Musst du jetzt gerade gehen, Kadan? von DieLadi ================================================================================ Kapitel 1: Die Taverne ---------------------- Als ich die Taverne in Haven betrat, fiel er mir sofort auf. Er war eine Schönheit. Er gefiel mir. Und ich hatte in diesem Augenblick die Hoffnung, dass meine Einsamkeit heute Abend vielleicht ein wenig von mir ablassen würde. Dorian, sagte ich mir, versuch dein Glück. Ich war mit dem Ziel hierher gekommen, mich entweder zu betrinken oder vielleicht Gesellschaft für diese Nacht zu finden, um sie nicht wieder allein und voller Grübeleien zu verbringen. Grübeleien darüber, dass mich ich trotz der Tatsache, dass ich eine Menge Freunde besaß, einsam fühlte. Freunde sind etwas großartiges, keine Frage. Aber seit der Kampf gegen Corypheus siegreich beendet worden war, waren sie in alle Winde zerstreut. Oder unerträglich glücklich verliebt, wie die Inquisitorin und Cullen, den beiden konnte man schon nicht mehr zuschauen, ein einziges Dauergeknutsche. Bah. Bei Cassandra und Varric war es nicht ganz so schlimm, wenngleich ich mir immer noch nicht begreiflich machen konnte, wie ausgerechnet die beiden sich hatten zusammentun können. Na ja, aber sie lebten in Kirkwall, und dahin zog mich nichts. Blackwall war zu den Wächtern zurück gekehrt; Leliana war nun die Neue Göttliche und Lady Montilyet lebte in Orlais. Solas ... nun, der war verschwunden, und Cole war der selbe Wirrkopf wie immer. Ich mochte den Kleinen, aber es war immer noch gruselig, wie er einem geradewegs in die Seele schauen konnte. Deswegen hielt ich mich lieber von ihm fern. Tja. Aber von hier fortgehen, zurück nach Tevinter, so wie meine Eltern es wollten? Das kam nicht in Frage, denn sie erwarteten noch immer ein Leben, wie ich es niemals wollen würde: eine achtbare Ehe, ein paar Kinder um die Linie der Pavus fortzuführen. Dass hinter dieser Fassade ihr Sohn an den ganzen Lügen kaputt gehen würde, interessierte sie nicht. Nein, das würde ich mir nicht antun. Ich seufzte und dann setzte ich ein gewinnendes Lächeln auf. Er war schlank, blond, ganz offensichtlich nicht von hier, aus Ferelden. Er drehte den Ring am Finger seiner rechten Hand hin und her. Als ich den Ring bemerkte, wollte ich schon den Rückzug antreten. Doch dann schien er einen Entschluss zu fassen. Er zog den schmalen Goldreif ab und steckte ihn in seine Jackentasche. Gut, dachte ich, da scheint eine Beziehung zu Ende zu sein. Also, Dorian, wie gesagt, versuch dein Glück. Ich setzte mich auf den Barhocker neben ihn und lächelte ihn an. Er lächelte zurück. Ich reichte ihm die Hand. „Guten Abend, Ich bin Dorian.“ Er schluckte. „Und … darf ich auch deinen Namen erfahren?“, fragte ich freundlich. Er nickte. „Lucius“, sagte er leise. Er hielt sich an seinem Bierkrug fest, als wollte er daran Halt finden. Ich bestellte mir ebenfalls einen Krug, ich gebe zu ich habe eine Schwäche für Fereldener Bier, und sagte: „Lucius. Das klingt, als wärest du auch aus Tevinter, wie ich?“ Er sah mich an und nickte wieder. Es war nicht ganz leicht, mit ihm ein Gespräch anzufangen, und er brauchte eine ganze Weile, bevor er auftaute. Ich flirtete mit ihm, aber er sprang nicht recht darauf an. Vordergründig schon, und er schien es darauf anzulegen, einen Abend voller unverbindlichem Spaß zu haben. Aber immer wieder schien er in Gedanken versunken, und ich merkte ihm einfach an, dass er nicht bei der Sache war. Dass ganz andere Dinge in seinem Kopf umhergingen. Ich hatte für mich die Sache mit dem schnellen Vergnügen schon zu den Akten gelegt. Lucius schien mir nicht der Richtige dafür, er schien mit sich und seinem Entschluss, sein Leben hinter sich zu lassen, zu kämpfen und ich hatte das Gefühl, dass er jetzt eher einen Freund brauchte, als eine Bettgeschichte. Aber das war okay. Ich mochte ihn, er schien kein leichtfertiger Typ zu sein, denn als ich ihn irgendwann nach dem Ring fragte, antwortete er: „Ich bin niemand, der eine Sache so schnell hinwirft. Ich bin nicht flatterhaft. Aber … ich kann einfach nicht mehr. Jahrelang jeden Tag der gleiche Kampf. Arbeit, Arbeit, immer nur Arbeit. Und doch nie zu wissen, ob es morgen noch für das nötigste reicht. Jeden Tag Sorgen, jede Nacht Angst. Ich kann das einfach nicht mehr.“ Eine Träne rann über seine Wange. „Ich weiß, ich bin ein Feigling. Ein schlechter Mensch. Dass ich einfach alles so hinter mir lassen will. Aber ich will hier raus. Ich muss hier raus, sonst werde ich verrückt.“ Er legte seine Hand auf meine und schaute mich voller Hoffnung an. „Ich bin hungrig nach Leben, weißt du? Hungrig nach Lachen. Einfach Lachen, Spaß haben. Ohne an die nächste Ernte zu denken, oder das nächste Stück Brot. Verstehst du mich?“ Ja, ich verstand ihn. „Bringst du mich hier raus?“, fragte Lucius. „Du bist doch auf dem Weg von hier weg, oder?“ Nun, das war ich nicht, aber meine für Ferelden ungewöhnlich elegante Kleidung (ich legte da immer noch großen Wert drauf), verbunden mit der Tatsache, dass wir uns in der Taverne direkt neben der Kutschenstation befanden, hatten ihn wohl getäuscht. Andererseits ... was hielt mich hier? Ich konnte noch heute meine paar Habseligkeiten in meine Reisetruhe packen und auf und davon gehen. Deswegen nickte ich nach einem Moment das Zögerns und sagte: „Ja, wenn du das möchtest.“ Die Tür der Taverne flog auf. Ich hatte ihr den Rücken zugewandt, so dass ich nicht sah, wer den Raum betreten hatte. Was ich aber sah, war Lucius' Gesicht, das mit einem Schlag bleich wie die Wand wurde. Ich drehte mich um. In der Tür stand ein Qunari. Der größte Qunari, den ich je gesehen hatte. Er war ein riesiger Kerl mit unfassbar großen, weit ausladenden Hörnern. Sein Gesicht war vernarbt, ein Auge schien zu fehlen, denn er trug eine Augenklappe. Und dieser Berg aus Muskeln kam geradewegs auf uns zu. Na super, Dorian. Das wars, dachte ich. Jetzt bin ich tot. Der Riese stand vor uns und schaute Lucius, der noch blasser geworden war und kein Wort raus brachte, eindringlich an. Seine Augen wandten sich kurz zu mir, Mann, dieser Blick ging mir vielleicht unter die Haut. Gleich hast du diese riesige Faust im Gesicht, großartig, dachte ich. Doch dann wandte er sich wieder Lucius zu und begann zu zittern und leise zu sprechen. „Mußt du gerade jetzt gehen, Kadan? Gerade jetzt? Unsere Kinder liegen mit Fieber auf ihrem Lager, die Ernte muss eingebracht werden. Ich weiß nicht, wer sie pflegen soll, ich kann niemanden dafür bezahlen, und einen Arzt schon gar nicht. Und wenn ich die Ernte nicht einhole, dann ... werden wir hungern ... Bitte ...“ Lucius schaute zu Boden, aber sein Gesicht verhärtete sich. Die Stimme des Mannes vor uns schien zu brechen, als er fortfuhr: „Wir ... wir beide haben schon so viel durchgemacht. Ich habe schon so viel schweres erlebt. Aber wenn du jetzt geht’s, dann ... es ist nicht nur, dass ich nicht weiß, wie ich es ohne dich schaffen soll. Mein Herz würde brechen, und es würde nicht mehr heilen. Dieses mal nicht.“ Es kam keine Reaktion von Lucius. Ich hatte den Atem angehalten, immer noch in der Befürchtung, dass der Qunari mich vom Barhocker fegen würde. Aber er tat es nicht. Er holte einen schweren Atemzug, Tränen rannen über sein Gesicht und dann drehte er sich um und verließ die Taverne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)