Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 41: ------------ Mit einem Grinsen saß Rin am Frühstückstisch, wärmte ihre Hände, die wie jeden Morgen zwei tiefgefrorenen Kühlakkus gleichkamen, mit einem frischen Pott Kaffee. Leichte Schatten lagen auf ihren funkelnden Augen. Obwohl sie nicht all zu spät die Kaiba Corporation verlassen hatte, war diese Nacht kaum an Schlaf zu denken gewesen. Immer wieder kreisten die Gedanken um ihren virtuellen Spaziergang und an dieses Gefühl als sie schließlich den Helm abnehmen konnte und in die wirkliche Welt zurück gekehrt war. Es war nicht annähernd dasselbe Gefühl als wäre sie aus einem Traum erwacht. Ihr Geist fühlte sich erschöpft an, ihr Körper wie ein fremdes Anhängsel, zudem sie nur langsam wieder Vertrauen aufbaute. Das erste, was die junge Frau zu Gesicht bekommen hatte, war Kaibas ernster, jedoch weniger feindselige Gesichtsausdruck. Er hatte die ganze Zeit am Pult gestanden (zumindest glaubte das Rin) und sein Gesicht einem der unzähligen Bildschirme zugewandt, welche direkt vor ihm platziert waren und die Rin vorher gar nicht bewusst wahrgenommen hatte. Er schien weniger zufrieden, denn nachdenklich. Mit einem Nicken hatte er die Arbeit für beendet erklärt - zumindest für Rin. Nachdem Kaiba sie aus den geheimen Räumen und zurück in die Eingangshalle der Kaiba Corporation geführt hatte, war er wieder Richtung Fahrstühle geschritten. Wenn es nach Rin gegangen wäre, hatte sich noch länger in den virtuellen Räumen zugebracht. Besonders in diesen einen letzten. Der junge Firmenchef hatte sie nach ihrer Einführung dazu aufgefordert, einen - wie hatte er es ausgedrückt? - Dungeon nach ihrer Erinnerung zu gestalten. Eigentlich kannte die junge Frau diesen Begriff lediglich aus der Spielewelt und wusste nicht, wie die einzelnen Zusammenhänge verknüpft waren, aber Kaibas Anweisungen würde sie nie öffentlich anzweifeln. Der Ort, den sie auswählen sollte, musste sie vor ihrem geistigen Auge sehen - möglichst detailgetreu und ohne Verschnörkelungen; die leichteste Übung für die junge Frau. Dabei hatte sie in ein Headset sprechen und jede Kleinigkeit genauestens beschreiben müssen. Seltsam war es, laut die Gedanken auszusprechen. Das leise Echo ihrer eigenen Stimme hatte durch die Kopfhörer gehallt. Noch nie hatte sie ihre Stimme gern auf Videobändern oder sonstigen Aufnahmen gehört. Zudem war sie keine sonderlich gute Geschichtenerzählerin, dass die ersten Sätze abgehakt und stockend über ihre Lippen gekommen waren. Erst als sie verdrängte, dass sie beobachtet und von allen Seiten analysiert wurde und sie sich einfach vorstellte, die Worte nur zu denken, erst dann wurde ihr Redefluss weicher, die Worte sprudelten aus ihr heraus, Eindrücke wurden klarer und am Ende hatte sie sogar richtig Spaß daran. Ich frage mich, was Kaiba damit bezweckt Rin nippte an ihrem Becher und sah aus dem Fenster - die Aussicht auf die unzähligen Hochhäuser und Hotelketten ließ sie weiter abdriften. Irgendetwas verschweigt er mir... sicher, er wird es mir nie verraten, aber es muss schon etwas Beeindruckendes sein. Warum sonst sollte er mir sein geheimes Projekt zeigen. Rin seufzte. Und was für Informationen sollte ich für ihn haben? Wieso meine holographischen Performances besser als die der anderen sind?... Übertreib' es nicht, Rin. Beim nächsten Mal- Sie hielt inne und freute sich bei dem Gedanken, bald wieder daran arbeiten zu dürfen, wie ein kleines Kind. "Also", Yamatos Stimme riss sie aus ihren Tagtraum, "wenn du so abwesend durch die Gegend schaust, würde ich nur zu gern wissen, was in deinem Kopf vorgeht." Der Schwarzhaarige hielt selbst eine große Tasse Kaffee in der Hand. Entspannt stand er vor der Küchenzeile und grinste die junge Frau schief an, dass Rin die Farbe ins Gesicht schoss. "Ich musste nur an meine Arbeit denken", nuschelte Rin und blickte zu ihrer Tasse herunter. "Wenn ich nur auch so von meiner Arbeit schwärmen könnte", grinste der Schwarzhaarige noch breiter und stützte sich an der Platte ab. Mit seinen warmen Augen sah er in Rins leicht verschlafenen Blick, dass sie ihre eigenen Seelenspiegel leicht nach unten sinken ließ. "Ich hätte auch nie gedacht, dass ich jemals meine Arbeit lieben könnte." Sie bereute sofort, diese Worte in den Mund genommen zu haben. Irgendwie schien es ihr fehl am Platz. Als wäre es verboten, so darüber zu reden. "Man sieht, dass du mit Leidenschaft dabei bist", entgegnete Yamato und setzte seine leere Tasse ab, "da fällt mir ein", seine Augen wurden mit einem Mal groß und kaum den Satz ausgesprochen verschwand er in den Flur. Rin sah ihm noch fragend hinterher, bis der Schwarzhaarige zurückkehrte - mit einer DuelDisk. Ihrer DuelDisk, und der Deckbox, in dem sie ihre seltensten Schätze aufbewahrte. "Lumina meinte", dabei hielt er ihr die DuelDisk hin als trüge er eine Verantwortung, von der er froh war, sie wieder abgeben zu können, "dass du nicht darauf verzichten könntest." Lächelnd nahm sie es entgegen. "Selbst daran hat sie noch gedacht." Obwohl ein paar Wechselklamotten auch nicht schlecht gewesen wären. "Sie klang ernsthaft besorgt um dich", Yamato fuhr sich durch die Haare, dass sie glaubte, er wollte noch etwas hinzufügen. Stattdessen betrachtete er Rins Arbeitsequipment, das sich die junge Frau ans Handgelenk befestigte, ohne dabei ihren Kaffee aus den Händen zu geben. "Ja", entgegnete Rin und drückte die beiden Enden zusammen, dass sie mit einem Klick einrasteten, "dabei mach' ich mir gerade mehr Sorgen um sie." Sie drehte ihren Arm, prüfte ob die Disk auch wirklich fest genug war. "Sie steht vor einer wichtigen Zwischenprüfung und braucht die Zeit zum Lernen. Jetzt nicht nach Hause zu können, ist für sie belastender als es den Anschein hat." Rin wusste, dass sich Lumina nur ihretwegen nicht beschwerte. Nie hätte ihr schwarzhaariger Wuschel freiwillig ihren Privatraum aufgegeben, schon gar nicht, um bei ihrer Cousine einzuziehen. Auch wenn Sakura keine Fremde war, fühlte sich Lumina nie wohl, wenn sie nicht ihren Rückzugsort hatte. Rin war die einzige, die sie in ihrer unmittelbaren Nähe auf unbegrenzte Zeit ertrug. Für andere kaum nachvollziehbar, verstand Rin die extrem schüchterne Art der Schwarzhaarigen, welche manche als Ablehnung oder Verachtung missdeuteten. Und so wie Lumina sie vor allem Übel beschützen wollte, war es auch für Rin schwer, ihre Freundin nicht unterstützen zu können. Eher im Gegenteil - ihr Job fing an, auch Luminas Privatleben zu beeinträchtigen. Die junge Frau wusste, dass schnell eine Lösung her musste. So konnte es nicht ewig weitergehen. Erneut ging ihr Blick Richtung Fenster. Aus der Ferne meinte sie, das Kaiba Building erkennen zu können. "Übrigens", sagte Rin und fuhr sich durch die Haare, "danke, dass ich mich vorübergehend bei dir...verschanzen kann." Aus der Spiegelung sah sie ihn erneut lächeln. Zusammen mit dem Anzug, der zu seinem täglichen Arbeitslook zählte, sah er unverschämt charmant aus. "Du bist herzlich willkommen." Seine Stimme war weich, zusammen mit diesem Blick würde sie ihm alles glauben. Schon gestern Abend hatte er sie herzlich empfangen. So als würden sie sich bereits ewig kennen. Zwei Monate waren nichts, aber Zeit bewies sich wieder einmal als relativ, gerade jetzt. Yamato mit seiner Art machte es Rin unglaublich leicht, sich wohl zu fühlen. Ganz selbstverständlich hatte er ihr Essen warm gehalten (sie war erleichtert, dass er nicht selbst gekocht hatte; seine unzähligen Fähigkeiten mit seinem Wesen gepaart waren wie ein unwirklicher Traum). Wann hatte sie schon einen Mann getroffen, der scheinbar so perfekt war? Rin hatte nicht schlecht gestaunt, als sie sein Apartment betreten hatte - sein Zuhause war weitaus gepflegter als sie es von anderen Kerlen gewohnt war. Ihr letzter Freund hatte eine typische Singlebude gehabt- überall hatten Fastfood-Verpackungen gelegen, Pizzaschachteln stapelten sich an den Fensterbrettern, Cola- und Limoflaschen standen aneinandergereiht als wären sie für eine Runde Kegeln aufgestellt worden. Yamatos Apartment war das genaue Gegenteil - irgendwie richtig erwachsen. Saubere Zimmer - nicht nur oberflächlich. Er wohnte noch nicht lange hier, dass kaum Persönliches von ihm zu finden war: Ein paar Bücher lagen auf dem Fensterbrett seines Wohnbereiches, daneben einige lose Dokumente, die er wohl von Arbeit mitgenommen hatte. Die Küche hatte einen offenen Zugang zum Wohnzimmer, was dem Raum eine enorme Präsenz und Größe verlieh. Am Kühlschrank klebte eine Postkarte, die einen Strand in Osaka zeigte. Wohl von einem Freund. Rin hatte diesen einzigen, bunten Fleck genauer betrachtet und trocken festgestellt, dass sie noch nie einen richtigen Strandurlaub gehabt hatte. Ihre Eltern waren weniger die typischen Familienurlauber gewesen. Sie hatten zweimal richtig Urlaub gemacht - außerhalb Domino Citys, nahe der Berge. Die Großtante ihres Vaters hatte dort ein gemütliches Anwesen mit Tieren und einem kleinem Feld zum privaten Anbau. Die restlichen Ferien verbrachten sie Zuhause, damit Rin Kurse besuchen konnte. Zusätzliche Lernmodule zur weiterführenden Bildung. Noch bevor sie schlechte Laune bekommen konnte, hatte sie sich Yamato zugewandt, der ihr sein Schlafzimmer für die nächsten Tage angeboten hatte. Der Schwarzhaarige gab sich die Nacht mit dem Sofa zufrieden, dass Rin ein schlechtes Gewissen bekommen hatte. Doch Yamato hatte bloß abgewunken, dass sie kaum mehr etwas entgegen zu bringen hatte. Schon mehrmals hatte sie sich bei dem schwarzhaarigen jungen Mann bedankt, da sie einfach nicht wusste, wie sie ihre Empfindungen anders ausdrücken konnte. Sie wusste, dass das Schicksal es derzeit gut mit ihr meinte. Es passierte so viel, Ereignisse überschlugen sich, dass sie kaum mehr zu Atem kam. Sicher, sie war erst am Anfang. Der Worldcup ginge erst in die heiße Phase, die wirklich wichtigen Duelle lägen noch vor ihr. Es blieb kaum Zeit, sich vorzubereiten. Dann auch noch so etwas wie ein Privatleben dazwischen zu bekommen, während bereits Seto Kaiba mit seiner neuen Technologie um die Ecke kam, war mehr als nur Jonglieren. Es war nicht Rins Talenten zu verdanken, dass weder Lumina sich beschwerte noch Yamato sich von ihr distanzierte. Beide Menschen gaben ihr die Normalität, die den Wahnsinn der DuelMonsters-Branche ins Gleichgewicht brachte. Ohne einen von ihnen wäre sie womöglich auch zu einem dieser Spinner mutiert. Irgendwann würde sie sich dafür revanchieren. Sie erwiderte sein Lächeln und hoffte, bald mehr Zeit mit dem Schwarzhaarigen verbringen zu können. Rin hatte das Gefühl, dass sie es ihm schuldig war. Kaum richtig für sie zu beschreiben, verspürte sie so etwas wie ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich trafen oder sie an ihn dachte. So ein Gefühl kannte sie noch nicht. Bisher war es Rin, die um Aufmerksamkeit gebuhlt hatte. Dass jemand so direkt ihre Nähe suchte, war schmeichelnd und gleichzeitig nagten an ihr Zweifel, ob sie das Richtige tat, in dem sie sich bei Yamato einquartiert hatte. Noch hatte keiner von ihnen darüber gesprochen, als was sie sich sahen - Bekannte, Freunde… Sie wusste, sie musste sich damit auseinandersetzen, wenn es auch nicht zu ihren Stärken zählte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass dafür nicht der richtige Zeitpunkt war. Schnell trank sie den restlichen Kaffee, bevor sie Yamato in den Flur folgte. "Bist du dir sicher, dass du schon mitkommen willst?", entgegnete der Schwarzhaarige und holte aus einer kleinen Schale seine Autoschlüssel heraus, "du hättest dich ruhig noch etwas ausruhen können. Wie schon gesagt, fühl dich ganz wie Zuhause." "Schon okay", erwiderte Rin und stülpte sich ihre Ankleboots über, "ich wüsste sowieso nichts mit mir anzufangen. So kann ich mich wenigstens ungestört auf die nächsten Duelle vorbereiten." "Deine Arbeitszeiten würden mich wahnsinnig machen", lachte ihr Gegenüber auf und öffnete die Tür, "ich finde es schon ächzend, wenn ich alle drei Wochen in den Bereitschaftsdienst muss." "Es fühlt sich für mich weniger nach Zwang an. Eher so als könnte ich selbst bestimmen, was ich tue... natürlich nur, wenn ich trainiere", sie schüttelte schmunzelnd den Kopf und folgte ihm in die Garage. Nicht nur, dass Yamatos Apartment in der Stadtmitte lag und einige Quadratmeter größer als die kleine rechteckige Kiste von Wohnung, die sie und Lumina bezogen. Das Wohnhaus besaß einen Nachtwächter, jeder hatte einen Balkon, der direkt auf das Meer gerichtet war, dass Rin in der Nacht die Kräne der Hafencity erkennen konnte. Sofort waren die Bilder der Simulation zurückkehrt - und ein unaufhörliches Kribbeln in ihrer Brust. "Wie weit sind wir von der Firma entfernt? Zwanzig Minuten?", fragte Rin, als sie in den Wagen gestiegen waren und Yamato aus der Ausfahrt fuhr. Gestern Abend hatte sie, trotz Yamatos genauer Schilderung, ihre Haltestelle verpasst, dass sie ein weites Stück zu Fuß hinlegen musste, bis sie die angegebene Adresse gefunden hatte. "Mit dem Auto sogar nur zehn Minuten", entgegnete Yamato und holte aus dem Seitenfach eine Sonnenbrille heraus. Die tiefstehende Sonne schien direkt in die Frontscheibe, dass Rin stattdessen aus dem Seitenfenster blickte. "Ich wünschte, unsere Wohnung wäre nicht so am Rande der Welt." "Wohnst du schon lange mit Lumina zusammen?" "Etwa zwei Jahre", antwortete Rin. Die Zeit davor fühlte sich bereits so fern an und das Zusammenwohnen mit ihrer besten Freundin so natürlich, dass sie manchmal überlegen musste, wie lange es eigentlich her was. "Keiner von uns beiden hatte zu der Zeit genug Geld, um sich was eigenes zu suchen...und außerdem hatten wir uns geschworen, nach dem Abschluss unserer Ding gemeinsam durch zu ziehen." "Verstehe ich", Yamato nickte, "meinem damaligen Kumpel und mir ging es da ähnlich. Mein Vater hätte mir zwar das Studium finanziert, aber damals wollte ich von ihm nichts annehmen." "Du hast mal erzählt, dass deine Eltern getrennt leben - oder?", erinnerte sich die junge Frau an ihr zweites Treffen im Café. Sie hatte an dem Tag viel über Yamato erfahren. "Mein Vater", sagte Yamato - man konnte förmlich hören, wie sein Ton ernster wurde, "hatte sich nach der Scheidung kaum blicken lassen, dass ich schon fast vergessen hatte, dass es ihn überhaupt gibt. Als er nach der Schule ankam und mir vorschlug in seiner Firma zu arbeiten, hab ich ihm erstmal den Vogel gezeigt." "Lass' mich raten: dein Vater wollte, dass du eines Tages die Firma leitest." "Das will er heute noch", seufzte Yamato und hielt an der roten Ampel, "am liebsten als stellvertretender Juniorchef. Er hat mir vor ein paar Monaten ein gutes Angebot gemacht. Ich muss zugeben, dass es lukrativ ist." "Wirst du es annehmen?" "Einerseits ist es verlockend. Ich hätte eine gute Position, müsste mich nicht mit so viel Kleinkram beschäftigen, wie ich es jetzt muss-" "Aber", Rin sah zu dem Schwarzhaarigen, der zum ersten Mal die Stirn kraus zog. "Ich bin noch nicht bereit. Außerdem", sein Lächeln kehrte zurück, "hab ich mich gut in Domino eingelebt. Ich möchte noch nicht weg-" "Oh! Mein! Gott!", Rin wollte gerade etwas erwidern als ihre Augen von einem riesigen Werbeplakat eingesogen wurden. Ein Bild des hiesigen DuelMonsters Worldcup prangerte an einem der Wolkenkratzer. Direkt darunter lächelte sie ihr eigenes Spiegelbild an - angriffslustig und siegessicher. Es war eines der Bilder, die der Fotograf neulich von ihr geschossen hatte. "Das ist doch Wahnsinn!, schüttelte Rin den Kopf und wandte sich von ihrem eigenen Profil ab. Auf der anderen Straßenseite erwartete sie bereits ein weiteres Poster - diesmal lag die neue DuelDisc im Fokus, während ihre grell funkelnden Seelenspiegel auf die neue Generation hinunter blickten. Daneben erschien in überdeutlicher Schrift das Logo der Kaiba Corporation. "Deine Freundin hat echt nicht übertrieben, als sie sagte, dass dich die Medien ins Visier genommen haben." "Ich weiß nicht, ob das die Medien sind", murmelte Rin, die auf ihr metallenes Armband blickte, "damit hätte ich rechnen müssen." Je näher sie dem Kaiba Building kamen umso mehr dominierten die Bilder des Turniers, allen voran die >Newcomerin< der Kaiba Corporation. Wenn es hier schon so abgeht, will ich gar nicht wissen, wie es im Netz aussieht... Auch wenn die Bilder gar nicht so schlecht aussehen... Yamato parkte den Wagen vor der Ladezone eines fünf Sterne Restaurants - keine fünf Gehminuten von der Kaiba Corporation, dessen Gebäudespitze bereits alles andere überragte. Das Nobellokal war berühmt, aber niemand, den sie kannte, war bisher dort gewesen. Soweit Rin gehört hatte, musste man ein halbes Jahr im Voraus buchen, sowie in den richtigen Verbindungen stecken, um überhaupt in deren Telefon überhaupt ein Freizeichen zu bekommen. Rin hielt nicht viel von überteuerten und aufgestylten Restaurants. Es gab ein kleines gemütliches Lokal am Rande der Stadt, das zum Frühling mit einem dutzend blühender Kirschbäume verziert war, die man von jedem Sitzplatz aus betrachten konnte. Eine kleine alte Frau brachte einige Köstlichkeiten zur Begrüßung, während ihre zwei Söhne sich um die Hauptmahlzeiten und Getränke kümmerten. Das Essen schmeckte wie das Lokal aufgebaut war - heimisch, deftig und ehrlich. Genau wie es die junge Frau liebte. Ihr letzter Besuch lag einige Jahre zurück, da es nur schwer ohne Auto zu erreichen war. Wenn sich die Gelegenheit ergäbe, würde sie bei nächster Gelegenheit wieder dort essen. Ihr leerer Magen schien ihr eifrig zuzunicken. Vielleicht mit Yamato. Dieser lehnte sich über den Wagen und klimperte mit einem Schlüsselbund. "Für den Fall, dass du früher als ich fertig sein solltest. Du sollst nicht vor verschlossener Tür stehen. Sie haben für heute Nachmittag Regen angesagt." "Ich weiß echt nicht, wie ich dir danken soll", sie nahm die Wohnungsschlüssel und verstaute sie in ihre Hosentasche. "Ich lasse mir was einfallen", grinste er breit, "du überlegst schon mal, was du heute zu Abend essen möchtest. Ich würde uns was nach Feierabend holen." Der Gedanke an Essen ließ ihren Magen gierig zusammenziehen. "Gut, ich werde mir etwas überlegen." Damit verabschiedeten sie sich vorerst voneinander. Rin war froh, dass der Wagen zwischen ihnen stand und sie nicht über die Gesten der Verabschiedung nachdenken musste. Bisher war dieser letzte Akt, in dem geklärt werden könnte, wie nahe sie sich kommen wollten, immer wieder umgangen worden. Sie wusste, dass der mehr als peinliche Grund bei ihr lag. Manchmal ärgerte sie sich über ihr eigenes kindisches Verhalten, dass sie einfach nicht abstellen konnte. Mit einem flüchtigen Wink kehrte Yamato in sein Auto zurück, dass sie dem Wagen hinterher sehen konnte, bevor dieser in den Wochenverkehr abgetaucht war. Die paar Minuten zu Fuß, die es noch zu beschreiten galt, taten ihr gut, sie genoss die angenehme Temperatur des Morgens und überlegte sich, wie sie den Tag am besten nutzen könnte. Heute standen keine Meetings oder Besprechungen an, dass sie sich ganz aufs Duellieren konzentrieren konnte. Vielleicht noch einen Abstecher ins Café und Makoto nach den neuesten Leckereien ausquetschen. Sie hatten sich die Woche noch gar nicht zu Gesicht bekommen, dass sie die fröhliche Art der Kassiererin zu vermissen begann. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen als das Café auf der anderen Straßenseite sichtbar wurde. Vielleicht ziehe ich den Besuch nach vorne. Ein kleines Frühstück vor dem Training könnte nicht schaden Sie suchte nach einer günstigen Gelegenheit die Straße zu überqueren als ihr Handy zu vibrieren begann. Kaiba Corporation - Dringend? Die Nachricht öffnend blieb sie vor dem Firmengebäude stehen und las den knappen Text, in dem sie aufgefordert wurde, ins Chefbüro zu kommen - unverzüglich. Auch noch Kaiba persönlich Vielleicht hatten sich die Pläne des jungen Firmenchefs geändert und er hätte heute Abend doch Zeit mit ihr weiter zu arbeiten. Er hatte den nächsten Termin auf Samstagabend geschoben - womöglich hatte er es sich anders überlegt. Sicheren Schrittes steuerte sie das Firmengebäude an. ~ "Können Sie uns das erklären?!", mit grimmiger Miene, die nur von seiner knurrenden Stimme überboten wurde, beugte sich Josuke Nagawa zur ihr vor, dass er seine Brille richten musste. Verwirrt sah die junge Frau den Chef der Medienabteilung an, der daraufhin das Tablet, das er noch in seiner leicht zittrigen Hand festgehalten hatte, auf Seto Kaibas Schreibtisch knallte - wohl um dem Moment die nötige Dramatik zu geben - dass der Bildschirm direkt in Rins Sichtfeld lag. Die junge Frau stand vor dem Schreibtisch, da ihr keinen Moment Zeit gegeben wurde, sich zu setzen - geschweige denn sie dazu aufgefordert wurde. Stattdessen sah sie zu der Schlagzeile herunter, die aus einem der unzähligen Klatschblätter stammte, für die Rin noch nie etwas übrig gehabt hatte. Zunächst verstand sie nicht, warum sie deswegen ins Chefbüro zitiert worden war. Noch dazu, dass Nagawa sich neben seinen Boss aufgestellt hatte, als wäre er die Rechte Hand Seto Kaibas. Auf der Schlagzeile war die junge Frau in einem ihrer Battle-City-Duelle abgelichtet worden - kurz vor dem Duell mit Insector Haga, dies erkannte sie an der Location, sowie ihrem Outfit. Sie lächelte verschmitzt, sicher ein Schnappschuss nach einem gelungenen Sieg. Langsam wanderte ihr Blick hoch zu dem Titel. Nein Sie erstarrte. "Ist Ihnen bewusst, was für einen Eklat es geben könnte!", entgegnete der Social Media Experte und baute sich regelrecht vor ihr auf. Doch Rin sah nur auf die Schlagzeile. Nein! Wieso!? "...in was für eine peinliche Lage Sie die Firma bringen…, Josuke redete sich in Rage, während Rin in einen Strudel geraten war, den sie selbst nicht mehr aufhalten konnte. Ihr Kopf drehte sich, das Bild verschwamm vor ihren Augen, wurden durch alte Sequenzen ersetzt. Schemenhafte Szenen rauschten an ihr vorbei. Noch dazu die eindringliche Stimme ihres Gegenübers. Sie fühlte sich in die Schulzeit zurückversetzt. Das Bild von ihrer Mutter und der Klassenlehrerin tauchte vor ihrem geistigen Auge auf und drohte die Oberhand zu gewinnen. "Vertragsbrechung." Wie in Zeitlupe hob sie ihren Blick zu Nagawa, der ein weiteres Mal die Brille richtete und wie ein Rektor zu ihr herabblickte, der einen seiner Schüler maßregelte, obwohl er nicht einmal dessen Namen kannte. Hass flammte in den smaragdenen Seelenspiegeln auf, dass * kurz innehielt. Erst als sie den Blick zurück auf den Bildschirm lenkte, begann er mit seiner Standpauke von vorn. Schon wieder... es ist immer wieder dasselbe... Ich bin geliefert. "Wenn diese Bilder öffentlich werden", Nagawa fasste sich an den Kopf, "die Presse wird sich darauf stürzen. Dann ist es vorbei mit unserem gut durchdachten Plan. Und Sie, Frau Yamamori, können sich schon mal nach einer neuen Stelle umsehen. Sie müssten wissen, dass falsche Angaben mit einer Abmahnungen oder höherem bestraft werden. Schließlich haben sie die Zusatzklausel unterschrieben." "Ich", knurrte Rin und bemühte sich, die Stimme nicht noch bissiger klingen zu lassen, "ich habe keine falschen Angaben gemacht." "Und wieso erfahren wir erst jetzt von diesen... pikanten Details aus ihrem Privatleben?" "Dieser", murmelte sie und ballte beide Hände zur Faust. Sie spürte wie die Galle in ihren Mund vordrang, bitter und brennend. "In Ihren Angaben", fuhr Nagawa fort und verschränkte die Arme, "steht kein Wort über diesen Freund, geschweige von irgendwelchen Sexbildern." "Das", sie atmete stoßweise und konnte den Satz nicht beenden. Ihre Augen brannten, sie wollte aus dem Raum flüchten, sich in die nächste Ecke verkriechen. Irgendwo weit weg sein, weg von diesen Worten, diesen Lügen, diesen Blicken. Sie tat einen tiefen Atemzug: "Ich hatte mit diesem Mann keine Beziehung." "Frau Yamamori", lächelte sie Nagawa schief an, "diese Information ist zweitrangig. Egal, was sie mit diesem Mann hatten, letztendlich zählen nur die Fakten. Und die sehen sehr schlecht für Sie aus." "Sie sprechen von den Bildern", sie richtete sich auf und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, "soll' er doch machen, was er will", ihr Gesicht bekam etwas Fratzenartiges, sie sah in Josuke Nagawa schon lange nicht mehr den Chef der Medienabteilung - Profile verschwammen miteinander, dass Rin kaum noch klar denken konnte: "Ich habe mich schon immer gefragt, was er den Leuten präsentieren will." "Drücken Sie sich klar aus, Frau Yamamori", erst jetzt ergriff Seto Kaiba persönlich das Wort, dass sie augenblicklich ihren Kopf zu ihm schwenkte. Das Wahnwitzige wich aus ihren Zügen, dafür war ihr Blick kapitulierend. Obwohl seine Stimme emotionslos wie eh war, wusste sie, dass der Grund seiner Anwesenheit wichtig sein musste. Hier ging es nicht darum, Rin zu ermahnen. Ihre Karriere stand auf dem Spiel. Es war nur noch eine reine Formsache. Niemand durfte das Ansehen der Kaiba Corporation beschmutzen. Egal, auf welchem Höhenflug er gerade war. Das hier hatte keinen Sinn für sie - nicht, wenn man sie erneut in eine Schublade steckte. Leer wurden ihre Augen. Sie versuchte sich zusammen zu reißen, sie wollte nicht mehr Schwäche zeigen: "Es gibt keine Bilder. Kann es auch gar nicht." "Und wieso sind Sie sich da so sicher", feixte Nagawa. Rin sah nur zu dem mächtigen CEO, der keine Miene verzog. "Weil ich mit diesem Mann nie intim war." Weil ich so ein Mädchen nicht bin, hätte sie gerne noch gesagt, aber vor Seto Kaiba erschien ihr diese Tatsache lächerlich und unglaubwürdig. Und dass es so war, hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Am liebsten wäre sie seinem eiskalten Blick ausgewichen. Nichts deutete auf irgendeine Reaktion hin. Rin wäre es sogar Recht gewesen, wenn er sie ausgelacht hätte, statt stoisch wie eh zu ihr aufzusehen. Er faltete die Hand vors Gesicht und stützte sich mit dem Ellenbogen am Schreibtisch ab. Genau in dieser Position verharrte er und sagte: "Vielleicht sind Sie ja jetzt gewillt, darüber zu reden." "Na gut", sie zuckte mit den Schultern, sie hatte das Gefühl, dass es keine Rolle mehr spielte und begann aus ihren Container an verdrängten Erinnerungen zu wühlen: "Sein Name ist Yoshida - zumindest hatte er sich so genannt. Ich habe ihn im Internet kennengelernt, kurz vor den Abschlussprüfungen. Wir haben uns geschrieben. Es kam zu zwei Treffen. Danach hab ich ihn nie wieder gesehen", kurz schweiften ihre Gedanken ab, Bilder ihrer ehemaligen Klassenkameraden kamen wieder an die Oberfläche, wie sie Rin angesehen hatten, wie sie ihr Zettelchen in den Spind getan und in den Fluren der Schule abgepasst hatten. Genauso anklagend sah sie Nagawa an. "Und das sollen wir Ihnen ernsthaft abkaufen?" Ohne auf seinen Kommentar einzugehen, sprach sie weiter: "Ein paar Tage nach unserem letzten Treffen, kursierte das Gerücht in der Schule, ich hätte Nacktfotos geschossen und sie an einen Schwarm von mir geschickt. Es folgte eine Reihe von aufdringlichen Mails und Nachrichten, in denen ich dazu aufgefordert wurde, zweitausend Dollar zu zahlen. Später erfuhr ich, dass ich nicht die einzige war, die auf diese Masche reingefallen ist. In den anderen Fälle gab es aber diese sogenannten Bilder. Weil ich wusste, dass er nichts von mir hatte, habe ich ihn ignoriert." "Und jetzt versucht dieser besagte Mann, diese Masche erneut?", fragte Nagawa und klang etwas weniger gehässig. "Sicher. Beim ersten Mal hat es doch auch geklappt", Rin knirschte mit den Zähnen, "dieses... Gerücht erreichte schließlich die Schulleitung. Sie haben meine Mutter in die Schule geholt, die jedes Wort geglaubt hatte und schließlich die aufgeforderte Summe bezahlte." "Hm", Nagawa hielt mit dem rechten Zeigefinger das Brillengestell fest, während er zu überlegen schien. Als ob Rin nicht mehr anwesend wäre, begann er nachdenklich zu erzählen: "In dem Fall könnten wir Frau Yamamori die Opferrolle zuschieben und den Spieß umdrehen - sofern die Geschichte stimmt." "Es ist mir egal, ob Sie mir glauben", sagte Rin so harsch, dass Nagawa sie verduzt ansah. Die junge Frau wandte sich von ihm ab, dass sie nun wieder Kaiba ansah. Die Festigkeit, die sie sich in den Wochen hart erkämpft hatte, gelangte in ihre Stimmbänder zurück: "Wie ich schon sagte - es gibt keine Bilder. Und wenn Sie meinen, festzustellen, dass ich Sie belogen habe, dann können Sie mich ruhig feuern." Alles in ihrem Inneren schrie danach, diese Worte zurück zu nehmen, doch es war zu spät. Es war ihr bewusst, dass sie es hier nicht länger ertragen könnte, wenn sich die Ereignisse vom letzten Mal wiederholten. Sie wollte sich nie mehr damit auseinandersetzen, sich nie mehr rechtfertigen für etwas, dass sie nie getan hatte. Grün und Blau blickten einander stumm an. Der eine, weil er es konnte, der andere weil er nicht die Kraft besaß wegzusehen. "Nagawa", ohne den Blickkontakt zu Rin abzubrechen sprach er zu seinem Social Media Experten, "finden Sie unverzüglich heraus, wer dieser Mann ist." "S-sofort, Herr Kaiba", stammelte Nagawa und tat eine tiefe Verbeugung, "soll ich auch gleich mit der Gegenkampagne beginnen?" "Sie werden gar nichts in der Hinsicht tun." "Sie meinen-" "Ich meine", zischte Kaiba als hätte ihn sein Mitarbeiter unterbrochen, "dass wir darauf nicht reagieren werden. Sobald die Blase im Keim erstickt ist, wird kein Hahn danach mehr krähen. Beziehen wir Stellung, könnten dies einige als Bestätigung sehen. Die Geschichte würde sich nur unnötig hoch schaukeln, und ich will dass die Presse sich auf das Wesentliche konzentriert." Rin verstand nicht, was gerade geschah. "Diese Klatschblätter", sagte Kaiba als könnte er nicht fassen, dass er sich mit so etwas auseinander setzen musste, "sind sowieso nur dummes Geschwätz, das ein paar unterbelichtete Teenager und Hausmütter lesen - zur täglichen Befriedigung ihres eigenen lächerlichen Lebens. Diese Zielgruppe interessiert mich nicht. Machen Sie also weiter, wie wir es gestern besprochen haben. Frau Yamamori", rüttelte er sie aus ihrer Schockstarre, "Sie können jetzt gehen." Rin nickte, während sie den Puls an ihrem Nacken hörte. Ihre Finger glitten über das Armband: "Danke", hauchte die junge Frau, bevor sie wie in Zeitraffer zu Tür lief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)