist schließlich älter als ich…und da…oh Gott-" "Mokuba", stupste ihn Rin vorsichtig an der Schulter an. Langsam schaute der schwarzhaarige Wuschel auf. Seine großen runden Augen sahen nie unschuldiger aus. Wie die eines Kindes- "Schon gut, ich habe dich verstanden", sie lächelte, "keine Angst, ich hatte auch nie das Gefühl, dass du auf mich stehst. Du bist eher wie ein jüngerer Bruder - oder ein nahestehender Verwandter, und das soll keine Beleidigung sein." Zudem hatte Rin vor einiger Zeit raushören können, dass der Jüngere der Kaiba Brüder in ein Mädchen aus seiner Klasse verschossen sein musste, und dass Mokuba sich nur nicht traute, sie um ein Treffen zu bitten, da er kaum Zeit in der Schule verbrachte und sich nie die passende Möglichkeit ergab, sie direkt darauf anzusprechen. "Geht mir genauso", strahlte Mokuba zurück und richtete sich wieder auf. Er kratzte sich lachend den Kopf. "Und du stehst sicher eher auf ältere Typen wie Yamato, habe ich nicht recht?" Das ist schon das zweite Mal, dass er sowas sagt "Wie gesagt", winkte Rin ab, "Yamato und ich sind nur gute Freunde." "Aber stehst du auf ihn?" "Das ist ziemlich direkt für einen Sechzehnjährigen, Mokuba", Rin beäugte ihn skeptisch, "ich könnte sonst noch auf falsche Gedanken kommen." Wieder lachte der Schwarzhaarige. "Tschuldige. Bin nur neugierig. In der Firma wird bereits heiß diskutiert, auf was für einen Typ Mann du stehst." "Was?!" riefen Rin und - zu ihrer Überraschung - Makoto gleichzeitig. Die Kassiererin, welche vor ein paar Minuten zur Theke zurückgekehrt war, kam an den Tisch und beugte sich zu den beiden Gästen herunter. Mokuba, der die Aufmerksamkeit der beiden sichtlich genoss, verschränkte triumphierend die Arme vor der Brust. "Was denkst du denn! Die halbe männliche Belegschaft will dich zu einem Date einladen. Die meisten haben bloß Schiss dich anzusprechen. Die andere Hälfte denkt, du bist bereits in festen Händen, weil du auf keinen ihrer Flirtversuche anspringst." "Flirtversuche?" Rin verstand gar nichts mehr. Krampfhaft versuchte sie sich daran zu erinnern, wann und vor allem wer sie angeflirtet haben könnte. Der Kerl von der Buchhaltung macht ständig solche Andeutungen…aber so einer baggert jede an Makoto stupste sie von der Seite an. "Du bist ja heiß begehrt." "Ich weiß ja nicht", nuschelte Rin und hätte am liebsten eine weitere Tasse Kaffee, hinter welcher sie sich verstecken könnte. "Vermutlich haben die bloß meinen letzten Gehaltscheck gesehen." Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Aber ja, es stimmt. Die Blicke der anderen sind mir auch schon aufgefallen. Aber ich hatte nie daran gedacht, dass ein paar von denen auf mich stehen könnten. Ich achte da ehrlich gesagt nicht so sehr darauf. Lumina meint auch immer, dass ich wie eine Blinde durch die Welt laufe." Sie geriet ins Grübeln. "Die meisten verhalten sich erst nach meinen Duell mit Wotan Arizu so seltsam, dass ich angenommen hatte, dass es eher damit zusammenhängt." "Na wohl eher dein Outfit", zwinkerte ihr Makoto zu, worauf Rin zaghaft zu sich herunter sah. Die junge Frau trug seit einigen Tage die Haare offen, nachdem ihr hoher Pferdeschwanz zum Erkennungsmerkmal geworden war und jeder sofort auf sie aufmerksam wurde, sobald sie damit durch die Straßen Dominos schlenderte. Dazu hatte sie sich für einen etwas dezenteren Kleidungsstil als den imposanten Mantel, den Maki ihr kreiert hatte und sie wie eine Kriegerin einer Phantasiewelt aussehen ließ, entschieden. Zumindest hatte die junge Frau geglaubt, dezent herüber zu kommen. Heute hatte sie sich ein knielanges, dunkelblaues Kleid ausgesucht, wodurch ihr silberner Armschmuck besonders gut zur Geltung kam, und nur draußen von ihrem Trenchcoat verdeckt wurde, dass nicht dem erstbesten ihre Zugehörigkeit auffiel. Das Kleid war eng um ihre Hüften geschnitten und mit einem breiten Gürtel versehen, der ihre Taille noch schmaler erscheinen ließ. Sicher nicht das unauffälligste Kleidungsstück, aber Rin war es weniger provokativ erscheinen als ihre viel zu knappe Lederhose, die tatsächlich eine beachtliche Menge an männlicher Aufmerksamkeit auf sich zog. Dabei fielen ihr immer wieder Luminas Kommentare dazu ein, die Rin am liebsten mit dieser Hose und einer dazu passenden Peitsche ablichten wollte. Noch während sie versuchte, den heutigen Tag in Erinnerung zu rufen, sowie die womöglich verpassten Blicke ihrer Kollegen, vibrierte ihr Telefon. Das Smartphone, welches die ganze Zeit neben ihrer Tasse gestanden hatte, zeigte wieder einmal die unbekannte Nummer an. Lumina hatte sie bereits gefragt, wie lange sie die Anrufe ignorieren wollte, und Rin hatte auch schon in Erwägung gezogen, sich eine neue Nummer zu zulegen (wobei sie diesen Gedanken schnell verwarf, da sie sich sicher war, dass Crawford auch an diese Nummer heran käme). "Kannst ruhig ran gehen", sagte Mokuba und lächelte, "ich wollte mit Makoto eh noch die Gebäckliste für kommenden Herbst durchgehen." "Schon gut", winkte Rin ab und drückte den roten Knopf, "ist nur nerviger Spam." "Wenn unsere Leute von der IT mal drüber schauen sollen-" "Nein, nicht nötig." Der Jüngere kramte sein eigenes Handy aus der Umhängetasche, die er neben seinem Stuhl liegen hatte. "Obwohl, bevor ich mich an die Arbeit machen…eine Sache würde mich doch noch brennend interessieren." Er wischte kurz über den Bildschirm, checkte seinen eigenen Berg an Nachrichten, bevor er das Telefon wieder weg legte und zu Rin sah. "Warum warst du eigentlich so sauer als Wong das Magiermädchen beschworen hat? Ich meine, klar, sie hat nicht mit ihrem Deck gespielt, aber du scheinst allgemein ein Problem mit diesem Monster zu haben." Verräterisch grinste er sie an. "Das liegt doch nicht etwa daran, dass sie eine von Yugis Karten ist. Du weißt schon: Hexer- vs. Drachendeck." "Nein, damit hat es wirklich nichts zu tun", Rin schob ihre leere Tasse zur Seite. "Ich kann sie einfach nicht leiden." "Einfach so…schon klar", Mokuba hob die Augenbrauen. Er ließ einfach nicht locker, dass Rin gar nicht erst versuchte, sich herauszureden. Dafür war ihr die Sache nicht so wichtig und Mokuba schon fast sowas wie ein guter Freund, dass sie einfach zu erzählen begann: "Es hat etwas damit zu tun, wie ich meine weißen Drachen mit eiskaltem Blick bekommen habe. Schon damals gab es nur wenige Geschäfte, die ihn verkauften und während des ersten Battle-City-Turniers war diese Karte auf das doppelte ihres Werts gestiegen. Deshalb habe ich damals in einem Maidcafé gearbeitet. Anfangs haben Lumina und ich heimlich gejobbt. Wir waren noch minderjährig und das Café stellte ausschließlich über Achtzehnjährige ein. Dass Lumina an ihrem Alter getrickst hatte, flog leider schon in der zweiten Woche auf. Der Besitzer kam zu Besuch und machte seinen Stellvertreter zur Schnecke, weil Lumina niemals als Volljährige hätte durchgehen dürfen. Ich glaube, der Kerl, der den Boss vertrat, stand insgeheim auf sie-" "Moment mal", unterbrach Mokuba sie, "du hast in einem Maidcafé gearbeitet!?" Er schüttelte den Kopf, wobei sichtlich die Ohren zu glühen anfingen. "Das glaube ich nicht." "Doch, wirklich. Zuhause habe ich sogar noch Beweise. Glaub' mir, ich habe es gehasst. Aber der Job brachte gutes Geld; mehr als ich beim Zeitungen Austragen hätte verdienen können. Außerdem hatte ich eine Deadline. Der Besitzer des Spieleladens hat mir die Karten für genau drei Monate beiseite gelegt." "Diese Beweise will ich unbedingt sehen", grinste Mokuba. "Mal sehen", entgegnete Rin, die im Geiste die Geschehnisse zurück lief. "Und was hat das jetzt mit dem Magiermädchen zu tun?" "Wie gesagt: zu dem Zeitpunkt war das Battle-City-Turnier im vollem Gang und das Magiermädchen voll angesagt, dass die Betreiber des Cafés ein extra Thema bereit gestellt hatten." "Oh Gott, ich weiß, was jetzt kommt", Mokuba konnte sich vor Lachen kaum mehr halten. "Es gab", knirschte Rin mit den Zähnen, "mehrere Ausgaben von Magierinnen. Die Beliebteste war natürlich das schwarze Magiermädchen. Also musste ich eine blonde Perücke aufsetzen, mein knappes Kleidchen überziehen und mit der Stimme eines naiven kleinen Mädchens die Gäste begrüßen. Nicht zu vergessen, die berühmte Pose auflegen, sobald ein Kunde den Raum betritt und dabei immer schön lächeln als wäre mein Gestöhne das Unschuldigste der Welt." Mokuba drückte sich den Mund zu. Tränen rannen aus seinen Augen. Daraufhin packte sie die Haare des Jüngeren, zog ihn zu sich heran und wedelte belehrend mit dem Zeigefinger. Dabei lächelte sie. Wie früher, wenn Lumina mit ihren Scherzen übertrieb. Wäre es nicht Mokuba, wäre sie wohl nicht so freundlich mit ihm umgesprungen. Es hatte kaum eine Zeit gegeben, in der sie sich so erniedrigt gefühlt hatte wie in diesen drei Monaten. Noch dazu waren alle begeistert gewesen, wenn Rin ihre blonde Perücke aufgesetzt hatte und mit einer fetten Schicht Makeup die Arbeit angegangen war. "Deshalb", Rin ließ von dem Schwarzhaarigen, nachdem er sie entschuldigend angesehen und sich die Tränen vom Gesicht gewischt hatte, "deshalb hat es mir auch nichts ausgemacht, als Wong mich beleidigt hat. Ich wusste, dass ihr Aussehen nur Show ist. Jeder kann so aussehen, wenn er genug Schminke im Gesicht hat." "Wolltest du deswegen nicht, dass Maki dir ein neues Aussehen verpasst?" Mokuba hatte wieder sein ernstes Gesicht aufgesetzt. Rin tat einen tiefen Atemzug. "Ich wollte einfach nicht mehr jemanden darstellen, der ich nicht bin." Fragend sah sie der Jüngere an. "Das ist eine lange Geschichte, und eigentlich ist sie nicht besonders spannend", Rin bemühte sich zu lächeln, "die Hauptsache ist, dass ich sein kann, wer ich bin…obwohl ich mich manchmal schon frage, ob dieses Duell-Ich mein wahres Ich sein soll." Dafür hatte Rin zu viel Zeit damit verbringen müssen, jemand zu sein, der den Erwartungen anderer gerecht wurde, dass sie sich manchmal nicht sicher war, ob diese Seite ihrem wahren Charakter entsprach. Es kam nicht das erste Mal vor, dass sie sich gefragt hatte, wer sie wirklich war und nicht, wer sie zu sein hatte. "Wäre das so schlimm für dich?", fragte sie schließlich Mokuba und riss sie aus ihren Gedanken raus. "Naja", entgegnete Rin, "diese Seite an mir ist ja nicht gerade die Netteste", sie schüttelte lächelnd den Kopf als sie sich an etwas erinnerte, "es gab da so ein Erlebnis: meine Cousine hat mir als Teenager zum ersten Mal gezeigt, wie Spiele gespielt werden." "Dein Ernst?! Du hast vorher noch nie gespielt?" "Nur Shogi - aber auch bloß, weil mir mein Großvater gezeigt hatte, wie es geht. Ich weiß noch, dass ich mit ihr in einer Spielhalle war. Da gab es dieses eine Spiel - Space Invaders. Der Automat stand ganz hinten in einer Ecke, weil es schon so alt war. Meine Cousine erklärte mir, wie die Knöpfe gingen und von da an, war ich gar nicht mehr davon weg zu kriegen. Ich glaube, ich hab' damals sogar den Rekord gebrochen. Meine Cousine meinte, dass ich einen ganz anderen Blick drauf hätte, wenn ich spiele. Als wäre ich besessen-" "Vom Spieleteufel", sagte Mokuba wie in Trance und starrte durch sein leeres Glas hindurch. Dann schien er sich bewusst, wo er sich befand und sah wieder zu Rin. "Sorry, ich musste gerade an etwas denken. Nicht so wichtig." "Bist du sicher?", Rin glaubte, den Schwarzhaarigen langsam ein wenig durchschaut zu haben. Es kam immer wieder vor, dass Mokuba etwas melancholisch wurde. Den Grund hatte Rin noch nicht herausfinden können. "Schon gut", winkte der junge Kaiba wie jedes Mal ab, "das ist längst Vergangenheit. Ich will mich lieber auf die Gegenwart konzentrieren." "Da stimme ich dir zu", entgegnete Rin und wollte etwas hinzufügen als ihr Handy ein weiteres Mal vibrierte. "Du bist echt gefragt, was?" Mokuba schüttelte den Kopf. "Von woher kenne ich das nur…" Der lässt einfach nicht locker Doch es war kein Anruf. Rechts oben blinkte eine neue Nachricht aus ihrem Mailpostfach auf: [13:48] von: Kaiba Seto, CEO Kaiba Corp. Rin musste zweimal den Adressat lesen, bevor sie sich absolut sicher war, sich nicht verlesen zu haben. Kaiba hat mir bisher nur einmal geschrieben…ah, nein! Weg mit diesen Bildern! "Rin?" Sie öffnete die Nachricht. Einmaliger Ausrutscher oder hast du noch mehr Ideen auf Lager? Die junge Frau starrte auf den Text. Er will mich wohl wieder provozieren. Als ob ich nicht mehr drauf hätte als ein paar Container anzuleuchten. Sie biss sich auf die Unterlippe. Aber was du kannst, kann ich schon lange [13:51] von: Yamamori Rin, Mitarbeiter ID: 569 Was denkst du? Schnell drückte sie auf senden, bevor sie es sich noch anders überlegte. Kaum wollte sie ihr Handy weglegen, kam auch schon seine Antwort. Ich denke, dass ich mich selbst davon überzeugen muss … Wie immer Sie wusste, dass er damit auf die Uhrzeit anspielte. Der junge Firmenchef bevorzugte es, kurz nach achtzehn Uhr das Geschäftliche niederzulegen und mit seinem Projekt fortzufahren - was zwar im Grunde genommen ein Teil seiner Arbeit darstellte, doch in Rins Augen mehr als das für ihn bedeutete. Aber vielleicht dachte sie das auch nur, weil Kaibas Lebenssinn in dessen Arbeit zu bestehen schien. Laut seinem kleinen Bruder gab es für den Älteren nichts Wichtigeres als die Kaiba Corporation - und tatsächlich konnte sie sich Seto Kaiba ohne seine Firma überhaupt nicht vorstellen. Schnell tippte sie ein >in Ordnung< in das Antwortfeld ein und verschickte es. "Entschuldige, Mokuba", sie steckte ihr Smartphone in die Tasche, "was hattest du nochmal gesagt…huch?" Verwirrt starrte sie auf den leeren Platz neben sich. Den Kopf gedreht entdeckte sie den schwarzhaarigen Wuschel, wie er mit Makoto die Bestellungen durchging. Als ihre Blicke sich kreuzten, fingen ihre beiden Freunde zu grinsen an. Wie sie die Köpfe zusammen steckten machten sie den Eindruck als seien sie zwei eingeschworene Komplizen. Nur für was, das wusste Rin nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)