Liebe ist nur der Anfang vom Chaos von Aphrodi ================================================================================ Smart Love ---------- Es war noch früh am Morgen, als Kidou aus seinem Zimmer kam. Stille beherrschte das Haus, beim Vorbeigehen sah er, dass im zweiten Zimmer im Untergeschoss noch alles dunkel war und die Gardinen zugezogen. Als er die Treppe hinaufstieg, bemerkte er allerdings den Geruch von Essen – nicht so gut wie der, der ihn oft bei ihm Zuhause begrüßte, aber dennoch wohlriechend. Da war scheinbar noch ein ganz bestimmter Jemand wach.   „Guten Morgen, Gouenji“, sagte er, noch bevor er überhaupt um die Ecke zur Küchenzeile geblickt hatte. „Guten Morgen“, bekam er als Antwort zurück, offensichtlich ein Lächeln auf Gouenjis Gesicht dabei, so wie seine Worte gesprochen waren. Manchmal war es ein wenig erschreckend, wie gut er den Stürmer mittlerweile kannte. Sie mussten nicht mal sprechen, selbst dann verstanden sie sich. Da genügte ein Blick. „Endou schläft noch, hm?“, bemerkte Kidou und ließ seinen Blick zu der geschlossenen Tür des Tatami-Zimmers schweifen. „Und die drei... hatten sicher eine harte Nacht.“ Natürlich nutzten sie nun noch die Morgenstunden, um noch irgendwie genug Erholung zu bekommen.   „Das vermute ich auch“, bestätigte Gouenji, während er mit einem Paar Kochstäbchen in der Pfanne herumwühlte. „Wecken wir sie einfach, wenn das Frühstück fertig ist.“   „Ja...“   Zuerst einmal begab sich Kidou ins Bad. Gouenji war längst fertig gestylt und dem wollte Kidou in nichts nachstehen. Nicht, weil er unbedingt auch so cool aussehen wollte oder eitel war. Es war nur merkwürdig, ungewaschen und im Schlafanzug bei einer Person zu sein, die schon angezogen und wohlduftend war. Kidou brauchte morgens auch nicht lange – wie gesagt, er war nicht eitel. Er pflegte nur einen ordentlichen Standard. Als er wieder zurück bei Gouenji war, hatte sich nichts verändert, außer die Zahl der Frikadellen in den Bentos. „Du gibst dir ja richtig viel Mühe mit uns“, stellte Kidou fest und lächelte. Schließlich kochte er nicht nur für sie, machte ihnen Abendessen, Frühstück, sondern auch ein Mittagessen für unterwegs. „Und die hier gehört Endou, nehme ich an?“ Es war nicht zu übersehen, fand er, so prall gefüllt wie sie war. Von allem gab es eine Extraportion. Gouenji lächelte lässig und wortlos, aber das reichte Kidou schon als Bestätigung. Er schaute dem Stürmer über die Schulter und musste gestehen, dass es jetzt gerne schon ein wenig probiert hätte. Der Anblick machte eben Hunger. „Du verwöhnst ihn zu doll.“   „Ist da jemand neidisch?“, fragte Gouenji ein wenig amüsiert, den Kopf zu ihm drehend. „Futterneid hätte ich dir gar nicht zugetraut.“   „Das ist auch kein Futterneid. So einen großen Appetit wie Endou habe ich gar nicht. Es würde nur liegen bleiben. Oder Fudou würde es sich einfach nehmen.“   „So?“   Kidou stupste Gouenji mit der Schulter an. „Nun grins nicht so.“   „Ich grins doch gar nicht.“   „Tust du.“ Kidou nahm sich eine der Frikadellen aus Endous Bento, schließlich waren dort mehr als genug drin, dann schlenderte er damit zum Tisch, auf dem er gestern noch seinen Planer hatte liegen lassen. Er musste sich nicht mal umdrehen, um zu wissen, dass die fehlende Frikadelle schnell ersetzt war. Gouenji war hoffnungslos in der Hinsicht. Nicht so hoffnungslos wie Genda allerdings. Noch einmal ging er die Tagesplanung durch, die er fein säuberlich in seinem Planer notiert hatte. Es war Yama no Hi und so würden sie einen der umliegenden Berge erklimmen. Vor der Reise hatte er sich natürlich schon angeschaut, was für Möglichkeiten sie hatten und was für sie überhaupt geeignet wäre. In der Gegend gab es viele Wanderrouten – natürlich, wo es viele Berge gab -, doch für sie als unerfahrene Wanderanfänger kam keine lange, schwierige Tour in Frage. Wenn sie den Vulkan Usu hätten besteigen wollen, müssten sie 3 Stunden einplanen, um nach oben zu kommen. Andererseits könnten sie auch einfach mit der Seilbahn fahren, doch irgendwie war das nicht ganz dasselbe. Es gab jedoch auch eine kleinere Route, die gar nicht bis zum Gipfel des Usu ging. Sie führte über die zwei kleineren Berge am Fuße des Vulkans Usu und war perfekt ausgeschildert. So war es unmöglich, vom Weg abzukommen und es würde als anstrengender Trip in die Berge reichen. Außerdem gab es auch dort schon einen schönen Ausblick über den See und das ganze Tal um sie herum, sowie ein paar Gedenkstätten, wenn man sie so nennen wollte.   Kidou bemerkte eine Regung von Gouenji, hob den Kopf von seinen Notizen und sah ihm nach, wie er die Treppe herunterging. Offenbar würde er nun Endou wecken, da das Frühstück und die Bentoboxen bereits fertig waren. Wenn dem so war, wäre es ebenfalls an der Zeit, seine Teikoku-Jungs zum Aufstehen zu bewegen. Ruhig erhob er sich von seinem Stuhl und trat zur Schiebetür, die er sachte öffnete. Das Bild, das sich ihm bot, ließ ihn die Augenbrauen hochziehen. Auf den teils zerwühlten Futons lagen Fudou und Sakuma getrennt voneinander durch eine große Festung namens Genda. Eine große, einnehmende Festung, die die Arme um Sakuma geschlungen hatte – und der ließ es offenbar zu, schlief völlig seelenruhig. Wortlos schlüpfte Kidou aus den Hausschuhen, betrat das Tatami-Zimmer und zog die Vorhänge auf. Das dadurch plötzlich einfallende Licht blendete genug, um zumindest Fudou und Genda wach zu bekommen. „Frühstück ist fertig“, verkündete Kidou wortkarg, mehr gab es streng genommen auch gar nicht zu sagen. Sein Blick fiel nochmal auf Genda und Sakuma, so als wäre es ein Autounfall. Genda sah glücklich aus, als er milde lächelnd von Sakuma abließ, ihn nochmal einen Moment lang betrachtete, um ihn schließlich aus seinem Schlaf zu holen. Er war nicht eifersüchtig – absolut nicht. Es war einfach nur ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick. Obendrauf traute er dem Frieden nicht.   Als Kidou wieder heraustrat, kam Fudou ihm nach, um im Bad zu verschwinden. Gouenji war noch nicht wieder zurück – musste ja ein schwieriger Fall sein, da unten. Da er nichts mit sich anzufangen wusste, setzte er sich aufs Sofa und schaltete im Fernseher herum. Um diese Uhrzeit liefen gerade die Morgennachrichten. Zwischendrin verkündete eine hübsche Wetterfee, dass sie mit milden Temperaturen und viel Sonne zu rechnen hatten – das perfekte Wetter für einen Ausflug also. Er hoffte nur, dass die Sonne das offene Berggelände nicht zu sehr aufheizte, schließlich bot sich laut den Bildern, die er zuvor im Internet betrachtet hatte, eigentlich kein Schutz vor Sonne auf ihrem Pfad. Die meisten der wenigen Bäume waren tot. Ein Sunblocker würde also nicht schaden.   Nach einer Weile kam Gouenji auch wieder hoch, Endou im Schlepptau, dem zwar noch ein wenig seine Müdigkeit anzusehen war, doch ansonsten war er heiter wie immer. „Guten Morgen!“, sagte er energischer als jeder andere früh am Morgen und direkt nach dem Aufstehen wohl wäre, ging dann rüber zur Küchenzeile. „Du hast nicht zu viel versprochen, Gouenji!“ Kidou hörte förmlich die Sternchen in seinen Augen. Ja, es sah lecker aus und genau wie der Torhüter konnte er langsam kaum noch warten.   „Endou!“, mahnte Gouenji ihn amüsiert, sicherlich, weil er sich schon daran vergreifen wollte. Da hatte er wohl Glück, dass er den Stürmer vorhin sprachlos mit seinem Frikadellenklau gemacht hatte. „Sobald Sakuma aus dem Bad zurück ist, kannst du, Endou.“ Wie lange das dauern würde, war allerdings fraglich – sie sprachen von Sakuma. Genda hatte es in der Zeit längst geschafft, den Tisch für sie zu decken, seitdem das Bad von Sakuma blockiert wurde.   „Das dauert ewig. Bis der fertig ist, sind wir alle verhungert“, merkte Fudou genervt an, nahm den Blick dabei zuerst nicht von seinem Handy. Mit einem angesäuerten Geräusch ließ er es schließlich auf das Sofa fallen und stand auf, um zum Bad herüber zu gehen. Natürlich riss er einfach die Tür auf und trat ein, Sakuma fing an zu zetern. Alles wie immer. „Jetzt beweg deinen Arsch an den Tisch!“ Sakuma wurde mit dürftiger Gegenwehr grob aus dem Bad gezogen, sein Gesicht glänzte noch von der Creme, die er frisch aufgetragen hatte, die Haare wurden mit einem Stoffband aus dem Gesicht gehalten. „Fudou, das tut weh!“   „Das ist noch gar nichts gegen den Schmerz, den du demnächst noch spüren wirst.“   Trotz Radau fanden sie schließlich alle an den Tisch und frühstückten. Die Energie würden sie für den langen Wanderweg auch brauchen. Und außerdem mussten sie überhaupt erst mit dem Fahrrad nach Toyako fahren, wo die Wanderroute startete.   ***   „Die sieht aus, wie von Gouenjis Schwester gezeichnet“, amüsierte sich Endou über die Karte, die sie an dem kleinen Häuschen zu Beginn der Route bekommen hatte. Sie war offenbar mit Buntstiften gezeichnet worden und auch die Häuser und Tiere sahen nach Kindergarten aus. Kidou störte sich daran allerdings nicht, solange sie genau genug war, um ihr zu folgen. Laut dem alten Mann in dem Infohäuschen lohne sich ein kleiner Abstecher zu den verlassenen Gebäuderuinen, auch wenn sie nicht auf der Route lagen. Ansonsten waren die wichtigsten Punkte mit T-1 bis T-10 markiert, damit man immer sicher gehen konnte, noch auf dem Weg zu sein.   „Ihr wollt doch nicht wirklich zu diesen kaputten Gebäuden gehen oder?“, fragte Sakuma, worauf Fudou gleich anspringen musste.   „Hast du etwa Schiss? Da werden schon keine Seelen von Verstorbenen herumspuken.“   „Hab ich nicht! Ist nur irgendwie...merkwürdig, findet ihr nicht?“ Bei seinen Worten wurde Sakuma auffällig kleinlaut und Kidou hatte das Gefühl, dass er sich doch davor fürchtete. Sein Blick ging in die Ferne, in der man am Ende der gepflasterten Straße schon die Gebäude sehen konnte – oder das, was von ihnen übrig war.   „Ich finde, wir sollten gehen“, begann Kidou und alle Augenpaare richteten sich auf ihn. „Betrachten wir es nicht als schaulustiges Treiben sondern als Zollen von Respekt den Menschen gegenüber, die hier ihre Existenz verloren haben. Es ist irgendwo auch eine Gedenkstätte.“   Gouenji und Genda nickten ihm zu. Fudou sah aus, als wäre ihm sowieso alles egal und Sakuma schien nach wie vor nicht so begeistert von der Idee. Genda legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah mit überraschtem Gesicht, wie Endou dasselbe tat. „Deine Freunde sind bei dir, Sakuma. Kidou hat Recht, wir sollten etwas Respekt zeigen. Selbst, wenn es keine große Hilfe ist, denke ich, dass die Leute, deren Wohnungen dort lagen, dankbar über Mitgefühl sind.“   Nicht, dass sie es überhaupt mitbekämen, dachte sich Kidou und Fudou war anzusehen, dass er genau dasselbe dachte. Aber das war Endous Sicht der Welt. Gefühle erreichten jede, egal an welchem Ort. Kidou fand, dass das bei aller Naivität eine schöne Vorstellung war.   So brachen sie also auf und folgten der Straße zu den verlassenen Gebäuden – einem ehemaligen Spa-Hotel und einem Apartmentkomplex. Je näher sie kamen, desto mehr konnte man die Zerstörung erkennen. Gerade das Hotel war schon mehr Ruine als noch Gebäude, das Apartmentgebäude war dagegen noch mehr in Schuss, wenn man das so sagen konnte. Scheiben waren zerborsten, aber nicht alle. Ein paar wenige Balkongitter waren kaputt. Besonders skurril war allerdings die Tatsache, dass die untersten Etagen einfach im Boden versunken waren. Das Apartmentgebäude durfte zwar nicht betreten werden, doch in dem nun wie das Erdgeschoss wirkenden Stockwerk konnte man von außen genug Chaos sehen. Ein einziger, riesiger Haufen aus verdreckten Möbeln und Zerstörung. Im Hotel dagegen befand sich kaum noch etwas. Lediglich das oberste Stockwerk ragte aus der Erde heraus und ließ es aussehen wie einen Bungalow – eher noch wie einen Pavillon, wo die meisten der großen Fensterscheiben fehlten.   Sakuma war nach wie vor extrem still, überhaupt waren sie alle ruhiger geworden, sogar Endou schaute ernst drein bei ihrer Begehung. Niemandem schien wirklich nach reden zumute, es herrschte eine ernste, bedrückte Stimmung. An einer Tafel blieben sie schließlich stehen. „Diese Gebäude sind Überbleibsel des Vulkanausbruchs von 2000. Dank der frühen Erkennung der Situation gab es keine Menschenleben zu beklagen“, erklärte Kidou und Sakuma sah für den Moment ein wenig erleichtert aus.   „Die Natur ist faszinierend, aber sogleich auch respekteinflößend. Der Mensch ist machtlos dagegen.“   „Ja.“   Immer noch in sich gekehrt und andächtig gingen sie wieder zurück, vorbei an dem Überrest einer Brücke, die bei dem Vulkanausbruch davongetragen wurde und nun mitten auf einem grün bewachsenen Abhang aus dem Boden ragte. Angekommen an ihrem Ausgangspunkt dem kleinen Häuschen, begann ihre Erklimmung der bei vorherigen Ausbrüchen entstandenen Berge Konpira und Nishiyama. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)