Playtime von yamimaru (~ oder wenn Reita den Mund mal wieder zu voll nimmt ~) ================================================================================ Kapitel 2: 31. Oktober 2017 - Halloween --------------------------------------- * Ich hatte mich nie fest binden wollen. Warum auch? Es gab so viele Männer und Frauen, die mich für eine Nacht glücklich machen konnten. Ich liebte die Abwechslung, genoss es, die Auswahl zu haben, denn wer würde metaphorisch gesprochen sein Leben lang immer das Gleiche essen wollen? Genau das sagte ich dir, wenn auch mit weniger netten Worten. Dennoch hast du mich nie zur Ruhe kommen lassen, warst immer präsent. Daran änderte auch unsere erste gemeinsame Nacht nichts, obwohl ich überzeugt gewesen war, dass dein Interesse an mir damit der Vergangenheit angehören würde. Nie hätte ich damit gerechnet, dass du so hartnäckig bleiben würdest. So überzeugend in deinen Taten und Worten, die mich immer enger und enger an dich banden. Bis ich irgendwann nicht mehr anders konnte, als deinen Bitten nachzugeben … *   Ein Tag zuvor ...   Uruha ging wie ein eingesperrtes Tier durch die Flure der Konzerthalle, in der sie heute Abend spielen würden, den Blick nichts sehend auf einen fernen Punkt gerichtet, während sich seine Gedanken wie so oft in letzter Zeit im Kreis drehten. Er wusste, dass er wieder zu den anderen gehen oder sich wenigstens die Cola holen sollte, derentwegen er überhaupt erst ihren Aufenthaltsraum verlassen hatte, aber er konnte sich nicht aufraffen. Stattdessen strich er sich lediglich über die bereits für den Auftritt gestylten Haare und schloss für einen Moment die Augen. Man sah und merkte ihm an, wie anstrengend die letzten Monate gewesen waren. Nicht nur die Arbeit verlangte ihnen allen mehr und mehr ab, auch das Verhältnis zwischen Aoi, Reita und ihm war unterschwellig angespannt, stand gefühlt kurz vor einer Explosion, von der er nicht wissen konnte, was sie alles zerstören würde. Im besten Fall nichts, im schlimmsten Fall alles, und dieses Wissen nagte an ihm. Uruha hatte noch öfter versucht, mit seinem besten Freund zu reden, aber wo sie früher immer eine gemeinsame Basis für Gespräche gefunden hatten, stand er nun meist einer Mauer des Schweigens gegenüber. Wenn es nach Reita gegangen wäre, hätte sich am Status quo vermutlich nie etwas geändert, aber er selbst konnte nicht mehr. Diese verfluchten Blicke gingen ihm durch Mark und Bein und stellten Dinge mit ihm an, die ein vernünftiges Zusammenarbeiten kaum noch möglich machten.   Anfangs hatte er noch versucht, allein damit klarzukommen. Allerdings hatte er die Rechnung ohne Aois messerscharfe Beobachtungsgabe gemacht, die so fein auf jede einzelne seiner Stimmungen eingestellt war, dass er ihm nichts vormachen konnte. Sein Schatz hatte den Braten schneller gerochen, als ihm lieb gewesen war, auch wenn ihn dieser Umstand nicht wirklich verwunderte, immerhin hatte Aoi Reitas Interesse im Club nur zu deutlich bemerkt. Uruha hatte ihm zwar zunächst nichts von dem belauschten Gespräch erzählt, aber das war auch gar nicht nötig gewesen. Denn, je größer seine Unruhe geworden war, desto hartnäckiger waren auch Aois Fragen geworden, bis er ihm eines Abends mit schwerem Herzen und flatterndem Magen gestanden hatte, warum ihn Reitas Blicke so aus der Bahn warfen.   Vielleicht hätte Uruha seine langjährige Freundschaft zu Reita vorschieben können und sein seltsames Verhalten damit erklären, dass er schlicht und einfach Angst hatte, ihn zu verlieren. Oder damit, dass er unter diesen Umständen nicht mehr mit dem Bassisten zusammenarbeiten konnte, wenn er nicht endlich zu einem Gespräch bereit sein würde. Aber stattdessen hatte er Aoi mit deutlichen Worten gestanden, dass ihn die Prahlerei und die anzüglichen Worte seines besten Freundes im Club unglaublich erregt hatten und er seit diesem Zeitpunkt kaum noch an etwas anderes denken konnte. Nach diesem Geständnis hatte er mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem verständnisvollen Lächeln auf Aois Lippen und ebenso wenig mit dem besitzergreifenden Kuss, in dem er sich kurz darauf wiedergefunden hatte.   Seit diesem Moment war ein Vorhaben in ihnen gereift, dessen Umsetzung in wenigen Stunden seinen wortwörtlichen Höhepunkt finden sollte. Alles war vorbereitet, alles minutiös geplant und dennoch hatte Uruha das Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren.   „Du läufst hier herum wie ein aufgeschrecktes Huhn“, hörte er plötzlich Aois Stimme hinter sich. Keine Sekunde später legten sich Arme um seine Mitte und warme Lippen tupften sanfte Küsse in seinen Nacken. Er seufzte lang gezogen, legte seine Hände über die seines Schatzes und neigte den Kopf, um ihm mehr Spielraum zu geben. „So aufgeregt hab ich dich nicht mehr gesehen, seit wir unseren ersten Auftritt im Budoukan hatten.“   „Ähnlich nervös fühle ich mich auch“, murmelte er und drehte sich herum, lehnte sich gegen die Flurwand einige Meter von ihrem Aufenthaltsraum entfernt und dirigierte Aoi so, dass er nahe vor ihm zum Stehen kam. „Bist du dir wirklich sicher, dass wir das durchziehen sollen?“   „Ja, Uruha.“ Aois Lippen kamen näher und verwickelten ihn in einen leidenschaftlichen Kuss, der für einen Moment alle Gedanken aus seinem Kopf verschwinden ließ. Endlich. Er seufzte erleichtert auf, zog seinen Partner noch ein Stück näher und hob ein Bein, um es gegen Aois Hüfte zu legen. Die Finger des kleineren Mannes schlüpften sogleich durch den hohen Seitenschlitz seines Kostüms und legten die nackte Haut seines Oberschenkels frei, nur um mit überaus erregendem Druck seiner Fingernägel darüber zu kratzen. „Ich weiß doch, wie sehr du es willst. Wie sehr du es brauchst und wie wenig du es noch erwarten kannst.“ Aois Lippen wanderten über seinen Kiefer, bis sie seine Halsbeuge erreichten, in die sich sogleich forsche Zähne gruben. Uruha biss sich auf die Unterlippe, um das Stöhnen zu unterdrücken, das in seiner Kehle kitzelte. Fahrig wühlte er beide Hände in das schwarze, seidige Haar, um seinen Schatz an Ort und Stelle zu halten, während ihm der leichte Schmerz an seinem Hals eine wohlige Gänsehaut über den Rücken jagte. Mmmh, die Visagistinnen würden nachher ihre helle Freude damit haben, den rot leuchtenden Knutschfleck abzudecken, den ihm Aoi gerade verpasste. Gut nur, dass heute Halloween war, da konnte man auch mit Bissmalen auf die Bühne. Eine heiße Zunge leckte beinahe entschuldigend über die nun prickelnde Stelle an seinem Hals und kleine Küsse kitzelten ihn leicht, bevor Aoi den Kopf wieder hob und ihn ernst anblickte. „Ich bin mir sicher … und weißt du auch warum?“ Uruha schüttelte sacht den Kopf und keuchte leise, als sich Finger in seine Haare gruben, seinen Kopf daran in den Nacken zogen, sodass seine Kehle frei lag. „Weil heute Nacht absolut nichts ohne meine Erlaubnis geschehen wird, hörst du? Keine Berührung, kein Kuss, keine Liebkosung, ohne dass ich es nicht gestatte.“ Aois weiche Lippen strichen über seine Haut, bis sich seine Zähne angedeutet um Uruhas Adamsapfel schlossen. „Verstehst du, was ich gesagt habe?“   „J… ja“, keuchte er angetan und schnurrte leise, als sein Schatz ihn wieder losließ, nun beruhigend über seine Kopfhaut kraulte. Er war so unglaublich froh, dass Aoi bereit war, das alles für ihn zu tun, die Verantwortung zu übernehmen, sodass er sich später einfach nur würde treiben lassen können. „Aoi“, raunte er und presste seinen Unterleib gegen den seines Liebsten, ließ ihn spüren, wie erregt er jetzt schon war. Gut nur, dass er heute im modifizierten Habit einer Nonne auf die Bühne gehen würde, in jedem anderen Outfit hätte man die Zeichen seiner innerlichen Ungeduld viel zu deutlich gesehen.   „Himmelherrgott! Kann man sich hier denn nicht mal mehr einen Kaffee holen, ohne blind zu werden?“ Uruhas Mundwinkel zuckten und er stöhnte nun mit voller Absicht laut auf, als sich Aoi leise lachend stärker gegen seinen Körper presste. „Fuck off! Nehmt euch ein Zimmer!“   „Mann, Ruki, du solltest dich wirklich mal um deinen N.O.R.D. kümmern. Das ist auf Dauer nicht gesund, wenn man den zu lange unbehandelt lässt.“   „Um meinen … was?“   „Deinen N.O.R.D.“ Uruha grinste und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, während er ganz langsam sein Bein sinken ließ und erschauderte, als die Fingernägel seines Freundes dabei erneut über die empfindliche Haut seines Oberschenkels kosten.   „Na, sag ihm schon, was das bedeutet“, verlangte Aoi mit einem schamlosen Schmunzeln im Gesicht, und sah das nahende Donnerwetter wohl schon kommen.   „Nicht onanierbarer Restdruck.“ Uruhas Grinsen wurde nur noch breiter, während seinem Gegenüber vor lauter Lachen schon die Tränen in die Augen stiegen.   „Fick dich, Uruha!“   „Danke, aber nein, dafür hab ich Aoi!“, rief er dem Giftzwerg noch hinterher, der polternd und vor sich hin fluchend im angrenzenden Treppenhaus verschwand. Feixend schaute er seinen Liebsten an, der ihm nur noch mal einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte, bevor er einen Schritt zurücktrat. Amüsiert und deutlich entspannter als eben noch strich Uruha seinen Habit glatt und folgte Aoi zurück in ihren Aufenthaltsraum.   * Es mag wie ein Zitat aus einem kitschigen Liebesroman klingen, aber es gab tatsächlich eine Zeit, in der ich dich dafür gehasst habe, dass du mir mein Herz gestohlen hast. Dass du mir gezeigt hast, wie schön es sein kann, wenn man geliebt wird. Wenn man sich der Zuneigung eines anderen bedingungslos sicher sein kann. Wenn die Geborgenheit einer einfachen Umarmung es schafft, dass sich alle Sorgen des Tages in Wohlgefallen auflösen. Ich hatte nie so werden wollen. Hatte nie abhängig von einem anderen Menschen sein wollen. Und hatte bis zu diesem Zeitpunkt doch nicht geahnt  wie groß die Sehnsucht in mir gewesen war. Du warst die Spinne und ich? Ich habe mich freiwillig und mit offenen Augen in dein Netz fallen lassen. *   Verschwitzt, erschöpft, aber unglaublich zufrieden mit dem, was sie die letzten Stunden über geleistet hatten, saß Uruha vor dem langen Spiegel in ihrer Umkleide und ließ den eben beendeten Auftritt noch mal vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Sein Nonnenschleier und die hellrosa Langhaarperücke lagen neben ihm auf der Ablage und mit einem leisen, aber durchaus zufriedenen Seufzen begann er damit, sich das ganze Make-up aus dem Gesicht zu wischen. Warme Hände, die sich an seine Schultern legten und den leichten Verspannungen dort zu Leibe rückten, rissen ihn aus seinen Gedanken und er lächelte Aoi dankbar über die Reflexion im Spiegel hinweg an. Auch die Lippen seines Freundes zierte ein kleines Schmunzeln, bevor er den Kopf senkte und einen Kuss auf das Bissmal drückte, welches die Visagistinnen tatsächlich nicht hatten abdecken können. Ein wohliger Schauer rann Uruha über den Rücken und er schloss für einen Moment die Augen, um dem anregenden Gefühl noch besser nachspüren zu können.   „Ich glaube, unser Bassist hätte dich vorhin am liebsten besprungen, als wir die Seiten gewechselt haben“, raunte Aoi mit deutlicher Belustigung in der Stimme und bahnte sich einen Weg seinen Hals hinauf, bis er sich an seinem Ohrläppchen gütlich tun konnte. „Ich wette mit dir, ohne seinen Bass hätte jeder im Zuschauerraum sehen können, was er von dir als verruchte Nonne hält.“ Uruha brummte angetan und drehte den Kopf zur Seite, um nach Aois Lippen haschen zu können.   „Irgendwie … hört sich das für mich so an, als würdest du aus Erfahrung sprechen, mein Lieber.“   „Das zu leugnen, würde mir im Traum nicht einfallen.“ Sein Schatz grinste, bevor er Uruhas Mund für sich eroberte und ihm mal wieder nur zu deutlich vor Augen führte, dass von Aoi so besitzergreifend geküsst zu werden zu den Dingen zählte, die er nie wieder missen wollte.   „Kai, im Ernst, du bist der Leader, also tu was! Sag den beiden hormongesteuerten Pseudoteenagern endlich mal, dass sie sich nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit halb auffressen sollen!“   Mit den Augen rollend versteckte er sein Grinsen an Aois Mund, bevor sich sein Partner von seinen Lippen löste, damit Uruha den Kleinsten ihrer Runde ansehen konnte. „Ich will ja nichts sagen, aber langsam wird dein Gekeife wirklich auffällig, Ruki“, stellte er mit trockenem Tonfall fest und überschlug die Beine, sodass der lange Schlitz seiner Nonnentracht einen überaus provokanten Blick auf die helle Haut seiner Schenkel offenbarte. Aois Arme legten sich um seine Schultern und der warme Körper, der sich nun gegen seinen Rücken schmiegte, ließ Uruha wohlig erschauern. Er lehnte den Hinterkopf gegen den Oberkörper seines Liebsten und betrachtete ihren Sänger mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. „Du solltest dir endlich Hilfe suchen, ganz im Ernst. Ich hab dir schon öfter gesagt, dass es ungesund ist, diese Dinge auf Dauer unbehandelt zu lassen.“   Nun war es an Ruki, die Augen zu verdrehen. In einer übertrieben verzweifelten Geste riss er die Arme in die Luft und erkundigte sich mit vor Sarkasmus triefender Stimme: „Was hab ich diesmal, oh weiser Uruha? West? Ost? Irgendeine andere Abkürzung?“   „S.Ü.D.“   „Was?“   „S.Ü.D – Sexuell…“   „Halt, nein, stopp! Weißt du was? Ich will das gar nicht wissen. Ich will nur, dass ihr einmal in eurem Leben Rücksicht auf die Leute in eurer Umgebung nehmt, die verdammt noch mal nicht sehen wollen, wie Aoi dir die Zunge in den Hals steckt!“ Ruki atmete wie eine Miniaturdampflok und war schon ganz rot im Gesicht, so sehr regte er sich auf.   „Lass sie doch.“   Uruhas Augenbraue wanderte ein Stück nach oben, denn ausnahmsweise war es nicht Kai, der versuchte, die Wogen wieder zu glätten, sondern Reita, der sich normalerweise aus ihren kleinen Kabbeleien großzügig heraushielt.   „Bitte?“ Rukis Stimme überschlug sich fast, so schrill war sie, und der Sänger war wohl ebenso baff, wie er selbst, dass sich Reita nicht nur einmischte, sondern auch noch Partei für Aoi und ihn ergriff.   „Ich sagte, lass sie doch“, wiederholte der Bassist gelangweilt und kratzte sich unter seiner schwarzen Ledermaske, die sein halbes Gesicht verdeckte. „Immerhin gibt es deutlich Schlimmeres, als die beiden Knutschen zu sehen. Du musst ja nicht hinschauen, wenn es dir so zuwider ist.“   Uruhas Blicke klebten förmlich an Reita und waren nun bestimmt ähnlich bohrend, wie die, die ihm der andere in den letzten Monaten ständig zuwarf. Denn so schnell wie sein Kumpel daraufhin den Raum verließ, mussten sie ihm einfach ebenso körperliches Unwohlsein bescheren, wie sie es bei ihm immer taten. Oder … Reita war aufgefallen, dass er sich verplappert hatte – Uruha musste sich ein Grinsen verkneifen. Ruki indes wirkte wie ein Schnellkochtopf, bei dem das Überdruckventil klemmte und der dadurch kurz vor der Explosion stand. Jetzt schlug eindeutig Kais Stunde. Mit wenigen, gezielten Worten schaffte es ihr Leader, den nahenden Super-GAU noch abzuwenden und den Sänger mit sanften Gesten aus dem Raum zu bugsieren. Er selbst jedoch hatte dem kurzen Intermezzo der beiden gar nicht wirklich zugehört, war er doch viel zu begeistert von der Tatsache, dass Reita sich in seinen Augen nun endgültig verraten hatte.   „Siehst du? Er schreit doch schon förmlich danach, dass wir ihm etwas Aufmerksamkeit schenken.“   „Dann interpretiere ich in seine Worte gerade nicht zu viel hinein?“   „Definitiv nicht.“   Uruha lächelte versonnen und fühlte, wie die Ungeduld seinen Magen zum Flattern brachte und seine Hände feucht werden ließ. „Verdammt, ich kann es kaum noch erwarten.“ Er krallte sich für einen Moment in den Stoff seines Kostüms, als er wieder Aois Lippen an seinem Hals spüren konnte, und bemerkte erst, dass ihm die Lider zugefallen waren, als sich Kai von der Tür her räusperte.   „Uruha?“   „Mh?“ Er hob den Kopf, blickte zum Leader hinüber und rechnete schon mit einer verspäteten Zurechtweisung, aber was dann kam, ließ ihn nur wieder übers ganze Gesicht grinsen.   „Was bedeutet S.Ü.D?“   „Sexueller Überdruck.“ Kai unterdrückte sein Prusten, indem er sich eine Hand auf den Mund presste, aber wirklich viel brachte das nicht. Überaus zufrieden mit sich und der Welt verschränkte er die Arme vor der Brust, während Aoi neben ihm nur leise in sich hineinlachte.   „Irgendwann fällt dich der kleine Wadenbeißer an, wenn du so weitermachst.“ Uruha hob nur den Kopf und feixte zu Aoi hinauf, während er provokant eines seiner unbekleideten Beine ausstreckte.   „Dann hoffe ich doch, dass du mich heldenhaft beschützen wirst. Meine Waden sind zu ansehnlich, um angebissen zu werden.“   * Vermutlich weißt du nicht einmal, dass wir unsere Beziehung Reita zu verdanken haben. Woher auch? Ich habe es dir nie gesagt. Er war es, der gesehen hat, wie gut du mir tust. Er war es, der mir den Kopf wieder gerade gerückt hat, wenn mir alles zu viel geworden ist. Er hat mir wieder und wieder erklärt, dass es in Ordnung ist, geliebt zu werden. Dass ich es verdient habe, glücklich zu sein. Und er war es auch, der mir klar gemacht hat, dass ich dieses Glück mit dir längst gefunden habe. *   Einer der Vorteile daran, dass Aoi und er die Eskapaden ihrer Beziehung etwas freizügiger auslebten als der Rest der japanischen Bevölkerung es als angemessen ansehen würde, war der, dass kein Mitglied ihrer Crew Fragen stellte, wenn er eines seiner Bühnenoutfits nach einer Show schnell noch in die Reinigung gab, um es nach der After-Show-Party mit nach Hause zu nehmen. Somit brauchte er Takako vom Staff nur dankbar anzulächeln, nachdem sie ihm ein in Plastik eingeschlagenes Bündel überreicht hatte, und die Welt war wieder in Ordnung. Keiner der Anwesenden hatte diesen kleinen Austausch weiter beachtet, lediglich auf Aois Lippen schlich sich ein kleines, verstohlenes Schmunzeln, als sich ihre Blicke trafen. Uruha zwinkerte ihm keck zu und widmete sich wieder seinem Cocktail – einer überaus leckeren Komposition aus exotischen Früchten und gutem Rum, die trotz ihrer Süße eine wohltuende Wärme in seinem Magen hinterließ. Sein Freund hatte sich schon vor einer ganzen Weile zu Reita gesellt und achtete unauffällig darauf, dass der Alkoholpegel des Bassisten ein angemessenes Maß nicht überschreiten würde. Für einen Moment klebten seine Augen regelrecht an den beiden begehrenswerten Männern ihm schräg gegenüber, bevor er sich losreißen konnte, um noch einmal den Eintrag in seinem Notizbuch zu lesen. Aber statt zu begreifen, was er selbst vor nicht einmal fünf Minuten dort hineingeschrieben hatte, hüpften die Worte lediglich vor seinen Augen auf und ab und bildeten Sätze, von denen er sich ziemlich sicher war, dass er sie nicht geschrieben hatte. Schlüpfrige Details seiner Gedanken und seiner heute viel zu aktiven Fantasie nahmen auf den kaum beschriebenen Seiten Gestalt an und machten es ihm nicht gerade leicht, sich in Geduld zu üben. Mit einem energischen Ruck klappte er das Büchlein zu und stopfte es zurück in seine Umhängetasche. Himmel, er hielt diese Anspannung kaum noch aus, und säßen sie nicht gerade alle fünf mit ihrem Staff und den Technikern mitten in einem Klub, hätte er sich die Haare gerauft. So blieb ihm nichts weiter übrig als seine Finger in den rauen Stoff seiner Jeans zu krallen, Kai in ein Gespräch zu verwickeln und gute Miene zum hinterhältigen Spiel zu machen, während sein Liebster darin aufzugehen schien, seine Geduld noch länger auf die Probe zu stellen.     Als sich Aoi nach gefühlten Stunden endlich wieder zu ihm gesellte und ihm eine Hand auf den Oberschenkel legte, hätte er ihn am liebsten jetzt und sofort besprungen, so wenig konnte und wollte er seine Triebe nun noch beherrschen. Stattdessen schenkte er ihm nur einen so derart durchdringenden Blick, dass er sehen konnte, wie sich der Adamsapfel seines Partners hüpfend bewegte, als diesem beim Schlucken wohl gerade die Spucke wegblieb. Sehr schön, so sollte das sein – und nun bitte im Eiltempo nach Hause und keine Spielchen mehr. Oder zumindest keine Spielchen mehr, bei denen Uruha nicht der Spielführer war.   „Lass uns gehen“, raunte sein Freund mit, wie er nur zu erfreut feststellte, rauer Stimme und erhob sich wieder, während er selbst seine Sachen zusammenpackte und sich von den Anwesenden verabschiedete. Grinsend schaute er dabei zu, wie Aoi einem murrenden Reita sein eben frisch gezapftes Bier entwand, es an Ruki weiterreichte und den Bassisten energisch vor sich her aus dem Club bugsierte.   „Mann, Aoi, ich hab noch gar nicht zu viel“, brummte der Bassist, schwankte entgegen seinen Worten jedoch ein wenig auf der Stelle, sodass es sich Uruha nicht nehmen ließ, ihm einen Arm stützend um die Mitte zu legen. Er grinste den kleineren Mann von der Seite her an und hob vielsagend eine Augenbraue.   „Siehst du? Genau deswegen halten wir dich nun davon ab, noch mehr zu trinken. Beim letzten Mal, als du abgestürzt bist, durfte ich mir tagelang anhören, was für ein schlechter Freund ich doch bin, weil ich dich so viel trinken lassen hab. Nee, mein Lieber, den Schuh zieh ich mir nicht noch mal an.“ Uruha lachte leise und zog den etwas kleineren Mann näher gegen seine Seite. Natürlich nur, um ihn besser stützen zu können, und nicht weil ihm der vertraute Geruch von Reitas Parfüm so noch intensiver in die Nase steigen konnte.   „Warum bist’n du eigentlich so nüchtern?“, wurde er mit einem Mal von der Seite her gefragt. „Hast du überhaupt was getrunken? Bist du krank?“   „Deine Fürsorge ist ein Traum, ich bin förmlich überwältigt“, stellte Uruha mit überschäumender Begeisterung in der Stimme fest – nicht – und drückte sich dank Reitas schwankenden Gangs etwas unkoordiniert durch die Tür des Klubs. Kaum hatte er seinen Kumpel sicher gegen eine Wand gelehnt, zündete er sich eine Zigarette an und atmete den blauen Dunst tief in seine Lungen ein. Vielleicht würde ihn das Nikotin etwas beruhigen, während er hier mit Reita darauf wartete, dass Aoi ihnen ein Taxi organisierte.   „Och, Ducky, schmoll nicht“, nuschelte Reita und bevor er reagieren konnte, hatte er einen gebräunten Finger auf der Nase und einen Bassisten vor sich, der ihm, wenn man seine schwindende Selbstbeherrschung fragte, gerade viel zu nahe gekommen war. Ohne, dass er hätte darüber nachdenken oder es verhindern können, hob er das Kinn an, bis Reitas Finger von seiner Nasenspitze glitt und er ihn mit den Lippen einfangen konnte. Sacht biss er in die raue Fingerkuppe, während sein Blick sein Gegenüber regelrecht durchbohrte. Reitas Augen waren groß geworden, dessen Körper im Kontrast dazu stocksteif und alles in allem machte der Bassist dem sprichwörtlichen Reh im Scheinwerferlicht ordentliche Konkurrenz. Aois Stimme war es schließlich, die den Moment unterbrach und den Zauber löste, bevor die Situation noch hätte unangenehm werden können. Uruha entließ den Finger aus seinem Mund und bewunderte lächelnd nicht zum ersten Mal das perfekte Timing seines Schatzes, welches es ihm auch jetzt ermöglichte, einen noch immer perplexen Reita ohne Weiteres ins Taxi zu bugsieren.     Als sie schließlich an ihrer Wohnung ankamen, hatte Reita den Vorfall anscheinend bereits wieder vergessen oder wenn nicht das, dann wenigstens verdrängt. Denn nichts an seiner Haltung ließ erkennen, dass er vor nicht mal einer halben Stunde Uruha noch angesehen hatte, als stünde der Leibhaftige vor ihm. Dafür war sein eigenes Nervenkostüm noch fragiler geworden und er fühlte sich, als würde er jeden Moment schreien müssen, wenn nicht bald etwas passierte. Aoi hatte Reita noch überredet mit hochzukommen – mit einem Baseball Match, welches sein Liebster heute Abend extra noch aufgezeichnet hatte, ließ sich sein Kumpel doch immer ködern. Warf man noch ein paar Flaschen Bier und was zu knabbern in den Mix, war Reita der glücklichste Mensch auf Gottes weiter Flur. Uruha für seinen Teil wollte auch etwas zum Knabbern haben, allerdings bestimmt keinen Reiskräcker. Stattdessen musste mangels derzeit erreichbarer Alternativen seine Unterlippe herhalten, die sich mittlerweile schon ganz wund anfühlte. Aber nicht das angenehme Wund, welches von zu vielen Küssen und zu hingebungsvollen … anderen Aktivitäten herrührte, sondern das Wund, welches besser als alles andere zeigte, dass sein drohender Nervenzusammenbruch kurz bevorstand.   Mit einem Mal fand er sich gegen die Flurwand gepresst wieder und fühlte eine heiße Zunge, die aufreizend langsam über sein eben noch so malträtiertes Fleisch leckte.   „Reiß dich zusammen, Liebling. Du willst doch nicht, dass unser Opfer den Braten schon riecht, bevor wir überhaupt mit unserem Spielchen angefangen haben?“ Uruhas Atem hatte sich beschleunigt. Teilweise, weil ihn dieser plötzliche Überfall erschreckt hatte und teilweise, weil ihn genau dieser Umstand wie alles andere in den letzten Stunden unglaublich zu erregen wusste. Er hatte gar nicht wirklich realisiert, wie sie das Taxi verlassen hatten oder wie sie die Treppen zu Aois Wohnung nach oben hatten steigen müssen, weil der Aufzug seit Tagen nun schon außer Betrieb war. Ebenso wenig hatte er bemerkt, dass er mitten im Flur stehen geblieben war, während Aoi ihren Gast bereits im Wohnzimmer mit Sport und Bier versorgt hatte. „Uruha.“ Aois Hand streichelte zärtlich über seine Wange und er schmiegte sich in die beruhigende Berührung, fühlte, wie sich sein Atem augenblicklich wieder verlangsamte. „Ich liebe es, dich so zu sehen. Wenn mir jede Faser deines Körpers zeigt, wie ungeduldig und erregt du jetzt schon bist.“ Der kleinere Mann raunte gegen seinen Hals und verpasste ihm damit eine dicke Gänsehaut, die sich langsam ihren Weg von seinem Nacken angefangen über den Rücken bahnte und als beinahe unerträgliches Kribbeln in seinen Lenden zu ruhen kam.   „Aoi“, hauchte er und haschte nach den schönen Lippen, küsste seinen Partner so feurig und leidenschaftlich, dass ihm selbst binnen Sekunden die Luft knapp wurde. Leider löste Aoi sich viel zu schnell von ihm und streichelte ihm erneut lächelnd über die Wange.   „Geh ins Bad, zieh dich um und dann lass uns spielen, mh?“ Für einen langen Moment blickte Uruha in die dunklen Augen seines Liebsten, versuchte Halt zu finden, um sich wieder ein bisschen zu beruhigen. Immerhin hatte Aoi recht, würde er Reita nun so gegenübertreten, wüsste er sofort, dass etwas faul war. Nicht umsonst kannten sie sich schon ihr halbes Leben. Sein bester Freundverstand ihn vermutlich besser, als er selbst es tat und wenn er ehrlich war, war es genau dieser Umstand, der ihn so aufwühlte. War es wirklich richtig, sein Vorhaben nun in die Tat umzusetzen? Würde er damit nicht eine jahrzehntelange Freundschaft aufs Spiel setzen? Und was war mit Aoi? Mit ihrer Beziehung? Waren ein bisschen Spaß und eine kleine Rache diese Risiken wirklich wert? „Geh, Uruha“, flüsterte Aoi gegen seine Lippen, nahm seine kalten Hände in die seinen und zog ihn von der Wand weg, nur um ihn erneut auffordernd anzusehen. „Du willst uns doch nicht noch länger warten lassen, oder? Wüsste Reita, was wir vorhaben, wäre er mindestens so ungeduldig wie ich selbst.“ Ein feines Lächeln zupfte an Uruhas Mundwinkeln und endlich kam wieder Leben in ihn, als er sich seiner Jacke und der Schuhe entledigte und mit neu gefasstem Enthusiasmus nach der Tüte griff, in der sich sein gereinigtes Bühnenoutfit befand.   „Nein, natürlich will ich euch nicht warten lassen.“ Nun zierte ein ehrlich vorfreudiges Schmunzeln seine Lippen und mit schnellen Schritten machte er sich in Richtung Bad davon. Aoi wusste wirklich immer, was er sagen musste, um ihm seine Unsicherheiten zu nehmen, und nicht zuletzt deswegen liebte er ihn so sehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)