Liebe ist nur der Anfang vom Chaos von Aphrodi ================================================================================ Undiscovered Love ----------------- Wie viele Stunden waren sie jetzt schon unterwegs? So langsam verlor Endou die Übersicht, aber wenn er sich nicht irrte, dann würden sie bald auf Hokkaidou ankommen und umsteigen müssen. Mit dem Shinkansen durch Japan zu fahren, war eine äußerst bequeme und schnelle Weise, allerdings hielt der eben nicht an jedem kleinen Ort und genau da lag das Problem. Der Ort, den sie ausgewählt hatten, war klein, sehr viel kleiner als Tokyo, kleiner als Inazuma Town. Nach mittlerweile mehreren Stunden Zugfahrt konnte Endou einfach nicht mehr stillsitzen. Er hibbelte auf seinem Sitz. Das war schlimmer als Unterricht! Unzufrieden und kurz davor, den Verstand zu verlieren, wenn er nicht endlich aus diesem Zug herauskam, um sich bewegen zu können, sah Endou zu seinen Freunden, die ihn auf der langen Reise begleiteten. Kidou blätterte in einem Magazin, Gouenji blickte aus dem Fenster, hatte den Kopf auf seiner Hand aufgestützt. Irgendwie sah er nachdenklich aus, wie Endou fand. Was ihm wohl durch den Kopf ging? Auf der anderen Seite saßen Genda, Sakuma und Fudou, wobei letzterer der Einzige war, der wach wirkte. Sakuma saß gegen den Torwart gelehnt und schlief offensichtlich, auch Genda hatte die Augen geschlossen. Vielleicht hätte er es ihnen gleichtun und einfach die Zeit verschlafen sollen.   Aber er war viel zu aufgeregt gewesen!   “Du wirkst unruhig, Endou”, stellte Kidou fest, ohne von seiner Zeitschrift aufzusehen. Ertappt grinste er und rutschte in seinem Sitz ein Stück runter. Gouenji drehte den Kopf, wandte sich seinen Freunden zu, statt den Feldern nachzuhängen mit seinem Blick. “Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir in Hokuto und steigen um”, vertröstete der Stürmer ihn und Endou bemühte sich, sich noch einmal zusammenzureißen. Es war also nicht mehr lange, dann konnten sie sich zumindest die Beine ein wenig vertreten. Und vielleicht konnten sie ja beim Umsteigen auch ein paar Minuten mit dem Ball kicken. Irgendwie.   Am Ende hatte er keine Chance, den Ball auch nur aus seinem Netz zu holen, geschweige denn, mit ihm herumzutricksen. Er vermisste seinen Freund. War das albern? Aber es würde nicht mehr lange dauern, hieß es. Noch zwei weitere Stunden Zugfahrt. Zwei Stunden... Dieses Mal war es deutlich lebendiger, sogar Sakuma und Genda waren wach und führten angeregt ein Gespräch mit Kidou, dem auch Endou folgte – oder es zumindest versuchte. Es hatte was mit Fußball zu tun, so viel hatte er noch mitbekommen, aber trotzdem verstand er nicht genau, worum es ging. Zu taktisch war es, das war einfach nicht seine Welt. Und so saß er einfach nur da, hörte zu – eisern, so als ob er etwas verstehen könnte, wenn er sich nur stark genug anstrengte. Gouenjis sachtes Schmunzeln bemerkte er gar nicht, so konzentriert war er.   ***   Endlich waren sie am Bahnhof Toya auf Hokkaidou angekommen. Die frische Luft, die Endou tief einatmete, tat gut. Der See war in greifbarer Nähe, genau wie das Meer. Endou bildete sich ein, dass er auch das riechen konnte – vielleicht konnte er das sogar wirklich! Nach der ewig langen Zugfahrt war er froh, dass er sich endlich wieder bewegen konnte.   „Jetzt müssen wir nur noch den Fahrradverleih aufsuchen“, stellte Kidou fest, denn sie würden mit den Fahrrädern zu ihrem Haus fahren, das abgelegen am See lag. Wenn er es richtig in Erinnerung hatte, dauerte die Fahrt eine halbe Stunde von dem Ort Toyako aus. Zum Glück hatten sie nur wenig Gepäck dabei, schließlich waren sie High School Schüler, die nur über das Wochenende einen Ausflug machten. Einzig Sakumas Tasche war auffallend größer als die Rucksäcke der anderen, aber Endou störte sich nicht daran. Sie passte immer noch locker auf ein Fahrrad.   Nachdem die Fahrräder aufgetrieben waren, ging es los, die knapp 7 Kilometer zu ihrem Haus fuhren sie am Toya-See entlang – und der war riesig! Endou staunte nicht schlecht und er überlegte, wie viele Fußballfelder groß der wohl war. Es waren definitiv viele. „Der Ausblick ist jetzt schon einladend. Ich hab gehört, der See ist einer der klarsten in ganz Japan. Wir müssen nachher unbedingt direkt einen Abstecher machen“, sagte Sakuma und Endou fand die Idee gut. Aber was er eigentlich noch viel lieber tun würde, war Fußballspielen. Dazu hatte er schließlich extra den Ball mitgenommen. Letztendlich war es ihm allerdings egal auf welche Art er Bewegung bekam – solange er sie eben bekam, denn er hatte viel aufzuholen.   „Nicht nur das klarste Wasser“, merkte Genda an. „Hier gibt es sogar jeden Abend ein Feuerwerk. Von Mai bis Oktober.“ Ein Haus am See, irgendwo in der Natur und noch dazu jeden Abend ein Feuerwerk. Klang fast schon paradiesisch. Da war es ja kein Wunder, dass es Sakuma total die Sprache verschlug und er den Rest der Fahrt kein einziges Wort mehr sagte.   „Feuerwerk, huh? Klingt ja ziemlich übertrieben, sowas jeden Abend zu veranstalten“, kam es von Fudou, während Gouenji nur lässig lächelte.   „Ich erinnere mich noch an jemanden, der sich beklagte, dass er beim Feuerwerk auf Okinawa nicht dabei war.“   „Das war überhaupt kein Klagen. Außerdem ging es mir gar nicht um das Feuerwerk, eigentlich hätte ich nur gerne ein paar dumme Gesichter gesehen, das ist alles.“   „Natürlich“, stimmte Gouenji amüsiert mit ein. Was da genau abging, verstand Endou nicht, aber es sah so aus, als ob Kidou und Gouenji Spaß hatten, Fudou zu ärgern. In dem Fall war das aber nur ein Zeichen für Freundschaft, da war Endou sicher und so lächelte er auch amüsiert. Er war wirklich froh, so tolle Freunde zu haben. Und mit ihnen hier zu sein. Er freute sich wie wahnsinnig auf die kommenden drei Tage, die er gemeinsam mit ihnen verbringen würde.   ***   Kidou hatte nicht zu viel versprochen, als er ihnen von dem Haus erzählt hatte. Es lag wirklich direkt am See, es waren nur ein paar Schritte zu gehen und es sah von außen schon groß genug aus für sie sechs. Von vorne sah es noch aus wie ein Bungalow, doch wie sich herausstellte, besaß es eine Art Unterkellerung, die zum Garten hin ebenerdig wurde. Dort befanden sich ihre Schlafzimmer. Im Erdgeschoss dagegen war eine große Wohnküche mit ziemlich hoher Decke – direkt unter dem Dach eben. Besonders gefiel Endou allerdings der Garten, der direkt am See gelegen lag, in dem man auf jeden Fall ein wenig mit dem Ball kicken konnte, so groß wie er war. Und überhaupt lagen die Häuser so weit weg voneinander, dass man keine Sorge haben musste, man könnte aus Versehen den Nachbarn eine Fensterscheibe zerschießen.   Im Haus selbst stellten sie erst einmal ihre Taschen ab, besahen sich die Räume. In die hitzige Zimmerverteilung, die zwischen Fudou und Sakuma entstand, mischte er sich nicht ein. Sie hatten drei Räume und ihm war egal wo und mit wem er darin schlafen würde – alle seine Freunde waren ihm recht. Doch Sakuma schien unbedingt in ein Zimmer mit Kidou zu wollen, genau wie Fudou. Endou konnte nur irritiert grinsen darüber und wendete sich Gouenji und Kidou zu, die die Zankerei ebenso zu ignorieren schienen. „Wir müssen noch Lebensmittel kaufen“, stellte Kidou fest und sah Gouenji an, als ob das zum Großteil seine Aufgabe wäre. Endou blinzelte.   „Dann müsst ihr mir aber sagen, was ihr essen möchtet.“   „Wir können ja eine Liste machen – alle gemeinsam“, schlug Endou vor und erntete bestätigendes Nicken von allen, die sich gerade nicht zankten. Zum Glück wusste Genda bestens, was Sakuma gerne aß und so konnte er helfen, die Einkaufsliste aufzustellen, so lange, bis Sakuma und Fudou sich selbst auch dazu gesellten. Doch wieder mit dem Fahrrad zurückfahren, um die Lebensmittel einzukaufen, wollte kaum einer der ehemaligen Teikoku-Spieler. Endou dagegen machte das absolut nichts aus. Im Gegensatz, er war ganz froh über noch etwas Bewegung, nachdem er stundenlang still hatte sitzen müssen und so begleitete er Gouenji natürlich einkaufen. Am Ende kam sogar Kidou mit. Warum, das wusste Endou nicht, aber er freute sich darüber. Und bei der überraschend langen Einkaufsliste konnten sie noch eine weitere Person gebrauchen. Er war wirklich verwundert, wie viel in ihren Einkaufskörben landete, hatte er doch gar keine Ahnung von Einkaufen. Gouenji dagegen machte das mit einer Routine, die Endou erstaunte. Er wusste, dass der Stürmer kochen konnte – zum Glück hatten sie überhaupt jemanden dabei, der Erfahrung am Herd hatte, sonst hätten sie sich das ganze Wochenende über mit Cup-Nudeln durchschlagen müssen. Doch dass er sich sogar im Supermarkt so gut auskannte und zielsicher nach Produkten griff, die Endou noch nicht mal in ihrem Küchenschrank gesehen hatte, war verblüffend.   „Gouenji wäre eine gute Hausfrau“, platzte es aus ihm heraus und noch während sich Gouenjis und Kidous Blick auf ihn richteten, hielt er sich den Mund zu. Eigentlich hatte er das nur denken wollen und ganz eigentlich hätte ihm dieser Gedanke überhaupt gar nicht kommen sollen.   „So so, Endou. Das denkst du also über Gouenji“, schmunzelte Kidou amüsiert.   „So war das nicht gemeint! Ich wollte nur sagen, dass derjenige, der Gouenji mal heiratet, einen guten Griff macht.“   „... Das klingt irgendwie auch nicht besser“, stellte Kidou fest, immer noch mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht, mit dem er Gouenji schließlich ansah, der viel zu still war, wie er fand. „Gouenji, ich glaube, Endou hätte dich gerne als Ehepartner, damit du ihm immer leckeres Essen kochst, wenn er vom Training nach Hause kommt.“   „Du meinst, wenn er wieder mal viel zu spät vom Training nach Hause kommt, weil er die Zeit vergessen hat“, korrigierte ihn Gouenji verschmitzt lächelnd.   „Graaahhhhhhhhhh, das hab ich doch gar nicht sagen wollen!“   Während sich Endou mit einer Hand – es war eben nur eine frei, wo er doch einen Einkaufskorb hielt – die Haare raufte, begannen Gouenji und Kidou zu lachen. Froh war er, dass sie das Ganze offensichtlich nicht ernst meinten und nachdem er einmal tief ein und aus geatmet hatte, begann auch er wieder zu grinsen. Sie suchten noch die letzten Dinge zusammen und gingen zur Kasse. Dort wurde Endou noch einmal bewusst, wie viel sie gekauft hatten, doch bei sechs heranwachsenden Männern war das am Ende vermutlich gerade so genug. Er selbst aß nicht wenig. Wie oft hatte er seine Mutter beim Essen schon nach Nachschlag gefragt? Zu oft. Aber es sah gut aus. Sie hatten Reis, verschiedene Nudeln, Fleisch und Fisch und vor allem viel Obst und Gemüse, sowie Eier. Knabberkram durfte ebenfalls nicht fehlen. Außerdem bestand Gouenji auf ein paar Saucen – Mayonnaise durfte auch nicht fehlen! Kidou hatte noch Tee für sie eingepackt und Endou konnte nicht auf Ume Paste verzichten.   Draußen versuchten sie dann, alles auf ihre Fahrräder aufzuteilen, was gar nicht so einfach war. Allein ein Korb war schon mit dem großen Sack Reis völlig zugepackt und so kamen sie nicht drum herum ein paar Tüten an ihre Lenker zu hängen. Bevor sie allerdings wieder zurückfuhren, gönnten sie sich noch ein Getränk. Es war schließlich wichtig, genug zu trinken – gerade an so einem sonnigen Tag im August und bei der Anstrengung einer Fahrradtour. Während ihrer kleinen Pause hatte Endou auch die Zeit, um sich in Ruhe die Umgebung anzusehen. Dass der See riesig war, hatte er ja bereits sehen können, doch in Toyako Onsen hatte er sich noch gar nicht richtig umgesehen. Ob sie nochmal herkommen würden? Allzu weit weg von ihrem Haus war der Ort ja nicht. Er hatte etwas sehr Entspannendes an sich. Alles war umhüllt von hellem, strahlenden Blau – sei es vom Toya-See oder vom Himmel – und saftigem Grün der Bäume, die auf den Bergen wuchsen, welche den Ort vollkommen umhüllten. Man konnte sogar von jeder Kreuzung aus auf einer Seite den See sehen, so klein war hier alles und wenn man in die anderen Richtungen blickte, sah man mindestens einen Berg am Horizont. Es war perfekt für einen Ausflug an Yama no Hi, dem Tag des Berges.   „Ein guter Ort, um den Bergen nahe zu sein, hm?“, fragte Gouenji ihn, so als hätte er seine Gedanken lesen können. Ihm war wohl nicht entgangen, dass sich Endou alles ganz genau angesehen hatte. Ein kurzes Nicken, dann ein Lächeln. „Es war eine tolle Idee, herzukommen. Ich bin wirklich dankbar.“   „Jetzt schon so emotional? Dabei haben wir noch so viel vor uns“, merkte Kidou an, folgte aber ebenso dem Blick seiner Freunde in die gar nicht so fernen Berge. „Ich hoffe, dass wir alle hier die nötige Kraft finden, die wir für die Zukunft brauchen.“   „Höre ich da einen Funken Sorge?“   „Berechtigte Sorge.“   Endou verstand nicht ganz, worüber sich Kidou und Gouenji unterhielten und von was für Sorgen sie sprachen, doch das war vorerst nicht wichtig. Überhaupt war er sich sicher, dass sich alle Sorgen in Luft auflösen würden, solange sie Freunde blieben und gemeinsam diesen Moment erleben konnten. An einem so schönen und friedlichen Ort wie diesem, wie könnte da nicht jede Sorge vergehen?   „Ich hoffe wirklich, sie haben das Haus stehen gelassen.“   Wirklich jede Sorge. Tender Love ----------- Genda war es klar gewesen, dass der Zank herrschen würde während Kidou und die anderen weg waren – und genau so kam es auch. Noch immer stritten sich Sakuma und Fudou über die Zimmeraufteilung, wobei klar war, dass Fudou eigentlich nur provozierte. Es war zweifelhaft, ob er wirklich bei Kidou schlafen wollte oder ob er das einfach nur behauptete, um Sakuma auf die Palme zu bringen. Ihm jedenfalls war nie aufgefallen, dass Kidou so wichtig für ihn war, für Sakuma aber sehr wohl. Das wusste und sah jeder. Natürlich hatte Genda die zwei so nicht alleine lassen können, allerdings musste er zugeben, dass der Einkaufsausflug dagegen viel besser klang. Er hatte aber vor allem Sakuma so nicht hier stehen lassen können. Wenn es ihm zu bunt wurde, konnte er wenigstens noch dazwischen gehen. Und so langsam wurde es Zeit dazu.   „Reicht es nicht langsam? Egal wie viel ihr darüber streitet... Fragt doch einfach Kidou, mit wem er ein Zimmer teilen will.“ Sakuma drehte empört den Kopf zu ihm, Fudous Blick dagegen war immer noch genauso provokativ amüsiert wie vorher. „Dann wird er Sakuma sowieso nicht nehmen~“   „Und dich schon oder wie?!“   „Lieber als dich. Mich hat er schließlich nicht abserviert.“   Genda verzog das Gesicht. Manchmal, bei aller Liebe, sagte Fudou Dinge, die nicht okay waren. Das war eines dieser Male gewesen. „Fudou...“, mahnte er, doch dafür war es schon zu spät. Gesagt war gesagt und wie anzunehmen war verließ Sakuma tobend erst das Wohnzimmer über die kleine Terrasse bis er die kleinen Steinstufen herunter stapfte – runter zum See.   „Ist doch nicht meine Schuld, dass er diese Geschichte immer noch nicht abgehakt hat. Ich meine, das ist jetzt nen Monat her. Wie lange will er noch rumheulen?“   „Das war trotzdem unnötig“, sagte Genda und ein schweres Seufzen folgte seinen Worten, doch Fudou zeigte keinerlei Einsicht. Stattdessen machte er sich auf dem Sofa breit und schaltete den Fernseher an, während er ein „Dieses Drama ist unnötig“ vor sich her nörgelte. Immer noch wusste Genda nicht, was er mit diesen zwei Streithähnen anfangen sollte. Fudou hatte es sich wieder zum Hobby gemacht Sakuma zu ärgern – eine ganze Weile ging das schon so. Und nach wie vor war er ratlos, wie er damit umgehen sollte. Das Ende vom Lied war eigentlich immer gleich: Sakuma suchte das Weite und blockte alles um ihn herum ab. Sogar Genda. Seitdem Sakuma wusste, dass Kidou jemand anderen liebte, war es noch schlimmer. Mittlerweile hatte Genda das Gefühl, dass er ihm gar nichts mehr sagte. Vorher hatte er ihm wenigstens noch Dinge anvertraut – zum Beispiel eben seine Gefühle für Kidou.   Er wollte gerade durch die Terrassentür, um Sakuma nachzugehen – wie immer eben –, doch dann... „Ach, Genda...“ Angesprochener drehte sich zu Fudou um, der den Blick nicht mal vom Fernseher genommen hatte. Fragend blieb er stehen und wartete auf eine Antwort auf etwas, das nicht einmal ausgesprochen wurde. „Hast du immer noch nicht draus gelernt?“ Er verstand nicht direkt. „Was soll das heißen? Sprich klarer, sonst bist du doch auch so direkt.“   „Wegen Sakuma. Hast du immer noch nicht geschnallt, dass er drauf steht, links liegen gelassen zu werden? Du stattdessen rennst ihm immer nach und bemutterst ihn. Kein Wunder also, dass du keinen Erfolg hast.“   „Ich denke nicht, dass-“   „Natürlich... In der ganzen Zeit, wie oft hat Kidou euch da hängen lassen? Und wie oft hat er sich um Sakumas Gefühle gekümmert? Wie oft hat er ihn getröstet? Trotzdem liebt er ihn und nicht dich. Nenn mich irre, aber das schreit nach Masochismus.“ Fudous Worte klangen gleichzeitig analytisch und furchtbar gelangweilt – etwas, das er noch unterstrich, indem er sinnlos umherzappte. Genda fragte sich, ob das tatsächlich der Wahrheit entsprach oder einfach nur Zufall war. War Sakuma wirklich masochistisch veranlagt? Und würde es wirklich helfen, wenn er ihn jetzt ebenfalls links liegen ließ? Könnte er das überhaupt? In all der Zeit hatte Genda immer nach einem Warum gesucht. Warum Kidou und nicht er? War es am Ende wirklich so simpel, dass man wollte, was man nicht haben konnte?   Letztendlich konnte er es nicht, jedenfalls nicht sofort. Genda folgte Sakuma zum Seeufer und blieb neben ihm stehen. Die Kieselsteine, die um den See herum lagen, sahen nicht besonders bequem aus, trotzdem hatte sich Sakuma auf den Boden gesetzt, starrte regungslos in die Ferne. Von hier aus konnte man nicht einmal mehr ohne Sehschwäche irgendetwas Genaues am anderen Ende erkennen. Alles, was er sah, waren grün überzogene Berge, aber ob da drüben irgendwelche Häuser standen? War ja sowieso nicht wichtig. Wichtig war jetzt eigentlich... Er merkte, dass er sich davor drückte, nach Worten zu suchen. Worte, die sowieso wieder abgeblockt werden würden. Langsam wusste er nicht mehr, was er überhaupt noch sagen sollte, sagen konnte.   „Du weißt, wie er ist“, begann Genda ruhig, setzte sich schließlich doch neben Sakuma auf den Boden – und er hatte Recht. Die Kieselsteine waren überhaupt nicht bequem. „Aus irgendeinem Grund sieht er gerne dein erzürntes Gesicht. Ich finde ja, dass du schöner aussiehst, wenn du lachst, aber-“ Ein wenig Unsicherheit lag in dem Blick, den er Sakuma zuwarf. Zumindest wurde er erwidert, doch Begeisterung war das nicht, was ihm da entgegen schaute. War der Spruch zu plump? „Jedenfalls... Du würdest ihn viel mehr ärgern, wenn du ruhig bleiben und ihm die kalte Schulter zeigen würdest.“   „Jetzt soll ich mich also ändern, nur weil er sich bescheuert verhält?“   „Du bist der Klügere?“ Zugegeben, in diesem Fall stimmte das vermutlich nicht einmal, aber das würde er Sakuma ganz sicher nicht sagen.   „Aber dieser Kerl macht mich wahnsinnig“, kam es genervt von Sakuma, das Gesicht wirkte dabei schon fast ein wenig vor Ekel verzogen. Genda hob eine Augenbraue, Sakuma dagegen löste ihren Blickkontakt wieder und griff sich einen Stein. In hohem Bogen flog er durch die Luft, bis er mit einem kleinen Platscher im See unterging. „Erst hat er dauernd mein Bento angefressen... das war ja noch harmlos. Und dann hat er-“ Sakuma brach ab. Dieses Mal hatte Genda wirklich geglaubt, dass sie sich irgendwie aussprechen würden, dass Sakuma ihm endlich erzählte, was ihn belastete. Stattdessen stand er auf. „Wir sollten zurück. Wer weiß, was Fudou anstellt, wenn keiner hinsieht...“   Widerwillig – zumindest würde er gerne hierbleiben, mit Sakuma alleine, egal wie unbequem er saß – erhob er sich ebenfalls, griff dann aber Sakumas Handgelenk. Ihre Blicke trafen sich, Sakumas Augen wurden weiter, bevor er den kurzen Moment löste und zur Seite schaute. Mit Leichtigkeit konnte Genda ihm ansehen, dass er verlegen war und er hoffte, dass dies etwas Positives bedeutete. Sakuma kannte seine Gefühle, er hatte sie ihm schließlich längst gestanden, wenn auch in einem unpassenden Moment. Damals hatte er gehofft, dass ein gebrochenes Herz leicht zu stehlen wäre, doch er wurde eines Besseren belehrt. Sakuma machte es ihm besonders schwer, hing Kidou immer noch nach und langsam aber sicher bekam Genda das Gefühl, dass seine große Liebe genauso hoffnungslos war wie er selbst. Dabei hatte er eigentlich genug andere Probleme. Wieso konnte er nicht wenigstens in der Liebe sein Glück finden?   „Genda...?“ Er spürte ein Ziehen, mittlerweile sah Sakuma ihn wieder an. Erst jetzt bemerkte er, dass der Kleinere versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.   „Wann gibst du mir endlich eine Chance?“   „Tu ich doch!“   „Aber bisher hat sich überhaupt nichts verändert zwischen uns. Und auch nicht zwischen dir und Kidou.“   Sakuma seufzte genervt. „So schnell geht das eben nicht. Du hast gesagt, du gibst mir Zeit, also dräng mich nicht.“ Das hatte er zwar gesagt, aber Stillstand hatte er damit nie gemeint.   „Warum daten wir nicht wenigstens? So wie es jetzt ist, verändert sich gar nichts. So kommst du nie über Kidou hinweg und wirst nie glücklich sein können.“ Genauso wie ich, dachte Genda sich noch. War es egoistisch? Ja, vermutlich war es das. Er forderte von Sakuma, dass er sich neu verliebte, weil er den nicht haben konnte, den er haben wollte. Aber im Grunde genommen war er in genau der gleichen Situation wie Sakuma. Im Moment sah es so aus, als ob auch er unglücklich verliebt war in jemanden, der einen anderen liebte. In jemanden, den er nicht haben konnte.   „Denkst du, ich bin freiwillig unglücklich?“, fragte Sakuma zickig und entriss ihm sein Handgelenk, zog an ihm vorbei. Einen Moment lang konnte Genda ihm nur hoffnungslos nachsehen. So wie Sakuma reagiert hatte, hatte er die Situation nur schlimmer gemacht. Er bereute inzwischen, ihm nachgegangen zu sein. Gab es denn keine Möglichkeit, um Sakumas Herz zu erobern und von Kidou zu lösen? Gedankenverloren und trübselig ging auch er zurück zum Haus, hockte sich auf eines der Sofas. Sakuma war nicht zu sehen, Fudou dagegen lag immer noch auf dem Sofa und sah fern. „Hab‘s dir ja gesagt.“   ***   Der Duft von frittiertem Fleisch und Reis hüllte das ganze Wohnzimmer ein, das direkt an die Küche angebunden war. Genda bekam schon richtig Hunger. Alles, was da vor seinen Augen brutzelte, roch nicht nur gut, es sah auch noch absolut schmackhaft aus. Gouenji wusste genau was er tat, was auf eine Art beeindruckend war. Genda selbst hatte zwar auch ab und zu schon mal gekocht, doch die kleinen Handkniffe, die der Stürmer anwendete, waren ihm völlig neu. Es war so, als gaben sie dem Gericht noch eine kleine, feine Prise Extravaganz. Aber immerhin – im Gegensatz zu den anderen – konnte Genda ein wenig kochen. Er war schließlich alt genug, um sich selbst etwas zu Essen zu machen und das bezog sich nicht auf Fertigkost. Während er die Schweineschnitzel im Öl wendete, schweiften seine Gedanken immer mehr ab. Gouenji war wirklich beeindruckend – in allem was er tat. Er war ein guter Fußballer, Nationalspieler, intelligent, sah ziemlich gut aus, war cool und gleichzeitig kümmerte er sich um seine Freunde. Und kochen konnte er auch noch. Die Vibes, die Gouenji absonderte, waren gleichzusetzen mit einem Fernsehstar – eben jemand, der von allen Seiten angehimmelt wurde und trotzdem unerreichbar war. Es sei denn, man war selbst so eine Person. Wenn er es so betrachtete, dann war er der einzige hier, der es nicht in die Nationalmannschaft geschafft hatte. Und daran dürfte sich auch diese Saison nichts ändern, wenn er weiterhin nur auf der Bank saß. Ehrlich gesagt besorgte ihn nicht nur seine Situation, denn auch für Sakuma sah es alles andere als rosig aus. Sie waren jetzt eben wieder die Jüngeren, sollten gegen Leute spielen, die teilweise über 2 Jahre älter waren. Gerade bei Sakuma machte das in der körperlichen Entwicklung einiges aus und so hatte er als Stürmer sich gegen die robusten Verteidiger zu behaupten – und gegen Gouenji.   „Genda, das Fleisch. Wird Zeit, es aus dem Öl zu holen“, erinnerte ihn Gouenji und riss ihn damit aus seinen trüben Gedanken. Er zuckte zusammen und beeilte sich, alle Schnitzel aus dem Wok zu holen, bevor die Panade zu dunkel wurde und verbrannte. „Tut mir leid, ich war nur...“   Gouenji schwieg, seine Mundwinkel zogen sich zu einem sachten Lächeln. Es war eine angenehme Ruhe, die er ausstrahlte, musste Genda feststellen. Er sah sogar noch cool aus, wenn er nur ein paar Garnelen auf den gebratenen Reis legte... „In letzter Zeit trägst du viel Ballast mit dir herum, hm?“ Genda schaute ihn irritiert an, doch der Stürmer wendete den Blick nicht von seinem gebratenen Reis ab, während er ihn mit dem Pfannenwender durchpflügte. Musste er offenbar auch gar nicht, denn es war so, als ob er genau vorhergeahnt hätte, wie Genda schauen würde. „Du machst schon eine ganze Weile immer dieses Gesicht. Seit Monaten“, stellte er heraus und Genda war es irgendwie unangenehm. War er so auffällig gewesen? „Es muss seltsam klingen, wenn gerade ich das sage“, fuhr er fort, das Gesicht zu ihm drehend. „Aber mir hat es in solchen Momenten sehr geholfen, mit meinen Freunden zu reden. Das Problem war damit nicht aus der Welt, allerdings gab der Support meiner Freunde mir die nötige Kraft, um das durchzustehen.“   Genda folgte Gouenjis Blick zu Endou. Ausgerechnet Endou. Der Torhüter lächelte sanft, schloss resignierend kurz die Augen. „Verstehe. Sogar ein cooler Typ wie Gouenji Shuuya braucht manchmal Unterstützung. Beruhigend zu wissen.“ Beide schmunzelten, schwiegen danach wieder. Da Essen war sowieso schon fertig und brach ihr vertrautes Gespräch damit ab. Gouenji wäre nicht der Richtige gewesen, wenn er sich jemandem anvertrauen wollte, nicht wahr? Eigentlich gab es da nur zwei Personen, seine alten Freunde. Doch an Sakuma war momentan nicht zu denken. Sie hatten gemeinsam genug Ärger und Probleme, als auch noch über ihre Positionen im Team sprechen zu können. Blieb nur noch...   „Leute, das Essen ist fertig!“, kündigte Gouenji an, während er den gebratenen Reis in eine große Schüssel umfüllte. Das gedämpfte Gemüse war längst servierfertig und Genda schnitt noch die Schweineschnitzel in Streifen, aufpassend, dass er sich nicht die Finger verbrannte.   „Das sieht alles so lecker aus! Gouenji und Genda haben sich richtig Mühe gegeben! Mann, ich hab einen Kohldampf! Guten Appetit!“ Genda schaute amüsiert zu, wie sich Endou als erstes über das Essen her machte. Als er seinen Blick über den Tisch schweifen ließ, blieb er an Gouenjis Anblick hängen und stutzte einen Moment. Die Art, wie der Stürmer Endou dabei zusah, von dem Essen zu kosten, war so unglaublich sanft und zufrieden, dass er sich einbildete, er wüsste genau, welches Gefühl gerade in ihm vorging. Genda kannte es nur zu gut.   Vielleicht waren Gouenji und er sich doch viel ähnlicher, als er vermutet hatte. Und vielleicht könnte er, genau wie Gouenji, seine Probleme überwinden und ebenfalls wieder so scheinen. Aggressive Love --------------- „Das Bad ist frei“, sagte Kidou, als er zurück ins Wohnzimmer kam, ein kleines Handtuch noch um den Nacken gelegt dabei. Natürlich war er der erste, der sich in die Wanne verzogen hatte, der verwöhnte Prinz. Sie mussten schauen, wie sie überhaupt die Badezeit einteilten – bei sechs Jungs war das ziemlich schwierig. So wirklich zusammen ins Bad gehen, war für manch einen ein No-Go, so wie zum Beispiel für einen reichen Schnösel, bei dem ein Zimmer schon so groß war wie anderer Leute ganze Wohnungen. Und er hatte gleich zwei davon nur für sich, dazu noch ein ganzes Badezimmer. Allein bei dem Gedanken daran wurde Fudou garstig. Er bemerkte, wie Sakuma die Küchenzeile verließ und sich an seiner Tasche zu schaffen machte. Jetzt musste er wohl auch aufstehen, sonst war die Chance dahin. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Stürmer sich sein Badezeugs aus der Tasche fischte – natürlich tat Fudou vollkommen unbeteiligt, während er sich seinen eigenen Kram holte. Zum Glück brauchte er dafür nicht so lange, musste ja keine zehn Conditioner und zwanzig Körperpflegeprodukte suchen, so wie jemand anders. „Was soll denn das werden?“, fragte Sakuma giftig, als er bemerkt hatte, was gerade passierte – oder dabei war, zu passieren. „Ich wollte als nächster baden!“ „Oh?“, tat Fudou überrascht, grinste dann aber. „Zu blöd, das hab ich jetzt gar nicht mitbekommen.“ „Tu doch nicht so, das hast du doch genau gesehen!“ „Eh~? Du denkst doch nicht etwa, dass ich aus böswilliger Absicht verhindern will, dass du baden gehst. Will doch auch nicht, dass du hier die Bude vollmüffelst.“ Sakumas Gesicht wurde ein Stück weit rot. Ob das nun vor Scham oder vor Wut, Fudou hatte keine Ahnung. War ihm aber auch egal, der Anblick war so oder so verdammt lustig. Allein, wie er sich aufgeplustert hatte. Was war er, ein explodierender Hamster? Er klopfte Sakuma auf die Schulter. „Vergiss das Atmen nicht“, meinte er gelassen, dann ging er Richtung Badezimmer. „Wenn du so dringend baden willst, komm halt mit.“ „Vergiss es!“, schnaufte Sakuma – hey, immerhin atmete er wieder! Tat seiner Gesichtsfarbe sicher besser, wie Fudou fand. „Mhm, wusste gleich, dass du da unten was zu verbergen hast“, merkte Fudou noch gelassen an, lachte sich aber innerlich ins Fäustchen. Er konnte ja auch nichts dafür, dass Sakuma deutlich mehr feminine Züge aufzuweisen hatte, als ihre Managerinnen. War auch nicht so, als ob ihn das hässlich machte, aber die Schmach, trotz Pubertät immer noch als Mädchen durchzugehen, war sicher schwer zu ertragen. Oder auch nicht – schließlich benutzte er diese ganzen Beauty-Produkte doch freiwillig. Und wofür? Für nichts, Kidou wollte ihn trotzdem nicht. Die Tür hinter sich zuziehend legte Fudou sein Handtuch auf die Seite, stellte sein Duschzeug ab und begann, sich auszuziehen. Gewaschen war er schnell, dann ließ er sich in die zum Glück noch warme Badewanne gleiten. Das war noch ein Punkt, warum er genau jetzt baden wollte. Wäre er irgendwann als viertes dran, wäre das Wasser doch arschkalt. Wenn Genda und Sakuma schlau wären, würden sie sich gleich die Badewanne teilen, doch daran glauben, dass das passierte, tat Fudou nicht. Waren schließlich Genda und Sakuma. Der eine war viel zu verklemmt, um sich mit dem Kerl die Wanne zu teilen, der hart auf ihn stand. Der andere stand hart auf ihn – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit einem genervten Seufzen schloss er die Augen. Irgendwann musste man schließlich mal von dem ganzen Chaos – an dem er nicht unschuldig war – abschalten. Oder sich überlegen, wie man ihre Probleme für sich selbst ausnutzte. Dann war da auch immer noch die Frage zu klären, wer wo schlief und wo es für ihn am meisten Sinn machen würde. Er hörte jetzt schon Sakumas Gemaule, weil er unbedingt bei Kidou schlafen wollen würde. Und das, obwohl er von ihm abserviert wurde, das musste man sich mal geben. Entweder war er hoffnungslos dumm oder verzweifelt – vielleicht beides. Wenn er Sakuma dazu brachte, sich mit ihm um den Schlafplatz bei Kidou zu streiten, würde der so genervt sein, dass er sie beide aussperrte. Es gab drei Zimmer. Eins mit einem Doppelbett, eins mit zwei Einzelbetten und das traditionell japanische Zimmer mit drei Futons. Kidou wäre sich viel zu fein, in einem Futon zu schlafen, daher gab es nur drei weitere Zimmerpartner: Endou, Gouenji und Genda. Genda fiel raus, weil er Sakuma niemals mit Fudou alleine lassen würde und darauf würde es in dem Fall mit Sicherheit hinauslaufen. Warum sollte auch einer von ihnen mit Endou oder Gouenji im Zimmer schlafen? Tja. In dem Fall würde Genda mit Sakuma ein Zimmer teilen und er mit Gouenji oder Endou... Nicht gut, wie er fand. Diese Möglichkeit wurde direkt verworfen. Stattdessen setzte er nochmal an Punkt X an. Wie beim Schach musste er sich seine Züge genau überlegen, sowie die Züge der anderen erahnen, damit das, was er haben wollte, am Ende sicher herauskam. Nur mit der richtigen Taktik gewann man ein Spiel schon vor dem Anpfiff – hier war es genauso. Und er hatte das Glück, dass er seine Spielfiguren in diesem Fall besser kannte als sie sich vermutlich selbst. Sakuma und Genda. Kidou und Gouenji oder Endou. Er würde den übrig gebliebenen kriegen. Fudou verzog das Gesicht bei dem Gedanken. Er war einfach nicht scharf drauf, sein Zimmer oder sogar sein Bett – sofern sie das Doppelbett bekämen – mit einem der zwei zu teilen. Er hasste sie nicht, aber er mochte sie eben auch nicht. Doch was könnte er im Fall X tun? Plötzlich riss ihn das Geräusch der Tür aus seinen Überlegungen. Fudou öffnete die Augen ein Stück, nur, um sie gleich wieder ernüchtert zu schließen. „Ach, du bist's.“ Er hörte, wie sich Genda die Kleidung abstreifte und begann, sich zu waschen, doch er öffnete nicht einen einzigen Moment die Augen dafür. Sich den Torwart nackt angucken brauchte er nicht. Sakuma wäre lustiger gewesen... Fudou hatte zwar schon geahnt, dass die zwei nicht zusammen ins Bad gehen würden, doch dass Genda nun bei ihm auftauchte, daran hatte er keinen Gedanken verschwendet. Sollte er halt sehen, ob er überhaupt noch in die Wanne passte, er würde ihm sicherlich keinen Platz machen. „Und? Hat sich die Dramaqueen wieder beruhigt?“ „Er sitzt mit Kidou auf dem Sofa, schaut irgendeine Soap und isst alle Snacks weg. Ich schätze also, nein, er hat sich nicht wieder beruhigt.“ Jetzt verstand Fudou auch, warum Genda hier war. Und umso weniger verstand er, warum Genda in erster Linie überhaupt so auf Sakuma stand. „Schlimmer als jedes echte Mädchen“, merkte Fudou genervt brummend an. „Ich versteh dich echt nicht. Was findest du überhaupt an ihm, so abgesehen von seinem Aussehen? Er ist zickiger als jedes Mädchen, er ist launisch, undankbar, unreif, verklemmt, ein peinlicher Groupie und ziemlich erfolgsgeil. Ich könnte jetzt noch ne ganze Weile so weiter aufzählen, aber nee...“ Genda antwortete nicht, weshalb Fudou die Augen öffnete und sich den irgendwie erbärmlich wirkenden Haufen Muskelprotz ansah, der wie ein begossener Pudel auf dem Hocker saß. Seine langen Haare waren ungewöhnlich platt, jetzt wo sie so übergossen an ihm herunterhingen. Dafür kamen seine breiten Schultern und sein Kreuz viel mehr zur Geltung. Die Pubertät meinte es gut mit ihm. „Du weißt es selbst, oder? Dass du was Besseres haben könntest? Bist ja nicht dumm – eigentlich. Bis auf die Nummer, bei der du Sakuma nachrennst.“ „Lässt sich leicht sagen, wenn man noch nie verliebt war“, merkte Genda an und irgendwie, so mit den hängenden Schultern und dem gesenkten Kopf, sah er dabei aus wie ein Häufchen Elend. Pure Verzweiflung am Ende eines langen Weges voller Abweisungen eben. Wenn das das Bild eines Mannes war, der verliebt war, dann war er froh drum, es noch nie gewesen zu sein. Und er wäre dankbar, wenn der Fall auch gar nicht eintreten würde. „Ich weiß, dass Sakuma nicht einfach ist, aber statt nur negative Punkte aufzuzählen, könnte ich dir genau so viel liebreizendes nennen.“ „Ist das eine Herausforderung? Ich finde zu jedem deiner liebreizenden Charakterzüge zwei abstoßende.“ „Kein Wettstreit, nur die Wahrheit.“ „Das sagst du, weil du ein verliebter Trottel bist. Dir hat sich die rosarote Brille total eingebrannt“, seufzte Fudou und hing müde von der Uneinsichtigkeit Gendas halb über dem Wannenrand. Jetzt ohnmächtig werden und dem Gespräch so zu entkommen, das wäre was. „Du versuchst ja nicht mal dich zu entlieben, dabei ist das die beste Möglichkeit, die ich für dich sehe. Dann kannst du dich auch endlich wieder auf deine Rolle als Ersatztorhüter kümmern. Weißt du eigentlich, wie leicht du es dem trainingsbesessenen Fußballfreak machst?“ Genda hob den Kopf, aufmerksam, wandte ihm das Gesicht zu. Fudou zog nur eine Augenbraue hoch – warum war doch gleich wieder Leben in den Torhüter gefahren? „Was?“, fragte er schließlich, klang dabei weder sauer noch verletzt, immerhin. Der Emo-Mode war Geschichte, so wie es aussah. „Soll ich das jetzt nochmal sagen?“ „Nein, schon gut. Du bist nur heute schon der Zweite, der das anspricht“, stellte Genda klar und fuhr sich mit der nassen Hand übers Gesicht, dann durch die Haare. Der Kerl sah echt fertig aus, musste Fudou feststellen. Dabei war Bankdrücken jetzt nicht das Schlimmste vom Schlimmen. Er selbst hatte öfter mal auf der Bank gesessen. Es wurmte ihn eigentlich nur dann, wenn die anderen elf Pfeifen auf dem Platz eine erbärmliche Leistung brachten und er genau wusste, dass er es besser können würde. Bei Genda allerdings... „Tja, muss wohl stimmen, würd ich sagen. Hör auf den Ratschlag von uns intelligenten Menschen.“ Es war klar, dass nur Kidou oder Gouenji dieses Thema angesprochen haben konnten. Endou war... Endou und Sakuma war viel zu selbstzentriert, um überhaupt zu merken, wie es Genda ging. Blieben also wirklich nur intelligente Menschen übrig. „Lässt sich leicht sagen. Endou ist der Torwart. Football Frontier gewonnen, die Football Frontier International gewonnen... Er ist Nationaltorhüter Nummer 1 und Kapitän. Ich bin nicht mal Nationaltorhüter, falls du es noch nicht bemerkt hast. Allein das Wissen darüber in den Köpfen des Trainers und der Mitspieler ist genug, um mich als zweite Geige zu sehen.“ „Bla, bla, hör auf zu heulen...“ Das war ja nicht auszuhalten. Erbärmlich. „So wird das sowieso nichts.“ Was waren seine ehemaligen Teikoku-Kollegen eigentlich für ein jämmerlicher Haufen? „Langsam verstehe ich, warum Kidou zu Raimon gewechselt ist. Hast du nicht selbst die Football Frontier gewonnen? Warst du nicht Teil eines Teams, das 40 Jahre am Stück Meister wurde? Wo ist dein Stolz geblieben? Sitzt da wie eine ausgesetzte Katze im Regen, die keiner mehr haben will.“ Fudou war übrigens kein Freund von nassen, ausgesetzten Katzen und er war auch nicht der Typ, der sie mit nach Hause nahm und aufpäppelte – auch in Gendas Fall nicht. Er war es nur einfach leid, dass diese Raimon-Freaks so hochgelobt wurden und immer allen die Show stahlen. Dagegen sahen die ehemaligen Teikoku-Spieler aus wie zweite Klasse. Er hasste das, weil er auch ein ehemaliger Teikoku-Spieler war und dieser Ruf auf ihn abfärbte. Genda und Sakuma trugen gerade ja richtig schön bei, sie in die Scheiße zu ziehen. Und das bei einer eigentlich elitären Schule. Genervt massierte sich Fudou die Stirn, bekam schon Kopfschmerzen von dem ganzen Mist – vielleicht war er auch einfach zu lang in der Wanne gewesen, aber egal. Genda trug in jedem Fall Mitschuld daran. Warum sah ihn der Torhüter jetzt an, als hätte er gerade erwähnt, die Erde sei eine Kugel, keine Scheibe? Große, ungläubige Augen fixierten ihn, er fühlte sich glatt angestarrt. „Nun glotz nicht so“, sagte Fudou genervt, während er sich hochdrückte und aus der Wanne stieg. Das Handtuch war schnell geschnappt und so trocknete er sich eher sporadisch ab, wickelte es dann um seine Hüfte. Genda fixierte ihn regelrecht mit dem Blick. Und er lächelte. Hatte er nicht gesagt, er solle nicht glotzen? „Wenn du weiterhin so abkackst, nehm ich das persönlich“, tönte Fudou noch, ehe er die Tür aufzog und hinaustrat. „Danke, Fudou.“ Als Reaktion bekam er nur ein Grummeln, dann schloss er die Tür hinter sich und ließ das verregnete Kätzchen allein zurück. „Ewwwwwwww, Fudou, zieh dir gefälligst was an!“ „Halt die Klappe, Sakuma.“ Smart Love ---------- Es war noch früh am Morgen, als Kidou aus seinem Zimmer kam. Stille beherrschte das Haus, beim Vorbeigehen sah er, dass im zweiten Zimmer im Untergeschoss noch alles dunkel war und die Gardinen zugezogen. Als er die Treppe hinaufstieg, bemerkte er allerdings den Geruch von Essen – nicht so gut wie der, der ihn oft bei ihm Zuhause begrüßte, aber dennoch wohlriechend. Da war scheinbar noch ein ganz bestimmter Jemand wach.   „Guten Morgen, Gouenji“, sagte er, noch bevor er überhaupt um die Ecke zur Küchenzeile geblickt hatte. „Guten Morgen“, bekam er als Antwort zurück, offensichtlich ein Lächeln auf Gouenjis Gesicht dabei, so wie seine Worte gesprochen waren. Manchmal war es ein wenig erschreckend, wie gut er den Stürmer mittlerweile kannte. Sie mussten nicht mal sprechen, selbst dann verstanden sie sich. Da genügte ein Blick. „Endou schläft noch, hm?“, bemerkte Kidou und ließ seinen Blick zu der geschlossenen Tür des Tatami-Zimmers schweifen. „Und die drei... hatten sicher eine harte Nacht.“ Natürlich nutzten sie nun noch die Morgenstunden, um noch irgendwie genug Erholung zu bekommen.   „Das vermute ich auch“, bestätigte Gouenji, während er mit einem Paar Kochstäbchen in der Pfanne herumwühlte. „Wecken wir sie einfach, wenn das Frühstück fertig ist.“   „Ja...“   Zuerst einmal begab sich Kidou ins Bad. Gouenji war längst fertig gestylt und dem wollte Kidou in nichts nachstehen. Nicht, weil er unbedingt auch so cool aussehen wollte oder eitel war. Es war nur merkwürdig, ungewaschen und im Schlafanzug bei einer Person zu sein, die schon angezogen und wohlduftend war. Kidou brauchte morgens auch nicht lange – wie gesagt, er war nicht eitel. Er pflegte nur einen ordentlichen Standard. Als er wieder zurück bei Gouenji war, hatte sich nichts verändert, außer die Zahl der Frikadellen in den Bentos. „Du gibst dir ja richtig viel Mühe mit uns“, stellte Kidou fest und lächelte. Schließlich kochte er nicht nur für sie, machte ihnen Abendessen, Frühstück, sondern auch ein Mittagessen für unterwegs. „Und die hier gehört Endou, nehme ich an?“ Es war nicht zu übersehen, fand er, so prall gefüllt wie sie war. Von allem gab es eine Extraportion. Gouenji lächelte lässig und wortlos, aber das reichte Kidou schon als Bestätigung. Er schaute dem Stürmer über die Schulter und musste gestehen, dass es jetzt gerne schon ein wenig probiert hätte. Der Anblick machte eben Hunger. „Du verwöhnst ihn zu doll.“   „Ist da jemand neidisch?“, fragte Gouenji ein wenig amüsiert, den Kopf zu ihm drehend. „Futterneid hätte ich dir gar nicht zugetraut.“   „Das ist auch kein Futterneid. So einen großen Appetit wie Endou habe ich gar nicht. Es würde nur liegen bleiben. Oder Fudou würde es sich einfach nehmen.“   „So?“   Kidou stupste Gouenji mit der Schulter an. „Nun grins nicht so.“   „Ich grins doch gar nicht.“   „Tust du.“ Kidou nahm sich eine der Frikadellen aus Endous Bento, schließlich waren dort mehr als genug drin, dann schlenderte er damit zum Tisch, auf dem er gestern noch seinen Planer hatte liegen lassen. Er musste sich nicht mal umdrehen, um zu wissen, dass die fehlende Frikadelle schnell ersetzt war. Gouenji war hoffnungslos in der Hinsicht. Nicht so hoffnungslos wie Genda allerdings. Noch einmal ging er die Tagesplanung durch, die er fein säuberlich in seinem Planer notiert hatte. Es war Yama no Hi und so würden sie einen der umliegenden Berge erklimmen. Vor der Reise hatte er sich natürlich schon angeschaut, was für Möglichkeiten sie hatten und was für sie überhaupt geeignet wäre. In der Gegend gab es viele Wanderrouten – natürlich, wo es viele Berge gab -, doch für sie als unerfahrene Wanderanfänger kam keine lange, schwierige Tour in Frage. Wenn sie den Vulkan Usu hätten besteigen wollen, müssten sie 3 Stunden einplanen, um nach oben zu kommen. Andererseits könnten sie auch einfach mit der Seilbahn fahren, doch irgendwie war das nicht ganz dasselbe. Es gab jedoch auch eine kleinere Route, die gar nicht bis zum Gipfel des Usu ging. Sie führte über die zwei kleineren Berge am Fuße des Vulkans Usu und war perfekt ausgeschildert. So war es unmöglich, vom Weg abzukommen und es würde als anstrengender Trip in die Berge reichen. Außerdem gab es auch dort schon einen schönen Ausblick über den See und das ganze Tal um sie herum, sowie ein paar Gedenkstätten, wenn man sie so nennen wollte.   Kidou bemerkte eine Regung von Gouenji, hob den Kopf von seinen Notizen und sah ihm nach, wie er die Treppe herunterging. Offenbar würde er nun Endou wecken, da das Frühstück und die Bentoboxen bereits fertig waren. Wenn dem so war, wäre es ebenfalls an der Zeit, seine Teikoku-Jungs zum Aufstehen zu bewegen. Ruhig erhob er sich von seinem Stuhl und trat zur Schiebetür, die er sachte öffnete. Das Bild, das sich ihm bot, ließ ihn die Augenbrauen hochziehen. Auf den teils zerwühlten Futons lagen Fudou und Sakuma getrennt voneinander durch eine große Festung namens Genda. Eine große, einnehmende Festung, die die Arme um Sakuma geschlungen hatte – und der ließ es offenbar zu, schlief völlig seelenruhig. Wortlos schlüpfte Kidou aus den Hausschuhen, betrat das Tatami-Zimmer und zog die Vorhänge auf. Das dadurch plötzlich einfallende Licht blendete genug, um zumindest Fudou und Genda wach zu bekommen. „Frühstück ist fertig“, verkündete Kidou wortkarg, mehr gab es streng genommen auch gar nicht zu sagen. Sein Blick fiel nochmal auf Genda und Sakuma, so als wäre es ein Autounfall. Genda sah glücklich aus, als er milde lächelnd von Sakuma abließ, ihn nochmal einen Moment lang betrachtete, um ihn schließlich aus seinem Schlaf zu holen. Er war nicht eifersüchtig – absolut nicht. Es war einfach nur ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick. Obendrauf traute er dem Frieden nicht.   Als Kidou wieder heraustrat, kam Fudou ihm nach, um im Bad zu verschwinden. Gouenji war noch nicht wieder zurück – musste ja ein schwieriger Fall sein, da unten. Da er nichts mit sich anzufangen wusste, setzte er sich aufs Sofa und schaltete im Fernseher herum. Um diese Uhrzeit liefen gerade die Morgennachrichten. Zwischendrin verkündete eine hübsche Wetterfee, dass sie mit milden Temperaturen und viel Sonne zu rechnen hatten – das perfekte Wetter für einen Ausflug also. Er hoffte nur, dass die Sonne das offene Berggelände nicht zu sehr aufheizte, schließlich bot sich laut den Bildern, die er zuvor im Internet betrachtet hatte, eigentlich kein Schutz vor Sonne auf ihrem Pfad. Die meisten der wenigen Bäume waren tot. Ein Sunblocker würde also nicht schaden.   Nach einer Weile kam Gouenji auch wieder hoch, Endou im Schlepptau, dem zwar noch ein wenig seine Müdigkeit anzusehen war, doch ansonsten war er heiter wie immer. „Guten Morgen!“, sagte er energischer als jeder andere früh am Morgen und direkt nach dem Aufstehen wohl wäre, ging dann rüber zur Küchenzeile. „Du hast nicht zu viel versprochen, Gouenji!“ Kidou hörte förmlich die Sternchen in seinen Augen. Ja, es sah lecker aus und genau wie der Torhüter konnte er langsam kaum noch warten.   „Endou!“, mahnte Gouenji ihn amüsiert, sicherlich, weil er sich schon daran vergreifen wollte. Da hatte er wohl Glück, dass er den Stürmer vorhin sprachlos mit seinem Frikadellenklau gemacht hatte. „Sobald Sakuma aus dem Bad zurück ist, kannst du, Endou.“ Wie lange das dauern würde, war allerdings fraglich – sie sprachen von Sakuma. Genda hatte es in der Zeit längst geschafft, den Tisch für sie zu decken, seitdem das Bad von Sakuma blockiert wurde.   „Das dauert ewig. Bis der fertig ist, sind wir alle verhungert“, merkte Fudou genervt an, nahm den Blick dabei zuerst nicht von seinem Handy. Mit einem angesäuerten Geräusch ließ er es schließlich auf das Sofa fallen und stand auf, um zum Bad herüber zu gehen. Natürlich riss er einfach die Tür auf und trat ein, Sakuma fing an zu zetern. Alles wie immer. „Jetzt beweg deinen Arsch an den Tisch!“ Sakuma wurde mit dürftiger Gegenwehr grob aus dem Bad gezogen, sein Gesicht glänzte noch von der Creme, die er frisch aufgetragen hatte, die Haare wurden mit einem Stoffband aus dem Gesicht gehalten. „Fudou, das tut weh!“   „Das ist noch gar nichts gegen den Schmerz, den du demnächst noch spüren wirst.“   Trotz Radau fanden sie schließlich alle an den Tisch und frühstückten. Die Energie würden sie für den langen Wanderweg auch brauchen. Und außerdem mussten sie überhaupt erst mit dem Fahrrad nach Toyako fahren, wo die Wanderroute startete.   ***   „Die sieht aus, wie von Gouenjis Schwester gezeichnet“, amüsierte sich Endou über die Karte, die sie an dem kleinen Häuschen zu Beginn der Route bekommen hatte. Sie war offenbar mit Buntstiften gezeichnet worden und auch die Häuser und Tiere sahen nach Kindergarten aus. Kidou störte sich daran allerdings nicht, solange sie genau genug war, um ihr zu folgen. Laut dem alten Mann in dem Infohäuschen lohne sich ein kleiner Abstecher zu den verlassenen Gebäuderuinen, auch wenn sie nicht auf der Route lagen. Ansonsten waren die wichtigsten Punkte mit T-1 bis T-10 markiert, damit man immer sicher gehen konnte, noch auf dem Weg zu sein.   „Ihr wollt doch nicht wirklich zu diesen kaputten Gebäuden gehen oder?“, fragte Sakuma, worauf Fudou gleich anspringen musste.   „Hast du etwa Schiss? Da werden schon keine Seelen von Verstorbenen herumspuken.“   „Hab ich nicht! Ist nur irgendwie...merkwürdig, findet ihr nicht?“ Bei seinen Worten wurde Sakuma auffällig kleinlaut und Kidou hatte das Gefühl, dass er sich doch davor fürchtete. Sein Blick ging in die Ferne, in der man am Ende der gepflasterten Straße schon die Gebäude sehen konnte – oder das, was von ihnen übrig war.   „Ich finde, wir sollten gehen“, begann Kidou und alle Augenpaare richteten sich auf ihn. „Betrachten wir es nicht als schaulustiges Treiben sondern als Zollen von Respekt den Menschen gegenüber, die hier ihre Existenz verloren haben. Es ist irgendwo auch eine Gedenkstätte.“   Gouenji und Genda nickten ihm zu. Fudou sah aus, als wäre ihm sowieso alles egal und Sakuma schien nach wie vor nicht so begeistert von der Idee. Genda legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah mit überraschtem Gesicht, wie Endou dasselbe tat. „Deine Freunde sind bei dir, Sakuma. Kidou hat Recht, wir sollten etwas Respekt zeigen. Selbst, wenn es keine große Hilfe ist, denke ich, dass die Leute, deren Wohnungen dort lagen, dankbar über Mitgefühl sind.“   Nicht, dass sie es überhaupt mitbekämen, dachte sich Kidou und Fudou war anzusehen, dass er genau dasselbe dachte. Aber das war Endous Sicht der Welt. Gefühle erreichten jede, egal an welchem Ort. Kidou fand, dass das bei aller Naivität eine schöne Vorstellung war.   So brachen sie also auf und folgten der Straße zu den verlassenen Gebäuden – einem ehemaligen Spa-Hotel und einem Apartmentkomplex. Je näher sie kamen, desto mehr konnte man die Zerstörung erkennen. Gerade das Hotel war schon mehr Ruine als noch Gebäude, das Apartmentgebäude war dagegen noch mehr in Schuss, wenn man das so sagen konnte. Scheiben waren zerborsten, aber nicht alle. Ein paar wenige Balkongitter waren kaputt. Besonders skurril war allerdings die Tatsache, dass die untersten Etagen einfach im Boden versunken waren. Das Apartmentgebäude durfte zwar nicht betreten werden, doch in dem nun wie das Erdgeschoss wirkenden Stockwerk konnte man von außen genug Chaos sehen. Ein einziger, riesiger Haufen aus verdreckten Möbeln und Zerstörung. Im Hotel dagegen befand sich kaum noch etwas. Lediglich das oberste Stockwerk ragte aus der Erde heraus und ließ es aussehen wie einen Bungalow – eher noch wie einen Pavillon, wo die meisten der großen Fensterscheiben fehlten.   Sakuma war nach wie vor extrem still, überhaupt waren sie alle ruhiger geworden, sogar Endou schaute ernst drein bei ihrer Begehung. Niemandem schien wirklich nach reden zumute, es herrschte eine ernste, bedrückte Stimmung. An einer Tafel blieben sie schließlich stehen. „Diese Gebäude sind Überbleibsel des Vulkanausbruchs von 2000. Dank der frühen Erkennung der Situation gab es keine Menschenleben zu beklagen“, erklärte Kidou und Sakuma sah für den Moment ein wenig erleichtert aus.   „Die Natur ist faszinierend, aber sogleich auch respekteinflößend. Der Mensch ist machtlos dagegen.“   „Ja.“   Immer noch in sich gekehrt und andächtig gingen sie wieder zurück, vorbei an dem Überrest einer Brücke, die bei dem Vulkanausbruch davongetragen wurde und nun mitten auf einem grün bewachsenen Abhang aus dem Boden ragte. Angekommen an ihrem Ausgangspunkt dem kleinen Häuschen, begann ihre Erklimmung der bei vorherigen Ausbrüchen entstandenen Berge Konpira und Nishiyama. Passionate Love --------------- Ihr Weg führte sie zuerst an ein paar Bäumen vorbei, die noch immer in saftiger grüner Pracht strahlten, doch schon dahinter landeten sie auf einer alten, zerstörten Straße, deren Anfang und Ende längst unter Gras im Nichts verschwunden war. Es war ein bisschen wie in einem Endzeit-Film. So sah es aus, wenn etwas von Menschen zurückgelassen wurde und die Natur sich zurückholte, was ihr gehörte. Gouenji fand es faszinierend, wie viel Gewalt so ein Vulkan hatte. Allein das Wissen, dass sie auf einem aktiven Vulkan spazierten und sich den Kratern nähern würden, machte ein mulmiges Gefühl. Dennoch war die Gegend sicher – zumindest hieß es, sie sei sicher. Es waren noch viele andere Leute unterwegs, was ihn nicht wunderte. Wenn es einen Tag für eine Bergwanderung gab, dann war es heute und so nutzten viele Menschen die Gelegenheit, den Bergen nahe zu sein. Da waren Familien mit ihren kleinen Kindern, gepackt mit bunten Rucksäcken und voller Elan. Da waren Schülergruppen, Pärchen, ältere Partner und Gruppen mehrerer Erwachsener. Theoretisch mussten sie gar nicht der Karte folgen, die Kidou noch immer in der Hand hielt. Die Menschen um sie herum waren selbst wie ein Guide, dem sie bedenkenlos nachgehen konnten.   „Wir erreichen gleich einen besonderen Krater von Konpirayama“, erklärte Kidou, während sie einen steilen Hang hochgingen. „Dort können wir kurz Pause machen.“   „Gute Idee, dort etwas zu trinken“, bestätigte Genda und Gouenji durstete es ebenso schon. Der Aufstieg war ein gutes Training für die Beine, also eigentlich genau das Richtige für sie. Und Endou würde dieser Energieabbau ebenfalls guttun, sonst müssten sie heute Abend wieder Stundenlang im Dunkeln mit dem Ball kicken, so wie am Vorabend.   „Sieht ziemlich trostlos aus hier“, stellte Sakuma fest nebst der immer kahler werdenden Umgebung. Es wuchs kaum noch etwas, die Bäume waren tot. Irgendwo am Boden fand sich ab und zu ein Büschel Gestrüpp. „So hab ich mir einen Vulkan schon eher vorgestellt.“   „Zum Verweilen lädt das hier zumindest nicht ein, aber warte ab, bis den Krater siehst.“   „Was soll das heißen?“   „Wird vielleicht das Letzte sein, das du siehst. Ich an seiner Stelle würde dich da auch reinschubsen“, sagte Fudou und fummelte dabei an seinem Ohrläppchen rum.   „Das ist doch nicht mal möglich! Oder?!“ Sakuma sah zu Kidou, Fudou dagegen grinste nur unheilvoll und hatte offensichtlich Spaß daran, Sakuma zu provozieren. Also alles wie immer.   „Natürlich ist es das nicht“, stellte Kidou klar. „Der Krater ist geschlossen und gefüllt mit Wasser. Ich würde da an deiner Stelle aber trotzdem nicht reinfallen, Sakuma.“   „Hatte ich doch auch gar nicht vor. Fudou hat-“ Genda hielt Sakuma den Mund zu, dämpfte so sein Gezeter in ein unverständliches Gemaule und Gouenji war froh drum, dass der Torhüter die Initiative ergriffen hatte. Er hing nicht so oft mit Kidous alten Freunden ab. Unter anderem wegen dem Lärm, den sie produzierten. Auch, weil meistens alle Blicke auf sie gerichtet waren, wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs waren, so wie jetzt. Die Leute schauten schon. Unangenehm.   Immerhin behielt Genda Sakuma im Griff und die kleinen Kinder um sie herum waren wieder sicher vor Wörtern, die sie in ihrem Alter noch nicht kennen mussten. Als sie schließlich oben beim Krater ankamen, zückte Gouenji seine Wasserflasche aus dem Rucksack und nahm ein paar Schlucke. Es tat wirklich gut, so warm wie es doch in der Sonne geworden und so anstrengend der Aufstieg für die Beinmuskulatur war.   „Das ist also der Yu-kun Krater“, sagte Sakuma wenig begeistert. Vor ihnen lag eine steinerne Erhöhung, teilweise bewachsen. Es sah unscheinbar aus, genau wie der Rest der Umgebung.   „Schaut euch die Aussicht an! Man kann so weit gucken, es ist der Wahnsinn!“ Gouenji drehte sich auf Endous begeisterten Ausruf hin um und musste zugeben, dass der Anblick wunderschön war. Weiter unten rechts von ihnen lagen die verlassenen Gebäude, doch schon kurz dahinter konnten sie auf ganz Toyako Onsen schauen, den Toya-See und die sich darin und dahinter befindlichen Vulkanberge. „Ja, wirklich hübsch.“   Sie verharrten einen Moment so, während Genda Sakuma zum Krater gezogen hatte, der scheinbar doch bedeutend interessanter war, als es zuvor den Anschein gemacht hatte. Davon bekam Endou entweder nichts mit oder er wollte sich nicht von dem Blick lösen, so hypnotisiert, wie er in die Ferne schaute. „Weißt du, woran ich gerade denke, Gouenji?“   „Nein. Sag‘s mir?“   „Den Stahlturm.“ Gouenji musste schmunzeln. Natürlich. Der Stahlturm. Wie konnte es auch etwas Anderes sein? „Gibt es überhaupt einen Moment, an dem du nicht an etwas denkst, das mit Fußball zu tun hat?“   Ertappt grinste Endou, lachte dann knapp auf. „Es ist nicht unbedingt wegen Fußball. Ich weiß nicht... wenn ich hier oben bin, habe ich das gleiche Gefühl. Irgendwie beruhigend, aber auch als ob eine starke Kraft in meinen Körper fließt. … Das klingt albern oder?“   Einen Moment sah Gouenji Endou in das verlegene Gesicht, lächelte. „Nein, tut es nicht.“   „Ihr zwei! Hört auf, einander in die Augen zu schauen und kommt her!“, rief Kidou zu ihnen herüber, vom Krater, an dem der Rest versammelt stand. Gouenji seufzte innerlich, deutete Endou aber dann an, der Aufforderung nachzukommen. „Wir kommen!!!“, rief Endou heiter und lief los, er selbst folgte ihm eher langsam. Angekommen auf der Anhöhe des Kraters lohnte sich der Anblick wirklich. Der See, der sich im Inneren des Kraters gebildet hatte, war weitgehend in ein Smaragdgrün gefärbt, lediglich am Rand fand sich das üblich erwartete Blau – ein Spiegelbild des Himmels. Man merkte sofort, wie wichtig Wasser für Leben auf der Erde war, denn in dem Krater mehrten sich die Pflanzen wieder in der sonst so kahlen Umgebung.   „Woah, der Boden ist sogar warm!“, stellte Endou erstaunt fest, als er sich hinkniete, um seinen Rucksack neu zu sortieren und seine Flasche wieder einzustecken.   „Das ist wirklich beunruhigend...“   „Mach dir keine Sorgen, Sakuma. Der Vulkan hat noch einige Jahre vor sich bis zu seinem nächsten Ausbruch.“   Sie machten noch ein paar Fotos, dann setzten sie ihren Wanderausflug fort. Noch waren sie nicht am höchsten Punkt ihrer Route angekommen. Zu Sakumas Erleichterung landeten sie bald wieder auf grüner Fläche, dicht bewachsen von Bäumen, durch die ein schmaler Trampelpfad führte. Sie gingen hintereinander, aufgrund der Enge. Laut Karte sollten sich dort Rehe aufhalten, doch sie erblickten kein einziges. Verständlich, bei so vielen Besuchern, die unterwegs waren, waren sie sicher längst verschreckt worden. Schließlich gelangten sie zu dem von der Karte empfohlenen Aussichtspunkt. Endou, der die Aussicht zuvor schon so genossen hatte, war wieder wie gefesselt und so beschlossen sie, dort Rast zu machen, etwas zu trinken und zu essen. Dafür waren die Bentos schließlich auch da. Gouenji setzte sich neben Endou auf die begrünte Fläche und packte seine Bentobox aus. Sie schauten in die Ferne, während sie aßen. Es könnte kaum schöner sein – so blieb es auch gar nicht, denn hinter ihnen fing der Zank wieder an.   „Fudou, schon wieder?!“, zeterte Sakuma und Gouenji hatte gar keine Lust, den Kopf zu drehen, um zu schauen, was da schon wieder los war. Endou schaute verdutzt mit den Stäbchen im Mund über die Schulter nach hinten, kaute beobachtend auf einem Klumpen Reis herum.   „G-Genda! Du auch?!“   „Es schmeckt wirklich besser aus deiner Bentobox“, meinte Genda und lachte dann leicht. „Komm, ich teile mein Bento auch mit dir, Sakuma.“   „Dann kann ich ja nochmal“, sprach Fudou und Sakuma regte sich wieder auf. Anstrengend.   „Ich verstehe nicht, warum sie immer streiten müssen“, murmelte Endou und schob sich einen weiteren Klumpen Reis in den Mund. Er sah überraschend ernst aus dabei, so als mache er sich wirklich Gedanken um das Team unter diesen Voraussetzungen. „Es ist viel schlimmer als früher. Und überhaupt hat Fudou doch gezeigt, dass er gar kein so übler Kerl ist.“   Ohne einen Happen zu sich zu nehmen lauschte er Endous kleiner Analyse, wartete darauf, dass er einen Grund fand. Doch er fand keinen. „Es ist das Alter“, klärte Gouenji ihn auf und Endou schaute nur fragend, konnte damit offensichtlich nichts anfangen. „In dem Alter gehen die Hormone mit einem durch. Es gibt so vieles, das einen verwirrt.“   Immer noch verstand Endou nicht. Gouenji wunderte es nicht, aber eigentlich- Es so offen zu sagen, war nicht sein Stil. „Es ist das Alter der ersten, richtigen Liebe“, sprach er so cool er konnte und Endou riss die Augen auf, ließ sogar die Stäbchen fallen. „Liebe???!!!!“   „Shhh, Endou!“   Schnell schlug sich Endou die Hände vor den Mund, sah ihn aber immer noch total schockiert an. Seine Augen schrien ihm förmlich die Worte nochmal entgegen. Gouenji zuckte mit den Schultern und begann wieder zu essen. In der Zwischenzeit beruhigte sich auch Endou ein wenig, doch die Nachricht ließ ihn offenbar nach wie vor nicht kalt. „Also meinst du, Fudou und Sakuma... lieben sich?“   „Ich bin nicht sicher, ob sie sich dessen bisher bewusst sind. Oder ob es wirklich Liebe ist oder nur besagte Verwirrung zweier High School Schüler. Aber sie benehmen sich wie zwei, die ihre Gefühle nicht anders zum Ausdruck bringen können. Sei es jetzt nur neugieriges Interesse oder...“ Gouenjis Worte stoppten, als er bemerkte, dass Endou ihn die ganze Zeit anstarrte. Sofort löste er den Blick und schaute zur Seite.   „Du weißt wirklich viel über sowas, Gouenji“, stellte Endou erstaunt fest. Das machte es nur unangenehmer. Wortlos, so als könnte er die Situation wegignorieren, aß er weiter und irgendwann lehnte auch Endou nicht mehr so nah bei ihm und aß. So still sie beide jetzt waren, desto lauter kamen ihm die Gespräche der anderen vor. Was auch immer da bei Fudou, Sakuma und Genda ablief... Gouenji musste sich selbst auf seine eigenen Angelegenheiten konzentrieren.   Und irgendwann würde Endou sicher auch mal Augen für mehr als nur Fußball haben. Oder? Repressed Love -------------- Ihr Weg führte sie zurück in die Zivilisation. Auf dem Weg herunter vom Berg waren sie an noch weiteren, zerstörten Gebäuden vorbeigekommen, sogar an einem winzigen See, aus dem Masten herausragten und in dem noch heute ein Auto versunken sein sollte. Der Berg war zu dem Zeitpunkt des Ausbruchs deutlich mehr bewohnt gewesen als man heute noch davon sah. Doch für Sakuma war das, was noch als stille Zeugen dort lag – zerstört, verwahrlost und einsam – genug. Es hatte ihm längst gehörig auf die Stimmung gedrückt und so war er dankbar über den Anblick von intakten, bewohnten Gebäuden, funktionstüchtigen Autos und heilen Straßen. Bei ihrer zwanghaften Pause auf der Wiese neben dem Kiosk – sie mussten warten, bis der Bus kam, der sie zurück nach Toyako Onsen brachte – planten sie den Rest des Tages. Zumindest einen großen Teil davon. Wo sie sich am Ende das Feuerwerk anschauen würden, ließen sie erst einmal offen, doch für den Moment würden sie noch ein wenig Zeit im Ort verbringen, durch die wenigen Geschäfte bummeln oder einfach die Umgebung erkunden. Sakuma kam das sehr gelegen, wollte er sowieso noch ein paar Mitbringsel besorgen. Sein Handy verriet ihm auch schnell, wo er als erstes einen Stopp machen würde.   Gemeinsam fuhren sie zurück nach Toyako Onsen, doch dort angekommen trennten sich ihre Wege vorerst. Sie hatten einfach unterschiedliche Interessen und als Kidou sah, dass man in dem Süßwarengeschäft, das Sakuma dringend besuchen wollte, keinen anständigen Kaffee ausschenkte, zog es ihn ebenso weiter wie Fudou, der nicht einmal sagte, was er in dem Ort unternehmen würde. Endou und Gouenji hatten sich längst verabschiedet, weil sie an den See wollten und so blieben Genda und er zurück. Nichts würde ihn so schnell von der Vitrine mit den ganzen Törtchen und Kuchen wegkriegen.   „Willst du erst nach ein paar Mitbringseln gucken oder Kuchen essen?“, fragte Genda ihn und lächelte sanft, so als hätte er ihm seine Kuchengier angesehen. Sabberte er? Nein, zum Glück nicht – das verriet ihm ein hektischer Griff an den Mund. Auch Genda schien die Geste nicht zu entgehen und für den Moment herrschte peinliches Schweigen zwischen ihnen. „Starr nicht...!“, nörgelte Sakuma beschämt, immer noch die Finger vor den Mund haltend. Dann ging er an dem Torwart vorbei und sah sich erst einmal die verschiedenen Verpackungen an. Für seine Eltern würde er auf jeden Fall etwas mitbringen und wenn es sein Geldbeutel zuließ auch für seine ehemaligen Teikoku-Freunde. Seit ihrer Trennung durch den Schulwechsel hatte es Sakuma immerhin geschafft, wieder mehr Kontakt zu ihnen aufzubauen. Auch wenn es schwierig war, sich häufig genug zu sehen. Es hatte sich einfach viel verändert und nun hatten sie alle unterschiedliche Aufgaben, die ihre Aufmerksamkeit forderten. Obendrein musste Sakuma ständig aufpassen, dass Fudou keine Zeit alleine mit Kidou verbrachte. Allein jetzt schon war er etwas nervös. Wer wusste schon, ob sie nicht doch längst zusammen durch den Ort spazierten oder ob Fudou ihn verfolgte.   Er musste sich beruhigen. Am helllichten Tag würde schon nichts passieren. Wer würde schon auf offener Straße, wo einen jeder sah, einen anderen Kerl küssen? Oder sogar andere Dinge tun? Kidou war also sicher, das musste sich Sakuma einreden. Und dafür, dass Fudou auch nachts nichts mit Kidou anstellen konnte, hatte er gesorgt, auch wenn das hieß, dass sie ihn selbst an der Backe hatten.   Er brauchte den Kuchen jetzt wirklich...   Nur wenig später hatten sie an den Tischen des anliegenden Cafébereichs Platz genommen. Um sie herum fiel Sakuma auf, dass viele dort ein ausgiebiges Mittagessen zu sich nahmen. Überraschend, hatte er doch geglaubt, es gäbe nur süße Speisen. Es sah alles sehr lecker aus, was er erblickte, doch herzhaft hatten sie schließlich schon gegessen und so war er sehr zufrieden mit seinem Stück Erdbeertorte. „So gut!“, schwärmte er. Genda schmunzelte und probierte von seinem Kuchen, ohne ihn zu fragen. Das hatte sich jetzt wohl durchgesetzt. Kurz zog Sakuma eine Schnute, was Genda herzlich wenig zu beeindrucken schien. Ohne ein Wort schob der Torwart ein Stück seines eigenen Kuchens auf die Gabel und hielt es ihm hin. Sakuma stutzte. Er war schockiert. Sprachlos. Und sein Herz fing an zu rasen. „Das... entschuldigt überhaupt nichts...“, murmelte er kleinlaut und nahm ihm die Gabel aus der Hand. Den Teufel würde er tun, als dass er ihm jetzt den Kuchen aus der Hand fressen würde... Vor allem nicht, wenn alle um sie herum sie angucken würden.   „Und?“   „Und was?“   „Wie schmeckt er?“   „Ganz okay... denk ich...“   Genda lachte leise, nahm seine Gabel zurück und aß weiter als wäre nichts gewesen. Wie konnte er dabei noch so cool bleiben? War er der einzige, der sich hier in die Situation hineinsteigerte? Ihm täte ein bisschen Coolness auch nicht schlecht, dann würde er nicht wegen jeder Albernheit rot werden. Sein Herz wäre sicher auch dankbar. Seitdem Genda ihm gesagt hatte, dass er Gefühle für ihn hatte, war für Sakuma nichts mehr wie vorher. Er musste vorher völlig blind gewesen sein für die ganzen Andeutungen, doch jetzt interpretierte er in jede Aktion irgendeine Absicht. Und es versetzte ihn in unfassbare Scham. Allein deswegen wollte er Genda aus dem Weg gehen. Das hatte verblüffend gut geklappt, dank der Ferien, doch seitdem sie hier waren, gab es viel zu viele Momente, in denen sie allein waren. Und schon fühlte er sich unwohl auf eine Art, die er nicht zu interpretieren wusste. Eigentlich dachte er, er fühlte sich unwohl, weil er Gendas Gefühle nicht erwiderte. Doch er fürchtete, dass das Unwohlsein ganz anderer Natur war.   „Wenn du weiter so auf meine Brust starrst, ess ich deinen Kuchen noch komplett“, merkte Genda neckisch an und riss Sakuma aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf, hatte doch gar nicht gestarrt.   „Ich hab nicht- Es war nur-!“, versuchte er sich direkt zu erklären, doch noch war er gar nicht richtig angekommen im Hier und Jetzt, schaute Genda konfus entgegen. „Du warst mit deinen Gedanken ganz weit weg. Hab ich gemerkt.“   Sakuma nickte nicht, sagte nichts. Die Situation war sowieso längst klar. Stattdessen machte er sich eifrig über seinen Kuchen her. Nicht, weil Genda ihn sonst aß, sondern weil es ablenkte. „Woran hast du gedacht?“   „Was wir Kidou mitbringen könnten.“ Natürlich war das eine Lüge, doch das Thema Kidou bot sich immer gut an, um jegliche Stimmung zu killen. Es war sowas wie sein Rettungsreifen, wenn er drohte von der Stimmung weggespült zu werden. Und meistens half es obendrein, um Genda den Wind aus den Segeln zu nehmen – jedenfalls für den Moment. Er bereute es jedes Mal, wenn er Gendas sanfes Lächeln sterben ließ.   „Kidou ist nicht der große Süßschnabel“, merkte Genda an und sah zur Seite in Richtung Auslage. „Aber er würde zu einem Macaron nicht Nein sagen, denke ich.“   „Dann nehmen wir so eins mit. Oder besser zwei.“   „Wir könnten eins für jeden mitnehmen“, schlug Genda vor und genau das taten sie dann auch, als sie aufgegessen hatten. Auch wenn sich Fudou ganz sicher keinen verdient hatte und sowieso ablehnen würde, nur um dann den letzten Macaron zu essen, der für Sakuma selbst gewesen wäre. Bevor sie rausgingen, entdeckte Sakuma jemanden mit einem Softeis. Er folgte der Person mit dem Blick und sofort suchte er hinter der Theke die zugehörige Softeis-Maschine. Die hatte er vorhin gar nicht wahrgenommen.   „Sakuma, nein...“   Sakuma, doch. Genda konnte ihn nicht davon abhalten, sich ein Softeis zu bestellen und so verließen sie zufrieden und mit einer Eistüte in der Hand das Süßwarengeschäft – jedenfalls er, Genda hatte keine. „Du hattest doch gerade erst ein Stück Torte“, erinnerte ihn der Torwart, so als ob Sakuma das vergessen hätte. Als ob. Er hatte doch keine Amnesie oder Alzheimer. „Na und? Das Eis ist so klein, das macht gar keinen großen Unterschied mehr. Außerdem hab ich mir das auch verdient.“   „So?“   „Diese Bergtour war anstrengend und obendrauf habt ihr mir mein Essen weggegessen“, rechtfertigte sich Sakuma und schleckte an seinem Softeis – pure, cremig-kühle Genugtuung.   „Ich hab mit dir geteilt.“   „Du ja, Fudou aber nicht.“   Genda seufzte hilflos, für Sakuma änderte das nichts. Er musste ja nicht mit ihm diskutieren wollen. War er seine Mutter? Er würde schon selbst einschätzen können, ob noch ein Eis reinpasste oder nicht. Manchmal durfte man sich so etwas auch erlauben. Sie gingen die Straße zum See entlang und fanden am Ufer einen Platz im Grünen, an dem ein Gerüst aus ein paar Holzbalken zum Anlehnen einlud. Die Aussicht auf den See war nach wie vor besonders. Von dort unten ragten die Nakajima-Inseln viel beeindruckender aus dem See hervor, eigentlich war es schade, dass sie keinen Ausflug dorthin geplant hatten. Doch ihre Zeit war eben auch begrenzt, wo sie am nächsten Tag schon wieder abreisen würden. Sie hätten an diesem idyllischen Ort Wochen verbringen können, es gab noch so viel mehr zu sehen. Sakuma hätte nichts dagegen gehabt, sein Sparschwein allerdings schon. Und er musste noch für die Schule lernen, die bald wieder anfangen würde.   Sakuma schwieg, Genda schwieg – vielleicht war er auch in Gedanken versunken. Vielleicht war er auch immer noch ein wenig angefressen wegen Kidou. Sakuma konnte es nicht sagen. Wie auch? Gedankenlesen war nichts, was in seiner Macht lag und er war auch noch lange nicht so ein guter Taktiker wie Kidou, der genau wissen würde, was in seinem Gegenüber vorging, nur, um daraus einen Vorteil für sein Spiel zu ziehen. Er war nur ein Stürmer. Ohne viel Schnickschnack. Bei dem Gedanken pressten sich seine Finger gegen das warme Holz, gegen das er lehnte. Als er plötzlich etwas an seiner Hand spürte, fuhr er erschrocken zusammen, ein kleiner Stich fuhr durch seine Fingerkuppe. „Autsch!“   „Tschuldigung, das wollte ich nicht“, sagte Genda besorgt und erst jetzt merkte Sakuma, dass es die Finger des Torhüters gewesen waren, die ihn berührt hatten – es hätte wohl romantisch sein sollen. Trotzdem hätte er sicherlich die Hand weggezogen, wenn er nun so darüber nachdachte. Und wieder sah er beschämt weg. „Nicht schlimm“, murmelte er und besah sich seinen Finger, schließlich war das eine Einladung, um Genda nicht ansehen zu müssen. „Ist nur ein Splitter.“   „Lass mich sehen“, forderte Genda auf sanfte, liebe Weise, doch Sakuma wollte nicht.   „Musst du nicht. Es ist wirklich nicht-“ Genda wollte. Bevor Sakuma überhaupt zu Ende sprechen konnte, griff sich der Torhüter mit seinen großen Pranken seine Hand und wollte sie nicht mehr hergeben. Mit den Daumen drückte er seine Hand so auseinander, dass er seine Finger gut betrachten konnte, fand den Splitter schließlich auch und befreite ihn von dem lästigen Ding. Konnte es noch peinlicher werden? Sakuma fühlte sich längst wie eine Tomate und hoffte inständig, dass sein Kopf nicht genau so aussah. „Danke...“, murmelte er irgendwie hervor, starrte förmlich auf seine Hand und traute seinen eigenen Augen nicht, als sich Gendas Gesicht in sein Blickfeld drängte. Das Gefühl von Gendas Lippen auf seiner Fingerkuppe war überraschend zart – so als würde es gar nicht wirklich passieren, kaum spürbar. Doch er sah genau, dass es passierte.   „Jetzt heilt es besser“, verkündete Genda leise, ein wenig rau in der Stimme und es klang fast so als würde sie auf halbem Wege versagen.   „Verstört nicht die Leute!“, tönte es angewidert aus gar nicht allzu weiter Ferne. Diese Stimme erkannte Sakuma aus tausenden... Er hätte gar nicht hinsehen müssen, tat es trotzdem. „Alter, dein Gesicht sieht so scheiße aus, Sakuma“, spöttelte Fudou und lachte.   „Dann guck halt weg!“, zeterte Sakuma zurück und entriss Genda seine Hand. „Hättest auch gar nicht herkommen müssen!“   „Glaub mir, ich hätte mir diesen Anblick auch unglaublich gerne erspart. Konnte ja nicht ahnen, dass der Kerl da seine Eier finden würde.“   „Du schuldest mir was“, merkte Genda Richtung Fudou an, doch der tat es nur mit einem Schulterzucken ab. „Wie sieht's aus? Wollen wir weitergehen?“ Sakuma nickte als Antwort. Es gab keinen Grund mehr an diesem verfluchten Ort zu bleiben und so ging er mit Genda weiter die Promenade entlang und Fudou beschloss dreisterweise ihnen zu folgen. Und trotzdem war Sakuma – so wütend er noch immer sein mochte – irgendwie froh darüber. In Fudous Nähe würde Genda nicht nochmal etwas probieren, das ihn aus der Bahn werfen könnte.   ***   Sie fanden Endou und Gouenji auf einer kleinen Wiese am Fluss, wo sie mit ein paar kleinen Kindern Fußball spielten. Natürlich. Es war Endou, da wunderte es Sakuma nicht, dass er es keinen Tag ohne einen Ball in der Hand aushalten würde. Dass sie keinen dabeihatten, lag auch nur daran, dass man mit einem Fußball eben nicht wandern ging. Zum Glück für den Torwart hatten die einheimischen Kinder – vielleicht machten sie auch nur Urlaub, Sakuma wusste es nicht – einen parat.   Irgendwann stieß Kidou ebenfalls zu ihnen und sie waren wieder vollzählig. Letztlich wurde es Zeit aufzubrechen und so stiegen sie auf ihre Fahrräder und radelten den Weg zurück zu ihrem Urlaubshäuschen. Sie hatten beschlossen dort zu essen, da sie noch so viele Vorräte hatten, die weg mussten. Später würden sie zum Feuerwerk wieder zurückkehren, weil der Anlegeort von Toyako Onsen einfach die beste Sicht darauf bot. Außerdem konnten sie es am Vortag schon von ihrem Haus aus bewundern. Sakuma war es egal, ob sie meinten, am Abend nochmal im Dunkeln hin- und zurückfahren zu wollen. Es spielte sowieso keine Rolle, von wo sie das Feuerwerk bewunderten. Allein, dass es ein Feuerwerk gab, reichte, um ihn in Angst und Schrecken zu versetzen. Am Vortag war er noch davongekommen, hatte sich an die Gruppe geklammert. So war es Genda nicht möglich gewesen, mit ihm allein zu sein. Allein der Gedanke machte ihm Angst. Er fürchtete, es könnte genauso enden wie an Umi no Hi. Schon damals hatte Genda versucht, ihn zu küssen und er hatte gerade noch seine Hände schützend vor seinem Mund verbarrikadieren können. Nach wie vor war Sakuma überfordert mit der Situation, er hatte sich in dem letzten Monat so viele Gedanken gemacht. Was wäre gewesen, wenn – so fingen all diese Gedanken an, die seinen Kopf in ein verrücktes Gebilde aus Fantasien verwandelt hatte. Er fürchtete sich nach wie vor vor dem Was.   Wie schon am Vorabend half Genda Gouenji beim Kochen, Fudou lag faul auf dem Sofa herum, Kidou las in einem Buch und Endou war Joggen – brauchte der wirklich nie eine Pause? Er selbst fühlte sich etwas nutzlos, wollte eigentlich nicht genau so faul auf dem Sofa herumsitzen und Fernsehen gucken, während sich Gouenji und Genda bemühten, ihnen etwas zu Kochen. Andererseits war der Platz an der Küchenzeile sehr begrenzt, wenn er nicht gerade vor dem Waschbecken stehen wollte. Das wäre genau so wenig hilfreich.   Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Fudou ihn dauernd anguckte... Als er den Blick wieder von Genda und Gouenji nahm und zu besagtem Kerl sah, fühlte er sich bestätigt. Wortlos guckte der ihn an, starrte. Was war jetzt wieder? Es versetzte Sakuma gleichzeitig in Verunsicherung – Vielleicht hatte er ja irgendwo was? - und nervte ihn ungemein. Wann würde Fudou endlich aufhören, ihn immer zu provozieren? Wenn er ihm Kidou überlassen würde? Nie im Leben.   „Der Fernseher ist da vorne“, merkte Sakuma an, riss sich zusammen. Natürlich brachte es nichts.   „Und?“   „Könntest du bitte dahin sehen?“   „Nö.“   Sakuma musste sich wirklich zusammenreißen, nicht wieder zu zanken. Er versuchte es wirklich, wusste ja, dass es den anderen auf die Nerven ging. Ihm ging es auch auf die Nerven. Der Einzige, der scheinbar Spaß daran hatte, war Fudou selbst – auch wenn er gerade nicht so aussah. Bevor die Situation also wieder einmal eskalierte, stand er auf und ging zum Flur, um in seine Schuhe zu schlüpfen. „Du weißt, was ich will, Sakuma. Hör endlich auf, dich quer zu stellen“, sagte Fudou ihm noch mit genervtem Ton nach, bevor er das Haus verließ. Ohne einen weiteren trotzigen Ton.   Wieder einmal zog es ihn nach draußen an den See, dessen Wasser so klar wie Glas war. Er konnte jeden einzelnen Stein am Grund sehen, jede einzelne Unterwasserpflanze. Sakuma schlüpfte aus Schuhen und Socken und krempelte sich die Hose bis über die Knie, stieg dann vorsichtig in das klare Nass. Es half ihm, sich wieder zu entspannen, allzu bald beruhigte er sich wieder.   Sakuma blieb noch am See, bis das Essen fertig war und er reingerufen wurde. Endou war längst zurück, hatte gebadet und so konnten sie ohne weitere Verzögerungen direkt essen. Mussten sie auch, wenn sie rechtzeitig zum Feuerwerk wieder in Toyako Onsen sein wollten.   ***   Als sie an der Promenade ankamen und die Fahrräder abstellten, waren schon viele Leute dort. Nur wenige Stellen an den Geländern zum See waren noch nicht besetzt, keine Bank war mehr frei. Es war schon dunkel und die wenigen Laternen erhellten den Weg einigermaßen gut. Wer konnte, hatte sich eine Decke mitgenommen, um auf den Grasflächen zu sitzen und das Feuerwerk von dort aus zu beobachten. Sie konnten offensichtlich nicht, keiner von ihnen hatte daran gedacht, eine Decke mitzunehmen. Auf ihre Jacken setzen war bei den Temperaturen nicht drin, denn obwohl es tagsüber noch warm gewesen war, war es nun so ohne Sonne ein wenig frisch geworden.   Sakuma machte es allerdings nichts aus, sich einen Platz hinter den Leuten am Geländer zu sichern, schließlich konnte man von da aus sicher besser schauen, als wenn allzu viele Personen und Köpfe im Blickfeld standen. „Nicht mehr lange, dann geht es los“, verkündete Kidou nach einem Blick auf sein Handy und als Sakuma selbst nach seinem kramen wollte, bemerkte er eine kleine Tüte in seiner Tasche. Da war ja noch was!   „Genda und ich hatten euch noch was mitgebracht“, erklärte Sakuma, als er die durchsichtige Tüte mit den Macarons aus der Tasche zog. „Irgendwie hab ich sie darin vergessen.“ Bei all dem Trubel mit Genda und Fudou war das aber auch kein Wunder. Und solange er sie noch gefunden hat, bevor sie wieder in Inazuma Town waren.   „Was ist das denn?“, fragte Endou irritiert. Hatte er wirklich noch nie ein Macaron gesehen oder probiert?   „Es ist ein kleines französisches Gebäck, das es in allen möglichen Geschmacksvariationen gibt“, erklärte Kidou und Endou schaute interessiert auf die Tüte. „Yuuka liebt sie, weil sie so bunt sind.“   „Kidou, für dich hab ich einen mit Cappucchino-Geschmack ausgesucht.“   „Danke, das ist eine gute Wahl.“   Sakuma lächelte, weil er Kidous Geschmack getroffen hatte und sah zu den anderen, nachdem er ihm besagten Macaron rausgefischt hatte. „Ansonsten haben wir noch Vanille, Erdbeere, Schokolade, Pistazie und Zitrone.“   „Keine Banane“, brummelte Fudou, während er die Macarons mehr desinteressiert begutachtete. Sakuma zuckte hilflos mit den Schultern. „Sie hatten nur diese Sorten...“ Fudou fischte sich wortlos scheinbar einfach irgendeinen raus, der sich als Pistazie herausstellte.   „Danke, Sakuma, Genda!“, sagte Endou mit breitem Grinsen, als er sich ebenfalls einen nahm und auch Gouenji nickte dankbar. Während der Stürmer sachte von seinem Macaron abbiss und es genoss, verschwand Endous mit einem Haps im Mund und ließ seine Gesichtszüge entgleisen. „Sauer!!!“   „Nun wissen wir alle, welches Macaron Endou hatte“, kam es von Kidou und alle lachten, nicht nur über den Spruch, sondern auch über Endous Reaktion. „Ich dachte, ich hätte Vanille genommen“, erklärte Endou verlegen grinsend, kratzte sich am Kopf. Nur Millisekunden später zerbarst die erste Rakete in roter Pracht über den Nakajima-Inseln.   „Es geht los!“, rief ein kleines Mädchen aufgeregt. „Mama, Papa, guckt!“   Während Sakuma dem Feuerwerk zuschaute, fischte er ein Macaron aus der Tüte und reichte es an Genda weiter, bevor er selbst seins aß. Feuerwerk und Macarons – eine gute Mischung, wie er fand. Das könnten sie ab jetzt gerne öfter so machen. Er genoss den Moment in vollen Zügen. Solange er hier bei den anderen bleiben würde, gäbe es auch nichts zu befürchten.   „Das Feuerwerk ist toll!“, sprach Endou begeistert, während eine Rakete nach der anderen explodierte und ein buntes Bild an den Nachthimmel zauberte. „Ja“, stimmte Gouenji ihm mit einem Lächeln zu.   „Es ist sogar noch besser, wenn man es mit seinen Freunden ansieht“, schwärmte Endou. „Lasst uns noch viele Feuerwerke gemeinsam anschauen!“   Gouenji und Kidou sahen zu dem Torwart und nickten ihm mit einem Lächeln zu, als würden sie sich ewige Freundschaft schwören. Und so kitschig es klang, Sakuma glaubte ihnen das sogar sofort. Er hatte gesehen, wie Gouenji und Endou Kidou verändert hatten. Hatte gesehen, wie anhänglich er mittlerweile war, wenn es um die zwei ging. Es tat ein bisschen weh, das zuzugeben, aber nach all den Jahren würden er und Genda vermutlich nie so wichtig für ihn sein, wie es die zwei nun waren. Wehmütig wendete er den Blick von den dreien ab, sah wieder hoch zu den bunten Feuerkwerksblumen, stockte, als ihn eine Hand an der Brust nach hinten stolpern ließ. Sein Mund wurde zugedrückt und jegliches überraschtes Geräusch ging unter dem Lärm zerberstender Raketen unter. Mit geweiteten Augen sah er nach hinten zu der großen Gestalt, stolperte herum und fand sich zwischen zwei starken Armen wieder. Er konnte nur Umrisse sehen aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse, doch die Haare, die Statur, der Geruch. Sakuma wusste, dass er sich in den Klauen eines Raubtiers befand – Entkommen ausgeschlossen. Er schluckte, krallte sich in Gendas Hoodie, während dessen Hand zärtlich über seine Wange strich. Auch wenn er sein Gesicht nahezu gar nicht erkennen konnte, wusste er, dass Genda ihn ansah. Sein Daumen strich über seine Lippen, als müsste er sie im Dunkeln erst einmal ausfindig machen. Sakuma begann zu zittern.   Er spürte Gendas Lippen zärtlich auf seinen – viel liebevoller und zurückhaltender als Sakuma das von seinem ersten Kuss kannte. Traurig, dass er den schon verloren hatte... Sein Krallen wurde fester, während sich sein Herzschlag beschleunigte und sich der Geschmack von Schokolade mit jedem weiteren langsamen Kuss an seinem Mund ausbreitete. Er konnte nicht mehr davonrennen, dafür sorgte Genda, würde auch weiterhin dafür sorgen nach diesem Kuss. Sakuma wehrte sich nicht. Küsste zurück, erst noch vorsichtig, kaum spürbar, bis er sich vollends fallen ließ. Angespannt war er immer noch, doch seine Finger konnte er aus dem dicken Baumwollstoff lösen. Seine Hände fanden einen neuen Platz in Gendas Nacken, wo sich eine Hand in dessen Haaren vergrub.   Die Sorge, die ihn all die Zeit zurückgehalten hatte, war vorerst vergessen. Wenn er mit Genda zusammen wäre, hätte er kein Recht mehr Fudou von Kidou fern zu halten. Er würde einen anderen Weg finden, um seinen Freund vor Fudous Griffeln zu bewahren.   In diesem Moment zählten nur der Geschmack von Erdbeerschokolade und ein Paar starker Arme, das ihn immer auffangen würde, egal was käme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)