Melody of Life von Hampelmann ================================================================================ Melody of Life - Oneshot ------------------------ Es war ein Sonntag, wie jeder andere im sommerlichen Namimori. Die Schule, die an den Wochentagen nur so vor Leben strotzte, lag wie ausgestorben da. Trotzdem ging er seine Runden. Manch einer mochte es "ungesunde Obsession" nennen, ein anderer "übermäßiges Pflichtgefühl", doch wirklich durchschauen tat niemand das Mysterium, das Hibari Kyouya war. Dem Jungen könnte es nicht egaler sein. Er begegnete ihren Blicken hart, ungebeugt, und ging weiter seinen eigenen Weg. An wenigen seltenen Sonntagen hatte er schon manch einen wagemutigen Schüler auf dem Schulgelände entdeckt. Verlorene Wetten, Mutproben, Wahnwitz oder einfach nur die Suche nach einem Versteck... er interessierte sich nicht für ihre Gründe. Verjagte sie mit energischen Blicken, die Tonfas schon erhoben. Zuschlagen muss er nur selten, sein Ruf war weithin genug bekannt. Es war ein einsames Leben, das Hibari führte. Als ein kleiner, gelber Vogel sich ihm anschloss, da munkelte manch einer darüber, dass der grausame Junge endlich weich wurde, doch andere wussten längst, dass er ein Herz für kleine Tiere hatte, das man besser nie ansprach, wenn einem das eigene Herz lieb war. Es änderte wenig an Hibaris Routine, oder seiner Freundlichkeit, außer dem Anblick, denn der kleine Vogel war nicht selten auf seinem Kopf oder seiner Schulter oder sonst irgendwo in direkter Nähe des Jugendlichen zu finden. Es machte nur die Sonntage etwas weniger einsam, wenn Hibari durch die leeren Schulflure streifte, und der kleine Piepmatz ihm hinterher flatterte, oder voraus den Weg auskundschaftete. Es machte die widerhallenden Gänge weniger still, wenn das kleine Tier seine Liedchen trällerte. (Vielleicht, denn es würde nie jemand erfahren, erlaubte Hibari sich in diesen Augenblicke ein entrücktes Lächeln. Vielleicht wusste er selbst nicht einmal, was dieses Zupfen an seinem Mundwinkel bedeutete.) An diesem bestimmten Sonntag also nun führte es Hibari gerade um das Schulgebäude herum. Auch im Schatten des Gemäuers duldete er keine Hausierer, und die Sporthallen mussten Sonntags ebenfalls verwaist daliegen. Manch ein Verrückter meinte es bisweilen austesten zu müssen, der Sport wichtiger als das eigene Leben scheinbar, doch Hibari Kyouya fand sie alle. Hibird, sein geflügelter Begleiter, schien die Routine inzwischen verstanden zu haben. Als der kleine Vogel also aufgeregt zu flattern begann, etwas gehört zu haben schien, da war es für den Jugendlichen selbstverständlich, sofort zu folgen. Hibird führte Hibari an diesem Sonntag zum Schulgebäude zurück. Ein Fenster im zweiten Stockwerk war etwas geöffnet. Das für sich war schon außer der Reihe und auffällig genug, denn Hibari persönlich hatte gestern Abend seinen Kontrollrundgang getan, und alle Fenster geschlossen. Was aber wohl Hibird aufgefallen war, und Hibari im Näherkommen auch nicht überhören konnte, war etwas ganz anderes. Es waren friedliche Klänge, die aus dem geöffneten Fenster hallten. Der Klang von kleinen Hämmerchen, die auf Saiten schlugen, um ihnen ihre Töne zu entlocken, noch leiser und unterschwellig begleitet von einem dumpfen Aufschlag der Taste auf dem Flügel. Jemand spielte am Klavier im Musikzimmer. Hibird trällerte vergnügt, stimmte leise in die Melodie mit ein, um den Pianisten nicht zu stören. Hibari schnaubte ob der Allüren seines Begleiters, doch dann seufzte er amüsiert. Kraulte den kleinen Vogel mit einem Finger unter dem Schnabel, und wandte sich dann ab, um seinen Rundgang anderswo fortzusetzen. Als er am späteren Nachmittag am Musikzimmer vorbei kam, war es verlassen. Das Fenster war wieder geschlossen, der Raum ordentlich aufgeräumt, fast so als wäre nie jemand hier gewesen. Nur der kleine Vogel, der sich auf dem Hocker vor dem Flügel niedergelassen hatte, das Köpfchen in seinen Federn versteckt, war ein stummer Zeuge dessen, was sich an diesem Sonntag zugetragen hatte. *** Es wurde eine neue Routine in Hibaris Sonntagen. Er würde seinen Rundgang immer außerhalb des Gebäudes beginnen. Die Sporthallen, der Pausenhof... wenn die Musik dann noch nicht verklungen war, die seinen Tag begleitete, dann ging es in der Aula weiter. Lehrerzimmer. Klassenzimmer. Kunstsäle. In jedem Fall, an jedem Sonntag, als er den Musikraum erreichte, da war es still geworden, und nur noch ein kleiner Vogel auf dem warm gesessenen Polster war außer der Reihe. An manch einem Tag war die Musik lieblich, vergnügt. An mehr Tagen war sie agressiver, entschlossen, reich an bunten Tönen, die so viele Geschichten gleichzeitig erzählen wollten. An einem Sonntag im beginnenden Herbst allerdings, es war gerade September geworden, da war die Melodie voller Sehnsucht und einer Traurigkeit, die den stolzen, strengen Hibari inne halten ließ, als er unter dem geöffneten Fenster vorbei kam. Hibird trällerte eine fragende Note, doch er bekam keine Antwort. Stattdessen wurde der kleine Vogel aus der Luft gepflückt, und saß bald darauf auf den Knien seines menschlichen Begleiters, als der sich unter dem Fenster an die Wand gelehnt hinsetzte für eine kleine Pause. *** Es war eine zarte Vogelstimme, die Gokudera Hayato irgendwann aus seinem tranceartigen Spiel weckte. Sie war schon eine ganze Weile da gewesen, wurde ihm bewusst, hatte seine Melodien begleitet. Wie seltsam... Als er zum Fenster trat allerdings erwartete ihn ein Anblick, der noch viel seltsamer war. Unter ihm, an die Hauswand der Schule gelehnt, saß ein eigentlich ziemlich gruseliger junger Mann, völlig entspannt (schlafend?), und auf seinem Kopf saß der zwitschernde Vogel. Gokudera schien einen Moment zu erstarren, dann beugte er sich vorsichtig vor, um das Fenster unauffällig zu schließen. Wenn Hibari ihn hier entdeckte...! Doch wie, als hätte er es gespürt, oder als hätte das Fehlen der Melodie ihn aus seiner Ruhe geweckt, ging auf einmal Hibaris Kopf hoch, und ihre Blicke trafen sich. *** "Du wirst den Schlüssel zurückgeben, den du gestohlen hast." (Gokudera Hayato schluckte schwer bei den harschen Worten von Hibari Kyouya. Er würde sein Heiligtum verlieren, seinen Ruheplatz, seine einzige Entspannung...) "Zur Strafe für dein Vergehen wirst du Nachsitzen. Jeden Sonntag hier im Musikzimmer." (Aber vielleicht gewann Gokuder Hayato auf eine verrückte Art gerade auch einen neuen Freund.) "Sei pünktlich, oder ich beiß dich tot." (Auf eine sehr verrückte Art. Hibird trällerte zufrieden.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)