Wenn sich zwei Welten berühren von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 1: Begegnung am Fluss ----------------------------- Von Tag zu Tag stand die Sonne etwas niedriger und sorgte so dafür, dass sich die ersten Blätter der Wälder Rot und Golden färbten. Noch war der Wind, der über die Felder strich warm. In ein paar Wochen würde der Herbst die Landschaft vollständig beherrschen. Doch bis dahin war noch genug Zeit, die letzte Ernte einzufahren und langsam die Häuser auf den nahenden Winter vorzubereiten. Diesen langsamen Wechsel der Jahreszeit und die damit einhergehenden Vorbereitungen konnte Natsume auch bei den Yōkai beobachten. Viele der kleineren Yōkai begannen damit Vorräte für den Winter anzulegen. Einige würden sich eine Höhle oder ein Loch in einem Baum suchen um dort zu überwintern und manche würden sich sogar in wärmere Gefilde zurückziehen. Egal was die Yōkai auch taten, heute war der ganze Wald mit den Geräuschen dieses geschäftigen Treibens erfüllt. Auch wenn viele versuchten Natsume aus dem Weg zu gehen, konnte er sie trotzdem hören. Doch dieser konzentrierte sich einzig und allein auf den Weg vor sich und die Suche nach seinem ständigen Begleiter. „Nyanko-sensei!“, rief er immer wieder in den Wald, doch der runde Kater ließ sich nirgendwo blicken. Vor nicht einmal einer Stunde hatte er das Haus seiner Pflegeeltern verlassen um an seinem schulfreien Tag etwas spazieren zu gehen. Doch kaum hatten Sie den Wald betreten, hatte Nyanko-sensei etwas vom Duft nach Sake gemurmelt und war wie ein Blitz und ohne einen Blick zurück in den Büschen verschwunden. Dieses typische Verhalten ließ Natsume seufzen. Am Ende würde der Kater wieder wie aus dem Nichts bei Ihm Zuhause auftauchen. Wahrscheinlich stark betrunken und fragen, wo Natsumes Problem lag. Trotzdem konnte Natsume nicht einfach so nach Hause gehen, ohne nicht alles versucht zu haben, den Yōkai wieder zu finden. Weshalb er wieder tief Luft holte und erneut seinen Namen rief. Keinen Augenblick später raschelte es in den Büschen weiter vorne am Wegrand. „Nyanko-sensei! Ich habe mir schon sorgen gemacht.“ Hoffnungsvoll, den Kater endlich gefunden zu haben, lief Natsume zu der Stelle. Ein weiser Schatten sprang aus dem Unterholz hervor, und Natsume atmete bereits erleichtert auf. Doch seine Erleichterung schlug von einer Sekunde zur nächsten in Panik um, als er spürte, wie sich die Bauchtasche um seine Hüften löste und der weiße Schatten damit verschwand. Natsume versuchte die Tasche noch zu fassen zu bekommen, doch seine Hand griff ins Leere. Der Schock, über den Verlust dieser Tasche lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. Irgendjemand hatte sein Buch der Freunde gestohlen! „Hey! Gib das zurück!“, rief er panisch. Ohne wirklich darüber nachzudenken setzt Natsume dem weißen Schatten nach. Durch Büsche und Sträucher kämpfte er sich durch den Wald und mühte sich damit ab, den Schatten nicht aus den Augen zu verlieren. Doch letztlich stolperte er über eine Wurzel, die aus der Erde heraus ragte, fiel zu Boden und rutschte über ein paar nasse Blätter einen kleinen Abhang hinunter. Unten angelangt brauchte er einen Moment, um wieder auf die Beine zu kommen. Er war in ein breites Flussbett gefallen, in dessen Mitte ein gut vier Meter breiter Strom floss. Es führte weder eine Brücke, noch Steine über diesen Fluss, doch Natsume sah gerade noch, wie der weiße Schatten auf der anderen Seite des Flusses im Wald verschwand. Hektisch sah er sich nach einem Weg hinüber um, konnte jedoch nichts entdecken. Wenn dieser Schatten mit dem Buch verschwand, würde er sich eine gehörige Standpauke von Nyanko-sensei anhören müssen. Doch nicht nur das. Natsume sorgte sich um die Sicherheit all der Namen, die in diesem Buch standen. Denn wer auch immer dieses Buch besaß, konnte über die Yōkai, die darin standen, verfügen, wie er wollte. Das war der Hauptgrund, weshalb Natsume nicht wollte, dass dieses Buch in Flasche Hände gelangte. Denn böse Menschen oder Yōkai konnten damit unbeschreiblichen Schaden anrichten. Der Fluss sah nicht tief aus, doch das konnte auch täuschen. Trotzdem trat Natsume ans Ufer. Wenn es sein musste, dann würde er auch auf die andere Seite schwimmen. Doch noch bevor er auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte, brach eine große Gestalt aus dem Wald, auf der anderen Flussseite. Es ging so schnell, dass Natsume zunächst nicht erkannte, was vor sich ging. Doch als das gewaltige, schwarze Etwas auf der Flussseite aufschlug, sah Natsume, dass der schwarze Schatten den Weißen in seinen Klauen hielt. Natsume gefror mitten in der Bewegung und beobachtete die Szene. Der weiße Schatten wand sich wie wild im Griff der Klauen und verlor mit der Zeit immer mehr seine schattenartige Form. Auch der schwarze Schatten schien zu schrumpfen. Irgendwann konnte Natsume dann erkennen, dass dort drüben ein gewaltiger, schwarzer, neunschwänziger Fuchs ein kleines, weißes Wiesel in den Klauen hatte. Für das Wiesel gab es kein Entkommen und dennoch wehrte es sich mit allen Mitteln. Dies schien dem Fuchs auf die Nerven zu gehen, denn er riss sein Maul auf und Natsume wand den Blick ab, in Erwartung, dass der Fuchs das Wiesel töten würde. „Warte!“ Es war die glockenklare Stimme einer Frau, das ihn wieder aufsehen ließ. Aus den Schatten des Waldes sprang eine zierliche Gestalt auf das sonnenüberflutete Flussbett. Sie trug einen zartrosa Hakama und ein himmelblaues Kimono Oberteil. Um ihre Mitte wurde alles von einem einfachen, gelben Obi zusammen gehalten. Ihr langes Haar schien fast weiß und wurde von einer einzigen Haarnadel aus Ebenholz in einer Hochsteckfrisur zusammen gehalten. Ihr Gesicht verbarg sie hinter einer schlichten Fuchsmaske. Eine seltsame Präsenz ging von dieser Frau aus und Natsume hatte das Gefühl, dass er hier etwas ganz besonderes beobachtete. Vielleicht war sie die Frau des Fuchses. Zwei mächtige Yōkai die diese Gegend durchstreifen und von der Macht des Buches angezogen worden waren. Genauso wie das kleine Wiesel. Dieser Gedanke weckte in Natsume erneut den Drang, sein Buch zurück zu holen. Weshalb er noch einen Schritt auf den Fluss zuging. Seine Bewegung schien die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zu ziehen, die bisher nur gebannt auf den schwarzen Fuchs gestarrt hatte. Ihre Blicke trafen sich und es kam Natsume so vor, als läge kein Fluss zwischen ihnen, sondern als stünden sie sich direkt gegenüber. Im Schatten er Maske erkannte er ihre blauen Augen, die wie Edelsteine funkelten und eine seltsame Ruhe in ihm auslösten. Wie als hätte sie ihn verzaubert, sah er sich nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt weiter auf den Fluss zuzugehen. Als ihm das bewusst wurde, spielte ein kleines, amüsiertes Lachen um seine Ohren und die Frau hob eine, in ihrem Ärmel versteckte, Hand an ihr Gesicht, so als wollte sie ihr Lächeln dahinter verbergen. Dann wand sie sich wieder an den schwarzen Fuchs, der das Wiesel noch in seinen Klauen hielt. Das Maul immer noch weit aufgerissen, um es bei der kleinsten falschen Bewegung zu verschlingen. Die Frau ging auf die Beiden zu und das Knirschen der Steine des Flussbettes unter ihren Getas klang in der Stille unnatürlich laut. Als sie den Fuchs erreichte, streckte sie eine Hand aus und legte sie auf dessen Schulter. Ihre Haut schien unnatürlich blass, gegenüber der absoluten Schwärze des Fuchsfells. Sie hatte ihn kaum berührt, da entspannte sich die Haltung des Fuchses und er schloss sein Maul wieder. „Ich will dich nie wieder in der Nähe sehen. Verschwinde von hier und wir lassen dir dein Leben.“, erklärte die Frau mit ruhiger Stimme, doch Natsume konnte die Befehlsgewalt darin deutlich erkennen. Sollte das Wiesel ihren Worten nicht nachkommen, würde es sicher nicht gut für ihn enden. Dies schien das Wiesel auch zu begreifen, denn kaum hatte der Fuchs seinen Griff gelockert, floh der weiße Schatten in den Wald und kam nicht mehr zurück. Der schwarze Fuchs starrte dem Wiesel noch einen Moment länger hinterher und als er sich sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, wechselte er seine Gestalt in eine Menschenähnliche. Er war groß und überragte die Frau fast um zwei Köpfe. Auch er trug einen Hakama und ein Kimono Oberteil. Beides in einem Schwarz, dass sogar das Licht zu absorbieren schien. Sein linker Arm steckte nicht im Ärmel seines Kimonos und entblößte die Hälfte seiner Brust. Diese war jedoch akkurat einbandagiert, so dass man keinen Zentimeter seiner Haut sehen konnte. Trotzdem konnte man mit Leichtigkeit die perfekt definierten Muskeln des Mannes erkennen. Nur seine Ohren und sein Schweif verrieten ihn jetzt noch als das, was er wirklich war. Einem Yōkai wie ihm, war Natsume noch nie begegnet. Dieser hier war sicher Nyanko-senseis Liga, wenn nicht sogar noch etwas höher. „Dreckiges Gesindel!“, knurrte der Fuchs und spuckte aus. Die Frau reagierte nicht auf ihn. Ihr ganzes Augenmerk galt der Tasche, die das Wiesel am Flussufer zurückgelassen hatte. Sie bückte sich und hob die Tasche vorsichtig hoch. Sofort lag die Aufmerksamkeit des Fuchses auf ihr. „Dann ist er es wirklich.“, sagte die Frau zu niemand bestimmtem. Sie sah wieder zu Natsume hinüber und es war, als fiel der Zauber von ihm ab, denn er spürte plötzlich seine Beine wieder und machte einen Schritt auf sie zu. Wenn die Beiden jetzt mit dem Buch verschwanden, dann würde er es wohl nie wieder sehen. Doch anstatt in den Wäldern zu verschwinden, nahm der schwarze Fuchs die Frau in seine Arme und sprang mit ihr über den Fluss. Sie landeten einige Meter von Natsume entfernt, wo der Fuchs die Frau wieder runter ließ. Natsume war sich unsicher, was er jetzt tun sollte. Ohne Nyanko-sensei war er praktisch Schutzlos, gegen solch starke Yōkai, doch er konnte das Buch auch nicht zurück lassen. Die Entscheidung, was er tun sollte, wurde ihm von der Frau abgenommen. Nachdem sie ihrem Begleiter ein Zeichen gegeben hatte, dass er blieben sollte, wo er war, kam sie auf ihn zu. Langsam und mit bedachten Schritten näherte sie sich ihm und blieb erst wenige Schritte vor Natsume stehen. „Du bist also tatsächlich Natsume –“, die Frau unterbrach sich und hob wieder ihre Hand an ihr Gesicht. Erneut hörte Natsume dieses kleine, unbeschwerte Lachen, welches diesmal sein Herz einen Schlag aussetzen ließ. Das sorgte dafür, dass sich das seltsame Gefühl, dass er bei dieser Frau verspürte, nur noch verstärkte. „Du bist der Eigentümer des Buchs der Freunde. Nicht Natsume Reiko.“ „Also, ich bin nicht…“ Natsume wollte gerade wieder damit beginnen zu erklären, dass er nicht Reiko war, als ihm bewusst wurde, dass sie es erkannt hatte. Das war ihm noch nie passiert und verwirrte ihn so sehr, dass er kurz den Faden verlor. Was die Frau erneut zum Lachen brachte. Im Schatten ihrer Maske konnte er sehen, wie ihre Augen vor Freude funken sprühten und aus keinem bestimmten Grund fragte er sich, wie ihr Lächeln wohl dazu aussehen würde. Irritiert über sich selbst schüttelte Natsume den Kopf und holte anschließend tief Luft, um sich wieder einzukriegen. „Ich bin Natsume, Takashi. Reiko war meine Großmutter.“, erklärte er sich schnell. „Takashi…“ Die Art und Weise, wie die Frau einfach so seinen Vornamen aussprach, diesen auf ihrer Zunge zergehen ließ, jagte Natsume einen Schauer über den Rücken. „Du solltest in Zukunft besser auf dein Eigentum achtgeben.“, sagte die Frau und streckte ihm das Buch der Freunde entgegen. „D- Du gibst es mir zurück?“, platzte es überrascht aus Natsume heraus. „Vielen Dank, wäre die passendere Antwort, Rotzbengel!“, rief der Fuchs von weiter hinten dazwischen. Er hatte es sich im Schneidersitz am Rand des Flusses bequem gemacht und wenn Natsume es auf diese Entfernung richtig sah, hatte er tatsächlich eine Angelschnur in den Fluss geworfen, um sich einen Fisch zu angeln. Der scharfe Blick, den er ihm in diesem Moment jedoch zuwarf, sorgte dafür, dass Natsume seinen Rücken durchdrückte. „Ah, Entschuldigung. Ich danke euch natürlich vielmals.“, beeilte er sich zu sagen. „Akaya! Sei doch bitte nicht so unfreundlich!“, wies ihn die Frau gleichzeitig zurecht. Die Worte der Frau tat er mit einem Schulterzucken ab und wand sich wieder seiner Angelschnur zu. Mit einem schweren Seufzen wand sich die Frau wieder an Natsume, um ihm das Buch zu überreichen. Doch dazu kam sie nicht mehr, denn im nächsten Moment erfüllte ein markerschütterndes Grollen das Flussbett und wie aus dem Nichts erschien Nyanko-sensei in seiner Yōkai-Gestalt und schlug die Frau mit seiner gewaltigen Tatze zur Seite. Von dieser Aktion so überrascht, ließ sie das Buch der Freunde fallen, bevor sie von der Wucht des Aufpralls von den Füßen gerissen wurde und gegen die steile Wand des Flussbettes geschleudert wurde. „Misaki!“, der Schrei des schwarzen Fuchses ließ Natsume das Blut in den Adern gefrieren. Seine Angelschnur vergessend sprang er wie ein Blitz auf und erreichte die Frau, Misaki, kurz bevor sie die Steilwand erreichte. Doch es gelang ihm nicht, die komplette Wucht des Aufpralls abzufangen und so stießen beide mit der Wand zusammen. „Idiot! Da lässt man dich eine Sekunde aus den Augen und schon befindet sich das Buch der Freunde in fremden Händen. Hast du schon vergessen, dass es mir gehört? Wir haben eine Vereinbarung, also sorg gefälligst dafür, dass das Buch am Ende auch in meinen Händen landet! Wenn nicht, werde ich dich auf der Stelle verschlingen und das Buch sofort behalten.“, beschwerte sich Nyanko-sensei, während er sich wieder in die Form des runden, weißen Katers mit der rot-grauen Färbung verwandelte. Er trat an die Tasche, in der sich das Buch befand, hob sie auf und warf sie Natsume zu. Dieser hatte bisher nicht wirklich auf Nyanko-sensei geachtet, weshalb er nur mit Mühe und Not die Tasche auffing, als sie gegen seine Brust schlug. „Aber sie war gerade dabei, es mir wieder zu geben!“, erklärte Natsume verzweifelt, während er sich die Tasche wieder an der Hüfte befestigte. Sein Blick lag immer noch auf den beiden Yōkai. Staub und Steine waren an der Stelle aufgestoben, an der sie mit der Wand zusammengestoßen waren. Doch dieser lichtete sich langsam und Natsume würde bald erkennen, was aus den beiden geworden war. „Und wer hat es dir wieder gegeben? So ging es wohl um einiges schneller, also lass uns gehen. Immerhin gibt es bald Mittagessen.“, erklärte Nyanko-sensei und machte sich bereits daran zu gehen. Doch anstatt dem Kater zu folgen rannte Natsume zu den beiden Yōkai. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er, noch bevor er erkannte, was ihnen passiert war. Erst als er sie fast erreicht hatte, sah er, dass Akaya versucht hatte Misaki vor dem Aufprall mit der Wand abzuschirmen. Hauptsächlich hatte er das auch geschafft. Er hielt Misaki in seinen Armen, während er zwischen ihr und der Wand eingeklemmt war. Doch er hatte Misaki nicht vollständig vor dem Zusammenstoß schützen können. Die Platzwunde an ihrem Kopf bewies, dass Sie an irgendeinem Punkt gegen etwas gestoßen war. Beide waren sie bewusstlos, doch als Natsumes Frage verklang, riss Akaya die Augen auf. Für den Bruchteil einer Sekunde analysierte er die Situation, legte Misaki vorsichtig auf dem Boden ab und sprang mit gefletschten Fängen vor sie. „Natsume!“ Nyanko-sensei, wieder in seiner Yōkai-Form, packte Natsume am Kragen und hob diesen hoch, bevor der Fuchs ihn mit seinen Klauen in zwei Hälften teilen konnte. Es ging alles so schnell, dass Natsume einen Moment brauchte, um es zu begreifen. Akaya versuchte Misaki zu schützen. Ein verletztes Tier, das immer zuerst biss, bevor es mit sich reden ließ. Und dass sich Nyanko-Sensei wieder verwandelt hatte, sagte ihm, wie ernst die Lage war. Und wie stark der Fuchs sein musste. „Verschwinden wir von hier.“, sagte Nyanko-sensei und erhob sich in die Lüfte. „Nein, warte, Nyanko-sensei! Vielleicht können wir ihr helfen.“, rief Natsume, was ihm nur ein abfälliges Schnauben von Nyanko-sensei einbrachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)