Evolition von Charly89 (Hoenn und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 23: Josie ----------------- Ich sehe mich vorsichtig um. Alle schlafen mehr oder weniger ruhig. Scharte brabbelt irgendwas Unverständliches vor sich hin und Chilli … lächelt selig. Ich muss kein Hellseher oder Traumdeuter sein um zu wissen was, oder besser von wem, sie wohl träumt. Mein Blick fällt auf Chief. Einen Moment bin ich verleitet ihn zu wecken. Ich bin ein Mensch. Oder war. Ich bin mir immer noch unsicher, wie ich das alles deuten soll. Mein Gefühl sagt mir, dass meine alten Erinnerungen komplett sind. Das bedeutet, dass ich noch nicht sehr alt war; Anfang Dreißig vielleicht. Kein Alter in dem man stirbt – zumindest nicht an einer natürlichen Ursache. Bin ich überhaupt gestorben? Und selbst wenn, ich kann nicht als Pokémon reinkarniert sein, weil es Pokémon nicht gibt! Aber ich bin hier, und es fühlt sich sehr real an. Koma? Hatte ich einen Unfall und liege jetzt im Koma und fantasiere vor mich hin? Möglich … vielleicht liege ich auch in der Klapsmühle und werde mit bunten Pillen vollgepumpt … Mein Kopf brummt – ich sollte erstmal aufhören und schlafen; ich fühle mich fürchterlich schlapp. Ich beschließe, mir und Chief unseren wohlverdienten Schlaf zu gönnen und schließe die Augen. Es ist dunkel und warm; kein Traum, keine Visionen oder Erinnerungen. Ich werde angerumpelt und zucke zusammen. Verschlafen öffne ich die Augen und sehe Schnuff, der mich ansieht, als wüsste er nicht wer ich bin, oder wo er gerade ist. Mein Bruder braucht früh immer etwas, bis er ansprechbar und Aufnahmen fähig ist – wie mein Mann, der ist morgens die erste halbe Stunde auch kaum zu gebrauchen … Ich schüttle den Kopf. Das dürfte extrem merkwürdig werden in Zukunft, mit all diesen Erinnerungen. Wir stehen alle auf und strecken uns. „Habt ihr gut geschlafen?“, fragt Chief freundlich in die Runde. „Japp“, antwortet Scharte und grinst. Schnuff gähnt ausgiebig. „Ging schon.“ Chilli summt zufrieden und lächelt vor sich hin. „Es war …“, ich überlege kurz. Irgendwie möchte ich Chief mitteilen, dass es Neuigkeiten gibt. „Ereignisreich.“ Das Flamara und ich sehen uns einen Moment an; dann nickt Chief kaum sichtbar und das Thema ist damit erstmal beendet. Heute stehen einfach wichtigere Sachen an, zum Beispiel … „Frühstück?“, unterbricht Schnuff meine Gedanken. Ich muss lachen, weil das natürlich das Erste ist, was ihm einfällt und anschließend ziehe ich scharf die Luft ein, weil das Lachen immer noch schmerzt. Chilli sieht mich besorgt an. „Alles okay?“ „Mein Rücken schmerzt, von meinen Rippen ganz zu schweigen“, grummle ich. „Und warum hast du gestern nichts gesagt?“, fragt mich Chief tadelnd. Mein Blick fällt auf Scharte und ich lächle wehmütig, anschließend wende ich mich an die Flamara. „Weil es gestern wichtigere Sachen gab.“ Das Clanoberhaupt seufzt und schließt kurz die Augen, dann sieht er mich an. „Mag sein, aber deine Gesundheit ist auch wichtig.“ Ich nicke schuldbewusst. „Frühstück“, grätscht Schnuff wieder dazwischen. Chief lacht kurz. „Na los.“ Er verlässt die Höhle und wir folgen ihm. Das Frühstück findet wieder in der großen Höhle statt und ist genauso üppig wie am Vortag. „Ich werde Leonore von unserer Entscheidung unterrichten“, erklärt Chief und sieht zu Scharte. „Und du wirst mich begleiten.“ Mein Bruder springt auf und strahlt, dann sieht er mich und Schnuff an. Einen Augenblick schläft ihm das Gesicht ein. Er kommt zu uns und wir reiben unsere Köpfe aneinander. „Aber, aber; dass ist jetzt noch kein Abschied für immer“, spricht Chilli uns an. Mir fällt ein Stein vom Herzen; ein „Lebewohl“ hier zwischen Tür und Angel wäre schon ziemlich furchtbar gewesen. Wir sehen Chief und Scharte hinterher, bis sie verschwunden sind. „Es ist das Richtige“, rede ich mir selber leise gut zu. „Auf jeden Fall“, flüstert Schnuff und grinst. „Ihm wird es hier gut gehen“, mischt sich Chilli von der Seite ein. „Und nun zu dir, Kleines.“ Erschrocken sehe ich das Flamara an. „Mir?“ Es kommt zu mir und inspiziert meinen Rücken vorsichtig und murmelt vor sich hin. Ich fühle mich unwohl und schaue auch wahrscheinlich dementsprechend, denn Schnuff amüsiert sich köstlich. „Es sieht zwar okay aus, aber es ist warm und gerötet; wahrscheinlich ist Schmutz in die Wunde gekommen.“ Chilli sieht mich mahnend an. „Du hättest wirklich gleich etwas sagen sollen.“ Ich ziehe den Kopf ein und senke den Blick. Hallo, Mama. Urhg. „Eigentlich war ein leichtes Training für euch angesetzt, um euch ein besseres Körpergefühl zu vermitteln und damit ihr euch und eure Fähigkeiten besser einschätzen lernt.“ Chilli legt grübelnd den Kopf schief. „Aber wir gehen besser erst zu den Heilern.“ „Heiler?“, fragt Schnuff neugierig. „Ja, sie sollten sich das unbedingt erstmal ansehen.“ Damit ist das beschlossene Sache. Mein Bruder begleitet uns, damit er nicht alleine bleibt. Wir verlassen die große Höhle und Chilli führt uns durch das Dorf. Mensch, heute ist hier auch so ein Gewimmel. Ich dachte, dass das mit dem Sieg zusammenhing, aber hier scheint es immer so zu sein. „Ist das immer so … wuselig?“ Das Flamara lacht. „Ja, immer. Die Blitza sind eben ein sehr energiegeladener Clan.“ Mir fällt wieder ein, was Leonore über Chilli gesagt hat und ich spüre für einen Moment einen Kloß im Hals. Das Flamara ist seinem alten Clan gegenüber sehr positiv, trotzdem, dass sie „abgeschoben“ wurde. Weiß sie es nicht, oder ist sie okay damit? „Ähm, wegen dem Training“, spricht Schnuff Chilli an und lenkt mich damit ab. „Keine Sorge. Nur ein paar Übungen und so. Wärt ihr noch zu Hause, würdet ihr jetzt auch damit anfangen“, erklärt sie geduldig. Tja, zu Hause wären wir jetzt aber schon Glaziola. Die Clans handhaben das wirklich extrem unterschiedlich. Wir kommen an einer Höhle an, die ein wenig versteckt liegt. Die Höhle selber ist wie ein L, der Eingang befindet sich genau im Eckpunkt. Im langen Abschnitt scheint der Wartebereich zu sein, dort sitzen und liegen einige Blitza, die wohl auch noch mit den Nachwirkungen des Überfalls zu kämpfen haben. Außerdem sehe ich ein riesiges rosa Pokémon, das ich im Moment noch nicht zuordnen kann. Der kurze Bereich gabelt sich hinten und ist dort durch Blättervorhänge abgetrennt; ich vermute, dass sich dort die Behandlungszimmer befinden. „Wir werden wohl etwas warten müssen.“ Chilli läuft Richtung Wartebereich. Ein Blitza steht ächzend auf, zwei andere stützen es und helfen ihm. Das rosa Pokémon steht daneben und beobachtet das Ganze. Als wir etwas näher sind dreht sich um – zu mir. Es sieht mich an, und nur mich. Was …? „Bringt ihn ins Behandlungszimmer, ich komme gleich“, sagt das Heiteira, wie mir wieder einfällt, zu den beiden Blitza und kommt dann direkt auf mich zu. „Meine Güte, da bist du ja endlich.“ Ich?! Völlig überfordert und verdutzt setze ich mich hin und starre das rosa Wesen mit großen Augen an. Kenne ich das Heiteira? Oh Gott, bitte nicht noch mehr alte oder sonstige Erinnerungen an irgendwelche anderen Leben! Es bleibt vor mir stehen und sieht mich mitfühlend an, dann tätschelt es mir liebevoll den Kopf. „Deine Traurigkeit fühle ich schon, seit du unser Dorf betreten hast.“ Das Heiteira streicht sie sich über sein flauschiges Fell und seufzt wehmütig. „Deine Trauer ist ja noch größer geworden … Ich helfe dir, den Schmerz zu lindern, sobald ich kann.“ Der rosa Riese verschwindet hinter einem der Blättervorhänge. Was zum Teufel? Hilfesuchend sehe ich Chilli an. „Heiteira können Traurigkeit über große Distanzen fühlen, und auch die Intensität sehr genau wahrnehmen“, erklärt sie mir und zieht kurz darauf die Stirn in Falten. „Warum warst du schon so traurig, als wir hier angekommen sind?“ Ich kann Chilli schlecht sagen, dass ich traurig war, weil ich mich daran erinnert habe, einen Sohn zu haben … hatte, wie auch immer. „Ähm …“ Schnuff huscht an mir vorbei und reckt neugierig den Kopf. Er versucht einen Blick hinter die Vorhänge zu erhaschen, wird aber von einem der Blitza abgewiesen und zurück in den Wartebereich geschickt. „Wegen unserer Mutter natürlich …“ Was für eine lahme Ausrede, selbst für mich. Chilli mustert mich eindringlich. „Sie hat aber nur von dir gesprochen und nicht von deinen Brüdern.“ Ich zucke mit den Schultern. „Wer weiß …“ Hör bitte einfach auf, bete ich zu wem auch immer und habe Glück. Das Flamara sieht mich fragend an, hakt aber nicht weiter nach. Schnuff kommt mir indirekt zu Hilfe und beginnt Chilli mit Fragen zu löchern. Er findet das Ganze hier offenbar sehr interessant und möchte wissen, wie man denn Heiler wird und was man da so macht. Sie erklärt ihm, dass man dazu sehr gute Kenntnisse über den Körper braucht und das einige Pokémon, wie Heiteira zum Beispiel, von Natur aus gute Heiler sind. Es dauert scheinbar eine Weile, bis ich an der Reihe bin. Andere Pokémon hat es beim Kampf härter getroffen; lebensbedrohlich verletzt ist aber niemand, soweit ich mitbekommen habe. Ich liege da und warte, höre Chilli zu, wie sie geduldig alles erklärt und … warte … und warte … und warte … „Du bist dran.“ Da ich halb am Wegdösen war, habe ich das Blitza nicht mitbekommen und erschrecke dementsprechend durch die Ansprache. Schnuff springt freudig auf die Pfoten, wird aber gleich in seine Schranken gewiesen. „Nur sie. Der Raum soll sauber bleiben und du würdest auch nur im Weg stehen“, erklärt das Blitza. Mein Bruder zieht eine Schnute und ist sichtbar enttäuscht. Ich folge dem Heiler zu einem der beiden Behandlungszimmer. Der Raum selber ist recht unspektakulär. In der Mitte ist ein großer rechteckiger Fels, der als Tisch dient. In den Nischen und auf den aufgehängten Regalen liegt allerlei Krempel. Beeren, Gläser, Tuben und Tiegel. In einer Ecke sehe ich Wasser, welches als kleine Quelle über einen Felsen fließt und sich in einem Steinbecken darunter sammelt. Hinter dem Behandlungstisch, an der Rückwand des Raums, ist eine Art Tresen im Fels. Dort stehen viele medizinische Instrumente. Es gruselt mich einen Moment. Ich fühle mich plötzlich an ‚Felidea‘ erinnert. Den Film habe ich gesehen, als ich eigentlich noch zu jung war … und allein … und im Dunkeln. Das war keine gute Kombination gewesen. Ich habe zwar schon früh Horrorfilme geschaut, aber dieser war einfach anders. Wahrscheinlich weil es ein Trickfilm war und ich als Kind natürlich anderes erwartet hatte. Die Szene im Labor, als der rote Kater da immer wieder aufgeschnitten und gequält wurde … Ja, der Film hat sich diesbezüglich extrem in mein Gedächtnis gebrannt. Das Heiteira, welches bis eben an dem Tresen stand, kommt um den Tisch herum und direkt auf mich zu. „Na komm her du armes Ding.“ Es beugt sich herunter und nimmt mich hoch. Was dann passiert kann ich kaum beschreiben. Ohne Vorwarnung überschwemmt mich ein unglaublich starkes Gefühl von Geborgenheit. Mich verlässt schlagartig die Kraft und alles in mir scheint sich zu entspannen, körperlich und seelisch. Ich hänge wie ein nasser Sack in den Armen von Heiteira und … schnurre. Ich schnurre! Das habe ich noch nie gemacht, weder hier noch in meinem anderen Leben. Das ist jetzt aber peinlich irgendwie, andererseits … Scheiß drauf! Ich schließe die Augen und genieße. Immer noch schnurrend schmiege ich mich an das Heiteira, während die Heilwogen mich in die Glückseligkeit tragen. Vage nehme ich war, wie ich auf den Behandlungstisch gelegt werde und eines der Blitza meinen Rücken untersucht. Es ziept immer wieder leicht, ist aber aushaltbar. „Mein Name ist übrigens Josie. Willst du mir nicht sagen, was ein junges Mädchen wie dich, so traurig macht?“ Die Stimme von Josie ist wunderbar sanft und melodisch, sie umschmeichelt mich regelrecht. Ich sehe zu ihr auf und habe plötzlich das Bedürfnis, ihr alles zu erzählen; die ganze Informationsflut endlich aus meinem Kopf zu lassen … aber das Ziepen am Rücken holt mich zurück. Die zwei Blitza sind hier. Ich will nicht, dass sie das mitbekommen. Mit Chief hatte ich unglaublich viel Glück, und ich bin mir sicher, dass die meisten mich als verrückt abstempeln würden. Das wäre mir an sich egal, ich werde den Blitza-Clan ja nicht ständig besuchen … aber Scharte wird hierbleiben. Ich möchte nicht, dass er Probleme oder Ärger bekommt, weil seine Schwester nicht mehr alle Tassen im Schrank hat; also schweige ich beharrlich. Die Heiler reinigen die Verletzungen auf meinem Rücken und schmieren eine Paste darauf. „Das wird die Heilung fördern“, erklärt mir eines der Blitza. Während Josie meine Seite abtastet startet sie einen weiteren Versuch. „Reden hilft oft, die Gedanken besser zu sortieren und einen neuen Blick auf die Dinge zu bekommen.“ Ich nicke und zucke, als sie eine besonders empfindliche Stelle berührt. Das Heiteira erklärt mir, das die Rippen nur geprellt sind, es aber dauern wird, bis ich komplett schmerzfrei bin. Und weil wir einmal dabei sind, schauen sich die drei auch noch meinen Fuß an. Auch hier nichts Gravierendes, tatsächlich spüre ich eh kaum noch Schmerz dort. Ich bedanke mich bei den Dreien, werde von Josie noch einmal hochgehoben und geherzt, dann verlasse ich das Behandlungszimmer. „So, da ja alles soweit okay zu sein scheint, gehen wir jetzt zum Trainingsplatz“, verkündet Chilli feierlich. Schnuff hört das kaum, er beginnt sofort mich auszuquetschen und will alles ganz genau wissen. Wie das Behandlungszimmer aussah, was die Heiler gemacht haben, was sie gesagt haben … Bis eben wollte ich nicht zum Training, jetzt werde ich froh sein, wenn wir endlich dort sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)