Not Alone von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 2: Draco ---------------- Sanft stricher mit seiner Hand über ihren Rücken. Seine Finger zogen kleine Kreise. Seine andere Hand spielte mit einer ihrer Haarsträhnen, indem er die lange rote Strähne immer wieder gedankenverloren um seinen Finger wickelte. Er starrte zur Decke hinauf. Der blaue Putz der Farbe war an manchen Stellen abgebröckelt. Letzte Spuren von dem Kampf. Vor kurzem noch hatte hier eine Muggelfamilie gewohnt. Jetzt waren sie alle tot. Draco suchte immer die verlassenen Muggelhäuser auf, für Treffen wie diese. Andere Orte waren zu unsicher, die Straßen Londons undenkbar. Niemand würde sie in diesem kleinen Vorort von Coventry finden. Hoffte er zumindest.   Er versuchte den Gedanken an die Muggel zu verdrängen, denn er wollte den schönen Moment, den er gerade genoss, nicht verderben, da er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb. Doch es fiel ihm schwer, den Kopf abzuschalten und nicht an die Todesser zu denken, die ihm im Nacken saßen. Draco war immer wachsam, immer vorsichtig, immer auf der Hut. Die wertlosen Muggel, die hier gelebt hatten, bedeuteten ihm nichts. Nur sie. Nur sie ganz allein war ihm wichtig.   Neben ihm regte sich die zierliche Gestalt. Ginny hatte sich an ihn geschmiegt und den Kopf an seine Schulter gebettet. Ihr Arm lag auf seinem Bauch und er spürte ihren langsamen Atem auf seiner nackten Haut. Langsam hob sie den Kopf, um ihn anzusehen. Sie lächelte. Ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie sah so glücklich aus, so wunderschön. Ihr Anblick benebelte seine Sinne. Sanft drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. Er versuchte jeden Moment zu genießen, bevor es wieder vorbei sein würde.   Er hatte sie sehen müssen. Ihr letztes Treffen war viel zu lange her gewesen. Draco kam sich vor wie ein Heuchler. Nach jedem Treffen hatte er versucht sich einzureden, dass es das letzte Mal gewesen war. Jedes Mal riskierten sie ihr Leben. Es war einfach zu gefährlich. Nur eine Unachtsamkeit könnte ihren Tod bedeuten. Doch wie jedes andere Mal auch war die Sehnsucht nach ihr einfach zu groß gewesen. Also hatte er ihr einen Raben geschickt und sie war gekommen. Wie immer. Sie würde immer kommen. Zu ihm.   Die letzten Tage waren schlimm gewesen. Seit drei Jahren kämpften sie einen Kampf, der nur Verlierer hervorbrachte. Nachdem Hogwarts und Dumbledore gefallen waren war alles ganz schnell gegangen. Fast ganz Großbritannien erzitterte nun unter dem Regime des Dunklen Lords. Nur noch wenige Widerständler waren übrig, doch sie kämpften unerbittlich. Der Krieg tobte unaufhaltsam und forderte Tag für Tag neue Opfer. Für Draco waren es nur Namen. Sie alle scherten ihn nicht. Sie waren notwendige Opfer. Er wusste, dass der Krieg eines Tages vorbei sein würde. Nur wusste er nicht, ob er das Ende noch selbst miterleben würde. Jeder Tag könnte sein letzter sein. Viele seiner Freunde waren bereits gefallen. Gestern hatte es Theodore getroffen – er war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sein Tod hatte Draco schwerer getroffen, als er erwartet hatte. Vermutlich, weil er ihn fast sein ganzes Leben lang gekannt hatte, bereits bevor sie in Hogwarts in ein Haus eingeteilt worden waren. Der Slytherin war ein schlauer Kopf gewesen. Beinahe hätte Draco ihn als so etwas wie einen Freund bezeichnen können, wenn es unter den Todessern so etwas wie Freundschaft gegeben hätte. Doch jetzt war er tot. Einfach weg.   Es war so beängstigend.   Zu viele von ihnen hatte Draco mit eigenen Augen sterben sehen. Und er fragte sich, wie wohl sein Ende aussehen würde.   Nur eines war gewiss: Er würde kämpfen, bis zum letzten Atemzug.   „Du hast mir gefehlt“, hauchte Ginny ihm entgegen, bevor sie ihre Lippen auf seine drückte. Sie wirkte glücklich und für diesen einen Moment war er es auch. Er genoss ihre Nähe, spürte ihren warmen verführerischen nackten Körper gegen seinen gedrückt. Er liebte ihren Körper. Als der Kuss fordernder wurde wanderten seine Finger ihren Rücken hinab, die Kurven ihrer Hüften entlang. Seine andere Hand fand den Weg zu ihrer Brust. Merlin, er könnte schon wieder über sie herfallen.   Sie grinste gegen seine Lippen. „Hast du denn noch nicht genug?“, neckte sie ihn. Sanft aber bestimmt schob sie seine Hand weg und verschränkte ihre Finger mit seinen.   „Nie“, antwortete er aufrichtig. Er küsste sie noch einmal, bevor er sich wieder ins Kissen zurücklehnte und an die Decke starrte.   Sie schliefen nicht immer miteinander. Manchmal lagen sie einfach nur nebeneinander im Bett und redeten. In der Nacht, als ihr Bruder bei einem Angriff aufs Ministerium umgekommen war, hatte es nicht lange gedauert, bis der Rabe gekommen war. Ein Schauer war Draco den Rücken hinuntergelaufen, als er bei den Namen der Opfer den Namen Weasley aufgeschnappt hatte, doch wie sich herausstellte war es nur einer ihrer Brüder gewesen. In dieser Nacht hatte sie nur neben ihm gelegen und geweint. Und Draco hatte sie im Arm gehalten, bis sie eingeschlafen war. Sie hatte ihn gebraucht und er war für sie dagewesen, so wie auch sie immer für ihn da war, wenn er sie brauchte. So wie heute. Ihre Beziehung war so viel mehr als nur körperliche Begierde, so viel mehr.   Und es wäre für sie alles so viel leichter, wenn sie sich damals nicht ineinander verliebt hätten.   Und doch hatte es sich einfach so ergeben und wer weiß, vielleicht hätten sie glücklich sein können. Aber nicht in diesem Leben. Sie beide hatten ihre Seite gewählt, als Lord Voldemort sich erhoben hatte. Für sie gab es keine gemeinsame Zukunft. Das einzige, das ihnen vergönnt war, waren diese heimlichen Treffen.   Es gab nur wenige Regeln. Wenn einer den anderen sehen wollte würden sie einen Raben schicken. Eulen waren als Kommunikationsmittel nicht mehr sicher, denn sie wurden schon seit Ewigkeiten abgefangen und getötet. So hatten sie sich für einen Raben als Überbringer der Nachrichten geeinigt. Der Treffpunkt musste ein sicherer Ort sein, sie mussten ihre Spuren verwischen und es wurde nicht über den Krieg gesprochen. Sie standen auf unterschiedlichen Seiten und der eine könnte den anderen ausspionieren. Es war einfach kein Thema und Taktiken, Schlachtpläne, geheime Informationen, die dem anderen vielleicht etwas nutzen könnten, waren irrelevant. Man machte sich auch gegenseitig keinen Vorwurf. Keine Moralpredigten. Man konnte meinen, ihr sicherer Ort verwandelte sich für einige Stunden in eine neutrale Zone, in der der Krieg keine Rolle spielte, in der sie sich nicht auf unterschiedlichen Seiten befanden, wo sie sich nicht gegenseitig bekämpfen mussten. Und zuletzt: Niemand durfte jemals etwas davon erfahren. Dieses Geheimnis würden sie beide mit ins Grab nehmen.   Das einzige, das jetzt noch zählte, war zu überleben. Und Dracos Selbsterhaltungstrieb war enorm. Er würde alles tun, um zu überleben. Er würde niemals aufgeben.   Und für sie würde er alles tun, was er konnte, um sie zu schützen.   Sie hatten nur diese wenigen Regeln, und er würde eine von ihnen brechen. Nur deswegen hatte er sie sehen wollen.   Er musste sie warnen.   „Ginevra?“   „Ja?“   Seine Frage klang beinahe beiläufig, als spräche er über das Wetter. „Hat Potter vor Black zu befreien?“ Ginny schien sich neben ihm zu versteifen. Das war ihm als Antwort genug. Er spürte ganz genau, wie sie die Luft anhielt. Ihr Herz hämmerte heftig in ihrer Brust. Sie waren also tatsächlich darauf reingefallen. Das einzige, das er sagte, war: „Geh nicht mit ihnen.“   Er wartete auf eine Reaktion, irgendeine Gefühlsregung. Einige Sekunden verstrichen, bevor sie antwortete. Sie stellte keine Fragen, äußerte sich nicht dazu. Nein. Ihre Stimme war leise und bedrückt. „Okay.“   Sie hatte begriffen.   Es war ein verdammter Hinterhalt. Dieser ganze Plan war eine Falle und Potter schien wie immer blind hineinzulaufen. Black war schon lange tot. Sie benutzen ihn nur als Köder, dabei verrottete sein Leichnam bereits in den Kerkern von Hogwarts. Ein weiterer Plan des Dunklen Lords. Sollte Potter doch in sein Verderben laufen. Auch das war ihm egal. So wie all die anderen Ordensmitglieder. Nur sie nicht. Sie durfte nicht dort sein. Es war einfach zu gefährlich. Ihm war gleich, was Ginny mit dieser Information anstellte, ob sie die anderen warnte und Potter davor bewahrte in sein Verderben zu laufen. Hauptsache sie begab sich nicht in Gefahr.   Er konnte sich noch daran erinnern, wie es gewesen war, als er sie bei einem Angriff gesehen hatte. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass sie sich früher oder später auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen würden. Darauf war er gewappnet gewesen, er hatte stets einen Plan B und immer alle Möglichkeiten bedacht – dachte er zumindest, denn als es dann plötzlich tatsächlich soweit gewesen war hatte es ihn getroffen wie der Schlag. Die Angst hatte ihm die Kehle zugeschnürt. Ihre Anwesenheit hatte ihn so sehr abgelenkt, dass er im Kampf verwundet wurde. In ihrer Nähe konnte er einfach nicht klar denken.   In all den Jahren, in denen sie zusammen waren, hatte er ihr noch nie gesagt, dass er sie liebte. Wie oft hatte er schon vorgehabt es ihr zu sagen? Doch noch nie war er in der Lage gewesen diese Worte auszusprechen. Vermutlich würde es alles nur noch schlimmer machen. Er konnte ihr nur zeigen, wie viel sie ihm bedeutete, indem er sie warnte. Indem er ihr Leben schützte.   Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Sprache wiederfand. „Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, aber …“ Als sie weitersprach klang ihre Stimme unendlich traurig. „Manchmal wünschte ich mir, wir würden einfach weglaufen.“   Er seufzte. Langsam setzte er sich im Bett auf, zog die Beine an und stützte seine Ellenbogen auf die Knie. Nicht schon wieder. Als er sie ansah starrte sie ihm aus fragenden Augen entgegen.   „Wie oft sollen wir das noch diskutieren?“, fragte er rhetorisch. Seine Stimme klang bitter und endgültig. „Es würde nicht funktionieren.“   „Das weißt du nicht“, entgegnete sie und er sah etwas in ihren Augen.   Hoffnung.   Draco fuhr sich durch die Haare und starrte an die Wand. Wie gern würde er ihr diesen Wunsch erfüllen? „Sie würden uns finden. Uns foltern und töten. Und vermutlich unsere Familien gleich mit uns.“ Wie viele hatten versucht ins Ausland zu fliehen? Unterzutauchen? Sich den Todessern zu widersetzen? Außerdem wusste er, dass sie niemals ihre Familie und ihre Freunde im Stich lassen würde. Nein, dafür war sie nicht der Typ. Draco hatte nicht viele Menschen in seinem Leben, die ihm etwas bedeuteten, aber er wollte auf keinen Fall riskieren, dass seine Eltern für seine Fehler zahlen mussten. Er selbst hatte schon mehrfach den Auftrag erhalten, Abtrünnige ausfindig zu machen. Leute, die sich Voldemort widersetzten, lebten allgemein nicht lange. In den letzten Jahren hatte er unzählige Fluchten geplant und die Pläne jedes Mal wieder verworfen. Sie würden es nie schaffen. Auch er hatte mal Hoffnung gehabt.   Er spürte eine Berührung. Sanft legte sie ihre Hand auf seinen Arm. In ihrer Stimme erklang Zuversicht. „Wir könnten es vielleicht schaffen.“   Draco nahm ihre Hand in seine und führte sie zu seinem Mund. Er hauchte einen Kuss auf ihre Knöchel. „Nein.“ Er stand auf und fing an seine Kleidung zusammen zu suchen, die achtlos auf dem Boden zerstreut lag, und sich anzuziehen. Die Sonne würde bald aufgehen. Ginny beobachtete ihn dabei. Es war die immer gleiche Unterhaltung, die sie schon unzählige Male geführt hatten. Und sie kamen immer wieder zum gleichen Ende. Immer wieder zerstörte er ihre Hoffnung.   Er sah die Tränen in ihren Augen. Er würde ihr gerne eine andere Antwort geben, aber er wusste, dass es sinnlos war. Für sie gab es kein Happy End.   „Wieso kommst du nicht auf unsere Seite?“, fragte sie. So oft hatte sie ihn das schon gefragt.   Und seine Antwort blieb immer dieselbe: „Wieso kommst du nicht auf unsere?“ Da hätte sie höhere Überlebenschancen.   Ginny blieb stumm.   Er griff nach ihrem Kleid und warf es ihr zu. Eine stumme Aufforderung sich ebenfalls anzuziehen. Das Thema war für ihn beendet. Sie wollten doch nicht über den Krieg reden, das waren schließlich die Regeln.   Aber hin und wieder brachen sie ihre eigenen Regeln.   Draco sah Ginny beim Anziehen zu, wobei sie sich sichtlich viel Zeit ließ. Denn jetzt kam der schwierigste Teil. Der Abschied. Wenn es nach ihm ginge könnten sie hier Tage oder gar Wochen miteinander verbringen, doch er musste zurück sein, bevor sein Fehlen irgendjemandem auffallen würde. Und er wollte nicht, dass sie sich mit einer Meinungsverschiedenheit voneinander trennten, denn es war nie gewiss, ob es ein Wiedersehen geben würde. Sie sprachen es nicht aus, und doch war es beiden bewusst, dass es ihr letztes Treffen sein könnte.   Beide gingen nun in ihren Umhängen zur Eingangstür. Draco reichte ihr ihren Besen und schloss sie anschließend in eine feste Umarmung. Er vergrub das Gesicht an ihrer Halsbeuge und atmete noch einmal den süßen Duft ihres Haares ein. „Denk an meine Worte“, flüsterte er. Sanft legte er eine Hand an ihre Wange und küsste sie zum Abschied. Dann sah er ihr tief in die Augen. „Sei vorsichtig“, mahnte er.   „Immer.“   Ihre Lippen fanden einander ein letztes Mal. Ihr Kuss war verzweifelt. In ihm steckte so viel Begierde, Trauer, Liebe und Leid. Der Moment des Abschieds war gekommen. Draco zog sich die Kapuze über den Kopf.   „Bis bald.“ Da war sie wieder. Hoffnung in ihrer Stimme.   „Bis bald“, versicherte er ihr. Es war das, was sie hören wollte.   Draco war der erste, der ging. Er war immer der erste. Denn er war der Stärkere von ihnen beiden.   Er riss sich von ihrem Anblick los. Es kostete ihn alle Überwindungskraft. Nachdem er mit einem Zauber die Tür öffnete und vorsichtig durch sie hindurchschlüpfte, disapparierte er mit einem leisen Plopp, nicht wissend, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)