Nichtschwimmer von Veexx ================================================================================ Kapitel 1: Distanz und Meeresrauschen ------------------------------------- Weit entfernt klang das Lachen, das schlagen der Wellen gegen feuchten Sand und das Klirren von Bierflaschen. Die Arme auf den angewinkelten Knien verschränkt folgte der Blick aus den dunklen Iriden den Bewegungen im Wasser. Min-Ki ging nicht gern ins Wasser. Mochte es nicht, wenn der Sand sich in der Beinprothese ein neues Zuhause zu suchen schien, knirschte in den Bewegungen und die Nasse Badehose an seiner Haut. „Junge, bist du schwul oder was?“ Lukas Lachte. Ein Schmunzeln das verschwand, nur einen Moment, und ein Griff ums schwere Herz während der Blick sich wieder abwand, während Lukas und Nicolas sich im Wasser kabbelten. Min-Ki die Weite der Nordsee betrachtete und dieses hässliche Gefühl in seinem Magen ignorierte. Er wollte etwas sagen. Wieder wollte er etwas sagen. Wie immer, wenn dieses Wort von Lukas oder einem der Anderen als Sper genutzt wurde. Und doch schwieg er wieder. Behielt seine Gedanken und die Verletzung bei sich. Für sich. „Minnie, komm ins Wasser Man, oder hast du Angst du rostest?“ Der Blick suchte wieder nach der bekannten Stimme, erspähten Lukas dunklen Schopf, die gefüllte Wasserflasche in der Hand. „Ich schwöre, Winter, ich bring dich um wenn du mich nass machst“ „Pff, bis du aufgestanden bist, bin ich schon am Auto“ Ein kleines Grunzen unterstrich Nicolas lachen, während er den Schritten Lukas folgte, sich einbrachte ins Gespräch. „Über Behinderte macht man keine Witze Lukas“ Beinahe wurden die Worte vom Lachen des Blonden verschluckt. „Wieso Nico? Dich verarschen wir auch dauernd und dein Gesicht is schon ne ziemlich harte Behinderung.“ Minkis Schultern hoben sich sacht ehe sie sich wieder senkten bevor sein Blick sich abermals auf seinen besten Freund legte, auf Lukas dessen sonnengeküsste, feuchte Haut in der Sonne beinahe zu glitzern schien und von dessen Haarspitzen aus immer wieder Tropfen des salzigen Meerwassers in den heißen Sand stürzten. Den Blick abwenden. Er sollte den Blick abwenden. Doch nur einen Moment länger wollte er dieses Bild in seine Gedanken brennen, abspeichern wie all die vielen Augenblicke die sein Herz wieder so schnell Rasen ließ, wie damals. Im Wintergarten auf der Luftmatratze als sie in die Sterne sahen. Als Lukas Eltern sich scheiden ließen und Minki ihn hielt. Wie damals als Lukas sich im Schlaf auf seine Brust legte und der Koreaner einen Augenblick fürchtete, sein Herz würde so laut schlagen, das es ihn wecken würde. Wieso konnte er nicht so fühlen. Wieso konnte Lukas nicht auch so sein? Nicht auch Herzrasen haben wenn er Min-Ki an sah? Wieso litt nur er allein? Wieder war da dieser Draht um sein Herz während sein Blick die Bewegung der Hand seines besten Freundes wahr nahm, die sich hebende Wasserflasche. „Lukas alter ich meins ernst, wenn du mich Nass machst ersauf ich dich!“ „Ach komm schon. Das ist doch mega Öde wenn du nur hier sitzt“ Lukas ließ die Flasche in den Sand fallen, zu Nicolas, der sich bereits in selbigen sitzend daran machte, seine eigenen Füße mit Sand zu bedecken. „Ach was. Macht ihr mal, ich toaste einfach n bisschen in der Sonne, alles flauschig“ Wieder hoben sich die breiten Schultern etwas, zum Unmut des dunkelhaarigen. „Okay all jokes by side, wegen dem Bein?“ Min‘s Blick folgte dem von Lukas, der an der dunklen Prothese haftete. Ehe er kurz seufzte und sich etwas nach hinten lehnte, die Augen ob der Sonne ein wenig zusammen Kniff und dem Sand unter seinen Händen nach fühlte, auf denen er sich nun ab stützte. „Nervt halt wenn da Sand rein kommt oder so. Aber das is echt kein Problem. Wirklich nicht“ Lukas sah das anders. Lukas sah die Dinge ohnehin immer irgendwie ein bisschen Anders. Aber Min mochte das. Mochte es, wenn sein bester Freund seine eigene Sicht auf die Dinge beeinflusste, Seiten an Geschichten eröffnete, an die Min nicht einmal gedacht hatte. „Dann nimm sie ab und ich trag dich huckepack“ „Nur über meine Leiche“ Der Dunkelhaarige setzte sich neben ihn, so wie früher immer, wie auch heute noch. Nur das heute nicht mehr der dunkle Schopf auf der trainierten Schulter des Koreaners lehnte. Heute teilten sie sich keine Luftmatratzen mehr, heute sah man sich die Sterne nicht mehr gemeinsam an, schlief nicht mehr auf der Brust des Anderen. Heute nahm man sich nicht mehr in den Arm. Heute war da diese Distanz, und Min wusste nicht, wann sie sich zwischen sie gequetscht hatte. Diesen Raum gefüllt hatte. „Okay amigo. Ich habs versucht.“ Resigniert klang das Schnauben Lukas und das Handtuch verrutschte ein wenig, als er sich erhob. Den Blick von Minki einen Moment den Rücken präsentierte unter welchem sich durchs Tanzen feine Muskeln zeigten. „Aber es ist doch nicht mehr da, wie kann es dann weh tun?“ Früher konnte Minki diese Frage nicht beantworten. Heute wusste er das nicht nur das Bein weh tun konnte, obwohl es nicht mehr da war. Denn auch diese Beziehung zu Lukas, tat weh, kribbelte manchmal, als wäre sie eingeschlafen und ließ Min-Ki nicht mehr zur Ruhe kommen. Und das, obwohl da doch nie etwas war, mehr als Freundschaft. Doch dann waren da wieder diese kurzen Momente, in denen Lukas dort stand, im Wasser, und Min an sah, sie sich an sahen, ein bisschen zu lang. Ein bisschen zu sehr. Ein bisschen so, das es sich anfühlte als würde das Meer einfrieren, jedes Geräusch dabei in sich ein sog, so als bleibe die Zeit stehen. So als gäbe es nur sie. Und ein bisschen so, das es Min-Kis Herz fast aus seiner Brust riss. Der Blick von Min folgte dem Geschehen im Wasser. Den Wellen welche sich gegen Lukas und Nicos Beine schlugen, sich fast daran hochziehen wollten während die Sonne erbarmungslos auf sie knallte. Lukas würde sicher später einen Sonnenbrand haben, und Min damit vollheulen. Ein kleines schmunzeln legte sich auf die feinen Züge Mins. Es war eine dieser kleinen Dinge, die sich wohl nie ändern würden, von denen er hoffte dass sie sich nicht änderten, zwischen all dem Unistress und dem Gefühl das jemand in seinem Leben plötzlich auf den Vorspul Knopf gedrückt hatte ein kleines Gefühl von konstante. Der Sand klebte an der verschwitzten Haut des Koreaner der sich schließlich gänzlich in selbigen sinken ließ, die Sonne mit Hilfe seines rechten Armes den er über seine Augen platzierte, blockte während sein Magen unangenehm zog. Er wusste nicht wie lang er schon ‘auf Leerlauf’ lief. Hatte das Essen heute wieder ausfallen lassen. So wie auch gestern. Irgendwann hatte es sich eingeschlichen. Anfangs war es nur das ausgefallene Frühstück. Irgendwann wurde das Mittag immer weiter verschoben, bis es schließlich ebenfalls ausfiel. Und heute wurde nur noch zu Abend schnell etwas mit seiner Familie gegessen. Es fiel nicht auf, waren Mins Eltern doch nur selten Zuhause. Ein kleiner Vorteil in einer Situation die Min wohl schlicht mit einem simplen ‘Beschissen’ beschreiben würde. Wenn er es denn müsste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)