Broken Wings von Disqua ================================================================================ Kapitel 41: Wer bin ich? ------------------------ Eigentlich wollte sich Grid direkt auf den Weg zu Luzifer machen, doch irgendwie befand er seine Information nicht für wichtig genug. Eigentlich war sein Gespräch ein kompletter Reinfall und Gabriel hatte wirklich keine Ahnung davon, was hier vor sich ging. Nicht jetzt und schon gar nicht damals. Ein weiterer Engel, der einfach nur sein Ding gemacht hatte und sich für nichts anderes interessierte, als für sich selbst.  An sich spannend, da in seinen Augen Engel sich immer in alles einmischten und am liebsten in Dinge, die sie nichts angingen. Doch Gabriel war nicht so, den interessierte nichts ausser sich selbst, allerdings nicht in einem Ausmass wie es bei Michael der Fall war. Dieser mischte sich offensichtlich in Angelegenheiten ein, die ihn nicht betrafen und auch nicht im Geringsten positiv. Der Himmel verwirrte ihn, hauptsächlich die Bewohner. Sie waren nicht, wie er sich die vorgestellt hatte, keiner von ihnen.  Er hatte zwar noch nicht mit jedem einzeln gesprochen, aber alleine die Erzählungen ergaben ein ziemlich anderes Bild und irgendwie hatte er selbst das Gefühl, sie anders zu kennen.  Und dieses Gefühl wurde er einfach nicht los, im Gegenteil. Mit jedem weiteren Tag verstärkte es sich und langsam fing er Bager an zu glauben. Er war schon einmal hier, nicht als Gast, sondern als Bewohner. Nur wieso erinnerte er sich nicht daran? Zumal es schon ziemlich abwegig war, den Himmel zu verlassen, um eine Todsünde zu werden, doch selbst daran konnte er sich nicht erinnern. Er wusste nicht, wie er dazu geworden war, nur dass es auf einmal so war. Die Tatsache machte ihn beinahe ein wenig wütend. Er hatte es nie hinterfragt und war stolz darauf, ein General zu sein, mehr Macht zu haben als andere und nach mehr zu streben, doch gerade widerte ihn genau dieser Gedanke einfach nur an.  Was ihn zu einer weiteren Frage führte. Wieso? Es entsprach doch seinem Wesen, genau so zu sein. Immer mehr zu wollen, zu wollen, was andere haben, doch seit er hier war, hatte er absolut keinen Drang dazu. Es war ihm egal, was andere erreichten, solange er seinen Teil dazu beitrug. Er brauchte nicht mehr Informationen sammeln als Tsorn oder Bager, es reichte ihm, ihnen zu helfen.  So war er nicht. Bisher zumindest.  Nur wieso verliess er damals den Himmel, sollte er wirklich hier gelebt haben? Was hatte ihn dazu verleitet? Luzifer? Grid schüttelte den Kopf. Er war sich ziemlich sicher, dass er vor ihm in der Unterwelt war, also konnte es nicht der gefallene Erzengel gewesen sein, aber was dann? Sein Kopf schwirrte ein wenig vor lauter Gedanken und Grid beschloss, eine Runde im Freien zu drehen. Vermutlich setzte ihm die Luft in den Gemäuern langsam zu und es war nicht verwunderlich, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.  Draussen angekommen, atmete er mehrfach tief ein und aus. Ihm fiel erst jetzt auf, dass er noch nicht oft draussen war, ausser um Tsorn oder Gadles zu suchen. Deswegen beschloss er nun, sich ein wenig umzusehen. Die Spuren der Schlacht waren grösstenteils beseitigt und in ihm stieg immer wieder das Gefühl der Vertrautheit hoch. Er kannte diese Orte, da war er sich mit jedem weiteren Schritt, den er ging, sicher. Je weiter er sich vom Palast Gottes entfernte, umso vertrauter kam ihm alles vor. Die Verwirrung stieg umso weiter. Sollte er hier gelebt haben, war er wohl nicht oft im Palast, zumindest nicht in dem Gottes.  Sein Weg führte ihn nach Norden und langsam veränderte sich die Landschaft. Das normalerweise wohl eher mit Pflanzen bewachsene Gebiet um Gottes Palast wurde langsam ein wenig wässriger. Das Sprudeln von Wasser war zu vernehmen und je tiefer er vordrang, umso mehr Wasser umgab ihn. Er kannte diesen Ort. Grid versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen und seine Beine führten ihn an eine Stelle, die ihm unmissverständlich bekannt vorkam. Eine kleine Insel inmitten eines grossen Sees. Nur durch einen langen Steg oder Flügeln erreichbar.  Der Palast Gabriels… Wieso kam ihm ausgerechnet dieser Palast so bekannt vor?  Seine Gedanken flogen wild durcheinander. Nicht nur, dass ihm dieser Palast bekannt vorkam, nein, es passte zeitlich alles nicht zusammen. War Gabriel ein Erzengel, bevor Luzifer einer wurde? Sonst könnte er sich an diesen Palast nicht erinnern.  Seine Beine trugen ihn wie von selbst in die Gemäuer, welche nicht weniger beeindruckend waren, als die im Gottespalast. Vor einer unscheinbaren Kammer blieb er stehen und öffnete diese.   «Wir haben uns doch langsam aber sicher genug versteckt, oder etwa nicht, Gabriel?» Angesprochener schüttelte den Kopf. "Psst sei leise, Toyve!» «Du bekommst nur noch mehr Ärger, wenn wir zusammen erwischt werden», flüsterte dieser leise und bekam von Gabriel den Mund zugehalten. «Ich habe keine Lust auf Lernen, sobald wir alles wissen, was wir wissen müssen, werden wir unseren Stellen zugeteilt und können nicht mehr spielen, wie wir wollen.» «Du willst dich auf ewig hier verstecken? Metatron wird uns finden und bestimmt mir die Schuld geben. Ausserdem weisst du doch sowieso, auf welchen Posten du später kommen wirst. Deine Gabe ist ziemlich einmalig.» «Ich bin kein Hellseher, Toyve», korrigierte Gabriel seinen Gefährten und seufzte leise auf.  «Ich habe lediglich Visionen von Ereignissen, die eintreffen könnten, um den Menschen oder wem auch immer eine Wahl aufzuzeigen, das bedeutet…» «Das bedeutet, wenn du sie nicht trainierst, die Fähigkeit verloren geht und du keine Chance auf einen der Posten der Generäle hast, mein Lieber.» Gabriel und Toyve zuckten augenblicklich zusammen, als sie die strenge Stimme Metatrons vernahmen.  «Und ich verstehe nicht, wieso du dich immer von ihm mitreissen lässt,Toyve.»   Grid zuckte augenblicklich zusammen. Er kannte diese Szene. Toyve. Sein Engelsname war Toyve und er war mit Gabriel befreundet, oder so schien es zumindest. «Bager hatte recht», flüsterte er leise vor sich hin.  Grid schloss die Tür wieder und war eigentlich gewillt, den Palast zu verlassen. Er war schon verwirrt genug und doch trieb ihn die Neugierde tiefer hinein und erkundete weitere Zimmer.   «Toyve? Wenn du die Wahl hättest, würdest du ein General werden wollen oder ein einfacher Engel bleiben?» Gabriel sass an einem Tisch und hatte einen Stapel Bücher vor sich liegen. «Wenn ich den Stapel so sehe, weiss ich, wieso ich mich nie angestrengt habe, ausserdem habe ich keine spezielle Fähigkeit.» «Ich habe gesehen, dass du auch zur Prüfung hättest gehen können, es ist nicht zu spät.» «Deine Gabe ist schon ziemlich stark, oder?» «Ja… Es nervt. Raziel und Metatron sind so streng. Zum Glück muss ich nicht mehr ins Kampftraining…» Gabriel seufzte tief und Toyve setzte sich zu ihm hin. «Verstehst du dich mit den anderen?» «Nicht so gut, deswegen wäre ich froh darüber, wenn du dabei wärst, aber Haniel ist ganz nett und mit Chamuel kann man auch Spass haben. Uriel ist ziemlich ruhig und die anderen Auserwählten sind einfach arrogante…» «Nanana Gabriel!» «Aber es stimmt doch. Luzifel und Michael führen sich auf, als würde ihnen der Himmel gehören, sie kämpfen dauernd gegeneinander, um zu sehen, wer der stärkere von ihnen ist und Raphael wirkt, als hätte er gar keine Lust auf die Ausbildung.» «Also in etwa wie du?», hakte Toyve nach. «Nein, er ist da, aber irgendwie auch nicht. Ich schaue ihnen in der Pause manchmal beim Training zu. Er ist stark und hat keine Probleme mit Luzifel oder Michael, erst recht nicht mit Chamuel, aber es wirkt, als interessiert es ihn nicht einmal. Wenn ich so kämpfen könnte…» «Wärst du wie Michael und Luzifel!» Gabriel sank ein wenig in sich zusammen. Toyve hatte ihn eiskalt erwischt. Vielleicht war er auch ein wenig arrogant, aber er war wissenstechnisch weit hinter Uriel zurück.  «Du lenkst mich ab, vielleicht solltest du mich lernen lassen, bevor Raziel Wind davon bekommt.»   Grid knurrte leise bei der Erinnerung. Wieso hatte er das Gefühl, nur ein Fussabtreter von Gabriel zu sein? Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie alt sie damals waren. Sicher war lediglich, Gabriel war noch kein General, genauso wenig wie die Anderen. Im Gegenteil, sie bereiteten sich alle darauf vor, geprüft zu werden. Doch wieso hatte er die Chance nicht wahrgenommen? Er schien nicht wirklich selbstbewusst gewesen zu sein, aber Gabriel schien etwas gesehen zu haben, oder wollte er ihn nur aufheitern? Allerdings änderte es nichts an seinem Gefühl… Vielleicht war Gabriel einfach einsam und er der einzige Trottel, der an seiner Seite war, bei dessen aktuellen Verhalten, würde ihn dies nicht mal gross wundern. Sein Weg führte ihn in die höheren Etagen. Grid war bewusst, dass es nicht besser werden konnte, im Gegenteil und doch wollte er wissen, wer er war und da er bisher nur hier Erinnerungen zu haben schien, war dies der Schlüssel zu seiner Vergangenheit. Er öffnete eine weitere Tür.   «Du bist so ein schlechter Freund! Während ich lernen muss, verbringst du deine Zeit mit Vog? Langweile ich dich?» Gabriel schrie Toyve praktisch an, welchem dieses Gespräch ziemlich unangenehm zu sein schien. «Du bist doch auch mit den anderen zusammen und ich wusste nicht, dass ich nur dich als Freund haben darf», verteidigte sich dieser und bekam ein wütendes Schnauben geschenkt. «Du bist MEIN bester Freund, okay? Vog soll sich einen anderen suchen. Nur weil Luzifel keine Zeit mehr für ihn hat, weil er nur noch mit Raphael unterwegs ist, gibt es ihm nicht das Recht, dich zu beschlagnahmen… Ausserdem schleimt er viel zu sehr bei Raziel, dabei ist er kein Anwärter.» «Und ich verstehe deine Wut nicht, du bist mein bester Freund, aber ich kann auch andere Freunde haben. Habgier und Neid gehören nicht in den Himmel, du sündigst und bist für den Posten als General nicht geeignet.» «Mir doch egal, solange keiner der Obersten es herausfindet und wer soll es ihnen erzählen, du? Als bester Freund wirst du das ja wohl nicht tun, oder?» Toyve schüttelte den Kopf und seufzte leise. Gabriel schien wirklich einsam zu sein, ohne ihn und er hatte nicht vor ihn zu verpetzen und doch machte ihm sein Verhalten ziemliche Sorgen.  «Und Vog ist auch nicht mit Luzifel befreundet, sondern mit Raphael und er findet es übrigens nicht schlimm, dass Luzifel und Raphael sich angefreundet haben.» «Das ist mir eigentlich egal, er soll dich in Ruhe lassen.»  «Das kannst du ihm selbst sagen.»   Grid ballte wütend seine Hände zu Fäusten. Gabriel war ein Sünder und er hatte ihn gedeckt. War seine Loyalität ihm gegenüber wirklich so gross oder hatte er ihn einfach manipuliert? Was bedeuten würde, er war nicht besser als Michael…  Er hörte sein eigenes Lachen durch das Zimmer hallen. Die Engel waren alle manipulativ und verdrehten die Wahrheit, wie sie sie gerade brauchten, zumindest einige davon und ausgerechnet er war mit einem dieser befreundet. Nur wieso ging er in die Unterwelt? Das Gespräch war ihm zwar unangenehm, aber bisher kein Auslöser dafür, dass er weg wollte. Zumal sich Gabriel auch nicht an ihn zu erinnern schien.   Grid beschloss, genug gehört oder gesehen zu haben und hoffte auch einfach, dass es wirklich nur der Palast Gabriels war, welcher diese Erinnerungen in ihm hervorruft. Sie waren unangenehm und verwirrend, dazu kam, dass er wohl mit Tsorn sprechen sollte. Nur wie? Und wie erklärte er Luzifer diese Erkenntnis? Sein Kopf schwirrte vor lauter Gedanken und er machte sich auf den Weg zurück. Dabei nahm er einen anderen Eingang in den Palast als bisher und er glaubte, Stimmen zu hören. Die eine war Gabriels, aber das konnte nicht sein? Dieser sass im Kerker bei den anderen. Schnell rannte er zu der Tür und sah Metatron und Gabriel vor sich.   «Es war gut, Toyve nicht zu berücksichtigen, Metatron, er ist neidisch auf meinen Erfolg und ich mache mir grosse Sorgen, dass er abtrünnig wird.» «Wir haben ihn berücksichtigt, Gabriel. Er wollte nicht, daher wäre es ziemlich verwunderlich, sollte er jetzt neidische Gefühle entwickeln.» Gabriel stockte für einen kaum merkbaren Moment, ehe er weitersprach. «Dann ist er vielleicht wütend und sauer auf mich, weil ich so viele neue Freunde gefunden habe, auf jeden Fall ist seine Entwicklung nicht gut für den Himmel. Niemand kann das wohl besser beurteilen als ich es könnte, schliesslich ist er mein bester Freund.»   Grid trat einen Schritt zurück. Metatron hatte Gabriel nicht geglaubt, das konnte er deutlich sehen, aber sein sehr viel jüngeres Ich hatte dies wohl nicht gesehen. Langsam aber sicher wusste er wieder, wieso er in die Unterwelt ging. Er wollte Metatron zuvorkommen und weg von seinem Freund, der ihn verraten hatte. Gabriel hatte wohl Angst, dass er doch sprechen würde und hatte ihn angeschwärzt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)