After the War von Morwen (Geralt x Iorweth) ================================================================================ Das Eis war gebrochen. Welchen Groll Iorweth auch immer gegen ihn gehegt haben mochte, er schien sich endgültig in Luft aufgelöst zu haben. In den nächsten Tagen trafen sie sich regelmäßig zu den Mahlzeiten und tauschten sich über die Ereignisse der letzten Jahre aus. Iorweth erzählte, wie es ihm seit dem Krieg ergangen war, und wie schwer es trotz des brüchigen Friedens war, einen Lebensraum für sich und seine Leute zu schaffen. Geralt berichtete hingegen von seiner Suche nach Ciri, die ihn durch die halbe Welt geführt hatte, bis er sie schließlich auf Skellige wiedergefunden hatte. Iorweths Blick verdüsterte sich, als Geralt von seinem Treffen mit Vernon Roche erzählte, der ihm im Kampf gegen Eredin beigestanden hatte, und füllte sich mit Mitgefühl, als er von der Schlacht von Kaer Morhen berichtete. „Ich habe gehört, was mit deinem Mentor passiert ist“, sagte er leise. „Es tut mir leid.“ „Das muss es nicht“, erwiderte Geralt, ohne ihn dabei jedoch anzusehen. Es verging kaum ein Tag, an dem er Vesemir nicht vermisste. „Wir alle kannten das Risiko, als wir in die Schlacht zogen. Es war unvermeidlich, dass es Opfer geben würde.“ Iorweth nickte nur; er wusste besser als jeder andere, wovon Geralt sprach. „Und jetzt ist Ciri die offizielle Erbin des Throns von Nilfgaard.“ Geralt lachte leise. „Wenn Vesemir sie nur sehen könnte...“ Die junge Frau besuchte ihn hin und wieder, wenn ihr streng geregelter Tagesablauf es zuließ. Oft waren es spontane, nur sehr kurze Treffen, doch Geralt freute sich nichtsdestotrotz über jeden Moment, den er mit seiner Ziehtochter verbrachte. Es tat gut zu sehen, dass selbst Emhyrs hohe Ansprüche an sie ihr die Lebensfreude nicht hatten nehmen können. „Vermisst du sie?“, fragte der Elf. „Ständig“, entgegnete Geralt. „Doch ich respektiere die Entscheidung, die sie getroffen hat, und sehe die Chancen, die sie mit sich bringt. Ich denke, Ciris Einfluss wird sich mit der Zeit deutlich bemerkbar machen. Sie leistet Emhyr auf jedem Schritt des Weges Widerstand und zwingt ihn zu Kompromissen, die er ohne sie nie eingegangen wäre.“ „Hmm“, machte Iorweth nachdenklich. „Vielleicht werden meine Leute und ich doch noch zu einer fairen Einigung mit Nilfgaard kommen, wenn ihr Einfluss auf ihn so groß ist.“ „Ja“, erwiderte Geralt. „Das hoffe ich auch.“   Und dann gab es die Nächte, in denen Geralt wieder bewusst wurde, warum er lieber allein war – Nächte, in denen sich seine Erinnerungen mit den Schreckensvisionen mischten, die sein Bewusstsein erschuf, und er manchmal bis zum Morgengrauen von Alpträumen geplagt wurde. Zugegeben, jene Nächte waren immer seltener geworden, seitdem die Jagd besiegt war, doch die Träume waren nicht weniger intensiv und er erwachte stets schweißgebadet und mit rasendem Herzen. Es war eine dieser Nächte, in dem er gerade mit dem Schatten von Imlerith rang, als er plötzlich eine warme Hand an seiner Schulter spürte und eine leise Stimme hörte, die mit ihm sprach. „Du bist in Sicherheit, Geralt“, wiederholte sie immer und immer wieder. „Dir kann nichts passieren.“ Er rang keuchend nach Luft und es dauerte einen Moment, bis die letzten dunklen Erinnerungen an seinen Traum verflogen waren, doch schließlich öffnete er seine Augen. Iorweth, der auf der Kante seines Bettes saß, erwiderte ruhig seinen Blick – und für einen Moment war Geralt so dankbar dafür, dass er da war, dass er nach seiner Hand griff und sie nicht losließ, bevor sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte. Und Iorweth schien zu spüren, wie sehr er den Kontakt benötigte, denn er zog seine Finger nicht fort, sondern wartete geduldig, bis Geralt seine Stimme wiederfand. „Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe“, murmelte er schließlich. Barnabas hatte ihm mal erzählt, dass er oft im Schlaf schrie, wenn die Alpträume wieder kamen. Doch Iorweth schüttelte nur den Kopf. „Das muss es nicht“, erwiderte er. „Ganz im Gegenteil. Nach allem, was du durchgemacht hast, wäre es ein Wunder gewesen, wenn du ohne Trauma daraus hervorgegangen wärst.“ Geralt rieb sich erschöpft die Augen. „Ich habe mich in meinem ganzen Leben nie so hilflos gefühlt wie in den Momenten, in dem die Jagd auftauchte“, gestand er dann mit leiser Stimme. „Ich habe Monstern ins Gesicht gesehen, deren Anblick jedem anderen den Verstand geraubt hätte, doch nichts hat mir je eine solche Angst eingejagt, wie Eredin und seine Anhänger. Und ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, die Konfrontation zu überstehen, wäre nicht meine Sorge um Ciri gewesen.“ Er erinnerte sich noch deutlich an das pure Grauen, das er empfunden hatte, wann immer plötzlich die Erde gefroren war und die Luft sich rapide abgekühlt hatte – die ersten Vorboten der Jagd. Bevor er herausgefunden hatte, wer Eredin war und welche Ziele er verfolgte, waren ihm die gigantischen Krieger der Jagd wie gesichtslose Götter erschienen, die regungslos auf all das Leid und die Zerstörung herabsahen, die sie verursacht hatten. Er hatte sich wie ein Spielball der Mächte gefühlt, unfähig, gegen sein Schicksal aufzubegehren und sich zu verteidigten. Und es war diese schreckliche Hilflosigkeit, die er jedes Mal wieder spürte, wenn die Träume zurückkehrten. Geralt mochte als Sieger aus dem Kampf gegen die Jagd hervorgegangen sein, doch die Angst, die ihre Krieger verbreitet hatten, saß ihm noch immer zu tief in den Knochen, als dass er so schnell Ruhe finden würde. „Und doch hast du sie überstanden“, sagte Iorweth. „Du hast Kreaturen bezwungen, die die meisten Leute nur für eine Legende hielten, und du hast der Angst dabei nicht nachgegeben. Wenn das nicht von Stärke zeugt, dann weiß ich auch nicht, was es ist.“ Geralt spürte, dass er seine Worte ernst meinte, und schenkte ihm ein schwaches, aber dankbares Lächeln. Iorweth hatte Recht. Eredin war tot, dafür hatten Geralt und Ciri und all ihre Freunde und Verbündeten, die sie im Kampf unterstützt hatten, gesorgt. Die Wilde Jagd würde nie wieder Unschuldige terrorisieren. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass der Elf immer noch seine Hand hielt, doch aus irgendeinem Grund störte es ihn nicht. Ganz im Gegenteil, die Nähe beruhigte ihn, und nach einer Weile fielen ihm wieder die Augen zu und er sank in einen tiefen und traumlosen Schlaf.   Als er das nächste Mal die Augen aufschlug, war Iorweth nicht mehr da. Doch auch die Angst war endgültig verschwunden, und mit einem Gefühl von Wärme und Sicherheit war Geralt bald darauf wieder eingeschlafen. Mit jedem Tag, der verging, schien die Spannung zwischen ihnen zuzunehmen. Sie machte sich nicht in Worten bemerkbar, zeigte sich jedoch deutlich in Blicken und Gesten... und in Berührungen. Manchmal war es nur eine Hand auf der Schulter, manchmal die flüchtige Berührung ihrer Finger beim Essen. Jeder körperliche Kontakt war elektrisierend, und der Art nach zu schließen, wie sich Iorweths Auge dabei jedes Mal verdunkelte, schien es dem anderen ähnlich zu ergehen, wie Geralt. Der Hexer spürte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich die Spannung zwischen ihnen entladen würde, und allein bei dem Gedanken daran durchfuhr ihn ein wohliger Schauer. Im gleichen Maße, wie Iorweths Kräfte zurückkehrten, kehrte auch sein Tatendrang zurück. Er wusste, dass es zu riskant war, das Haus zu verlassen, aber es wurde für ihn mit jedem Tag unerträglicher, dieselben Wände anzustarren und darauf zu warten, dass seine Wunde halbwegs verheilt war. Schließlich hielt es Geralt nicht länger aus, dem Elf dabei zuzusehen, wie er ruhelos durch das Haus streifte, wie ein Tiger im Käfig, und eines Abends nach dem Essen hatte er schließlich genug. „Lust auf einen Ausflug?“, fragte er, nachdem sie ihre Teller geleert hatten. Iorweth warf ihm einen überraschten Blick zu, doch er fing sich schnell wieder und schenkte ihm ein schwaches, aber aufrichtiges Lächeln. „Definitiv.“ Und so machten sie sich wenige Minuten später auf den Weg und verließen das Haus durch den Hintereingang, um mit den Schatten der Olivenbäume zu verschmelzen, die um das Herrenhaus herum angepflanzt waren. Es war eine warme Nacht, und nach einer halben Stunde Fußweg durch die dunklen Weinberge erreichten sie schließlich eine Anhöhe, von der aus sie einen guten Blick über die vom Mondlicht erhellte Landschaft hatten. In der Ferne waren die Lichter von Beauclair zu sehen, das in der Dunkelheit strahlte, wie ein leuchtendes Juwel, und selbst Geralt musste zugeben, dass das nächtliche Toussaint einen atemberaubenden Anblick bot. Iorweth schwieg, während er den Blick über das Land schweifen ließ. „Weißt du, Gwynbleidd“, sagte er schließlich leise, „ich glaube, ich verstehe endlich, wieso du dich entschlossen hast, zu bleiben. Es gibt weitaus schlechtere Rückzugsorte, als diesen.“ Geralt warf ihm einen milde amüsierten Blick zu. „Und ich dachte, es steckt kein Funken Romantik in dir“, entgegnete er. Iorweth schnaubte. „Oh, sei still.“ Sie machten es sich im weichen Gras gemütlich und Geralt holte den Wein hervor, den er mitgenommen hatte. Während sie die Flasche zwischen sich hin- und herwandern ließen und abwechselnd daraus tranken, erzählten sie sich Anekdoten von ihren zahllosen Reisen. Bei Geralts Geschichten von seinen Abenteuern mit Eskel bei einem ihrer ersten Aufträge als Hexer musste selbst der stets so ernste Elf schmunzeln. Und als sie schließlich auf vergangene Liebhaber zu sprechen kamen, konnte sich Geralt bei der Schilderung eines besonders feuchtfröhlichen Abenteuers, das Iorweth ihm mit absolut ungerührter Miene erzählte, nicht länger zurückhalten und brach in lautes Gelächter aus. „Dein Gesicht am nächsten Morgen hätte ich nur zu gern gesehen“, kommentierte er grinsend und nahm die Flasche von dem Elf entgegen. Iorweths Mundwinkel zuckten. „Vielleicht kannst du das ja noch“, erwiderte er und hob vielsagend seine Augenbraue. Zum Glück hatte Geralt in diesem Moment den Wein in der Hand und nahm einen Schluck, um nicht antworten zu müssen. Doch sein Herz schlug plötzlich schneller, und er wurde den absurden Gedanken nicht los, dass auch Iorweth es hören konnte. Der Elf warf ihm einen Blick zu, in dem sich die verschiedensten Emotionen widerspiegelten. Dann nahm er Geralt langsam die Flasche aus der Hand und trank den restlichen Wein in einem Zug aus. Mit mehr Anmut, als Geralt es ihm nach all dem Wein zugetraut hätte, erhob sich Iorweth und blickte auf ihn herab. „Lass uns zurückkehren“, sagte er mit einer Stimme, die Geralt einen nicht unangenehmen Schauer über den Rücken jagte, und er beeilte sich, auf die Füße zu kommen und dem anderen zu folgen.   Später sollte er den Alkohol und die besondere Stimmung des Abends dafür verantwortlich machen, doch tief im Inneren wusste Geralt, dass es mehr war als das. Für einen Augenblick war er wieder in Vergen, zurückgeworfen in der Zeit, doch dieses Mal wusste er genau, was er tat, als er Iorweths Hand nahm, kaum dass sie das Haus betreten hatten, und ihn zu seinem Bett führte. Der schlanke, aber muskulöse Oberkörper und die zahlreichen Narben, über die seine Fingerkuppen geisterten, waren ihm bereits bekannt, ebenso wie die Tätowierung, die er langsam mit den Lippen nachfuhr, und die sich kunstvoll um eine Brustwarze wand, bis sie knapp über der Hüfte des Elfs endete. Doch wie damals wollte Iorweth nicht verwöhnt oder gar mit Samthandschuhen angefasst werden. Er wollte bezwungen werden, wie die Ungeduld, mit der er Geralt und sich selbst von seinen Sachen befreite und den anderen aufs Bett zog, nur zu deutlich bewies. Und Geralt hatte nicht vor, ihn lange warten zu lassen. Er kletterte über ihn auf das Bett und tat endlich das, wovon er schon seit Tagen geträumt hatte – er nahm das Gesicht des anderen in seine Hände und küsste ihn. Ihrem ersten, wirklichen Kuss nach all dieser Zeit fehlte jede Zärtlichkeit, stattdessen war es ein Kampf um Dominanz, den Iorweth trotz seiner unterlegenen Position nicht so schnell aufgab. Er biss Geralt kräftig genug auf die Unterlippe, dass der andere überrascht aufkeuchte, und nutzte den Moment anschließend, um die Zunge in Geralts Mundhöhle zu schieben. Dem Kuss fehlte jede Finesse, doch für Geralt war er absolut perfekt. Dies war Iorweth, wie er leibte und lebte: ohne sich zu verstellen, und ohne dass ein Krieg oder verschiedene Ideale zwischen ihnen standen. Ehrlicher als in diesem Moment würden sie nie miteinander sein, und Geralt hatte vor, diese kostbare Zeit gut zu nutzen. Während der andere mit den Fingernägeln über seinen Rücken kratze und ihn damit ungeduldig aufforderte, endlich zur Sache zu kommen, ließ sich Geralt Zeit damit, Iorweths Hals und Schultern zu küssen und rote Male auf seiner Haut zu hinterlassen. Jeder sollte die Markierungen sehen und erkennen, wem Iorweth in dieser Nacht gehört hatte. Mein, dachte Geralt, als er sein Werk schließlich vollendet hatte, und hob den Kopf, um den Elf erneut hungrig auf den Mund zu küssen. Dann stöhnte er überrascht auf, als Iorweth eine Hand zwischen ihre Körper schob und sich lange, kräftige Finger um sein Glied schlossen. „Komm schon...!“, murmelte der Elf. „Lass mich dich endlich spüren!“ „...herrisch wie immer“, entgegnete Geralt mit rauer Stimme und lachte auf. Doch trotz Iorweths Ungeduld ließ er sich nicht hetzen, als er sich zu dem Schrank neben seinem Bett hinüberlehnte und eine Phiole mit Öl hervorholte. Er küsste den Elf auf den Mund, sanft und warm, und entlockte ihm ein leises "Mmmh",  während er seine Finger mit dem Öl benetzte, bevor seine Hand zwischen seine Schenkel glitt und den anderen vorsichtig penetrierte. Iorweth biss die Zähne zusammen und sein Gesicht verzog sich vor Unbehagen, als Geralt seine Finger behutsam tiefer in ihn schob und den engen Muskel nach und nach dehnte. „Das letzte Mal ist schon eine Weile her, hm?“, fragte Geralt leise und küsste seine verschwitzte Schläfe, während der andere Mann sich zwang, sich zu entspannen, um ihm das Eindringen zu erleichtern. Doch es war kein Spott in seiner Stimme, was vermutlich der einzige Grund war, weshalb ihm Iorweth als Antwort auf seine Frage kein blaues Auge verpasste. Stattdessen bäumte sich der Elf wenige Minuten später auf, als Geralts Finger einen besonders empfindlichen Punkt in ihm streiften, und der Hexer lächelte wie ein Raubtier, das die Witterung neuer Beute aufgenommen hatte. Von da an wurde es einfacher, ihn vorzubereiten, und der gepeinigte Ausdruck auf Iorweths Gesicht verschwand nach einer Weile und machte absolut ungebändigter Lust Platz. Als Geralt sich schließlich zurückzog, um die Beine des anderen auf seine Schultern zu heben und vorsichtig in ihn einzudringen, war von seiner Selbstbeherrschung nur noch ein kläglicher Rest übriggeblieben. Sie hatten den Punkt, an dem die Vernunft ihre Handlungen diktierte, schon lange hinter sich gelassen und wurden von purem Instinkt angetrieben, als sie sich schließlich im altbekannten Rhythmus zu bewegen begannen. Während Geralt langsam aber tief in den Körper des Elfen stieß, saugten seine Augen jedes Detail auf, das sich ihm bot: das vernarbte Gesicht, das trotz seiner Makel noch immer so ausdrucksstark war, das Leuchten in dem moosgrünen Auge, wann immer sich ihre Blicke trafen, die flache, schweißbedeckte Brust, die Röte in seinem Gesicht. Er hätte es niemals gewagt, ihn schön zu nennen – nicht, ohne dabei selbst den Verlust eines Auges zu riskieren – doch der Elf unter ihm war eines der attraktivsten und faszinierendsten Geschöpfe, denen er jemals begegnet war, und Geralt wünschte, dieser Moment würde nie vergehen. Doch schließlich konnte er seinen Höhepunkt nicht länger hinauszögern, und während Iorweth nach einem besonders kraftvollen Stoß mit einem heiseren Stöhnen kam, legte Geralt den Kopf in den Nacken und ergoss sich wenig später tief in ihm. Für einen Augenblick schienen Blitze hinter seinen geschlossenen Augenlidern aufzuflimmern, so überwältigend war die Erfahrung. Doch schließlich wurde er wieder Herr seiner Sinne, und er zog sich vorsichtig aus dem anderen zurück und sank schwerfällig neben ihm aufs Bett. Schweigend schlang er einen Arm um Iorweth und vergrub das Gesicht an seinem Hals, bis ihre Herzen wieder im Einklang schlugen. Es sollte lange dauern, bis sie die Kraft fanden, um sich zu erheben und sich notdürftig zu säubern, doch schließlich zog Geralt die Decke über sie und eng aneinandergeschmiegt schliefen sie ein. Als Geralt am nächsten Morgen erwachte, war er allein, und die Seite des Bettes, auf der der Elf gelegen hatte, war schon lange kalt. Er hätte damit rechnen sollen – er hatte Iorweth schließlich angeboten, zu gehen, wann immer er es wünschte – aber obwohl es nicht das erste Mal war, dass er auf diese Weise sitzengelassen wurde, tat es doch verdammt weh. Denn für einen kurzen, aber entscheidenden Moment hatte Geralt geglaubt, dass sie mehr miteinander geteilt hatten, als nur das Bett. Doch wie es aussah, hatte er sich geirrt. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er den Willen und die Energie fand, sich zu erheben. Marlene begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln, als Geralt wenig später in die Küche schlurfte. Falls sie sein nächtliches Abenteuer mit angehört hatte, ließ sie es sich nicht anmerken, und Geralt war froh, nicht erneut daran erinnert zu werden. Der Tag schien quälend langsam zu vergehen, und als die Sonne schließlich ihren höchsten Stand erreichte, fehlte von Iorweth noch immer jede Spur. Geralt fing gerade damit an, sich mit dem abrupten Ende der ganzen Affäre abzufinden, als er plötzlich spürte, wie sein Medaillon zu vibrieren begann. Aus Erfahrung wusste er, dass dies nur eines bedeuten konnte, und mit einem Gefühl freudiger Erwartung erhob er sich von seinem Sitz. „Hallo Ciri“, begrüßte er die junge Frau, als er in den Garten hinaustrat. „Geralt!“, erwiderte sie strahlend, und dann flog sie lachend in seine Arme, ganz wie früher, als sie ihm noch nicht einmal bis zum Bauchnabel gereicht hatte. Erbin des Imperiums hin oder her, manche Dinge würden sich nie ändern, und Geralt war dankbar dafür. Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten, trat er einen Schritt zurück und musterte sie anerkennend. „Du siehst gut aus“, sagte er, und er meinte es auch so. Sie war gesund und wirkte zufrieden und im Einklang mit sich selbst, wenn auch etwas erschöpft, was für jemanden in ihrer Position vermutlich dazugehörte. „Danke“, entgegnete sie lächelnd und strich sich eine Strähne ihres aschfarbenen Haares hinters Ohr. „Was macht dein Unterricht?“, fragte Geralt. „Frag nicht.“ Sie seufzte leise. „Ich schwöre, wenn ich noch einen einzigen Gesetzestext lesen muss, platzt mir der Schädel.“ „Noch kannst du dir das mit dem Thron überlegen“, erinnerte Geralt sie. „Du weißt, wo du mich findest, wenn du die Nase voll hast und lieber Monster jagen willst.“ Ciri lachte auf. „Ja, das weiß ich“, sagte sie, dann wurde ihre Stimme leiser, sanfter. „Und genau deshalb kann ich es nicht tun.“ Er nickte. Er wusste, dass er sie nicht überreden konnte, mit ihm zu gehen, doch das änderte nichts daran, dass er sie trotzdem bei jedem ihrer Besuche fragte. Vielleicht auch, weil er spürte, dass Ciri es von ihm erwartete. „Geralt...“ Plötzlich senkte sie den Kopf und nahm seine Hand in die ihre. „So sehr es mich freut, dich zu sehen, so gibt es doch auch einen Grund, weshalb ich hier bin.“ Geralt drückte kurz ihre Finger. „Es ist Emhyr, oder?“, fragte er. Überrascht sah sie ihn an. „Woher wusstest du, dass er dich sprechen will?“ Geralt warf einen Blick zu dem Fenster hinauf, von dem aus Iorweth häufig auf den Hof hinabgesehen hatte. „Ich hatte da so eine Ahnung...“ „Es wird nicht lange dauern“, versprach sie. „Er sagte, er hätte nur ein paar Fragen an dich.“ Geralt machte ein grimmiges Gesicht. „Dann sollten wir ihn wohl nicht warten lassen.“ „Tut mir leid“, meinte sie und lächelte schief. „Du kennst meinen Vater.“ „Ja“, erwiderte Geralt. „Leider.“ Sie sah ihn mit gespielter Entrüstung an. „Lass ihn das bloß nicht hören.“ „Oh, ich bin mir sicher, er weiß genau, was ich von ihm halte“, murmelte Geralt. Doch dann griff er nach Ciris Händen und nickte ihr zu. „Bereit?“ Sie erwiderte das Nicken. „Bereit.“ Im nächsten Moment waren sie in einem Wirbel von blauem Licht verschwunden.   Einen Atemzug später befanden sie sich in Emhyrs Arbeitszimmer. „Hexer.“ Oh ja. Wenn Geralt im letzten Jahr eines nicht vermisst hatte, dann war es die befehlsgewohnte, unterkühlte Stimme des Kaisers von Nilfgaard. „Eure Hoheit“, erwiderte er nicht minder frostig und neigte kurz den Kopf. Er hatte sich schon damals nicht vor Emhyr verbeugt und er würde jetzt gewiss nicht damit anfangen. „Ihr habt mich rufen lassen.“ Ciri warf ihm einen flüchtigen Blick zu, doch sie wich nicht von seiner Seite, und ihre Nähe beruhigte Geralt und nahm ihm die Anspannung. Emhyr faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch, während sein Blick von Geralt zu Ciri und wieder zurück wanderte. „Mich erreichte heute Morgen ein Bericht“, sprach er schließlich, „von einem Gefangenentransport, der auf dem Weg nach Nilfgaard in Toussaint von einem Basilisken angegriffen wurde. Der Bericht nennt dich als Zeugen. Ist das korrekt?“ „Ja, Eure Hoheit.“ Emhyrs Augen verengten sich für einen Moment. „Was genau hast du beobachtet?“, fragte er dann. Geralt überlegte kurz. „Nicht viel. Als ich ankam, war der Kampf bereits vorüber“, erzählte er. „Die Soldaten waren tot, der Käfig zerstört und von dem Gefangenen fehlte jede Spur. Ich sah mich für eine Weile um, doch da die Straße eine vielbefahrene Reiseroute ist, auf der sich zahllose Spuren häufen, blieb meine Suche ohne Erfolg, darum kehrte ich schließlich nach Corvo Bianco zurück.“ Emhyr nickte. „Du hattest also keinen Kontakt zu dem Gefangenen?“ „Nein, Eure Hoheit.“ „Wusstest du, wer er war?“ Wenn er eines schon sehr früh im Leben gelernt hatte, dann war es zu lügen, ohne dabei rot zu werden. Danke, Vesemir. „Nein, Eure Hoheit.“ „Dir war also nicht bewusst, dass es sich dabei um Iorweth, einen der Kommandanten der Scoia'tael während des Krieges gehandelt hat?“, bohrte Emhyr weiter. Geralt antwortete nicht sofort, damit seine Überraschung über diese „Neuigkeit“ überzeugender wirkte. „Nein, Eure Hoheit“, erwiderte er schließlich. Emhyr runzelte die Stirn. „Man erzählte mir, du warst mit ihm verbündet und bist für einige Zeit mit ihm zusammen gereist.“ „Das ist korrekt, Eure Hoheit“, entgegnete Geralt. „Bist du dir absolut sicher, dass du seinen momentanen Aufenthaltsort nicht kennst?“ Dieses Mal musste er nicht einmal lügen. „Ja, Eure Hoheit“, antwortete er, und etwas in Emhyrs Blick sagte ihm, dass der andere ihm tatsächlich glaubte. Dann fügte er hinzu: „Ich habe ihn seit dem Ende des Krieges nicht mehr gesehen oder anderweitig Kontakt zu ihm gehabt.“ „Hmm“, machte Emhyr nur und lehnte sich in seinem Sessel zurück, während er Geralt mit seinen kühlen Bernsteinaugen taxierte. „Wie bedauerlich.“ Er war für einen Moment still, doch schließlich nickte er kurz. „Danke für deine Auskunft, Hexer“, sagte er. „Ich habe keine weiteren Fragen.“ Geralt hoffte, dass man ihm nicht zu sehr ansah, wie sehr ihn diese Worte erleichterten. Er neigte den Kopf. „Eure Hoheit.“ Dann sah er zu Ciri hinüber, die nach seiner Hand griff, um ihn zurück nach Toussaint zu teleportieren. Doch bevor sie den Sprung machen konnten, hielt Emhyrs Stimme sie noch einmal zurück. „Hexer“, sagte er. Geralt sah auf. „Eure Hoheit?“ Emhyrs Stimme war ruhig. „Ich hoffe, du weißt, was du tust.“ Das hoffe ich auch. Geralt entging nicht, wie Ciris Mundwinkel kurz zuckte, ganz, als hätte sie seine Gedanken gehört. „Ja, Eure Hoheit.“ Dann waren sie endgültig verschwunden.   Geralt stützte die Hände auf die Knie und atmete tief durch, als sie wenig später wieder im Schatten der Olivenbäume hinter dem Herrenhaus standen. Er hasste Teleportationen, und zwei davon so kurz nacheinander waren eine mehr, als sein Magen vertrug. Er würgte mehrmals, doch es kam nichts heraus, und nach ein paar Minuten ließ die Übelkeit endlich wieder nach. „Besser?“, fragte Ciri mitfühlend, eine Hand auf seinem Rücken. Er nickte schwach. „Ich werde es überleben.“ Dann hob er den Blick und sah sie an. „Meinst du, er hat mir geglaubt?“ Ciri grinste. „Kein einziges Wort.“ Geralt hob überrascht eine Augenbraue. „Warum hat er mich dann einfach so wieder gehen lassen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht, weil es seinen Plänen zugutekommt, wie auch immer sie aussehen mögen“, erwiderte sie. „Vielleicht, weil Iorweth ihm doch nicht wichtig genug ist. Oder vielleicht wollte er auch einfach Gnade walten lassen. – Glaub mir, ich durchschaue ihn ebenso wenig, wie du. Aber mein Vater wird seine Gründe gehabt haben.“ „Hm“, machte Geralt und nickte. Solange er nicht befürchten musste, dass in den nächsten Tagen nilfgaardische Soldaten vor seiner Tür standen, konnten ihm Emhyrs Gründe egal sein. „Weißt du, wo er jetzt ist?“, fragte sie dann. „Iorweth, meine ich?“ Doch Geralt schüttelte nur den Kopf. „Ich habe nicht gelogen. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, wo er steckt. Er war für ein paar Tage hier, doch heute Morgen ist er plötzlich verschwunden.“ „Es tut mir leid, das zu hören“, entgegnete sie sanft. „Ihr wart Freunde, nicht wahr?“ Er dachte an die letzte Nacht zurück – an die Leidenschaft in Iorweths Blick, an die roten Male auf seiner Haut, an die Wärme seines Körpers – und er musste sich auf die Zunge beißen, um nichts zu sagen, was er später womöglich bereut hätte. „So etwas in der Art, ja“, erwiderte er stattdessen, und Ciri, die spürte, dass er nicht näher darauf eingehen wollte, fragte nicht weiter nach. Sie unterhielten sich noch für eine Weile über die Dinge, die sie seit ihrem letzten Treffen erlebt hatten, doch schließlich musste Ciri wieder gehen und sie verabschiedeten sich voneinander. Geralt umarmte sie ein letztes Mal und einen Augenblick später war die junge Frau in einem Funkenregen verschwunden.   So kurz ihre Begegnung auch gewesen sein mochte, das Treffen mit Ciri hatte seine Laune deutlich gehoben. Am Abend saß Geralt schon wieder im Garten, ein Buch in einer Hand und eine Flasche Wein in der anderen. Seine Gedanken schweiften jedoch immer wieder ab und wandten sich bereits dem nächsten Auftrag zu. Auf seinem Rückweg aus Nazair hatte er von einem alten Weingut gehört, auf dem ein Geist sein Unwesen trieb, und es juckte ihn in den Fingern, es genauer zu inspizieren. Er musste kurz weggedöst sein, denn als er wieder erwachte, war ihm das Buch aus der Hand gerutscht und ins Gras gefallen. Von der Flasche Wein fehlte hingegen jede Spur. Benommen setzte er sich auf und sah sich um. „Suchst du das hier?“, hörte er plötzlich eine vertraute Stimme und im nächsten Moment trat eine schlanke Gestalt neben ihn und ließ sich an seiner Seite im Gras nieder. Geralt starrte den anderen Mann an. „Iorweth?!“, entfuhr es ihm ungläubig. Der Elf schenkte ihm einen amüsierten Blick und nahm einen Schluck aus der Flasche. „Das ist immer noch mein Name, ja.“ Geralt schüttelte den Kopf. „Wo um alles in der Welt bis du gewesen? Ich dachte, du wärst... nun... wieder auf dem Heimweg.“ Es fiel ihm schwer, den verletzten Unterton zu verbergen. „Du dachtest, ich hätte dich nach der letzten Nacht ohne ein einziges Wort des Abschieds sitzen lassen“, sagte Iorweth. „Ist das so verwunderlich?“, fragte Geralt. „Nein.“ Der Elf seufzte. „Um ehrlich zu sein, war das auch mein erster Impuls“, gestand er dann. „Wie ich schon sagte: dies ist nicht mein Leben. Doch unsere Unterhaltungen haben mir bewusst gemacht, wie überdrüssig ich des Konfliktes zu Hause bin... und wie sehr ich eine Atempause brauche.“ Er ließ seinen Blick über das vom Licht der untergehenden Sonne beleuchtete Tal schweifen. „Ich habe die hiesigen Scoia'tael kontaktiert und sie gebeten, meinen Leuten im Norden eine Nachricht zukommen zu lassen.“ Geralt runzelte die Stirn. „Was für eine Nachricht?“ „Dass ich wohlauf bin und sich meine Rückkehr um ein paar Wochen verzögern wird, weil ich mich um einige private Angelegenheiten kümmern muss“, erklärte Iorweth. Jetzt war Geralt ehrlich verwirrt. „Private Angelegenheiten?“ „Dich, Geralt“, sagte der Elf geduldig. „Ich meine dich.“ Er trank erneut aus der Flasche und lächelte dann. „Ich kann schließlich nicht gehen, bevor ich dich nicht in jedem Zimmer des Hauses und auf jede erdenkliche Art besessen habe.“ Er sagte es mit so viel Selbstsicherheit, dass Geralt für einen Moment die Kinnlade hinunterfiel. Doch dann klappte er sie wieder zu und holte sich die Flasche von Iorweth zurück, um einen tiefen Schluck – oder vielleicht auch zwei oder drei – daraus zu nehmen. Schließlich wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund, und während das Feuer in seinem Inneren zu neuem Leben erwachte, grinste er. „Herausforderung angenommen.“   Später, als er nackt und erschöpft, aber mit dem befriedigenden Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, in Iorweths Bett lag, erzählte er dem Elf von seinem kurzen Besuch in Nilfgaard und seinem Gespräch mit Emhyr. Und wenn Iorweth ihn ungläubig anstarrte, als er ihm sagte, dass die Nilfgaarder die Suche nach ihm eingestellt hatten, und Geralt anschließend mit überraschender Sanftheit und Zuneigung auf die Lippen küsste, nun... dann ging es niemanden sonst etwas an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)