Crystal of the Dark von Kikono-chan ================================================================================ Kapitel 5: Hunger macht böse! ----------------------------- Kapitel 5: Hunger macht böse! Grelles Sonnenlicht weckt mich. Warum sind meine Vorhänge eigentlich nicht zugezogen? Das ist ja ekelhaft! Murrend lege ich meine Arme über mein Gesicht. Doch zur Ruhe komme ich nicht mehr. Es ist nicht das helle Sonnenlicht oder der aufkommende Hunger, sondern etwas ganz Anderes, was mich schlussendlich doch aufstehen lässt. Eine kleine fiese Stimme in meinem Kopf behauptet hartnäckig, dass alles, was an meinem gestrigen 21. Geburtstag geschehen ist, reiner Humbug ist, ein Hirngespinst, eine Ausgeburt meiner kranken Fantasie. Ist das wirklich passiert? Bin ich in Gestalt eines Wolfes durch die Nacht gejagt? Ist Ian die ganze Zeit über bei mir gewesen? Und wo ist er jetzt? Und wann genau habe ich mich eigentlich umgezogen? Skeptisch schaue ich an mir herunter. Ich habe meine gewohnten Schlafsachen an: Ein viel zu langes Shirt und eine kurze Hose. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, mich umgezogen zu haben. Egal, ich werde mir später den Kopf darüber zerbrechen. Jetzt muss ich erst einmal duschen. An mir haftet ein Geruch, der eine Mischung ist aus Morgentau, Wald und... Eis? Ich schnupper erneut an mir. Merkwürdig. Aber eindeutig. Hauchzart aber intensiver an meinen Armen rieche ich klare Kälte. Kann man das überhaupt? Ich meine, wenn es im Winter geschneit hat und man dann nach draußen kommt, schlägt einem doch auch diese klare, reine, frische Luft entgegen. So in etwa riecht das... Und dann kommt mir ein Gedanke, der mir mehr als unangenehm ist. Hat mein neues Anhängsel mich nicht getragen gehabt?! Und habe ich mich nicht an ihm festgeklammert wie ein panisches kleines Mädchen? Na schönen Dank auch! Aber ich erinnere mich auch, wie wunderschön seine Flügel aus Eiskristallen geschimmert haben. Und wie sie während des Fluges einen Schleier aus Kristallstaub hinterlassen haben. Und ich erinnere mich deutlich, wie warm sein freier Oberkörper gewesen ist und an den kraftvollen Rhythmus seines Herzschlages. Bei dem ich anscheinend dann irgendwann eingeschlafen bin. Leise öffne ich meine Zimmertür und spähe hinüber zum Wohnzimmer. Die Tür steht offen und ein leiser, gleichmäßiger Atem ist zu vernehmen. Neugierig schlüpfe ich ins Zimmer und erblicke einen dunkelblauen Haarschopf unter einer Kuscheldecke. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Es ist also wirklich real. Das beruhigt mich ungemein. Und noch etwas beruhigt mich. Etwas, von dem ich bis eben gar nicht gewusst habe, dass es mich beunruhigt: Ian schläft. Anscheinend habe ich erwartet, dass er keinen Schlaf benötigen würde. Fasziniert von dem Bild des schlafenden jungen Mannes, hocke ich mich an sein Kopfende und betrachte ihn. Wie friedlich er aussieht. "Dein Verlangen danach, mich zu berühren, war stärker als dein Freiheitsdrang. Darum hast du dich wieder in einen Menschen verwandelt." hallen seine Worte im selben Moment in meinen Gedanken wider, als ich meine Hand ausstrecke, um ihm durch sein blaues Haar zu streichen. Verflucht noch eins! Was tue ich hier gerade? Aber aufhören kann ich auch nicht. Sein Haar ist so weich. Na großartig! Fehlt nur noch, dass er durch meine Berührung aufwacht... Und natürlich brummt er in diesem Moment und ich erstarre in meinem Tun. Verschlafen öffnet er ein Auge. Es ist dunkelblau. Irgendwie hatte ich gerade kurz Angst, es wäre grün. Er schließt es wieder, seufzt und dreht sich weg. "Ich bin kein Wolf. Ich brauche mehr als drei Stunden Schlaf..." grummelt er unzufrieden. Erst gucke ich völlig verdutzt, bevor ich anfange, leise zu kichern. "Morgenmuffel, hm?" Böse funkelt er mich wieder über seine Schulter hinweg an. "Geh weg!" "Schon gut, ich lass dich ja in Ruhe. Ich mach die Tür zu, einverstanden?" Lächelnd erhebe ich mich und kurz werden seine Augen etwas größer, bevor er ruckartig seinen Kopf von mir wegdreht. "Geh einfach!" Etwas amüsant ist es ja schon, wie unangenehm es ihm ist, mich so knapp bekleidet zu sehen. Immerhin ist er es gewesen, der mich letzte Nacht noch damit aufgezogen hat, was für anzügliche Gedanken ich doch habe beim Anblick seines nackten Oberkörpers. Wie vom Schlag getroffen, bleibe ich plötzlich stehen und blicke zurück auf das Sofa. "Ian!" knurre ich drohend. Darum kann ich mich also nicht daran erinnern, mich umgezogen zu haben - ER hat es getan! Wie zur Bestätigung verkriecht er sich weiter unter der Decke. Natürlich. Meine Gedanken dürften kaum zu überhören sein für ihn. Mit einem Ruck reiße ich ihm die Decke weg, spüre, wie mein Blut zu kochen beginnt. Ein erneutes drohendes Grollen verlässt meine Kehle, während langsam meine Reißzähne wachsen. Geschockt sieht er mich an. "Ganz beschissenes Timing, Aki!" "Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir nicht hier und jetzt die Kehle zerfetzen sollte!" "Die Sauerei würdest du nie wieder wegbekommen..." spricht er unbedacht, weicht auf dem Sofa zurück und springt im nächsten Moment über den Tisch, um meinem nach ihm schnappenden Kiefer zu entgehen. "Aki, beruhige dich!" Knurrend belauere ich ihn, setze zum Sprung an und verfehle ihn nur um haaresbreite. "Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst." versucht er es weiter. Doch ruhig ist seine Stimme nicht mehr, denn mittlerweile jage ich ihn durch das gesamte Wohnzimmer, wobei die Möbel stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Er hat mächtig zu tun, meinen Pranken und Zähnen auszuweichen, um nicht so zu enden, wie einer der Sessel. "Für deinen Körper musst du dich doch nicht schämen." Falsche Antwort, Freundchen! Im nächsten Augenblick befinden sich meine Krallen in der Wand im Flur, die diesen vom Wohnzimmer trennt. Ian hat sich von dort abgestoßen, springt über mich und landet vor meiner Zimmertür. Beim Herumwirbeln zerfetze ich nicht nur die Tapete, sondern fege mit meinem Schweif auch die nahestehende Kommode leer. Dabei geht irgendetwas klirrend zu Bruch aber das kann mir egaler gerade nicht sein. Wieder schnappe ich nach ihm, doch der Kerl ist einfach unglaublich flink. "Aki, lass das! Zwing mich nicht dazu, dir weh zu tun!" Hat er mir gerade gedroht? Aber was kann er schon gegen mich ausrichten... Ich bin ein Wolf! "Aki, ich bitte dich nur noch einmal: Hör auf!" Doch seine Bitte stößt bei mir auf taube Ohren und so setze ich erneut zum Sprung an. "Verzeih mir aber wenn du es nicht anders haben willst..." Das nächste, was ich spüre, ist Schmerz. Jaulend gehe ich zu Boden. Meine rechte Schulter fühlt sich an, als würde sie verbrennen und gleichzeitig so taub, als wäre sie unterkühlt. Ich will aufstehen, doch auch das geht nicht. Nur ganz langsam und unter enormen Schmerzen schaffe ich es, mein Haupt leicht zu drehen. Mein braunes Fell glitzert und sieht aus, wie mit Puderzucker bestreut. Kann ich mich deswegen nicht bewegen? Ich sehe zurück zu Ian, dessen Augen leuchtend grün lodern. Er hat sich nicht verwandelt, dennoch umgibt ihn die gleiche Aura wie letzte Nacht. Mein Zorn verebbt allmählich, dafür nimmt die Kälte immer mehr zu. Lass mich wieder frei! "Erst musst du dich zurück verwandeln und mir versprechen, dass du mich nicht noch einmal angreifen wirst." Das kann ich nicht. Mit mir sind einfach die Emotionen durchgegangen. Ich habe ja selbst kaum gemerkt, dass ich mich verwandelt habe. Ian hockt auf meinem Bett und schaut überlegend zu mir rüber. Unfähig, mich zu rühren, liege ich noch immer im Eingangsbereich meines Zimmers. "Dann überlegen wir einfach gemeinsam. Was gibt es, was du tun möchtest und wofür du ein Mensch sein musst? Oder muss ich mich wieder verwandeln?" setzt er leicht amüsiert noch hinten dran. Beschämt wende ich meinen Blick ab. "Mach es uns doch nicht so schwer, Aki, bitte." Ich bin gerade dezent beleidigt und versuche, an nichts zu denken. Genervt legt er seinen Kopf in die Hände. "Ich hab ja gewusst, dass Wölfe stur und eigen sind aber du topst echt alles!" Meine einzige Antwort ist ein abfälliges Schnauben. "Ok, was soll ich tun?" beginnt er mit etwas lauterer Stimme. "Soll ich mich bei dir entschuldigen? Bitte! Es tut mir Leid, dass ich so anmaßend war und dich umgezogen habe aber deine Klamotten waren klamm und kalt und du hättest dich mit Sicherheit erkältet. Ja, ich habe deinen nackten Oberkörper gesehen aber ich habe dich weder unsittlich berührt, noch sonst irgendwelche unanständigen Dinge getan. Bist du jetzt zufrieden?!" Ach daher kam der intensive Geruch vom Morgentau. "Ist das echt alles, was dir dazu einfällt?" Mühevoll drehe ich den Kopf zur Seite, schließe meine Augen und entblöße ganz kurz meine Fangzähne. "Von mir aus, bitteschön! Dann bleib halt da liegen." Damit streckt er sich auf meinem Bett aus und schließt ebenfalls die Augen. Meine pochende Schulter ist letztendlich der Auslöser, warum ich doch anfange, darüber nachzudenken, was ich gerade gern in meiner menschlichen Gestalt tun würde. Ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen! "Mordgedanken stärken nur den Dämon in dir. Dadurch erreichst du nur das Gegenteil..." kommt es gelangweilt von meinem Bett. Moment. Hat er gerade "Dämon" gesagt!? "Ja, Dämon. Selbst dir sollte aufgefallen sein, dass du für einen normalen Wolf ungewöhnlich groß bist." Ich bin aber doch hoffentlich kein Werwolf! "Nein. So einen Quatsch gibt es gar nicht. Werwolf, Wermensch, alles Hirngesprinste" "Was bin ich dann?" Überrascht darüber, meine Stimme zu hören, fährt der Blauhaarige hoch und auch ich wundere mich dezent. "Ist es wirklich so einfach?" murmelt er verwundert. Sofort ist er bei mir, berührt sanft meine rechte Schulter und augenblicklich lässt die Kälte nach. Auch kann ich mich wieder bewegen. "Wenn das so ist... reden wir. Komm." Er setzt sich zurück auf mein Bett, klopft neben sich und sieht mich erwartungsvoll lächelnd an. "Ich bin doch kein Hund..." Missmutig setze ich mich dennoch neben ihn und im selben Moment ist da wieder seine Hand auf meinem Kopf. "Das nun wirklich nicht. Aber die Geste scheint dich dennoch genauso zu beruhigen. Außerdem ist es mir so viel lieber, als wenn du Zähne fletschend hinter mir her jagst." "Deinetwegen muss ich irgendwie noch dieses Chaos hier beseitigen." "Ich mach das schon." Er atmet tief ein und aus. "Tja, wo soll ich anfangen?" "Erklär mir endlich, was hier passiert! Was bin ich? Und was bist du?" "Gleich. Zuerst..." Er schnippt mit den Fingern und im nächsten Augenblick steht auf meinem Schoß ein Tablett mit Leckereien, einer gigantischen Pizza mit mehreren Sorten Fleisch und einer heißen Schokolade. "Iss etwas. Hunger macht böse." Voller Freude mache ich mich sofort über das Essen her. "Ian, ich glaube, ich liebe dich!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)