Der Schmerz der Erinnerung von Pfeffersosse (Winterwichteln 2018 - SuperCraig) ================================================================================ Kapitel 1: Brüder ----------------- Es war der schönste Augenblick eines jeden Morgens, den er vor seinen Augen hatte. Denn in genau diesem Moment ging die weiße Sonne unter und vermischte sich mit den Strahlen der aufgehenden roten Sonne. Scharlachrote, gelbe, leicht grünliche und weiße Farbakzente wechselten sich ab und erhellten die frühe Morgenstunde. Der erfahrene Kämpfer blickte etwas wehmütig und ruhig zugleich in die Ferne, bevor er den Tag richtig beginnen konnte. Es gehörte zu seiner täglichen Routine, denn es war der einzig friedliche Moment in der sonst sehr hektischen Umgebung. Dieses Zwielicht, das sich in diesem Moment über ihn ergoss, zauberte ihm ein kleines Lächeln auf die Lippen. Er musste an früher denken, an eine Zeit, die ihm so fern und doch so nah schien. Die Bilder, die sich vor seinem inneren Auge abspielten, zeigten ihm Momentaufnahmen aus einer fremd wirkenden Zeit, als es mehr als nur ihn gab. Da es noch so früh am Morgen war, konnte keiner sehen, wie es wirklich um ihn stand. Unsicherheit machte sich immer um diese Tageszeit in ihm breit, obwohl er tagein, tagaus meditierte, um seinen Kodex gerecht zu werden. Gefühle spielten eine untergesetzte Rolle und er wusste nur zu gut, wie schnell sie einen Menschen ändern konnten. Seine eigentliche Heimat hatte er im Moment für eine Außenmission verlassen und ihm wurde, wie sonst üblich, kein Partner zugeteilt. Die Ausbildung der meisten Padawan war noch nicht weit genug fortgeschritten, als dass sie ihn begleiten durften. Er schloss seine Augen und ließ seine Gedanken einen Moment schweifen. Kinderlachen war zu hören und der Gesang einer längst vergessenen Frau, die er seine Mutter nannte und doch viel mehr war für ihn als nur diese. Fast schon vergessen waren diese unbeschwerten Tage, als es nur ihn, seinen Bruder und seine Mutter gab. Der Vater war in einem Streit erschlagen worden und hatte seine Frau alleine zurückgelassen. Er konnte sich nicht wirklich an ihn erinnern, weil er die Trauer aus seinem Herzen verbannt hatte; so gut es ging zumindest. Er wollte sich wie so oft nicht zu genau erinnern, denn ein unsteter Geist konnte seine Wahrnehmung trüben. Er gehörte immerhin den Jedi an und war somit ein Verfechter der hellen Seite der Macht. Jahrzehnte lang kämpfte er an der Seite fähiger Meister und konnte sich nun seit mehreren Jahren auch als solchen bezeichnen. Einen Schüler hatte er bis jetzt noch nicht erwählt, aber einige der Padawan zeigten wahrlich viel Potenzial. Gerade musste er sich eher auf seine Mission konzentrieren, die ihn dazu gebracht hatte den Jedi-Tempel zu verlassen und auf diesen Planeten zu reisen. Langsam aber sicher verlor er das Zeitgefühl und wusste nicht mehr, wie lange und wie oft er dieses Schauspiel schon beobachtet hatte. Für seine Verhältnisse ein paar Mal zu oft, denn etwas Heimweh empfand er definitiv schon ein wenig. Obwohl er gestern Abend Zeuge eines wunderschönen Sternschuppenschauers wurde, der im Jedi-Tempel eher selten war. Ein ungewollter Seufzer verließ seine Lippen, als er seine Augen wieder öffnete und auf die rote Sonne blickte. Blutrot erhellte sie seine Gestalt und er musste kurz unwillkürlich auflachen. Wie passend dieser Moment auf so viele Augenblicke in seinem Leben zutraf. Dabei sollte er es nicht sein, war er doch der Verfechter des Guten und immer auf friedvolle Lösungen aus. Doch es gab ein Kapitel in seinem Leben, das er so tief verbarg, wie es nur ging, denn es würde seine ganze Existenz und Glaubwürdigkeit gefährden.   Sie waren am gleichen Tag geboren, getrennt nur durch wenige Minuten voneinander. Immer nahe beieinander, immer unzertrennlich. Jeden Schabernack trieben sie gemeinsam und jeden Schmerz teilten sie. Sie glichen sich wie zwei Tropfen Wasser und jahrelang war es ihre größte Stärke. Aber gleichzeitig auch ihre größte Schwäche. Ohne es zu wollen, wurden sie immer miteinander verglichen und mit der Zeit wurde klar, dass der um wenige Minuten jüngere Bruder in manchen Dingen besser war. Die Jagd gelang ihm leichter, Freunde fand er in einem Wimpernschlag. Man konnte behaupten, dass der Junge beliebter war als sein älterer Bruder. Dabei waren sie sich doch so gleich. Mit der Zeit bahnten sich Gefühle an die Oberfläche des älteren Bruders, die er gleichzeitig hasste und liebte. Wenn er sich darin suhlte, schien es ihm als würde die Luft um ihn herum besser und süßlicher riechen. Heute war wieder einer dieser Tage, in denen sein Bruder prahlte, weil sein Fisch, den er mit bloßen Händen gefangen hatte, ihm nicht durch die Finger gerutscht sei. Er runzelte die Stirn und wusste nicht genau, was er tun sollte und streckte ihm nur frech die Zunge heraus. „Ob der noch schmeckt, wenn du ihn angefasst hast?“, sagte er neckend und wartete gespannt auf eine Reaktion seines Bruders. „Na warte du!“ Plötzlich spürte er etwas Feuchtes und Kaltes an seiner Wange und schreckte zusammen, weil er kurz unachtsam war. Hatte sein Bruder das wirklich getan?! Ihre Rauferei ging einige Zeit weiter, bis plötzlich die Stimme ihrer Mutter die eigentlich um sie herrschende Stille durchschnitt: „Was habe ich euch beiden schon öfters gesagt? Mit Essen wird nicht gespielt, auch wenn es wie immer wunderbar ist, euch so zu sehen.“ Sie kam näher und strich sanft durch die Haare ihrer beiden Söhne. Der Kuss, der daraufhin folgte, war liebevoll und zeugte von tiefster Zuneigung ihrer Kinder gegenüber. „Wenn mir jeder von euch zwei Fische mitbringt, wird das ein Festmahl“, meinte sie und zog wieder von dannen. Es war wahrlich nicht untertrieben zu sagen, dass die Brüder länger für diese kleine Bestellung ihrer Mutter brauchten, weil es ungewollt in einem Wettbewerb ausartete. Keiner der beiden wusste danach, wer ihn angefangen hatte, doch sie kamen nicht mit nur vier Fischen nach Hause, sondern hatten ein Dutzend gefangen und trugen ihren schweren Fang mit Stolz zu ihrer Mutter. Was beide zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass sie nur durch die allgegenwertige, unsichtbare Kraft solch hohen Erfolg hatten. Erst Jahre später sollte es beiden richtig bewusst werden, als sie die Grundsätze, die zu einem wahren Jedi gehörten, erlernten. „Da seid ihr ja endlich! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ Die stolz geschwelten Brüste der Brüder fielen langsam in sich zusammen, als sie in das besorgte Gesicht ihrer Mutter blickten. Ihnen war nicht klar gewesen, dass der Mond in der Zwischenzeit schon aufgegangen war und ihre Mutter sich dadurch die schlimmsten Szenarien ausgemalt hatte, die es in dieser abgelegenen Stelle der Galaxis gab. Sie entschuldigten sich gewissenhaft und überreichten ihr mit gesenktem Blick die Ausbeute des Tages. Viel sagte sie nicht mehr, denn ihre Worte wären durch ihre Tränen nicht zu hören gewesen. Ihre Umarmung, die folgte, war die stärkste und auch letzte, die die Brüder jemals von ihr bekamen. Denn einige Zeit später landete ein Meister/Schüler-Gespann auf ihrem Planeten, um eine Bedrohung aus dem Weg zu räumen. Sie erkannten sofort das Potential der Brüder und ihre Mutter erlaubte ihnen schwerfällig diesen Weg zu wählen, als länger auf dem Planeten zu bleiben. Fische konnte sie immerhin auch selber fangen.   Der Jedi wurde überwältigt von der Erinnerung, die er verspürte, als er merkte, dass er beobachtet wurde. Das Gefühl kannte er, das sich in seinem Körper ausbreitete und doch wollte er es nicht wahrhaben. So viele Fragen lagen auf seiner Zunge, die er aber nie ausformulieren würde. Zu sehr wurde er in einer Schockstarre gefangen gehalten, die sein Körper ohne sein Zutun auf ihn gelegt hatte. Weshalb spielten ihm seine Gefühle gerade einen Streich, wo er sie doch so gut unter Kontrolle hatte, gehörte es doch zu seinem Wesen dazu? Angst waberte in seinem Inneren, weil er wissen wollte, was dort hinter ihm war, er aber gleichzeitig ohne diese Erkenntnis leben konnte. Dabei hatte er keine allzu große Wahl, was er als nächstes tun musste. „Gewaltfreier Frieden“, erklang die Stimme hinter ihm und er war sofort in Alarmbereitschaft, als sie fortfuhr. „Jahrelange Ausbildung. Kontrolle über die Gefühle. Was habe ich noch vergessen? Oh, richtig, ihr seid ja wahre Meister der Macht.“ Sein Lachen ließ eisige Schauer über seinen Rücken laufen. Der Jedi hatte sich noch immer nicht umgedreht, doch der Klang seiner Stimme hätte er unter tausenden herausgehört. Hinzu kam, dass sich die Macht um ihn herum zu bekannt anfühlte. Und doch wollte er diesen einen Gedanken nicht fertig denken. Er wartete einige Atemzüge, um seine Gefühle wieder ein wenig unter Kontrolle zu bringen, weil er sich nun keinen Fehler mehr leisten konnte. Der Mann, der gesprochen hatte, hatte Recht, denn der gewaltfreie Frieden war das Ziel eines jeden Jedis und doch musste er an manchen Tagen zu seinem Lichtschwert greifen. Heute würde wohl einer ebendieser sein. Dabei wollte er nicht gegen denjenigen kämpfen, der nun immer näher kam und dessen Atem er langsam aber sicher an seinem Nacken spürte. „Buh.“ Mit einer gleichzeitigen Bewegung streifte der Jedi seinen Umhang von seinen Schultern und stieß sich kraftvoll vom Boden ab. Im Sprung aktivierte er sein blaues Lichtschwert und parierte den Angriff des rotglühenden Schwertes. Das Knistern der beiden Lichtschwerter war das einzige Geräusch an diesem frühen Morgen. Die aufeinanderprallende Energie zuckte zwischen den beiden auf und ab und erhellte ihre Gesichter in einer grün-roten Mischung, die ihre Züge verzerrt darstellte. Nun war kein Zweifel mehr, denn dem Jedi war es, als würde er in einen Spiegel blicken. Der Mann, der in vollkommen schwarzer Montur mit diesem roten Lichtschwert kämpfte, war sein Bruder. „Bruder …“, erklang seine Stimme brüchig. Er hatte jahrelang gedacht, dass sein Bruder die Auseinandersetzung auf einem fernen Planeten nicht überlebt hatte, da sie getrennt voneinander festgehalten wurden. Der Suchtrupp, der jeden Stein doppelt und dreifach umgedreht hatte, konnte nur die zerrissene und blutige Kleidung des Zwillings entdecken. Dabei hatte er oftmals das Gefühl gehabt, als sei die Verbindung zu ihm nicht gekappt worden. Die Macht fühlte sich noch immer vollkommen an und auch sonst hatte sich nicht viel geändert. Nur, dass die Trauer ihn in dieses schwarze Loch gezerrt hatte, das durch seine Gefühle aufgerissen worden war. Der Drang ihnen vollkommen nachzugeben, wurde nur durch die weisen Worte seines Meisters unterbunden und beide hüllten diesen Moment der Schwäche in Schweigen. „Du bist wohl überrascht mich zu sehen, oder Abeldan?“, fragte sein Bruder und schnaubte kurz. „Dabei müsstest du doch langsam wissen, dass ich noch nicht tot bin. Ich habe dir immerhin genügend Hinweise geliefert, dass ich quicklebendig bin.“ Sein Grinsen wurde breiter und Abeldan erkannte nun den eigentlichen Grund für das viele Blut auf der zerrissenen Kleidung vor so vielen Jahren. Ein klaffendes Loch, was einmal sein linker Augapfel war, blickte ihm grotesk entgegen. Eine Narbe durchzog fast den kompletten Rest der linken Gesichtshälfte und wirkte, als sei ein Sprung im eigentlich heilen Spiegel entstanden. „Kain…“, begann er seinen Satz, doch sein Bruder unterbrach ihn brüsk, als er ihn mit großer Kraft von sich stieß und ins Straucheln brachte. „Wag es ja nicht, diesen Namen zu nennen. Der Schwächling ist bereits lange tot. Vor dir steht ein völlig neues Ich.“ Er drehte sich einmal im Kreis und alles wirkte so befremdlich und surreal auf den älteren Bruder. Der jüngere Bruder schwang sein Lichtschwert mit Leichtigkeit hin und her, machte einen Schritt nach vorne und täuschte eine Attacke an. Doch Abeldan rührte sich nicht vom Fleck. Seine grüne Klinge zeigte gen Boden und er machte keine Anstalten in den nächsten Minuten zu einem Hieb ausholen zu wollen. Kaindan ging langsamen Schrittes um den Körper seines Bruders herum und sah ihn von oben bis unten an. Er schüttelte kurz den Kopf und beobachtete den Jedi dabei, wie er ihn mit den Augen verfolgte. Er kannte diese Spielchen zu gut, um nicht zu wissen, dass sein älterer Bruder auf einen günstigen Moment wartete, den er ihm sicherlich nicht gab. „Du steckst hinter den Ermordungen der positionierten Jedi?“, erklang die ruhige Stimme von Abeldan. Ruhig war nur seine Stimme, denn sein Körper war angespannter, als die Saiten einer Harfe. Es war etwas anderes gegen einen Bekannten kämpfen zu müssen, als gegen völlig fremde. Dabei müsste er genau der gleichen Vorgehensweise nachgehen, um effektiver zu arbeiten. Seine Ausbildung sollte immerhin nicht umsonst gewesen sein. „Kaindan, ich will dich bitten, dass du diese Spielchen lässt und dich mir friedlich ergibst. Ich will mein Lichtschwert nicht gegen dich anwenden müssen. Das musst du mir glauben, Bruder“, erklärte er sich und wartete auf eine Reaktion. „Oh? Bilde ich mir das nur ein, dass dein Lichtschwert sich vorhin automatisch verteidigt hat? Oder war es einfach nur ein Reflex, der eingegriffen hat, um am Leben zu bleiben?“ Kaindan seufzte und preschte auf seinen Bruder vor, als er sagte: „Und du sollst mich nicht so nennen, Jedi!“ Funken sprühten, als sich die Klingen trafen und der Druck riss beide fast um. Die Hiebe, die daraufhin folgten waren schnell und präzise. Wobei die Vorgehensweise der beiden Kämpfenden sich darin unterschied, dass sich der Jedi verteidigen musste und der Angreifer ihn immer stärker in die Enge trieb. Mit einem gezielten Machtstoß riss Kaindan seinen Bruder von den Füssen und nutzte diesen Moment aus, um ihn zu entwaffnen. Ein Lächeln schlich auf seine Lippen und er schnitt das Lichtschwert entzwei, das sein Bruder wieder in seinen Besitz bringen wollte. Er seufzte theatralisch auf und schüttelte dann den Kopf, als er sagte: „Ich weiß wie viel Arbeit dir dieses Schwert gemacht hat, aber dort, wo du hingehst, wird es dir nicht von Nutzen sein. Glaube mir … es hat seinen Zweck mehr als erfüllt.“ Er stieß Abeldan vollkommen zu Boden und drückte ihm seinen Fuß gegen die Schulter. Kurzweilig gefühllose Augen blickten auf den älteren Bruder herunter und er schüttelte wieder den Kopf. Es wirkte, als müsste er sich selbst eingestehen, dass diese Situation bizarr oder so offensichtlich war. „Weißt du, Bruder, die Zeit, die ich in dieser Gefangenschaft verbracht hatte, hat mir die Augen geöffnet, oh, nein, das Auge geöffnet. Nachdem sie mir mit einem stumpfen Messer das Auge ausgeschnitten haben, um Informationen aus mir herauszubekommen, habe ich mich gefragt, wo denn mein großer Bruder war, wenn ich ihn am meisten brauchte?“ Er fuhr nach einer kurzen Pause weiter: „Doch dann wurde mir klar, dass mein jahrelanges Vorbild, wohl nicht so stark sein konnte, wenn er seinen eigenen Bruder diesem elendigen Schicksal überließ. Und komm mir jetzt mit keinen Erklärungen, sonst schneide ich dir langsam deine Zunge heraus!“ Er sah ihn wütend mit gelbschimmernden Augen an und spuckte neben ihn auf den Boden. „Ich weiß, was die Leute immer über mich dachten, dabei bist du der Stärkere gewesen, als wir Kinder waren. Ich war oft so neidisch auf dich. Aber das konntest du sicherlich nie ahnen, haben wir doch früh genug lernen müssen unsere Gefühle unter Kontrolle zu bringen“, erzählte er weiter und seufzte auf. Kaindan presste seine Sohle stärker auf das Schlüsselbein und hörte das erwartete Knacken, als der Druck auf den Knochen zu groß war. Der Schrei seines Bruders in seinen Ohren war eine wahrliche Genugtuung und eine kleine Anzahlung für die Monate in diesem Drecksloch. „Als ich dann irgendwann vom Schreien nach dir heiser wurde und der Schmerz meiner Verletzungen immer stumpfer wurde, tat sich mir eine völlig neue Welt auf. Ich muss dir eigentlich danken, dass du mich nicht gerettet hast. Denn ich habe meine eigentliche Bestimmung gefunden. Vielleicht sind mir ein paar Informationen damals über den Jedi-Tempel und die Unterrichtsstunden herausgerutscht, aber das ist ja Schnee von gestern.“ Er machte eine wegwerfende Bewegung und blickte auf sein Lichtschwert. Sein Blick wanderte zwischen seiner Klinge und seinem Bruder hin und her. Er schien auf einmal etwas unschlüssig zu sein, doch die Unsicherheit in seinem Blick verschwand so schnell, wie sie gekommen war. „Aber, da ist etwas, das mich dann doch ein wenig an meiner neuen Aufgabe stört. Ich finde sie zwar nicht allzu schwer, immerhin sind die anderen Jedi schon tot, aber ein anderer Punkt war schwieriger. Denn ich brauche dich, damit mein Plan auch wirklich aufgeht, liebster Bruder“, sagte er grinsend. Abeldan versuchte den Schmerz, der sich über sein Schlüsselbein in die Schulter zog, so gut es ging zu ignorieren, aber die Worte seines Bruders drangen unverfälscht an seine Ohren. Ohne wirkliche Hilfe konnte er sich im Moment nicht verteidigen, weil er immer noch Skrupel hatte, um seinen geliebten, für tot geglaubten Bruder zu verletzen. Dabei erkannte er, dass die Situation von Minute zu Minute auswegloser wurde. Er hätte niemals gedacht, dass er an dem Punkt angelangt sei, in dem er sich wieder wie der kleine Junge fühlte, der neidisch auf seinen Bruder war. Denn das, was er damals in seiner Trauer gespürt hatte, wallte erneut in ihm auf, nur war es ein anderes Gefühl, das die Oberhand gewinnen wollte. Wut labte sich am Schmerz in seiner Schulter, doch er versuchte mit aller Macht wieder Herr über sie zu werden. „Bruder, wie konnte ich denn ahnen, was dir schlimmes widerfahren war, als man nur deine zerrissenen Kleider und dein Blut vorfand. Wir haben tagelang nach dir gesucht, nachdem ich mich befreien konnte. Alleine bin ich jeden Weg abgelaufen, den wir zuvor gegangen waren, aber ich konnte dich einfach nicht aufspüren. Dabei fühlte ich doch, dass du noch da warst, war deine Machtsignatur immer noch stark zu spüren. Jahrelang habe ich mir eingeredet, dass ich Schuld an deinem Tod war, weil ich dich nicht beschützen konnte, doch das Gefühl hat mich nie verlassen. Und hier bist du, liebster Bruder, vor meinen Augen und erzählst mir solch schreckliche Sachen. Was erwartest du von mir?“, brüllte Abeldan förmlich heraus. Diese unbeantwortbaren Fragen quälten ihn und nun würde er eine Antwort bekommen. Er fühlte sich so verwirrt im Moment, als er merkte, dass das Gespräch wohl doch nicht in die gewünschte Richtung ging. Kaindan blickte ihn zwar an, doch er sagte kein Wort. Abeldan öffnete erneut seinen Mund, doch nur ein Gurgeln verließ seine Lippen. Gleißender Schmerz breitete sich in seiner Kehle aus und das Knistern der roten Klinge war näher, als ihm lieb war. Sein Bruder blickte ihn mit kalten Augen an und er sah ihn ein letztes Mal den Kopf schütteln. Dann beugte er sich zu ihm herunter. „Bruder, ich habe doch meine Bestimmung gefunden. Sei doch froh für mich, denn du konntest mir in deinen letzten Minuten ein großes Opfer bringen“, flüsterte er ihm ins Ohr und nickte leicht, „Denn du wirst ich und ich werde du. Wir werden eins, Bruderherz. Wolltest du das nicht auch immer?“ Er drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange und stieß seine Klinge durch den Hals von Abeldan. Das Gurgeln und Zucken dauerte noch einige Momente an, bevor er seufzend die Klinge einfuhr und sie neben ihn legte. Vorsichtig legte er seinen Kopf an die heile Schulter seines Bruders und lächelte sanft in den hellen Stoff. Sein Mund formte ein lautloses ‚Danke‘ und ein Gefühl, das jahrzehntelang in seinem Inneren verborgen war, trat an die Oberfläche und netzte die Tunika ein. Es war getan. Dabei konnte Kaindan das Gefühl nicht einmal benennen, das gerade hier passiert war. Ein Opfer war es sicherlich gewesen, doch für welchen Preis?   Minuten später und nachdem er seine Kleidung gegen die seines Bruder getauscht hatte, nahm er einen Kommunikator aus einem Versteck hervor und eine Projektion erschien. „Meister“, sagte er und neigte seinen Kopf. „Sprich, mein Schüler“, raunte die Stimme ruhig. „Es ist vollbracht, Meister“, erklärte er kurz und knapp und hob seinen Blick. Sein Gesicht glich einer einzig großen, frischen Wunde. „Gut. Dann kann die Infiltration ja beginnen“, sagte sein Meister und wirkte mehr als zufrieden. Kaindan neigte seinen Kopf wieder, ignorierte die starken Schmerzen, weil sie ein Symbol seiner Loyalität seinem Meister gegenüber waren und verkündete feierlich: „Ich werde Sie nicht enttäuschen und mein Leben fortan als Abeldan weiterführen und sie über jegliche Aktivität im Jedi-Rat in Kenntnis setzen.“ Sein Meister lachte zufrieden, bevor sein Bild ohne Verabschiedung vom Kommunikator verschwand. Kaindan versteckte ihn wieder in seiner Kleidung, um seiner Aussage Folge zu leisten und blickte auf den toten Körper seines Bruders. Das ungewohnte Gefühl war mit der letzten Träne verschwunden und er sah recht gefühlskalt auf Abeldan. Vor wenigen Stunden wäre er nicht der Meinung gewesen, dass seine Aufgabe lösbar gewesen wäre, aber als er die Präsenz seines Bruders näher als sonst fühlte, musste er diese Situation ergreifen und war mit dem Ergebnis wirklich zufrieden. Blut tropfte auf den Boden, da seine alte Wunde wieder frisch aufgebrochen war. Er hatte sich selbst diese Schmerzen zugefügt, um seine Entstellung als Folge des Kampfes darzustellen. Wie sonst hätte das fehlende Auge erklärt werden können? Bevor die Verstärkung eintraf, hatte er noch genügend Zeit, um sich an einer Aktivität zu üben, die jahrzehntelang nicht zu seinem Alltag gehörte. Doch erst einmal musste er seinen Tod melden, bevor er den nächsten Schritt gehen konnte. Sein Leben wurde ab heute nur noch auf Lügen basieren, die sich immer weiter vergrößern. Wie damals, als aus den zwei Fischen immer mehr wurden.   „Hier spricht Abeldan …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)