HappyChoc. von LaNeve (Fortsetzung folgt!) ================================================================================ HappyChoc. ---------- 25. Februar – Damals „Sasuke! Kommst du bitte? Wir müssen gleich los“, rief Mikoto Uchiha aus der Küche zum Zimmer ihres jüngsten Sohnes hinauf. „Jaaaaa, ich komme“, kam die Antwort prompt und das Geräusch von schnellen Schritten hallte den Flur entlang. „Kein Rennen auf der Treppe!“, schallte daraufhin die Stimme wieder aus der Küche und Sasuke wunderte sich mal wieder, wie seine Mutter immer schon wusste was er machen würde, bevor er es selbst wusste. „Ich wollte gar nicht rennen“, erwiderte er als er in die Küche kam, „wirklich nicht.“ Er schaute seine Mutter mit seinem überzeugendsten Unschuldsgesicht an. Diese lächelte jedoch nur freundlich und drückte ihm sein Bento für heute in die Hand. „Hier, pack das ein und dann gehen wir.“ Sasuke nahm ihr die dunkelblaue Box ab und nickte brav. Im Flur schlüpfte er in seine Schuhe und seine Jacke, zog sich eine Mütze bis tief in die Stirn, kramte irgendwo aus dem Schrank einen alten Schal seines Vaters hervor und wickelte ihn sich bis zur Nasenspitze um den Hals und das Gesicht. So eingepackt hing er sich dann noch etwas schwerfällig seine Tasche quer über die Schulter und packte seine Hände in dicke Handschuhe. „Fertig“, kam es undeutlich unter dem Schal hervor und als Mikoto in den Flur kam, brach sie spontan in fröhliches Gelächter aus. „Was?“, brummelte Sasuke unter dem Schal und verengte misstrauisch die Augen. „Es ist super kalt draußen, und ich will nicht krank werden. Morgen darf ich doch mit Itachi auf sein Schulfest gehen!“ Seine Mutter nickte verständnisvoll, konnte sich das Grinsen aber trotzdem nicht verkneifen. „Ja, ich weiß. Aber keine Sorge, bis morgen wirst du bestimmt nicht krank werden.“ Sasukes Blick wurde daraufhin wieder fröhlicher und er nickte zustimmend. „Dann lass uns losgehen, sonst kommst du noch zu spät in den Kindergarten“, sagte sie zu ihm und stupste ihm dabei mit dem Finger sanft gegen die Nase. __________________________________________________________________ „Ich hole dich dann später wieder ab, ja?“ Mikoto kniete vor ihrem Sohn und streifte die verschiedenen Lagen Kleidung von ihm ab und platzierte alles in seinem Fach, das von der Masse schier überzuquellen schien. „‘Kay“, murmelte Sasuke geistesabwesend. Als Mikoto seinem Blick folgte, sah sie ein kleines Mädchen, das von ihrem Vater auch gerade ausgezogen wurde, dabei aber dicke Krokodilstränen vergoss. Das Haarband der Kleinen war verrutscht und sie schniefte ununterbrochen. „Mama, wieso ist das Mädchen traurig?“ fragte Sasuke, konnte seinen Blick aber nicht von ihr abwenden. „Ich weiß es nicht“, antwortete Mikoto und stand auf. „Aber ihr Papa ist bei ihr und tröstet sie, es geht ihr bestimmt gleich besser.“ Sasuke nickte wieder und zwang sich wegzusehen. „Holst du mich heute ab oder Papa?“ Fragend schaute er zu seiner Mutter hinauf. Diese schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Ich hole dich nachher ab und jetzt hab einen schönen Tag.“ Sie drückte ihn kurz und gab ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange. „Okay, bis später“, antwortete Sasuke verlegen und winkte seiner Mama kurz hinterher, als sie zur Tür hinausging. Mit einem letzten Blick auf das kleine Mädchen, das mittlerweile zwar aufgehört hatte zu weinen, aber immer noch geräuschvoll die Nase hochzog, lief er in den Spielraum seiner Gruppe. Die Bauklötzchenecke war noch leer und Sasuke lief fröhlich hinüber. Er fing an, die Schule seines Bruders nachzubauen, die eine Straße vom Kindergarten entfernt lag. Vor der Schule ließ er extra etwas Platz, damit er danach das Schulfest nachspielen könnte, auf das er sich so sehr freute. Mit akribischer Genauigkeit setzte er einen Stein auf den anderen. Hochkonzentriert, mit zusammengezogenen Augenbrauen bekam er gar nicht mit wie sich der Gruppenraum langsam füllte. Plötzlich hörte er eine Stimme neben sich: „Baust du da die Schule?“ Er schaute auf und blickte in eine paar strahlend blauer Augen, die zu einem blonden Haarschopf gehörten. Er kannte den Jungen, das war Naruto-baka, und er machte nur Ärger. „Vielleicht?“, antwortete er nur und drehte sich etwas weg und mehr seinem Gebäude zu. „Es sieht aber aus wie die Schule“, ertönte die Stimme wieder neben ihm. Sasuke ignorierte ihn. „Hallo?“ Narutos fragender Gesichtsausdruck schob sich in sein Blickfeld. Sasuke seufzte. „Ja, es ist die Schule.“ Und nach einer kurzen Pause: „Mein Bruder geht dorthin und ich darf morgen mit ihm auf das Schulfest gehen.“ Es schwang deutlich eine Spur von Stolz in seiner Stimme mit. Naruto machte große Augen. „Ein echtes Schulfest? Mit den Großen und Süßigkeiten und allem?“ Sasuke nickte energisch und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wow“, meinte Naruto daraufhin und schob währenddessen einen Klotz an das Gebäude dran. Sasuke beobachtete ihn argwöhnisch, aber der Klotz sah an der Stelle gar nicht schlecht aus, also sagte er nichts. So vergingen einige Minuten, in denen Sasuke weiterbaute und Naruto ihn beobachtete. Dann durchbrach die Stimme ihrer Erzieherin die Stille zwischen den Beiden. „Hört mal alle her“, rief sie in den Raum hinein. Sie stand mit dem kleinen Mädchen, das vorhin so bitterlich geweint hatte, im Türrahmen des Raumes. „Das hier ist Sakura. Sie ist neu bei uns und wir wollen sie jetzt alle nett begrüßen.“ „Hallo Sakura“, tönte es einstimmig von der Gruppe, wobei Naruto ihren Namen in einem lauten Sing-Sang vortrug, während Sasuke damit beschäftigt war sie anzuschauen und nur ein leises „Mmh“ herausbekam. Man konnte die Tränenspuren noch ein bisschen in ihrem Gesicht erkennen und auch die Augen waren gerötet. Sie schaute unsicher im Raum umher und versteckte sich etwas hinter der Erzieherin. „Sakura, möchtest du vielleicht etwas malen? Ino hilft dir bestimmt gerne“, meinte diese und zeigte auf ein blondes Mädchen, das am Maltisch saß. Sakura nickte vorsichtig und lief langsam quer durch den Raum bis zum Maltisch, an den sie sich dann setzte und freundlich von Ino begrüßt wurde. Die Lautstärke im Raum kehrte wieder zur gewohnten Normalität zurück und Sasuke wandte sich wieder seinem Bauwerk zu. Hatte er an alles gedacht? Die Halle, das große Gebäude, der Hof… „Der Sportplatz fehlt noch, oder?“ Naruto, der ihm mittlerweile gegenübersaß, hatte sich offensichtlich gerade dasselbe gefragt. Sasuke schaute ihn überrascht an. Naruto schaute zurück. Dann grinste er und reichte ihm ein paar neue Klötzchen. „Hier.“ Sasuke nahm sie wortlos an und auf einmal störte es ihn gar nicht mehr, dass der Junge anfing mit ihm zusammen den Sportplatz zu bauen. „Sie sieht traurig aus“, meinte Naruto nach einer Weile. Sasuke schaute auf. Naruto deutete auf Sakura. „Sie sieht echt traurig aus“, wiederholte er seine Aussage. Sasuke blickte zu dem Mädchen hinüber, deren Augen immer wieder unruhig die ungewohnte Umgebung taxierten, während Ino fröhlich mit ihr redete. „Ja“, sagte er. „Ich hab gesehen, wie sie ganz doll geweint hat, als ihr Papa sie gebracht hat.“ Er schob ein paar Klötzchenreihen gerade. Naruto war doch ganz okay, aber er baute nicht besonders gut. Das musste er noch lernen. „Ich geh mal fragen, warum sie so traurig ist“, entschied Naruto auf einmal und sprang so abrupt auf, dass er dabei fast den Glockenturm der Schule umgeschmissen hätte. Sasuke schaute ihm zu, wie er quer durch den Raum zum Maltisch rannte. Vorbei an Shikamaru und Choji, die in der Leseecke nur auf den Kissen rumlagen, und mit einem Sprung über Ausläufer der kleinen Hütte, die Kiba sich mit Decken an der Heizung gerade zu bauen versuchte. „Hallooo“, begrüßte er Sakura und strahlte sie an, während er umständlich auf den kleinen Stuhl neben ihr kletterte. „Ich bin Naruto und du heißt Sakura oder?“ Die Angesprochene wich auf ihrem Stuhl etwas vor ihm und seiner Überschwänglichkeit zurück, nickte jedoch. „Hallo, Naruto“, sagte sie vorsichtig. „Wieso bist du traurig? Magst du es nicht hier?“ warf er seine Frage dann auch direkt in die Runde, woraufhin nicht nur Sakura ihn erschrocken anschaute, sondern auch Ino. „Mmh? Willst du es nicht sagen?“, bohrte er weiter. „Naruto!“, sagte Ino, die bemerkte, dass Sakura bei der Bombardierung seiner Fragen unsicher auf den Boden schaute. „Lass sie.“ „Aber ich will ihr doch helfen“, protestierte er. Und zu Sakura gewandt: “Wenn du traurig bist, kannst du mit mir und Sasuke Klötzchen bauen. Er ist bisschen komisch, aber mit mir ist es lustig!“ Er strahlte sie wieder an. Sakura schaute ihn verwirrt an, woraufhin Naruto mit dem Finger auf die Bauecke zeigte. Sasuke, der das Geschehen von Weitem verfolgt hatte, drehte sich schnell weg, als Naruto anfing auf ihn zu zeigen und weiter auf das Mädchen einzureden. Dieser Baka! Er schüttelte leicht genervt den Kopf und fing an, aus kleinen bunten Klötzchen für das morgige Schulfest ein Zirkuszelt und andere Wunder in den Hof der Schule zu bauen. Das würde so toll werden! Er und Itachi würden den ganzen Tag spielen und Spaß haben, und sein Bruder würde sich nur um ihn kümmern! Hochmotiviert baute er weiter bis Naruto wieder zurückkam und sich geräuschvoll neben ihm platzierte. „Ihr Papa hat gesagt, sie darf keine Schwester haben“, sagte er. Sasuke löste seinen Blick von dem Zirkuszelt und schaute den Blonden mit großen Augen an. „Wie, sie darf keine Schwester haben?“ „Keine Ahnung.“ Naruto zuckte mit den Schultern und fing an mit einer Hand an der Halle der Schule rumzuhantieren und sie zu verschieben. Sasuke hielt entrüstet die Luft an. Dieser Baka würde ihm noch alles kaputt machen! Er nahm alles zurück, Naruto machte tatsächlich nur Ärger! Er musste ihn irgendwie ablenken. „Sag schon“, stupste er Naruto an, nahm ihm die Klötzchen aus der Hand und versuchte den Schaden wiedergutzumachen. „Will sie denn eine Schwester haben?“ „Ich glaub schon“, antwortete Naruto. „Sie ist traurig, weil sie niemanden zum Spielen daheim hat und allein ist. Alle ihre Freunde haben Brüder oder Schwestern, nur sie nicht.“ Sasuke stoppte in seinen Bewegungen. Niemanden der mit einem daheim spielte… „Du hast doch einen Bruder oder? Du bist nicht allein“, wandte sich Naruto nun direkt an ihn. Sasuke schaute zur Seite und sagte nichts. „Sasuke?“ hakte der Blonde nach, während er auf seinen Fußballen wippte und die Arme um seine Knie geschlungen hatte. Doch Sasuke reagierte nicht und Naruto schaute schließlich weg. __________________________________________________________________ Der Vormittag verstrich. Naruto hatte bald keine Lust mehr gehabt Sasuke beim Bauen zuzuschauen und verwandelte nun mit Kiba zusammen einen Teil des Raumes in eine riesige Stadt aus Decken und Kissen. Sasuke schob nun schon seit einiger Zeit nur noch Klötzchen hin und her, gedankenversunken. Er hatte einen Bruder, aber trotzdem war er daheim oft alleine. Deswegen freute er sich auch so auf das Schulfest morgen! Itachi hatte ihm versprochen, dass er sich Zeit für ihn nehmen würde! Und nicht immer nur für die blöde Schule. Vergib mir Sasuke, nächstes Mal. Sasuke presste die Lippen zusammen und probierte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Dieser blöde Naruto, was fragte der ihn auch so blöde Sachen! Er schaute suchend im Raum umher und fixierte den Blonden, der sich gerade selbst zum König der Burg erklärt hatte, die aus einem besonders großen Berg von Kissen bestand. Sein Blick glitt weiter und fand Sakura, die am Rand des Geschehens saß und zuschaute. Sie sah immer noch traurig aus und ihm fiel wieder ein, was Naruto ihm erzählt hatte. Sie hat niemanden zum Spielen daheim und fühlt sich allein. Wie ferngesteuert stand er auf und lief auf sie zu. Vielleicht konnten sie ja zusammen spielen? Er musste sie nur fragen. Doch mit jedem Schritt auf sie zu wurde er nervöser und als er schließlich vor ihr stand, wusste er nicht was er sagen sollte. Sie bemerkte ihn und schaute auf. Ihre Augen waren strahlend grün und groß und ihr rosa Haar wurde von einem roten Haarband zusammengehalten. Erschrocken und verunsichert sah sie ihn an. Sasuke öffnete den Mund, doch kein Wort verließ seine Lippen. Einige Sekunden vergingen in denen sie sich nur anschauten und Sasuke spürte wie er langsam rot wurde. Schließlich stieß er einen genervten Laut aus und lief rechts an ihr vorbei zum Maltisch. Schnell setzte er sich und tat so, als würde er unbedingt etwas malen wollen. So was Blödes aber auch. Er nahm sich ein neues Blatt und fing an wild darauf rumzukritzeln. Was war das für ein komisches Mädchen? Er hatte gar nichts sagen können. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht, denn das war ihm noch nie passiert. Er beruhigte sich langsam wieder und überlegte gerade, ob er es noch einmal probieren sollte, als er das Gespräch hinter sich mitbekam. „Was wollte Sasuke-kun von dir?“ hörte er Ino fragen. Er drehte leicht den Kopf, um die beiden Mädchen beobachten zu können, als die Erzieherin zur Vesperpause rief. Ino und Sakura standen auf und verließen den Raum. Sasuke schaute ihnen hinterher. „Sasuuuke, komm! Es gibt was zu essen!“ Naruto brüllte quer durch den ganzen Raum und holte ihn damit aus seinen Gedanken. Der Schwarzhaarige nickte und folgte den anderen in den Pausenraum. Was war nur los heute? __________________________________________________________________ Sein Bento schmeckte wie immer superlecker. Es gab feinen Reis und Hühnchen, und als besondere Kleinigkeit hatte seine Mama ihm einen Schokoriegel eingepackt. Den wollte er sich bis zum Schluss aufheben. Während dem Essen schaute Sasuke sich suchend um. Wo war sie nur? Er wusste noch nicht, was er heute noch spielen wollte und da sie auch alleine war konnten sie ja auch zusammen was machen. Diesmal würde er ihr das auch sagen. Außer wenn sie ihn wieder so komisch anschaute. Das mochte er gar nicht. Dann wusste er nie was er machen sollte. Er knabberte an einem Stück Hühnchen und sah sie schließlich ganz hinten in der Ecke sitzen. Sie war bei Ino und den anderen Mädchen, jedoch trotzdem etwas abgewandt von ihnen und blickte traurig aus dem Fenster. Das mochte er auch nicht. Er war zwar auch oft traurig, wenn Itachi keine Zeit für ihn hatte, aber das ging auch schnell wieder weg, wenn seine Mama oder jemand anderes im Kindergarten mit ihm spielte. Wusste sie das nicht? „Kann ich den haben, Sasuke?“ Naruto, der ihm gegenübersaß, streckte sich über den Tisch zu ihm hinüber. „Was meinst du?“ „Den Schokoriegel, der sieht lecker aus!“ Naruto grinste breit und streckte schon die Hand nach der Süßigkeit aus. Sasuke zog sein Bento schnell weg. „Nein! Das ist meiner, Finger weg!“, motzte er den Blonden an. Der schaute ihn verdutzt an. „Warum denn nicht?“ „Weil halt“, argumentierte Sasuke und legte sich die dunkelblaue Box auf seinen Schoß. „Den hat meine Mama nur für mich eingepackt“, ergänzte er noch. Naruto setzte sich wieder auf seinen Stuhl und sah dabei gar nicht begeistert aus. „Jaaaa“, fing er an. „Aber Kiba hat mir erzählt, dass seine Schwester immer Schokolade isst, wenn sie traurig ist, und dann geht es ihr besser. Und ich bin traurig, also sollte ich die Schokolade bekommen!“ Sasuke schaute den Blonden verwundert an. „Warum bist du denn traurig?“ „Weil du mir die Schokolade nicht gibst“, antwortete Naruto spitzbübisch und lachte laut auf. Sasuke verdrehte die Augen und seufzte. „Du Baka! Du kriegst gar nichts von mir!“ „Oy, komm schon Sasuke, sei nicht so!“ „Nein!“ „Wieso denn nicht?“ „Weil du ein Baka bist, deswegen.“ „Das stimmt nicht!“ „Stimmt wohl!“ „Stimmt nicht!“ „Stimmt wohl!“ „Stimmt nicht!“ „Stimmt wohl. Du bist ein Usuratonkachi, Baka!“ „Sasuke!“ Die Erzieherin stand neben ihnen und schaute den Uchiha erschrocken an. „Was hast du da gerade zu Naruto gesagt?“ Sie schaute ihn mit strenger Miene an und Sasuke wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. „Nichts“, nuschelte er und zog die Schultern dabei hoch, wissend, dass sie ihm das niemals abnehmen würde. „Da habe ich aber was anders gehört. Ich will, dass du dich bei Naruto entschuldigst.“ „Ganz sicher nicht“, rutschte es ihm raus. „Sasuke!“, rief die Erzieherin empört. „Wenn du dich nicht entschuldigst, isst du draußen. Überlege es dir also gut!“ Sasuke presste die Zähne aufeinander. Er hatte nichts falsch gemacht. Der Trottel war ein Baka! Er würde sich sicher nicht entschuldigen. Es vergingen einige Sekunden, in denen niemand etwas sagte. „Nun gut“, meinte die Erzieherin schließlich. „Dann setz dich jetzt bitte nach draußen ins Foyer, du kennst den Platz ja.“ Sasuke schaute sie von unten an, doch ihre Miene war eisern und er wusste, dass das kein Scherz war. Still stand er auf, nahm sich sein Bento und verließ den Raum. Hinter ihm wurde die Tür geschlossen. Er seufzte laut auf. Dieser Baka von einem Usuratonkachi! Nur weil er ihn so geärgert hatte musste er jetzt draußen essen. Sasuke setzte sich an den kleinen Tisch mit dem Stuhl, der bei ihren Fächern mit den Jacken und Schuhen stand. Er legte das Bento vor sich auf der Tischplatte ab und fing an weiterzuessen. Er war schnell fertig, nur noch der Schokoriegel war übrig. Er drehte sich auf seinem Stuhl herum, um zu schauen ob die Tür zum Pausenraum immer noch geschlossen war. War sie. Er seufzte nochmals. Heute war kein guter Tag war für ihn. Er drehte sich wieder zurück und starrte die Schokolade an, die vor ihm lag. So viel Ärger wegen sowas. Die Verpackung war pink und in großen roten Lettern stand HappyChoc darauf. Er mochte diese Süßigkeit. Und er wollte davon nichts abgeben. Er nahm sie in die Hand. Gerade als er die Verpackung aufreißen wollte, fiel sein Blick auf die Schuhe neben dem Tisch. Sie waren pink, wie die Verpackung des Schokoriegels und gehörten zu dem ersten Fach der Reihe. Sakura stand in schwungvollen Buchstaben auf dem Namensschild. Das Fach gehörte dem kleinen neuen Mädchen mit dem Haarband, das immer so traurig aussah. Sasuke hielt inne. Kiba hat mir erzählt, dass seine Schwester immer Schokolade isst, wenn sie traurig ist, und dann geht es ihr besser. Verdammt. Sasuke sah auf die Schokolade, dann wieder auf das Schild mit Sakuras Namen darauf und wieder auf die Schokolade. Oh man. Es hatte keinen Zweck. Er wollte zwar wirklich gerne die Schokolade essen, aber er wollte auch wirklich nicht, dass sie noch traurig war. Das war blöd. Vor allem wenn er ihr mit dem Schokoriegel so einfach helfen konnte. Der Schwarzhaarige begann zu überlegen, wie er ihr die Schokolade geben könnte. Doch allein bei dem Gedanken daran sich vor sie zu stellen und sie ihr persönlich zu überreichen wurde ihm ganz anders. Nein, das musste anders gehen. __________________________________________________________________ „Was machst du da?“ Sasuke zuckte zusammen. Hinter ihm stand Naruto und schaute ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem misstrauischen Gesichtsausdruck an. „Pssst!“, machte er und hob einen Finger an seine Lippen. „Sei still, sonst hört sie uns!“ Er zog Naruto zu sich in den Schatten der Treppe und drückte dessen Kopf mit der Hand hinunter, damit sie beide hinter der Balustrade verschwanden. Der Blonde grummelte. „Was soll das Sasuke?“ „Sei endlich still!“ antwortete dieser und reckte sich ganz vorsichtig, um Sakura wieder beobachten zu können, die an ihrem Fach stand und ihr Bento wieder einpackte. Narutos Kopf schob sich neben seinen. „Was gucken wir da?“ fragte er. Sasuke zeigte mit dem Finger vorsichtig auf Sakura. „Du hast gesagt, Schokolade hilft, wenn man traurig ist, stimmts?“ Naruto schaute ihn verwundert an, nickte dann aber. „Okay, gut“, beendete Sasuke das Gespräch, Narutos fragenden Gesichtsausdruck ignorierend. Er wandte den Kopf wieder Sakura zu und kurz darauf tat Naruto es ihm nach. „Ich verstehs nicht“, flüsterte Naruto Sasuke nach einigen Sekunden ins Ohr. „Was hat das mit Sakura zu tun?“ Sasuke verdrehte die Augen. „Sie ist traurig, also hab ich ihr meinen Schokoriegel heimlich in die Tasche gesteckt. Und jetzt sei still! Ich will sehen, ob es hilft.“ Naruto bekam große Augen und wollte schon wieder etwas sagen, aber Sasuke hob ihm die Hand vor den Mund und sah ihn warnend an. Mit der anderen Hand zeigte er wieder auf Sakura, die gerade den pinken Schokoriegel aus ihrer Tasche gezogen hatte. Beide Jungs schauten nun die gespannt die Rosahaarige an. Sie konnten sehen, wie sie die Schokolade in ihrer Hand erst verwundert anblickte und sich dann umschaute, ob jemand in der Nähe war. Sasuke und Naruto duckten sich automatisch. Als ihr niemand aufzufallen schien, ging sie ein paar Schritte. „Hallo? Ist da wer?“, konnten sie ihre Stimme vernehmen. Die beiden hielten instinktiv die Luft an. „Hallo?“ ertönte ihre Stimme noch einmal, diesmal etwas lauter. Und sie bewegte sich auf die Treppe zu! Sasuke spürte wie sein Herz immer schneller schlug und er anfing zu schwitzen. Sie würde sie erwischen! Er sah zu Naruto hinüber, der ihn panisch anblickte und dem es offensichtlich genauso ging. „Sakura“, erklang da auf einmal eine Stimme. Die Schritte der Rosahaarigen verstummten und dafür kamen neue, schnellere hinzu. „Ino“, hörten sie Sakura sagen. „Schau was in meiner Tasche war.“ Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille. „Wow, der sieht ja lecker aus!“, hörten sie Ino antworten. „Hat dir den dein Papa eingepackt?“ „Ich weiß es nicht“, hörten sie die unsichere Antwort von Sakura. „Ich glaube nicht, ich bekomm nie Schokolade für den Kindergarten.“ „Mmmh“, sagte Ino. „Das ist komisch. Aber iss ihn doch! Und frag deinen Papa nachher, wenn er kommt.“ Naruto und Sasuke hörten daraufhin erstmal nichts mehr. „Okay“, sagte Sakura schließlich und sie hörten das Rascheln des Schokoladenpapiers. Langsam beruhigte sich der Herzschlag von Sasuke wieder. Das war knapp gewesen! Noch ein paar Schritte und sie hätte sie entdeckt! Er holte kurz tief Luft, um sich zu beruhigen. Dann stellte er sich wieder etwas auf und lugte über den Rand der Treppe zu den beiden Mädchen hinüber. Sakura und Ino standen ein paar Schritte von der Treppe entfernt. Sasuke konnte von Ino nur den Rücken erkennen, aber Sakura sah er ganz klar. Sie biss gerade in den Schokoriegel hinein. Es vergingen einige Augenblicke, aber dann erhellte ihr Gesicht sich plötzlich und sie strahlte Ino an. „Ino! Das musst du probieren, es ist so lecker! Mmmh!“ „Ja?“ „Ja!“ nickte Sakura eifrig und nahm noch einen großen Bissen, bevor sie den Riegel an ihre Freundin weitergab. „Nimm.“ Ino probierte, und auch sie schien den Riegel lecker zu finden. „Der schmeckt echt richtig gut!“ Sie gab Sakura den Riegel wieder, die das letzte Stück mit einem Happs verschlang. „Puh, das war lecker“, seufzte sie. Und zum ersten Mal an diesem Tag sah Sasuke wie sie lächelte. Ein Ziehen an seinem Oberteil holte ihn aus seinen Gedanken. Es war Naruto. „Was ist?“ fragte Sasuke ihn, während die beiden Mädchen das Foyer verließen und wieder in den Gruppenraum spazierten – fröhlich lachend. „Hat es funktioniert?“ wollte er wissen. Sasuke grinste breit und nickte stolz. Und auch auf Narutos Gesicht zeigte sich ein Lächeln, das jedoch nur von kurzer Dauer war. „Was hast du?“ Sasuke konnte sehen, wie sein Gegenüber ernst wurde. Plötzlich sprang Naruto auf und boxte ihn gegen die Schulter. „Aua! Was soll denn das?“, rief Sasuke aus und schaute ungläubig. „Das ist für das Usuratonkachi und das Baka, du – du Teme!“ Naruto stand mit erhobener Faust vor ihm und blickte ihn wütend an. Doch dann schlich sich ein fettes Grinsen auf sein Gesicht und er fing an laut zu lachen. Und obwohl Sasuke nicht wusste wieso, stimmte er mit ein. __________________________________________________________________ 25. Februar – Heute „Sasuke-kun!“ Er hob den Kopf und sah Sakura, die winkend auf ihn zugelaufen kam. „Guten Morgen!“ Sie strahlte ihn an. „Morgen“, grüßte er zurück. „War ja klar, dass Naruto noch nicht da ist, er schafft es jeden Tag fast den Schulbus zu verpassen.“ Sie stellte sich neben ihn und begann unruhig mit einer Fußspitze auf den Boden zu klopfen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Als sie bemerkte, dass er sie beobachtete hatte, wurde sie ein bisschen rot und versuchte zwanghaft in eine andere Richtung zu schauen. Sein Grinsen wurde breiter. „Wenn du ihn haben möchtest, dann musst du mich wenigstens anschauen.“ Ihr ganzer Körper spannte sich an und als sie ihren Kopf mechanisch zu ihm drehte, war sie knallrot und schaffte es kaum Blickkontakt aufzubauen. Ihre Augen wanderten unruhig hin und her, bevor sie schließlich kurz tief Luft holte und ihm in die Augen schaute. Sie sahen noch genauso aus wie damals, groß und grün, nur das rote Haarband fehlte. Und auch 13 Jahre später fiel es ihm manchmal immer noch schwer sich in solchen Momenten anständig zu artikulieren und bei Verstand zu bleiben. Er räusperte sich. „Hier.“ Und reichte ihr einen pinken Schokoriegel mit einer roten Schrift darauf. HappyChoc. Ihr angespannter Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein Strahlen, das der Sonne Konkurrenz machte, und Sasuke war es immer noch schleierhaft, wie ein so kleines Stück Schokolade sie so glücklich machen konnte. Sie nahm ihm die Süßigkeit aus der Hand. „Vielen Dank!“ Innerhalb kürzester Zeit war die Schokolade vernichtet und Sakura stand selig lächelnd neben ihm. Ihre Blicke trafen sich kurz, woraufhin beide betreten wieder in die andere Richtung blickten. „Da kommt der Bus“, meinte Sasuke dann. „Und da Naruto“, fügte Sakura hinzu, in die andere Richtung blickend. „Beeil dich! Sonst fährt er ohne dich!“, brüllte sie dem Blonden in einer orkanartigen Lautstärke entgegen, während sie langsam einstiegen. Naruto begann schneller zu rennen und schaffte es gerade noch sich zwischen die Türen zu quetschen, bevor der Busfahrer sie schloss und der Bus losfuhr. „Das war wie immer knapp, Naruto! Wann lernst du es endlich mal? Geh früher los“, mahnte Sakura ihn mit ihrer Lehrerinnenstimme. „Jaja“, schnaufte der Angesprochene und schaffte es kaum gerade zu stehen. Sasuke lachte leise. „Was ist daran so witzig - schnauf - Teme, ich hab fast den Bus verpasst!“ Naruto funkelte seinen Freund böse an. „Du lernst es auch nie Usuratonkachi, oder?“ Jetzt stimmte auch Sakura in Sasukes Lachen ein. Der Uzumaki richtete sich auf. „Tzzz“, machte er. „Mit besten Freunden wie euch braucht man echt keine Feinde!“ Dann grinste er plötzlich diabolisch. „Wo wir eigentlich schon dabei sind… Heute ist doch der 25. Februar oder? Habt ihr eurer alljährliches perverses Schokoladen-Geschenke-Ding eigentlich schon abgezogen?“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. Die erhoffte Reaktion setzte sofort ein. Sakura wurde knallrot und schaute verlegen zur Seite, während Sasuke entnervt zur Busdecke aufsah und sich mal wieder fragte, wieso ausgerechnet Naruto derjenige gewesen war, der ihn damals auf der Treppe angesprochen hatte. „Halt die Klappe, Usuratonkachi!“ „Wieso? Ist doch süß. Normale Leute haben den Valentinstag. Aber ihr habt sogar euren eigenen Tag!“ „Ich schwörs dir Naruto, sei endlich still!“ „Was? Ich sag doch gar nichts! … Nur dass eure Beziehung nicht klar definiert ist. Ich mein was seid ihr, Freunde mit Schokoladenvorzügen?“ Sasuke wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er eine unheilvolle Aura neben sich spürte und vorsorglich einen Schritt zur Seite machte. Kurz darauf klebte Naruto an der Fensterscheibe des Busses und Sakura schnaubte, während sie mit knallrotem Kopf und knacksenden Knöcheln neben ihm stand. Also alles wie immer eigentlich. __________________________________________________________________ „Ich versteh das einfach nicht.“ Mikoto Uchiha stand in ihrer Küche und hatte eine rosa Packung in der Hand. „Was verstehst du nicht?“ Ihr ältester Sohn Itachi schaute von seiner Zeitung auf. „Das hier!“ Sie hielt ihm die Packung vor die Nase. „Jedes Jahr taucht eine von denen auf, immer um die gleiche Zeit und ich bin ganz sicher nicht diejenige, die sie kauft.“ Sie runzelte die Stirn und schaute sich den Gegenstand in ihrer Hand genauer an. „Die habe ich früher doch immer für Sasuke gekauft. Aber ich gebe sie ihm seit Jahren nicht mehr in seinem Bento mit.“ Sie öffnete die Packung. „Ha!“, sagte sie. „Und jedes Jahr fehlt genau ein Riegel.“ Sie überlegte kurz. „Aber das ergibt einfach keinen Sinn. Die isst doch keiner mehr von euch.“ „Das stimmt nicht.“ Itachi legte die Zeitung zur Seite und stand auf. Er nahm seiner Mutter die Packung aus der Hand und holte sich einen Riegel heraus. „Ich esse sie. Jedes Jahr. Um die gleiche Zeit. Die ganze Packung – bis auf einen.“ Und er grinste seine Mutter vielsagend an. Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)