und dann war alles anders von XdramaX ================================================================================ Kapitel 12: Donnerstag, 16. August 2018 – während des Unterrichts ----------------------------------------------------------------- Irgendwie benahm sich Elli komisch. Wir saßen gemeinsam mit noch zwei weiteren Schülerinnen unseres Jahrgangs an einem Gruppenarbeitsplatz und hörten den beiden dabei zu, wie sie von den Wanderungen der letzten drei Tage erzählten. Immerhin mussten sie uns ja auf den neuesten Stand bringen. Coach Graham inspizierte jede Gruppe und hielt gerade am Nachbartisch, als sie ihre langen dunklen Haare zu einem Vorhang umfunktionierte und sich dahinter zu verstecken versuchte. Nervös schob sie ihren Cappuccino vor sich hin und her. „Was ist denn mit dir los?“, fragte ich sie verwirrt, als ich mir das nicht länger mit ansehen konnte. „Ist es dir so peinlich, dass du die letzten drei Tage nicht hier warst? Der Coach ist das doch sowieso von dir gewöhnt. Sport schwänzt du doch auch.“, erinnerte ich sie. „Ich weiß“, murmelte sie und haderte wohl mit sich selbst, doch da trat unser Lehrer gerade hinter uns. „Wie läuft es bei euch?“, fragte seine tiefe, beinahe brummende Stimme in die Runde. „Es ist wirklich verdammt schwer, weil die beiden nichts einbringen können. Sie waren ja nicht da. Aber wir beide schaffen das schon.“, verkündete die eine von den anderen beiden zuckersüß und ich wollte ihr nur ihre hässlichen roten Extensions aus den blonden Haaren rupfen. Warum waren Weiber immer so kriegsgeil, wenn ihnen ein Mann gefiel? Dabei gehörten weder Elli noch ich zu seinem Fanclub, die sabbernd am Spielfeldrand standen. Er war doch schon ein alter Sack… ok, nur etwa zehn Jahre älter als wir, aber dennoch ein alter Sack! „Dann macht mal weiter, Mädchen.“, sagte er desinteressiert aber nickend und wandte sich wieder ab. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie sich seine große Hand kurz auf Ellis Schulter legte, die darunter wie ein Kleinkind wirkte. Er drückte leicht zu, als wolle er sie aufmuntern, doch sie zuckte unter der Berührung zusammen und zog den Kopf ein. Ok, was hatte ich verpasst? Was ging hier vor? Ich wollte Elli gerade zur Rede stellen – und so wie die Mädels vor uns aussahen ging es denen nicht anders (es konnte ja nicht sein, dass der Coach sie einfach so an der Schulter berührte) – da raunte sie mir schon zu: „Sera, ich brauche dringend 250 Dollar.“ „Was?“, platzte es ungläubig und viel zu laut aus mir heraus. Seit wann bat Elli denn um Geld? Einige Schüler und auch unser Lehrer hoben neugierig den Kopf, doch als wir nicht weiter sprachen wandten sie sich wieder ihren eigenen Geschäften zu. „Bitte, ich brauche es dringend.“, flüsterte sie. „Wofür denn bitte?“ Sie beugte sich unter den Tisch und zog einen Briefumschlag hervor. Ihre Hände zitterten leicht, als sie ihn öffnete. Ein Gebührenbescheid? Der Stadt? „Oh man, Elli… Was hast du denn im Suff angestellt, dass du eine Strafe zahlen musst?“ Ich versuchte mehr von dem Text zu lesen, aber sie faltete das Schriftstück schnell wieder zusammen. Im nächsten Moment wusste ich auch wieso: Ein großer Schatten – Coach Graham – strich bedrohlich über uns hinweg. Elli sah ihm frustriert und leicht ängstlich nach. „Ich… ich habe… also… ich meine…“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Was hast du? Du bist Elli! Du fährst nicht mal bei Gelb über eine Ampel und hältst dich peinlich genau an die Geschwindigkeitsbegrenzung! Also, was hast du gemacht?“ „Ich habe eine… eine Anzeige bei der Polizei gemacht und… und die ist laut deren Ermittlungen wohl falsch… ich muss eine Strafgebühr zahlen.“ „Eine Anzeige?“, fragte ich verwirrt. „Wen oder was willst du denn bitte angezeigt haben? Was ist passiert?“ „Ich… also…“, stotterte sie weiter rum, doch Coach Graham fuhr uns dazwischen. „Elli, würdest du bitte mit mir raus kommen?“, bat er und ich sah den Schock in ihren Augen. Hatte der Coach etwas mit der Anzeige zu tun? Hatte sie etwa ihn angezeigt? Aber warum? „Nimm den Brief mit.“, wies er sie an, als sie aufstehen wollte und das Schriftstück unauffällig in ihrer Tasche zu verstecken versuchte. Sie knautschte das Papier in der Hand und huschte voraus, dicht gefolgt von unserem Lehrer. „Ok, was geht da vor bei den beiden?“, versuchte mich sofort eine unserer zwei Partnerinnen auszuquetschen. „Man halt doch die Klappe!“ „Läuft da was? Sind die ein Paar?“, fragte die andere. „Nein? Bist du blöd oder was? Coach Graham ist unser Lehrer.“, antwortete ich sofort, aber die beiden sahen einander an, dann schnaubten sie verächtlich. „Ja, ja, wer ‘s glaubt und so weiter…“, grummelte die andere und malte weiter an ihrer Plakatskizze, während die andere ihr Telefon zückte um bestimmt den neuesten Klatsch in der Schule zu verbreiten. „Ihr wisst schon, dass ihr mit solchen absurden Gerüchten die Karriere dieses Mannes komplett ruinieren könntet, oder? Dabei steht Elli nicht einmal auf ihn.“ „Wieso, ist sie lesbisch?“, sie sahen mich mit leuchtenden Augen an und witterten bereits die nächste Story, die sie hätten verbreiten können. „Nein? Aber er ist nun einmal nicht ihr Typ.“ Nun brachen die beiden in Schallendes Gelächter aus. „Dieser Mann ist jedermanns Typ. Entweder haben sie was miteinander oder sie ist eine Lesbe.“ „Ok, jetzt passt mal schön auf“, ich beugte mich zu ihnen rüber. „Verbreitet ihr, dass sie was miteinander haben, zerstört ihr sein Leben und das wird er euch beiden niemals verzeihen. Woher ich das weiß? Ganz einfach: Ich sage ihm, dass ihr es wart, die diesen Scheiß verbreitet haben.“ – sie wurden kreidebleich – „Und wenn ihr scheiße über Elli verbreitet, dann legt ihr euch mit mir an, ist das klar? Dann werde ich euch so richtig schön das Leben zur Sau machen und zwar auf der Art, wie es nur kleine, reiche, weiße Tussis wie ich können. Ihr werdet eures Lebens nie wieder froh sein.“ Die beiden sahen mich eine Weile an. Ich glaubte, dass sie es kapiert hatten und wandte mich wieder meinem eigenen Telefon zu. Also zurück zu Elli. Und zurück zu unserem Lehrer. Sie verhielt sich seltsam. Was hatte nur diese Hand auf ihrer Schulter zu bedeuten? Er ignorierte sie doch sonst immer, weil sie kontinuierlich Sport schwänzte. Nicht einmal in Geschichte nahm er sie ran, wenn es sich vermeiden ließ und dabei gehörte sie in seinem Unterricht zu den Besten des Jahrganges. Elli war am Samstag sturzbetrunken gewesen. Aber er war doch gar nicht auf der Party, oder? Nein, sicher nicht! Und warum hatte Elli eine Anzeige bei der Polizei gemacht? Was war ihr denn passiert? Ich sah von meinem Smartphone auf – auf das ich tatsächlich nur ratlos gestarrt hatte – und beobachtete die Tür. Ich wollte es unbedingt wissen! Dieses ganze Verhalten hatte etwas mit dem Coach zu tun. Genug Rätsel raten! Ich stand auf, stopfte mein Telefon in die Brusttasche meine Bluse und verließ das Klassenzimmer für einen Toilettengang – offiziell! Kaum auf dem Flur sah ich mich natürlich direkt nach meiner Freundin und dem Lehrer um. Gedämpft hörte ich ein Brummen aus der Richtung des Treppenhauses. Es musste der tiefe Bass vom Coach sein, also folgte ich ihm. Tatsächlich fand ich sie, als ich um die Ecke ins Treppenhaus lugte, doch leider konnte ich nicht verstehen, was sie sagten. Die Echowellen die mehrfach von den nackten Wänden zurückgeworfen wurden, machten es unmöglich eine einzige Silbe klar herauszufiltern. Ich sah nur, wie Coach Graham auf Elli einredete. Seine Stimme klang leise und ruhig wie immer, aber seine Gestik war herrisch und duldete wohl keinerlei Widerrede. Meine Freundin dagegen stand nur da, mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf. Ihr Kiefer mahlte, während sie ihm zuhören musste. Plötzlich fuhr sie ihm dazwischen und wollte wohl die Schule verlassen, doch er packte sie mit einer Hand am Arm. Ich erschrak, als ich das plötzlich aggressiv entnervte Gesicht des sonst eher reservierten und vor allem distanzierten Mannes sah. Elli wollte sich losreißen, doch nun griff er mit beiden Händen zu und zog sie zurück. Mein erster Impuls war einzugreifen, aber etwas an seiner Art, wie er sie gegen die Wand drückte und sich mit einer Hand neben ihrem Kopf abstützte, hielt mich zurück. Nun wieder sehr ruhig und eindringlich versuchte er ihr mit sanfteren Gesten seiner freien Hand etwas begreiflich zu machen. Sie blickte auf seine Finger hinab, die vor ihr in der Luft wie hypnotisierend auf und ab wanderten. Er stoppte, weil er wohl merkte, dass sie nicht bei der Sache war. Seufzend legte er eine Hand an ihr Kinn und hob ihr Gesicht. Widerstandslos ließ sie es mit sich machen. Schließlich seufzte er und ließ von ihr ab. Das nächste was er sagte, musste eine Aufforderung in Richtung des Gebührenbescheides sein. Sie gab ihm den widerwillig und er sah ihn sich an. Dann nickte er und stopfte ihn – weitere zweimal gefaltet – in seine hintere Hosentasche. Anschließend legte er ihr eine Hand auf den Rücken – viel zu tief für eine normale Lehrer-Schüler-Geste – und wies sie an voraus zu gehen zurück zum Klassenraum. Nur gerade so schaffte ich es mich auf dem Mädchenklo in Sicherheit zu bringen, ehe sie mich sahen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)