Et je ne peux pas m'empêcher de tomber amoureuse de toi von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 3: Musiciens -------------------- Chris genoss das Konzert. Es gab mehrere Stücke, die er kannte. Viele Eisläufer wählten klassische Stücke für ihr Programm. Einige Lieder, wie zum Beispiel das von Viktors Kür vor zwei Jahren, wurden zudem von Absolventen der École Normale de Musique de Paris komponiert. Die erste Hälfte des Konzerts war vorbei, und obwohl Chris bei einigen Liedern schnell eine Choreografie in den Sinn kam, so hatte er noch immer nicht den Grund entdeckt, weshalb Viktor ihn hierher eingeladen hatte. Viktor hatte ihm trotz aller aufgebrachten Überzeugungskünste nicht verraten wollen, weshalb er seinen Geburtstag hier verbringen sollte. Ein junger Mann, der Chris merkwürdigerweise bekannt vorkam, betrat die Bühne. Verwundert beugte er sich nach vorne. „Le prochain candidat présentera une partie de Wanderer Fantasy on the piano de Franz Schubert. Mesdames et messieurs, Nicolas Chevalier!“ Höflicher Applaus ertönte, Nicolas verbeugte sich und nahm dann auf dem Klavierhocker Platz. Fassungslos starrte Chris auf den jungen Mann, dessen Finger nun im schnellen Tempo über die ersten Tasten huschten. Das war Nicolas. Das Handy in seiner Hosentasche fühlte sich auf einmal um ein tausendfaches schwerer an. Ob Viktor davon gewusst hatte? Natürlich hatte er davon gewusst, sonst hätte er ihm niemals das hier alles spendiert. Und das nur, damit er Nicolas kennenlernte. Chris merkte, dass dies ein anspruchsvolles Stück war, Nicolas blickte mit gerunzelter Stirn auf die Noten vor sich und an einer Stelle seufzte seine Banknachbarin mit einem „Oh, quel dommage!“ kurz auf und auch die Person schräg vor ihm schüttelte besorgt den Kopf und beugte sich dann zu seinem Banknachbar. Chris konnte nicht verstehen, was die beiden sich leise zuflüsterten und widmete sich stattdessen wieder Nicolas, dessen Finger nun langsamer über das Klavier huschten. Hatte er einen Fehler gemacht? Für Chris hatte sich alles richtig angehört, aber er hatte auch null Ahnung. Vielleicht war es ja nicht so schlimm gewesen und die Prüfer würden ein Auge zudrücken. Chris wusste, dass sein Gedanke Schwachsinn war. Wenn die Prüfer nur halb so streng waren, wie die Jury beim Eiskunstlauf, dann … Hoffentlich würde es trotzdem für eine gute Benotung reichen. Chris wünschte sich nun, dass er irgendeine Möglichkeit hätte, mit Nicolas in Kontakt zu treten. Andererseits … er hatte sich seit zweieinhalb Monaten nicht gemeldet. Würde es nicht unheimlich wirken, wenn er auf einmal hier auftauchte? Und vielleicht hatte Nicolas ihn auch schon wieder vergessen. Oder er hatte inzwischen jemanden gefunden. Und doch wollte Chris mit jedem neuen Ton Nicolas umso dringender kennenlernen. Wie wunderbar er doch spielte und welch lieblichen Klang er dem Klavier entlockte. Bisher hatte ihm jedes Stück gefallen, aber Nicolas war für ihn der Höhepunkt des Abends. Das Stück endete und Nicolas verbeugte sich vor dem applaudierenden Publikum, ehe er die Bühne wieder verließ. Chris blickte ihm nachdenklich nach. Er hatte enttäuscht gewirkt. Der Fehler machte ihm zu schaffen. Der Rest des Abends zog an Chris vorbei und schließlich war das Konzert zu Ende. Während alle anderen zu den Ausgängen eilten, blieb Chris sitzen. Er war kein Freund davon, sich in die Menge zu stürzen, die nun nach draußen wollte. Erst als die Sitze so gut wie leer waren, stand auch er auf und machte sich auf den Weg nach draußen. Vor dem Theater zückte er sein Smartphone. Kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Aber ehrlich gesagt war Chris es vollkommen egal, dass Viktor wahrscheinlich schon schlief und so entsperrte er das Display und drückte auf das grüne Hörersymbol neben Viktors Name. Es klingelte achtmal, ehe Viktor ans Telefon ging und sich mit einem Brummen meldete. „Du wusstest, dass Nicolas hier sein würde. Hast du ihn etwa gestalkt? Viktor, ich steig in den nächsten Flieger nach Russland und erwürg dich, wenn du dich in meine Beziehungen einmischst!“, fiel Chris gleich mit der Tür ins Haus. „Hmm… habsch nich…“, murmelte Viktor schlaftrunken. „Viel zu spät. Ruf morgen wieder an, Chris.“ „Ich werde definitiv nicht bis morgen warten. Sag mir, woher du wusstest, dass Nicolas hier sein würde?“ „Warte kurz…“ kam nur als Antwort. Dann war im Hintergrund ein Rauschen zu hören und Schritte auf Parkettboden. Das Rauschen von Wasser und Makkachins Bellen im Hintergrund. Chris lehnte gegen die Mauer und starrte in die Pariser Nacht hinein. Es war kühl und eigentlich wollte er so schnell wie möglich zurück in die Wärme seines Hotelzimmers. Aber ein kleiner Teil seines Ichs hielt ihn zurück. Was, wenn Nicolas vorbeikam? Für die Länge des Gesprächs würde Chris hierbleiben. Mehr nicht. „So. Bist du noch da?“, ertönte schließlich Viktors Stimme an seinem Ohr. „Natürlich“, antwortete Chris knapp. „Viktor, woher hast du das gewusst?“ „Ich war auf der Suche nach jemandem, der mir ein Stück für die nächste Saison komponiert. Und da ich vor zwei Jahren schon mal mit jemandem von dort gearbeitet hatte, habe ich mir gedacht, dass ich es auch ein zweites Mal probieren kann. Auf deren Website bin ich dann auf ein Foto von ihm gestoßen. Es stand dabei, dass er dieses Jahr am Concours Supérieur de Concertiste teilnehmen würde. Und ich wusste auch, dass du bisher zu feige warst, Nicolas anzuschreiben. Deshalb habe ich dir die Karten, das Hotel und den Flug spendiert.“ Chris brauchte einige Sekunden, ehe er wusste, was er sagen wollte. „Und wenn es einen Grund gab, weshalb ich ihn nicht angeschrieben habe? Das ist jetzt schon über zwei Monate her, vielleicht hat er schon jemand anderen gefunden? Außerdem weißt du doch noch nicht einmal, ob er mich überhaupt geliket hat. Vielleicht hat er mein Profil gesehen und nach links gewischt, weil ich einfach nicht sein Typ bin“, redete sich Chris in Rage. Er war wütend auf Viktor. Bester Freund hin und her, er hatte kein Recht sich einzumischen. „Chris, beruhig dich. Selbst wenn das mit Nicolas nicht klappen sollte, du kannst immer noch deinen Urlaub genießen. Und außerdem muss man auch einmal etwas riskieren für sein eigenes Glück.” „Ich weiß doch noch nicht einmal, ob ich ihn überhaupt kennenlernen will. Und dann tauche ich ausgerechnet bei diesem Konzert auf, was soll er da von mir denken?” „Dass es dir leidtut, dass du dich nicht gemeldet hast und es so wiedergutmachen willst?” „Nur weil du um den halben Globus fliegen würdest, um deine große Liebe zu finden, heißt das noch lange nicht, dass ich das auch tun würde.” „Für mich gibt es so etwas wie die große Liebe nicht”, erklärte Viktor nach mehreren Sekunden ausdruckslos. „Aber das heißt nicht, dass ich meinem besten Freund nicht dabei helfen kann, seine zu finden.” „Aber ich…” „Kein aber”, unterbrach Viktor ihn. „Ich habe es dir schon letztes Mal gesagt. Vergiss Oliver endlich. Schau nach vorne.” „Und wenn mir wieder das Herz gebrochen wird?”, sprach Chris das aus, wovor er sich am meisten fürchtete. „Das kannst du nicht wissen, Chris. Aber findest du nicht, dass du Nicolas wenigstens eine Chance geben solltest?” Viktor hatte ja recht. Er blickte die Straße entlang. Die Gegend war ruhig, nur vereinzelt fuhren Autos vorbei. Glücklicherweise lag das Hotel ganz in der Nähe und er konnte es auch zu Fuß erreichen. Ein Taxi zu bestellen würde für ihn nicht so einfach werden. „Ich bin trotzdem sauer auf dich”, erklärte er schließlich. „Meinetwegen. Ich zwinge dich nicht, Nicolas anzusprechen. Du kannst auch einfach nur deinen Urlaub genießen.” Chris seufzte zögernd. „Angenommen, ich würde ihn ansprechen, wie sollen wir uns unterhalten? Du weißt, dass mein Französisch dermaßen schlecht ist?” Stille. Erst nach mehreren Minuten kam ein leises “Oh!”, von Viktor. Er hatte es also vergessen. Wie dieser Typ sich seine Choreografien merken konnte, wo er doch schon oft genug seinen Wohnungsschlüssel zuhause liegen ließ, war dem Schweizer ein Rätsel. „Das trifft es wohl genau auf den Punkt!” Chris war in den Alpen, nahe der italienischen Grenze aufgewachsen. Dank seiner Eltern sprach er fließend Deutsch und Italienisch, Englisch hatte er in der Schule gelernt. Französisch war jedoch nie seine Stärke gewesen. Die Sprache war ihm immer schon schwergefallen. Wenn er in Frankreich war, dann überließ er meistens seinem Coach das Reden oder kämpfte sich mit Englisch durch. “Dann unterhaltet ihr euch einfach auf Englisch. Ist doch nichts dabei.“, lachte Viktor und im Hintergrund bellte Makkachin laut, so als wolle sie ihrem Herrchen zustimmen. Hinter ihm im Gebäude gingen die Lichter aus. Wahrscheinlich waren die Schüler und Schülerinnen schon nach Hause gegangen. Nicolas zu treffen wurde mit jeder Sekunde unwahrscheinlicher. Er sollte einfach nach Hause gehen. Immerhin war es kalt und wenn er mit einer Grippe oder Schlimmerem zurückkommen würde, würde Josef ihm die Hölle heiß machen. „Es ist spät“, meinte er schließlich. „Du hast morgen bestimmt Training, du solltest dich ausruhen.“ „Du hast mich angerufen“, erinnerte Viktor, ohne das ein Vorwurf in seiner Stimme mitschwang. „Was wirst du wegen Nicolas machen?“ „Ich weiß es nicht, Viktor. Es ist zu spät, ich friere mir den Arsch hier draußen ab. Vielleicht fällt mir morgen etwas ein. Immerhin hast du mir ja eine ganze Woche in Paris spendiert.“ „Stimmt, habe ich.“ Chris kannte Viktor gut genug, um zu wissen, dass dieser nun vor sich hin grinste. „Also verhau die Sache nicht. Noch einmal werde ich dir nicht helfen.“ „Ich weiß. Danke!“ Er beendete das Gespräch und schob das Smartphone zurück in seine Hosentasche. Ohne sich umzudrehen, ging er schnellen Schrittes die Straße entlang in Richtung Hotel. Verdammt, er wollte so schnell wie nur möglich zurück ins Warme. Hätte er sich umgedreht, dann hätte er den jungen Mann bemerkt, der nur wenige Sekunden später aus dem Gebäude trat. Nicolas war wütend auf sich selbst. Er hatte das Stück nun schon so oft gespielt und doch war er für kurze Zeit aus dem Takt gekommen. Madeleine hatte ihm versichert, dass dieser Fehler bestimmt nicht gravierend sein würde, doch Nicolas wusste, dass sie das nur sagte, um ihn aufzumuntern. Nachdenklich blickte er die Straße hinunter. Der Gehweg war leer, nur ein Mann spazierte schnellen Schrittes durch die Gegend. Im Licht der Straßenlaterne konnte Nicolas erkennen, dass dieser Mann blondes Haar und einen Undercut hatte. Er blickte ihm noch kurz hinterher – irgendwie kam ihm der Fremde bekannt vor – und drehte sich dann in entgegengesetzte Richtung und ging zügig die Straße hinauf zurück nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)