Wenn sich zwei Welten berühren von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 1: Begegnung am Fluss ----------------------------- Von Tag zu Tag stand die Sonne etwas niedriger und sorgte so dafür, dass sich die ersten Blätter der Wälder Rot und Golden färbten. Noch war der Wind, der über die Felder strich warm. In ein paar Wochen würde der Herbst die Landschaft vollständig beherrschen. Doch bis dahin war noch genug Zeit, die letzte Ernte einzufahren und langsam die Häuser auf den nahenden Winter vorzubereiten. Diesen langsamen Wechsel der Jahreszeit und die damit einhergehenden Vorbereitungen konnte Natsume auch bei den Yōkai beobachten. Viele der kleineren Yōkai begannen damit Vorräte für den Winter anzulegen. Einige würden sich eine Höhle oder ein Loch in einem Baum suchen um dort zu überwintern und manche würden sich sogar in wärmere Gefilde zurückziehen. Egal was die Yōkai auch taten, heute war der ganze Wald mit den Geräuschen dieses geschäftigen Treibens erfüllt. Auch wenn viele versuchten Natsume aus dem Weg zu gehen, konnte er sie trotzdem hören. Doch dieser konzentrierte sich einzig und allein auf den Weg vor sich und die Suche nach seinem ständigen Begleiter. „Nyanko-sensei!“, rief er immer wieder in den Wald, doch der runde Kater ließ sich nirgendwo blicken. Vor nicht einmal einer Stunde hatte er das Haus seiner Pflegeeltern verlassen um an seinem schulfreien Tag etwas spazieren zu gehen. Doch kaum hatten Sie den Wald betreten, hatte Nyanko-sensei etwas vom Duft nach Sake gemurmelt und war wie ein Blitz und ohne einen Blick zurück in den Büschen verschwunden. Dieses typische Verhalten ließ Natsume seufzen. Am Ende würde der Kater wieder wie aus dem Nichts bei Ihm Zuhause auftauchen. Wahrscheinlich stark betrunken und fragen, wo Natsumes Problem lag. Trotzdem konnte Natsume nicht einfach so nach Hause gehen, ohne nicht alles versucht zu haben, den Yōkai wieder zu finden. Weshalb er wieder tief Luft holte und erneut seinen Namen rief. Keinen Augenblick später raschelte es in den Büschen weiter vorne am Wegrand. „Nyanko-sensei! Ich habe mir schon sorgen gemacht.“ Hoffnungsvoll, den Kater endlich gefunden zu haben, lief Natsume zu der Stelle. Ein weiser Schatten sprang aus dem Unterholz hervor, und Natsume atmete bereits erleichtert auf. Doch seine Erleichterung schlug von einer Sekunde zur nächsten in Panik um, als er spürte, wie sich die Bauchtasche um seine Hüften löste und der weiße Schatten damit verschwand. Natsume versuchte die Tasche noch zu fassen zu bekommen, doch seine Hand griff ins Leere. Der Schock, über den Verlust dieser Tasche lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. Irgendjemand hatte sein Buch der Freunde gestohlen! „Hey! Gib das zurück!“, rief er panisch. Ohne wirklich darüber nachzudenken setzt Natsume dem weißen Schatten nach. Durch Büsche und Sträucher kämpfte er sich durch den Wald und mühte sich damit ab, den Schatten nicht aus den Augen zu verlieren. Doch letztlich stolperte er über eine Wurzel, die aus der Erde heraus ragte, fiel zu Boden und rutschte über ein paar nasse Blätter einen kleinen Abhang hinunter. Unten angelangt brauchte er einen Moment, um wieder auf die Beine zu kommen. Er war in ein breites Flussbett gefallen, in dessen Mitte ein gut vier Meter breiter Strom floss. Es führte weder eine Brücke, noch Steine über diesen Fluss, doch Natsume sah gerade noch, wie der weiße Schatten auf der anderen Seite des Flusses im Wald verschwand. Hektisch sah er sich nach einem Weg hinüber um, konnte jedoch nichts entdecken. Wenn dieser Schatten mit dem Buch verschwand, würde er sich eine gehörige Standpauke von Nyanko-sensei anhören müssen. Doch nicht nur das. Natsume sorgte sich um die Sicherheit all der Namen, die in diesem Buch standen. Denn wer auch immer dieses Buch besaß, konnte über die Yōkai, die darin standen, verfügen, wie er wollte. Das war der Hauptgrund, weshalb Natsume nicht wollte, dass dieses Buch in Flasche Hände gelangte. Denn böse Menschen oder Yōkai konnten damit unbeschreiblichen Schaden anrichten. Der Fluss sah nicht tief aus, doch das konnte auch täuschen. Trotzdem trat Natsume ans Ufer. Wenn es sein musste, dann würde er auch auf die andere Seite schwimmen. Doch noch bevor er auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte, brach eine große Gestalt aus dem Wald, auf der anderen Flussseite. Es ging so schnell, dass Natsume zunächst nicht erkannte, was vor sich ging. Doch als das gewaltige, schwarze Etwas auf der Flussseite aufschlug, sah Natsume, dass der schwarze Schatten den Weißen in seinen Klauen hielt. Natsume gefror mitten in der Bewegung und beobachtete die Szene. Der weiße Schatten wand sich wie wild im Griff der Klauen und verlor mit der Zeit immer mehr seine schattenartige Form. Auch der schwarze Schatten schien zu schrumpfen. Irgendwann konnte Natsume dann erkennen, dass dort drüben ein gewaltiger, schwarzer, neunschwänziger Fuchs ein kleines, weißes Wiesel in den Klauen hatte. Für das Wiesel gab es kein Entkommen und dennoch wehrte es sich mit allen Mitteln. Dies schien dem Fuchs auf die Nerven zu gehen, denn er riss sein Maul auf und Natsume wand den Blick ab, in Erwartung, dass der Fuchs das Wiesel töten würde. „Warte!“ Es war die glockenklare Stimme einer Frau, das ihn wieder aufsehen ließ. Aus den Schatten des Waldes sprang eine zierliche Gestalt auf das sonnenüberflutete Flussbett. Sie trug einen zartrosa Hakama und ein himmelblaues Kimono Oberteil. Um ihre Mitte wurde alles von einem einfachen, gelben Obi zusammen gehalten. Ihr langes Haar schien fast weiß und wurde von einer einzigen Haarnadel aus Ebenholz in einer Hochsteckfrisur zusammen gehalten. Ihr Gesicht verbarg sie hinter einer schlichten Fuchsmaske. Eine seltsame Präsenz ging von dieser Frau aus und Natsume hatte das Gefühl, dass er hier etwas ganz besonderes beobachtete. Vielleicht war sie die Frau des Fuchses. Zwei mächtige Yōkai die diese Gegend durchstreifen und von der Macht des Buches angezogen worden waren. Genauso wie das kleine Wiesel. Dieser Gedanke weckte in Natsume erneut den Drang, sein Buch zurück zu holen. Weshalb er noch einen Schritt auf den Fluss zuging. Seine Bewegung schien die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zu ziehen, die bisher nur gebannt auf den schwarzen Fuchs gestarrt hatte. Ihre Blicke trafen sich und es kam Natsume so vor, als läge kein Fluss zwischen ihnen, sondern als stünden sie sich direkt gegenüber. Im Schatten er Maske erkannte er ihre blauen Augen, die wie Edelsteine funkelten und eine seltsame Ruhe in ihm auslösten. Wie als hätte sie ihn verzaubert, sah er sich nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt weiter auf den Fluss zuzugehen. Als ihm das bewusst wurde, spielte ein kleines, amüsiertes Lachen um seine Ohren und die Frau hob eine, in ihrem Ärmel versteckte, Hand an ihr Gesicht, so als wollte sie ihr Lächeln dahinter verbergen. Dann wand sie sich wieder an den schwarzen Fuchs, der das Wiesel noch in seinen Klauen hielt. Das Maul immer noch weit aufgerissen, um es bei der kleinsten falschen Bewegung zu verschlingen. Die Frau ging auf die Beiden zu und das Knirschen der Steine des Flussbettes unter ihren Getas klang in der Stille unnatürlich laut. Als sie den Fuchs erreichte, streckte sie eine Hand aus und legte sie auf dessen Schulter. Ihre Haut schien unnatürlich blass, gegenüber der absoluten Schwärze des Fuchsfells. Sie hatte ihn kaum berührt, da entspannte sich die Haltung des Fuchses und er schloss sein Maul wieder. „Ich will dich nie wieder in der Nähe sehen. Verschwinde von hier und wir lassen dir dein Leben.“, erklärte die Frau mit ruhiger Stimme, doch Natsume konnte die Befehlsgewalt darin deutlich erkennen. Sollte das Wiesel ihren Worten nicht nachkommen, würde es sicher nicht gut für ihn enden. Dies schien das Wiesel auch zu begreifen, denn kaum hatte der Fuchs seinen Griff gelockert, floh der weiße Schatten in den Wald und kam nicht mehr zurück. Der schwarze Fuchs starrte dem Wiesel noch einen Moment länger hinterher und als er sich sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, wechselte er seine Gestalt in eine Menschenähnliche. Er war groß und überragte die Frau fast um zwei Köpfe. Auch er trug einen Hakama und ein Kimono Oberteil. Beides in einem Schwarz, dass sogar das Licht zu absorbieren schien. Sein linker Arm steckte nicht im Ärmel seines Kimonos und entblößte die Hälfte seiner Brust. Diese war jedoch akkurat einbandagiert, so dass man keinen Zentimeter seiner Haut sehen konnte. Trotzdem konnte man mit Leichtigkeit die perfekt definierten Muskeln des Mannes erkennen. Nur seine Ohren und sein Schweif verrieten ihn jetzt noch als das, was er wirklich war. Einem Yōkai wie ihm, war Natsume noch nie begegnet. Dieser hier war sicher Nyanko-senseis Liga, wenn nicht sogar noch etwas höher. „Dreckiges Gesindel!“, knurrte der Fuchs und spuckte aus. Die Frau reagierte nicht auf ihn. Ihr ganzes Augenmerk galt der Tasche, die das Wiesel am Flussufer zurückgelassen hatte. Sie bückte sich und hob die Tasche vorsichtig hoch. Sofort lag die Aufmerksamkeit des Fuchses auf ihr. „Dann ist er es wirklich.“, sagte die Frau zu niemand bestimmtem. Sie sah wieder zu Natsume hinüber und es war, als fiel der Zauber von ihm ab, denn er spürte plötzlich seine Beine wieder und machte einen Schritt auf sie zu. Wenn die Beiden jetzt mit dem Buch verschwanden, dann würde er es wohl nie wieder sehen. Doch anstatt in den Wäldern zu verschwinden, nahm der schwarze Fuchs die Frau in seine Arme und sprang mit ihr über den Fluss. Sie landeten einige Meter von Natsume entfernt, wo der Fuchs die Frau wieder runter ließ. Natsume war sich unsicher, was er jetzt tun sollte. Ohne Nyanko-sensei war er praktisch Schutzlos, gegen solch starke Yōkai, doch er konnte das Buch auch nicht zurück lassen. Die Entscheidung, was er tun sollte, wurde ihm von der Frau abgenommen. Nachdem sie ihrem Begleiter ein Zeichen gegeben hatte, dass er blieben sollte, wo er war, kam sie auf ihn zu. Langsam und mit bedachten Schritten näherte sie sich ihm und blieb erst wenige Schritte vor Natsume stehen. „Du bist also tatsächlich Natsume –“, die Frau unterbrach sich und hob wieder ihre Hand an ihr Gesicht. Erneut hörte Natsume dieses kleine, unbeschwerte Lachen, welches diesmal sein Herz einen Schlag aussetzen ließ. Das sorgte dafür, dass sich das seltsame Gefühl, dass er bei dieser Frau verspürte, nur noch verstärkte. „Du bist der Eigentümer des Buchs der Freunde. Nicht Natsume Reiko.“ „Also, ich bin nicht…“ Natsume wollte gerade wieder damit beginnen zu erklären, dass er nicht Reiko war, als ihm bewusst wurde, dass sie es erkannt hatte. Das war ihm noch nie passiert und verwirrte ihn so sehr, dass er kurz den Faden verlor. Was die Frau erneut zum Lachen brachte. Im Schatten ihrer Maske konnte er sehen, wie ihre Augen vor Freude funken sprühten und aus keinem bestimmten Grund fragte er sich, wie ihr Lächeln wohl dazu aussehen würde. Irritiert über sich selbst schüttelte Natsume den Kopf und holte anschließend tief Luft, um sich wieder einzukriegen. „Ich bin Natsume, Takashi. Reiko war meine Großmutter.“, erklärte er sich schnell. „Takashi…“ Die Art und Weise, wie die Frau einfach so seinen Vornamen aussprach, diesen auf ihrer Zunge zergehen ließ, jagte Natsume einen Schauer über den Rücken. „Du solltest in Zukunft besser auf dein Eigentum achtgeben.“, sagte die Frau und streckte ihm das Buch der Freunde entgegen. „D- Du gibst es mir zurück?“, platzte es überrascht aus Natsume heraus. „Vielen Dank, wäre die passendere Antwort, Rotzbengel!“, rief der Fuchs von weiter hinten dazwischen. Er hatte es sich im Schneidersitz am Rand des Flusses bequem gemacht und wenn Natsume es auf diese Entfernung richtig sah, hatte er tatsächlich eine Angelschnur in den Fluss geworfen, um sich einen Fisch zu angeln. Der scharfe Blick, den er ihm in diesem Moment jedoch zuwarf, sorgte dafür, dass Natsume seinen Rücken durchdrückte. „Ah, Entschuldigung. Ich danke euch natürlich vielmals.“, beeilte er sich zu sagen. „Akaya! Sei doch bitte nicht so unfreundlich!“, wies ihn die Frau gleichzeitig zurecht. Die Worte der Frau tat er mit einem Schulterzucken ab und wand sich wieder seiner Angelschnur zu. Mit einem schweren Seufzen wand sich die Frau wieder an Natsume, um ihm das Buch zu überreichen. Doch dazu kam sie nicht mehr, denn im nächsten Moment erfüllte ein markerschütterndes Grollen das Flussbett und wie aus dem Nichts erschien Nyanko-sensei in seiner Yōkai-Gestalt und schlug die Frau mit seiner gewaltigen Tatze zur Seite. Von dieser Aktion so überrascht, ließ sie das Buch der Freunde fallen, bevor sie von der Wucht des Aufpralls von den Füßen gerissen wurde und gegen die steile Wand des Flussbettes geschleudert wurde. „Misaki!“, der Schrei des schwarzen Fuchses ließ Natsume das Blut in den Adern gefrieren. Seine Angelschnur vergessend sprang er wie ein Blitz auf und erreichte die Frau, Misaki, kurz bevor sie die Steilwand erreichte. Doch es gelang ihm nicht, die komplette Wucht des Aufpralls abzufangen und so stießen beide mit der Wand zusammen. „Idiot! Da lässt man dich eine Sekunde aus den Augen und schon befindet sich das Buch der Freunde in fremden Händen. Hast du schon vergessen, dass es mir gehört? Wir haben eine Vereinbarung, also sorg gefälligst dafür, dass das Buch am Ende auch in meinen Händen landet! Wenn nicht, werde ich dich auf der Stelle verschlingen und das Buch sofort behalten.“, beschwerte sich Nyanko-sensei, während er sich wieder in die Form des runden, weißen Katers mit der rot-grauen Färbung verwandelte. Er trat an die Tasche, in der sich das Buch befand, hob sie auf und warf sie Natsume zu. Dieser hatte bisher nicht wirklich auf Nyanko-sensei geachtet, weshalb er nur mit Mühe und Not die Tasche auffing, als sie gegen seine Brust schlug. „Aber sie war gerade dabei, es mir wieder zu geben!“, erklärte Natsume verzweifelt, während er sich die Tasche wieder an der Hüfte befestigte. Sein Blick lag immer noch auf den beiden Yōkai. Staub und Steine waren an der Stelle aufgestoben, an der sie mit der Wand zusammengestoßen waren. Doch dieser lichtete sich langsam und Natsume würde bald erkennen, was aus den beiden geworden war. „Und wer hat es dir wieder gegeben? So ging es wohl um einiges schneller, also lass uns gehen. Immerhin gibt es bald Mittagessen.“, erklärte Nyanko-sensei und machte sich bereits daran zu gehen. Doch anstatt dem Kater zu folgen rannte Natsume zu den beiden Yōkai. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er, noch bevor er erkannte, was ihnen passiert war. Erst als er sie fast erreicht hatte, sah er, dass Akaya versucht hatte Misaki vor dem Aufprall mit der Wand abzuschirmen. Hauptsächlich hatte er das auch geschafft. Er hielt Misaki in seinen Armen, während er zwischen ihr und der Wand eingeklemmt war. Doch er hatte Misaki nicht vollständig vor dem Zusammenstoß schützen können. Die Platzwunde an ihrem Kopf bewies, dass Sie an irgendeinem Punkt gegen etwas gestoßen war. Beide waren sie bewusstlos, doch als Natsumes Frage verklang, riss Akaya die Augen auf. Für den Bruchteil einer Sekunde analysierte er die Situation, legte Misaki vorsichtig auf dem Boden ab und sprang mit gefletschten Fängen vor sie. „Natsume!“ Nyanko-sensei, wieder in seiner Yōkai-Form, packte Natsume am Kragen und hob diesen hoch, bevor der Fuchs ihn mit seinen Klauen in zwei Hälften teilen konnte. Es ging alles so schnell, dass Natsume einen Moment brauchte, um es zu begreifen. Akaya versuchte Misaki zu schützen. Ein verletztes Tier, das immer zuerst biss, bevor es mit sich reden ließ. Und dass sich Nyanko-Sensei wieder verwandelt hatte, sagte ihm, wie ernst die Lage war. Und wie stark der Fuchs sein musste. „Verschwinden wir von hier.“, sagte Nyanko-sensei und erhob sich in die Lüfte. „Nein, warte, Nyanko-sensei! Vielleicht können wir ihr helfen.“, rief Natsume, was ihm nur ein abfälliges Schnauben von Nyanko-sensei einbrachte. Kapitel 2: Ein unerwartetes Geständnis -------------------------------------- „Idiot!“ Noch Tage später, ließ Natsume das Schicksal von Misaki und Akaya nicht los. Weshalb er sich sofort wieder in den Wald begeben hatte, als er dafür Zeit gefunden hatte. Die Chance, dass die zwei auch drei Tage später noch in der Nähe waren, war gleich Null. Immerhin hatte er sie noch nie zuvor hier gesehen, weshalb sie sich nur auf der Durchreise befunden haben mussten. Und da sie nicht mehr bei ihm aufgetaucht waren um beispielsweise Rache zu nehmen, ging Nyanko-sensei davon aus, dass sie mittlerweile weitergezogen waren. Doch Natsume konnte sich das nicht vorstellen. Deshalb hatte er auch bei Hinoe nach einer Medizin gefragt, die er den Beiden anbieten konnte. Die entsprechenden Pflanzen hatten die Yōkai aus dem Kreis der Hunde für Natsume besorgt, welche er jetzt in einer Plastiktüte bei sich trug. Zusammen mit einer neuen Angelschnur für Akaya. „Wenn sie uns sehen, werden sie dich sofort verspeisen und das Buch für sich beanspruchen.“ Nyanko-sensei beschwerte sich bereits, seit sie das Haus verlassen hatten und Natsume hatte ihn bisher ignoriert. Doch jetzt blieb er stehen und sah auf den Kater, der neben ihm her lief. „Trotzdem will ich mich entschuldigen. So hätte das einfach nicht enden sollen.“, erklärte Natsume ernst. Natürlich war er dankbar, dass Nyanko-sensei immer da war, wenn er ihn brauchte, doch in diesem einen Fall wünschte er sich, dass er erst einmal nachgedacht, bevor er gehandelt hätte. „Wer hätte auch ahnen können, dass sie dir das Buch zurückgibt. Wahrscheinlich ist sie genau so naiv wie du. Oder sie hätte dafür einen großen Gefallen verlang… Wie auch immer, ich habe dich aus dieser Situation gerettet, weshalb du ruhig etwas mehr Dankbarkeit zeigen könntest!“ „Auf dem Rückweg kaufe ich dir meinetwegen etwas Leckeres. Aber bitte, lass uns das erst zu Ende bringen.“ Bei der Erwähnung von Essen begannen Nyanko-senseis Augen zu leuchten und er öffnete schon den Mund um seine Wünsche zu äußern, als beide ein Schauer überlief und der Kater ernst wurde. „Sie sind noch da. Alle beide. Deine Sorgen waren also umsonst. Dann können wir jetzt ja wieder gehen.“ Nyanko-sensei sprach schnell und Natsume hörte deutlich, wie nervös er war. Auch er hatte es gespürt. Diese Aura, die alle Eindringlinge fern halten sollte. Der Fuchs, Akaya, sorgte mit seiner dunklen Ausstrahlung dafür, dass ihnen niemand zu nahe kam. Und das begriff sogar Natsume. „Du kannst gerne hier warten.“, sagte Natsume abwesend. Sein Fokus lag auf dem Zentrum dieser dunklen Aura, dort, wo sich die beiden Füchse aufhalten mussten. Und er ging einfach los. Egal wie sehr sie alle Eindringlinge abhalten wollten, Natsume wollte wieder gut machen, was geschehen war und sich gebührend bedanken. Bereits nach zwei Schritten seufzte Nyanko-sensei frustriert und begann ihm zu folgen. Mitten im Wald befand sich eine Höhle, vor dessen Eingang die Bäume für eine kleine Lichtung Platz machten. Am Eingang der Höhle saß Akaya im Schneidersitz. Wäre er in seiner Fuchs-Form, hätte Natsume gesagt, er stellte seine Nackenhaare auf, als er ihn bemerkte. Doch auch in Menschenform erkannte Natsume die Reaktion. Sofort hob Natsume seine Hände. Die Handflächen zu Akaya gewandt. „Ich habe ein paar Heilkräuter mitgebracht. Ihr seid neu hier, deshalb dachte ich, ihr wisst vielleicht nicht, wo ihr sie finden könnt.“, erklärte sich Natsume. Er war am Rand der Lichtung stehen geblieben und wartete darauf, dass Akaya bereit war, ihn näher kommen zu lassen. Der Fuchs starrte ihn lange durchdringend an. Durchbohrte ihn mit prüfenden und teilweise tödlichen Blicken und knurrte schließlich, als sein Blick auf Nyanko-sensei fiel. „Diesmal wird er nichts tun. Das verspreche ich.“, beeilte sich Natsume zu sagen und trat dabei einen Schritt vor den Kater. Dieser gab ein genervtes Geräusch von sich, sagte aber ausnahmsweise nichts weiter dazu. Es vergingen noch einige lange Minuten, bevor Akaya resignierend ausamtete und sich erhob. „Du allein, Rotzbengel. Und das nur, weil ich deinen Mut bewundere, hier aufzutauchen.“, erklärte Akaya und betrat die Höhle. Natsume tauschte einen Blick mit Nyanko-sensei und nachdem sich dieser desinteressiert abwand, folgte Natsume dem Fuchs. Weiter zu widersprechen schien er wohl als vergebens zu betrachten Die Höhle wand sich einige Meter in den Berg, bevor er sich zu einem großen Raum öffnete in dessen Mitte ein Feuer brannte. Der Weg dorthin war dunkel und wurde nur von der blauen Flamme erhellt, die Akaya in seiner Hand erzeugte. Fuchsfeuer. In der Höhle selbst befanden sich zwei Schlafplätze, einige Haushaltsgegenstände und direkt am Feuer: Misaki. Als sie ihre Schritte hörte, sah sie auf und griff nach etwas, das direkt neben ihr lag. Doch als ihr Blick auf Natsume fiel, hielt sie mitten in der Bewegung inne. „Takashi…“ Sie sprach leise, so als hätte sie beabsichtigt, es nur zu sich selbst zu sagen, doch die Höhlenwände trugen ihre Stimme an Natsumes Ohr. Wieder sprach sie seinen Vornamen aus, ohne auch nur darüber nachzudenken und das ließ ihn Lächeln. Das blau ihrer Augen strahlte in diesem Moment wie der Ozean, auf dem die Sommersonne reflektiert wurde und wieder kam es Natsume so vor, als bestünde keinerlei Distanz zwischen ihnen. Misaki erhob sich elegant und eilte um das Feuer herum. Erst da bemerkte er, dass sie keine Maske trug. So gefangen von ihren Augen, wurde ihm das erst bewusst, als sie fast vor ihm stand. Ihr Gesicht war schmal, ihre mandelförmigen Augen standen leicht schräg und zusammen mit ihren hohen Wangenknochen wirkte sie auch ohne Maske wie eine Füchsin. Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem erfreuten Lächeln, welches sie schnell wieder hinter ihrem Ärmel versteckte. Natsume war versucht, ihr Handgelenk zu ergreifen und ihre Hand von ihren Lippen zu ziehen. Doch als er spürte wie seine Hand zuckte, griff er mit der anderen nach seinem eigenen Handgelenk und zwang sich dazu nichts zu tun. „Der Bengel ist hier, um nach dir zu sehen.“, erklärte Akaya, der ein paar Schritte weiter hinten stehen geblieben war um die ganze Situation besser beobachten zu können. Misakis Blick wanderte zu Akaya und es kam Natsume fast so vor, als kommunizierten die Beiden wortlos miteinander. Der Eindruck verstärkte sich noch, als Akaya schnaubte, sich umdrehte und die Höhle wieder verließ. Irritiert sah Natsume ihm nach, doch als sich lange, schmale Finger um seine Hand schlossen, sah er Misaki wieder an. „Es freut mich außerordentlich, dass du gekommen bist.“, strahlte Misaki und zog Natsume mit ans Feuer. „Mein Name ist Misaki und ich hatte von Anfang an den Wunsch dich zu sehen. Nur deshalb sind wir hier her gekommen. Dieses Wiesel hat nur einiges verkompliziert…“ Misaki sprach aufgeregt darauf los, während sie Natsume bedeutete sich zu setzten. Auch sie setzte sich und dabei entdeckte Natsume ihre Maske auf dem Boden. Sie hatte also wirklich vor gehabt sie aufzusetzen, bevor sie ihn erkannt hatte. Doch ohne diese konnte Natsume jetzt die Wunde an ihrer Schläfe erkennen, als sie eine Strähne ihrer Haare hinter ihr Ohr schob. Die Wunde begann bereits zu heilen. Sie hatte sich also nicht so stark verletzt, wie er befürchtet hatte. „Ich bin hier um mich für Nyanko-sensei zu entschuldigen. Aber er denkt manchmal nicht nach wenn es um das Buch geht.“, erklärte Natsume und verneigte sich dabei tief. Dabei fiel ihm auch wieder die Tüte ein, die er dabei hatte und er überreichte sie Misaki. „Das ist für euch.“ „Was ist das?“, fragte diese interessiert und durchstöberte die Tüte. „Das sind Heilpflanzen. Das habe ich mir zumindest sagen lassen. Ich dachte, sie könnten dir helfen…“ Als er sich so erklärte, überlief ihn plötzlich ein Gefühl von Peinlichkeit und ihm wurde in diesem Moment bewusst, dass er sich ganz allein hier mit Misaki befand. Sie besaß eine seltsame Wirkung auf ihn und unwillkürlich fragte er sich, ob sie wirklich nur ein Fuchs Yōkai war, oder ob noch etwas anderes dahinter steckte. „Und eine Angelschnur für Akaya. Damit will ich mich bedanken. Dafür, dass ihr mir das Buch zurück gebracht habt.“, fuhr er fort, um seinen eigenen Gedanken nicht weiter folgen zu müssen. Misaki nahm die Pflanzen aus der Tüte und breitete sie vor sich auf dem Boden aus. Von einer zupfte sie ein Blatt ab, zerrieb es zwischen ihren Fingern und roch daran, bevor sie es auf ihrer Schläfe verrieb. „Vielen Dank. Ich werde sie gut aufheben. Akaya verletzt sich ständig. Dafür sind sie perfekt.“ „Ähm… Also…“ Natsume wollte eigentlich darauf bestehen, dass Misaki die Kräuter benutzte, doch ihr Lachen ließ ihn verstummen. „Auch ohne Maske ist es dir nicht aufgefallen? Akaya ist einfach zu gut…“, lachte Misaki, bevor sie zu ihm aufsah und Natsumes Herz damit ins Stolpern brachte. „Ich bin ein Mensch! Genau wie du… Takashi.“ Kapitel 3: Ein Wunsch mal Zwei ------------------------------ „Was?“ Natsume rief lauter, als er es beabsichtigt hatte, doch ihre Worte trafen ihn einfach zu unvorbereitet. Vor Schreck zuckte er sogar vor ihr zurück und brachte etwas mehr Raum zwischen sie. Unter Lachen, welches sie hinter ihrem Ärmel versteckte, beobachtete Misaki sein Schauspiel, bis sich Natsume wieder gefangen hatte. „Es ist wahr. Ich bin ein Mensch. Nur dass ich von Yōkai aufgezogen wurde. Hauptsächlich von Akaya. Dieser sorgt mit seiner Aura auch dafür, dass es nicht auffällt und die Fuchsmaske verstärkt diesen Effekt noch weiter. Aber als ich von dir gehört habe, war ich so furchtbar neugierig. Ich wollte wissen wie ein Mensch ist, der Yōkai sehen kann, aber weder zum Exorzisten wurde, noch unter den Yōkai lebt.“ Nur langsam sickerte Ihre Erklärung in Natsumes Bewusstsein. Und tausend Fragen schossen ihm dabei durch den Kopf. Normalerweise erkannte er Yōkai nicht als solche, doch das er jetzt nicht mal mehr einen Menschen erkannte… Sie war ein Mensch! Und sie lebte bei einem Yōkai und zog mit diesem durchs Land. Das hätte er nie für möglich gehalten. „Und Akaya hält dich nicht für sein Abendessen?“ Es war eine absolut dumme Frage, doch sie war Natsume über die Lippen geschlüpft, bevor er sich dessen bewusst geworden war. „Ich bin mir sicher, dass er mich als kleines Kind verspeisen wollte. Als wir uns das erste Mal trafen auf jeden Fall. Und ich glaube er würde es heute manchmal gerne noch tun.“, lachte Misaki. Sie kannte den Fuchs also schon fast ihr ganzes Leben. Natsume wollte sich gar nicht vorstellen, wie es ihm ergangen wäre, wenn er als Kind den Yōkai in die Hände gefallen wäre. Einige, an die er sich erinnerte, waren keine sehr freundlichen Zeitgenossen. „Gut das er es nicht getan hat.“, sagte er gedankenverloren, bevor ihm die nächste Frage über die Lippen kam: „Wie… Wie kam es dazu?“ Die Frage nahm Misaki anscheinend sehr ernst, denn sie setzte sich instinktiv etwas gerader hin. „Es ist keine allzu spannendende Geschichte…“, begann sie und lenkte sich dann damit ab, eine heiße Flüssigkeit aus dem Topf über dem Feuer in zwei Tassen zu gießen. Eine davon reichte sie Natsume und er erkannte grünen Tee in seiner Tasse. „Tut mir Leid. Wenn du nicht darüber sprechen willst, ist das natürlich in Ordnung. Es geht mich auch nichts an-“, begann sich Natsume zu entschuldigen, als sie nicht weiter sprach, doch eine Geste von Misaki ließ ihn verstummen. „Ich will es dir erzählen, keine Sorge. Ich war sehr jung. Mit Gewissheit kann ich es nicht sagen, aber ich vermute ich war vier oder fünf. Ich lebte mit meiner Mutter am Rand eines Waldes und wir hatten ein glückliches Leben dort. Doch meine Mutter war furchtbar krank und eines Tages gingen wir in den Wald und sie betete zu den Kreaturen des Waldes, dass sie sich um mich kümmern sollten. Die Yōkai waren meiner Mutter wohlgesonnen, weil sie immer Rücksicht auf sie genommen und auch immer wieder Kleinigkeiten für sie zurückgelassen hatte. Und als meine Mutter starb und ich mich in diesem Wald verirrte, kamen sie und führte mich auf einen Weg, der weit ins Innere des Waldes führte. Damals herrschte eine finstere Gestalt über den Wald, von dem meine Mutter absolut nichts wusste. Sie hatte immer nur die niederen Yōkai am Rand des Waldes gekannt. Doch diese fürchteten ihren dunklen Herrn und führten mich vor diesen, um ihn milde zu stimmen. Und wie es kommen musste, hielt er mich für nichts weiter, als einen kleinen Snack für Zwischendurch. Er wollte mich tatsächlich verschlingen. Doch das Schicksal hatte offenbar andere Pläne mit mir. Denn zufällig hatte ein anderer Yōkai gerade an diesem Tag vor, die Macht über den Wald für sich selbst zu beanspruchen. Es war ein Überraschungsangriff und in mitten dieses Angriffs gelang es mir irgendwie, das Leben des Herrschers zu retten. Als Dank nahm er mich anschließend bei sich auf. Von diesem Moment an, wurde Akaya ein anderer Yōkai. Auch wenn er heute noch unhöflich und gewalttätig wirkt. Er ist weit weniger blutrünstig und viel gütiger als früher.“, erklärte Misaki mit einer Wärme in der Stimme, die Natsume fast spüren konnte. „Vermutlich besitzen alle Yōkai irgendwo einen weichen Kern und warten nur darauf, diesen für irgendjemanden zu offenbaren.“, sagte Natsume und dachte dabei an Nyanko-sensei, der immer unbeteiligt tat, aber sich doch stets um ihn sorgte. „Das glaube ich auch!“, stimmte Misaki ihm mit einem Lächeln zu. „Weist du, ich wollte dich kennen lernen, weil ich gehofft hatte jemanden zu finden, der die Yōkai genau so sehr liebt wie ich. Der mit ihnen in Harmonie leben und nicht alle nur vernichten will. Jemanden, der weiß, dass es wirklich gute Seelen unter ihnen gibt, aber auch diejenigen, gegen die man vorgehen muss. Jemanden, der versteht, dass ihre Welt sich in genau dem gleichen Einklang befindet, wie die der Menschen. Es gibt so viele herzensgute Yōkai und es gibt wirklich grausame Menschen, die sich einen Sport daraus machen, diese Yōkai zu jagen…“ Misaki griff sich an ihren Knöchel und als Natsume ihrer Hand mit den Augen folgte, zog sie ihre Hakama ein Stück nach oben, um ihren Knöchel zu entblößen. Natsumes Herz begann schneller zu schlagen, als er die schlimme Narbe sah, die sich mehrfach um ihren Knöchel wand. So schnell wie sie ihren Knöchel entblößt hatte, verhüllte sie diesen auch wieder und für einen Moment starrte sie wie abwesend ins Feuer. „Es waren Exorzisten. Irgendwie hatten sie von Akaya erfahren und wollten ihn für sich haben. Sie wussten, dass ich seine einzige Schwachstelle bin, also entführten sie mich und sperrten mich ein. Ich versuchte natürlich zu fliehen, doch es gelang mir nicht. Und so musste Akaya kommen um mich zu retten. Als die Exorzisten begriffen, dass sie ihn niemals würden bändigen können, begannen sie damit mein Leben zu bedrohen, um ihn ruhig zu stellen…“ „Das ist ja schrecklich!“ Misaki erzählte diese Dinge mit gleichbleibender Stimme, doch Natsume bemerkte, wie sie ihre Hand in ihrem Schoß zu einer Faust ballte. Egal was er sagen würde. Es wäre nicht genug. Das wurde ihm in diesem Moment bewusst und im nächsten lag seine Hand auf ihrer. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sie bewegt hatte, doch als Misaki die Berührung spürte, sah sie von ihren beiden Händen zu ihm und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Das Erste, das sie nicht hinter ihrem Ärmel versteckte. Auch wenn es nur einen Wimpernschlag lang andauerte, bevor sie die Augen wieder nieder schlug. „In dieser Nacht hätte ich fast mein Bein verloren, doch Akaya bekam die Oberhand über die Exorzisten und wir flohen aus dem Wald, der so lange unsere Heimat war. Seitdem reisen wir durchs Land. Und dann habe ich die Geschichten über deine Großmutter aufgeschnappt und das sie zurückgekehrt sein soll. Als ich davon gehört hatte, stand für mich fest, dass ich diese Person unbedingt aufspüren will. Um zu sehen, was für ein Mensch sie ist.“ Misaki beendete ihre Geschichte und nahm einen großen Schluck ihres Tees. Natsume beobachtete sie dabei und war beeindruckt von der Ruhe, die sie ausstrahlte. Egal was ihr passiert war, sie hatte die Hoffnung in die Menschen nicht aufgegeben. Auch wenn sie sich sicher mehr wie ein Yōkai fühlte und auch keine Probleme hatte, unter ihnen zu wandeln. „Ich hoffe deine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.“, sagte Natsume nach einem Moment der Stille. „Ich würde gerne noch eine Weile bleiben, um meinen ersten Eindruck zu bestätigen.“, war ihre einzige Antwort darauf. So kam es, dass Misaki und Akaya noch einige Wochen in der Gegend blieben. Die Wunde an ihrer Schläfe verheilte in dieser Zeit vollständig und es blieb nichts als eine dünne weiße Linie zurück, die sie ohne große Mühen unter ihren Haaren verstecken konnte. Mit Akayas Aura vor den Blicken der Menschen geschützt, verfolgte sie Natsume nach ein paar Tagen auf Schritt und Tritt. Sie hielt sich zwar immer im Hintergrund, doch manchmal konnte Natsume sie in seinem Augenwinkel sehen. Immer wenn er sich ihr zuwenden wollte, war sie jedoch verschwunden. Sie war da und doch nicht. Was sich irgendwie komisch anfühlte, doch Natsume gewöhnte sich daran und versuchte sich wie immer zu verhalten. In all dieser Zeit standen sie sich kein einziges Mal gegenüber oder sprachen ein Wort miteinander. Doch immer wenn er Zeit hatte, ging Natsume in den Wald und versuchte herauszufinden, was Misaki in der Zeit tat, wenn sie ihm nicht auf den Fersen war. So konnte sich Natsume langsam ein Bild davon machen, wie es sein musste unter Yōkai zu leben. Misaki war frei, zu tun und zu lassen, was sie wollte. Sie ging dort hin, wo es ihr gefiel und machte das, was ihr Spaß machte. Sie kannte keine Grenzen und keine Regeln und mit Akayas Gesellschaft wirkte sie in keinster Weise allein. Eines war Natsume in dieser Zeit auch aufgefallen. Außer die Yōkai, die er bereits kannte, tauchten keine Fremden auf. Sonst stand er im Monat mindestens einem, wenn nicht sogar mehreren fremden Yōkai gegenüber. Meistens, weil sie ihren Namen zurückforderten. Doch solange Misaki um ihn herum schlich, schien sich kein anderer Yōkai einmischen zu wollen. Es war der letzte Schultag vor den Winterferien, als Misaki plötzlich wieder vor ihm stand. Der erste Schnee hatte begonnen zu fallen und er war gerade auf dem Weg nach Hause, als sie einfach vor ihm auftauchte. Mit der Fuchsmaske auf dem Gesicht und in einen weißen Haori mit Pelzbesatz um ihren zierlichen Körper geschlungen, sah sie aus wie die perfekte Verkörperung eines Fuchs Yōkai. Ohne ein Wort zu sagen, verneigte sie sich vor Natsume und dieser erwiderte die Geste, nachdem er sich aus seiner Überraschung gelöst hatte. „Ich bin gekommen um mich zu verabschieden.“, erklärte sie sich. „Du… Du willst gehen?“, fragte Natsume und klang dabei wohl etwas zu entsetzt, da Misaki begann zu Kichern. Ohne darauf zu antworten, fischte sie in ihrem Ärmel nach einem Stück Papier und streckte es Natsume entgegen. „Ich will, dass du das hier annimmst.“ Natsume nahm das längliche Stück Papier und auch ohne die Schrift darauf lesen zu können, wusste er was das war. „Das geht nicht!“, widersprach er sofort und wollte es ihr wieder zurückgeben. „Ich werde es auf keinen Fall zurück nehmen. Wahrscheinlich hat es sowieso keine Macht über mich, aber es erwärmt mein Herz, zu wissen, dass du meinen Namen jeden Tag mit dem Buch der Freunde bei dir trägst. Dann kann ich bei dir sein, auch wenn ich es nicht wirklich bin.“ „Also… Das…“ Natsume suchte nach Worten, fand aber keine, die ihm in dieser Situation angemessen erschienen. Vor allem nicht, als er spürte, wie sich leichte Röte auf seine Wangen schlich. Wieder Lächelte Misaki. Sie nahm ihre Maske ab und kam noch einen Schritt auf Natsume zu. Dieser konnte sich nicht rühren und stand wie versteinert da, als Misaki einen Kuss auf seine Wange hauchte. „Mein erster Eindruck hat sich bestätigt. Denn du bist noch besser, als ich es mir vorgestellt habe, Takashi. Pass gut auf dein großes Herz auf, in dem jeder einen Platz findet und sei Glücklich. Das wünsche ich mir am Meisten für dich.“, flüsterte sie ihm zu, bevor sie sich von ihm löste und wieder im Nichts verschwand. Eine gefühlte Ewigkeit stand Natsume noch wie eine erstarrte Salzsäule da, bevor er blinzelte und sich wieder bewegen konnte. Ohne zu überlegen rannte er in den nahen Wald. Überall suchte er nach Misaki, doch es wurde ihm schnell klar, dass er sie nicht mehr finden würde. Also tat er etwas sehr untypisches für sich selbst. Er schrie in den Wald: „Misaki! Ich bin glücklich und ich wünsche mir, dass du es auch bist! Und dass du irgendwann wieder zurückkommst!“ Das Lachen, dass keine Sekunde später seine Ohren umspielte, sagte ihm, dass sie jedes seiner Worte gehört hatte und das ließ sein Herz einen Schlag aussetzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)