Star Trek - Icicle - 07 von ulimann644 (Operation Christkind) ================================================================================ Kapitel 8: Abenddämmerung ------------------------- 8. Abenddämmerung STRATEGICAL STARBASE 71 Sternenzeit: 58980.1 Deck-027 – Holodeck-VII Lieutenant-Commander Christian Sinemus focht sehr gut. Dennoch hatte er seine liebe Not damit, die heftig vorgetragenen Attacken von Pasqualina Mancharella abzuwehren. Noch vor seinem Dienstbeginn, am Morgen des Tages, hatte sie ihn darum gebeten, mit ihr an diesem Abend zu trainieren. Im Grunde schien es ihm etwas merkwürdig, das Fest der Liebe, mit einem Degen in der Hand einzuläuten. Andererseits war er, nach dem Auftritt der Spanierin am gestrigen Morgen, erleichtert, dass sie den kameradschaftlichen Kontakt mit ihm offensichtlich nicht abreißen lassen wollte. Darum hatte er sofort zugesagt. Auf dem schwankenden Deck einer Piratenfregatte fochten sie gegeneinander, er als Offizier der Königlich Englischen Kriegsmarine des ausgehenden 18. Jahrhunderts – sie als ruchlose Piratin. Etwas außer Atem sah Pasqualina Mancharella, während einer kleinen Kampfpause, in der sie sich lauernd umkreisten, in die Augen. „Es tut mir leid, dass ich gestern morgen so ungehalten reagiert habe, Christian. Das war unfair Ihnen gegenüber.“ Das waren ihre ersten Worte gewesen, seit sie die Holosuite betreten hatten. Etwas überrascht nickte der in Wien geborene Mann ihr zu. „Passt schon, Pasqualina. Ich hatte den Eindruck, dass es gar nicht unser Gespräch gewesen ist, weshalb Sie so in Fahrt waren.“ Die Frau schluckte und gab unumwunden zu: „Sie haben Recht. Mein Privatleben gerät gerade etwas außer Kontrolle.“ Der gutaussehende MACO grinste ironisch. „Die von Ihnen erwähnten Routine-Probleme auf dem Schiff?“ In den Augen der Spanierin glitzerte es gefährlich auf. Im nächsten Moment machte sie einen Ausfallschritt und die Spitze ihres schweren Raufdegens zielte dabei auf die Brust des Mannes. Da sie mit holografischen Klingen kämpften, und die Sicherheitsprotokolle der Holosuite aktiviert waren, konnte dabei, obwohl sie beide weder einen Körperschutz noch einen Gesichtsschutz trugen, nichts passieren. Die replizierten Klingen verhielten sich dabei, den Vorgaben entsprechend. nicht wie reine Stahlklingen, sondern wie Klingen mit einem von Stahl ummantelten Eisenkern. Das machte sie deutlich biegsamer. Christian Sinemus lenkte die Klinge seiner Kontrahentin geschickt mit seiner eigenen ab und konterte, aus der Bindung heraus, mit einen Hieb gegen ihre rechte Schulter. Pasqualina parierte den Hieb, doch ihr Gegenüber nutzte den Angriffsschwung und drängte sie rücklings gegen die äußere Reling des Poopdecks. Die Klingen, dicht an dicht, gegen ihre Körper gepresst, spürte die Spanierin, dass sie in dieser Situation drohte über Bord zu gehen – ein recht unrühmliches Ende als Piratenbraut. Gleichzeitig setzte der Zorn über das, was sich in den frühen Morgenstunden ereignet hatte, ungeahnte Kräfte in ihr frei. Zur Überraschung des MACO drängte sie ihn ein Stück zurück, wand sich aus der Falle heraus und deckte gleich darauf seinen gesamten Körper mit Hieben und Stichen ein. Sie trieb den Mann, der sein Heil in der mittleren bis weiten Mensur suchte, vor sich her, bis sein Rücken unsanft das Steuer berührte. Irgendwie beschlich den Mann das Gefühl, dass Pasqualina weniger zu fechten gedachte, als viel mehr, lediglich auf Irgendwen einzudreschen – in diesem Fall auf ihn. Das Steuerrad zwischen sich und die aggressiv attackierende Frau bringend nutzte Sinemus die Gelegenheit zu einer kleinen Erholungspause. Fragend zur Spanierin sehend fragte er: „Ich habe da wohl eine Saite berührt? Noch dazu eine klingende vielleicht?“ Wieder erschien das Glitzern in den Augen der Frau. Doch diesmal reagierte sie vollkommen anders. Christian Sinemus registrierte, dass ihre Haltung vollkommen die Spannung verlor. Mit einem deprimierten Ausdruck auf dem Gesicht ließ sie achtlos den Degen fallen, mit dem sie eben noch so vehement auf ihn eingedrungen war. Etwas ging mit Pasqualina vor und der Mann fragte sich, was es sein mochte, das sie, von einem Moment auf den anderen, so vollkommen hilflos wirken ließ. Er beobachtete das Hervortreten ihrer Kieferknochen, als sie die Zähne zusammenbiss. Tränen glitzerten in ihren Augen. Beinahe erschrocken ließ auch Sinemus seinen Degen fallen und schritt langsam zu der Spanierin, die ihren Blick von ihm abwendete und die Augen schloss. Leise und mit besorgtem Tonfall fragte Sinemus: „Welcher Kummer bedrückt Sie?“ Pasqualina versuchte krampfhaft die Haltung zu wahren, doch bei der sanften, irgendwie vertrauenerweckenden Stimme des Mannes, dicht neben ihr, konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie spürte die Hand des Mannes sacht ihren Arm berühren. Im nächsten Moment gab sie ihrem Verlangen nach, sich an ihn zu lehnen. Dabei bemerkte sie kaum, wie er ganz sacht die Arme um sie legte, während sie haltlos, den Kopf an seine breite Brust gelegt, schluchzte. Etwas hilflos hielt Christian Sinemus Pasqualina in seinen Armen. Dabei bildete sich ein imaginärer Kloß in seinem Hals. Im Dominion-Krieg hatte er in haarsträubenden Gefechtssituationen bestanden doch diese Situation hier überforderte ihn hoffnungslos. Was er als geradezu lächerlich empfand, denn im Grunde sollte es umgekehrt sein. Aus dem, was Pasqualina zuvor nur vage angedeutet hatte, formte sich ein ungefähres Bild dessen, was sich zugetragen haben konnte, in den Gedanken des Mannes. Aber es schien ihm müßig, hier Spekulationen anzustellen, darum verwarf er sie umgehend. Tröstend legte er seine rechte Hand auf ihren Kopf und bettete ihn, beinahe beschützend an seinen Körper. Zur Erleichterung des Mannes beruhigte sich die Spanierin schließlich, bis nur noch ein gelegentliches Schniefen zu hören war. Doch sie schmiegte sich weiterhin an ihn, was ihn unter anderen Umständen innerlich hätte jubeln lassen. Doch der Kummer, der ihn nicht unberührt ließ, verhinderte das Aufkommen von Freude. Pasqualina brauchte in diesem Moment einfach jemanden, der für sie da war. Als Freund und Kamerad – und nicht als liebeskranker Trottel. Die Rolle würde hoffentlich noch früh genug auf ihn zu kommen. Endlich sagte Pasqualina, mit zittriger Stimme: „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie im Moment einfach für mich da sind, Christian. Und dass Sie keine Fragen stellen.“ „Kein Problem, Pasqualina“, erwiderte Sinemus mit belegter Stimme. Sich leise räuspernd fügte er hinzu: „Reden Sie einfach dann darüber, wenn Sie dazu bereit sind.“ Sinemus spürte, dass sie nickte. Erst nach geraumer Weile sagte sie leise – jetzt wieder mit sicherer Stimme: „Der Mann, mit dem ich zusammen war, hat sich heute morgen von mir getrennt. Irgendwie hatte ich das zwar kommen sehen, in den letzten Wochen, doch hat trotzdem weh getan. Und das tut es immer noch.“ „Das ist nur zu verständlich.“ Christian Sinemus zögerte einen kurzen Moment. Dann sagte er: „Pasqualina, ich werde nicht so pietätlos sein und mit Ihnen, in dieser Situation flirten. Doch wenn Sie möchten, dann würde ich gerne für Sie da sein. Als Ihr... Kamerad, mit dem Sie über alles, was Sie bedrückt, oder auch erfreut, reden können.“ Pasqualina Mancharella hatte das kurzzeitige Zögern bemerkt, bevor er Kamerad gesagt hatte, und mit einem warmen Klang in der Stimme erklärte sie: „Das Wort Freund ist erlaubt, Christian. Keine Angst, ich verstehe das schon nicht falsch.“ Sie nahm zögernd ihren Kopf von der Schulter des Wieners und sah in seine sanften, braunen Augen, die deutlich heller waren, als die ihren. Für einen langen Moment sah sie ihn nur an, bevor sie leise sagte: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie ein so guter Zuhörer sind.“ „Nein, nicht dafür“, wehrte Sinemus schnell ab. „Das ist doch selbstverständlich.“ Der MACO überlegte einen Moment lang, bevor er mit leicht verändertem Tonfall in der Stimme fragte: „Was werden sie im Anschluss noch unternehmen?“ „Nun, so wie es momentan aussieht nicht sehr viel. Eigentlich...“ „Keiner von uns Beiden sollte am Heiligen Abend allein sein“, hakte Christian Sinemus schnell ein, als sie kurz inne hielt. „Was halten Sie davon, wenn wir den Abend bei mir verbringen. Ich habe einen riesigen Weihnachtsbaum in meinem Quartier aufgestellt. Außerdem könnten Sie in diesem Fall das kleine Präsent, das ich für Sie besorgt habe, unter dem Weihnachtsbaum öffnen.“ Etwas überrascht über diesen Vorschlag dauerte es einen Moment, bis die Spanierin flüchtig lächelnd erwiderte: „Gerne, Christian. Aber Sie beschämen mich, denn ich habe gar nichts für Sie.“ Zögerlich entgegnete Sinemus: „Vielleicht ja doch. Für den Silvesterball habe ich nämlich keine Begleitung, und wenn Sie damit einverstanden wären, mit mir hin zu gehen, dann wäre das so eine Art Weihnachtsgeschenk für mich. Ohne irgendwelche Hintergedanken, oder weitergehende Verpflichtung versteht sich. Sie müssen natürlich ni...“ „Ich werde sehr gerne Ihre Begleitung zum Silvesterball sein“, unterbrach Pasqualina die ausschweifenden Beteuerungen des Mannes. „Ohne Hintergedanken oder weitergehenden Verpflichtungen - versteht sich.“ Freude spiegelte sich in den Augen des über 1,90 Meter großen Mannes. „Dann ist das abgemacht? Beides, meine ich? Sie kommen dann um Punkt zwanzig Uhr zum Abendessen. Deck-21, Quartier C-047.“ Beinahe gegen ihren Willen schmunzelnd bestätigte Pasqualina: „Beides. Wir sehen uns dann um zwanzig Uhr, bei Ihnen. Punkt zwanzig Uhr.“ Damit beendete sie per Stimmenkommando und verließ sie die Holosuite. Christian sah ihr nach, bis sie die Holosuite verlassen hatte, bevor auch er sich, mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, in Bewegung setzte. Dabei dachte er: Sie hätten warten können, mit dem Beenden des Programms, Commander, denn ich hätte meinen Zweispitz gerne noch hoch in die Luft geworfen, vor Freude. * * * Pasqualina Mancharella hatte Wort gehalten. Pünktlich um 20:00 Uhr war sie bei Christian Sinemus erschienen. Dabei hatte sie es sich nicht nehmen lassen ihm eine Flasche erlesenen Weins und einen Weihnachtsstern zu überreichen. Der Lieutenant-Commander seinerseits hatte nicht übertrieben. Er hatte einen Weihnachtsbaum von knapp drei Metern im Wohnraum seines Quartiers stehen, den er mit Kerzen, roten Kugeln und Anhängern aus hellem Holz geschmückt hatte. Auf das traditionelle Lametta hatte er dabei verzichtet. Nach dem Abendessen, für dass sie sich sehr viel Zeit nahmen, hatten sie es sich bei einem Glas des mitgebrachten Weines auf der breiten Couch gemütlich gemacht. Nachdem sie miteinander angestoßen, und einen Schluck getrunken hatten, meinte Pasqualina, die sich in ihrer Ecke der Couch zurücklehnte: „Es hat mich etwas überrascht, dass es Grünkohl zum Essen gegeben hat, Christian. Offen gestanden hatte ich Ihnen eher ein mehr opulentes Mal zugetraut.“ Der Wiener lachte leise. „An jedem anderen Tag hätten Sie damit ins Schwarze getroffen, Pasqualina. Doch in meiner Familie ist es, seit mindestens zehn Generationen, wenn nicht noch länger, Tradition, dass es an Heiligabend Grünkohl mit Mett- und Bratwurst gibt. Wobei die eher einfache Mahlzeit auf eine noch ältere Tradition zurückgeht.“ Sie prosteten sich zu und tranken erneut einen Schluck Wein, bevor die Spanierin erwiderte: „Sehr interessant, was Sie alles wissen. Mir war gar nicht bewusst, dass sich um das Weihnachtsfest herum so viele verschiedene Traditionen ranken. Bei mir ist nur das mit dem Baum und dem Mistelzweig hängen geblieben.“ „Oh, mein Gott. Eine Ketzerin vor dem Herrn“, seufzte Sinemus in gespielter Resignation, stellte sein Glas auf den Tisch und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Pasqualina, die ihn dabei beobachtete, lachte amüsiert. Erst als sie bemerkte, dass ihr Gegenüber sie interessiert ansah, machte sie wieder ein etwas ernsteres Gesicht und erkundigte sich bei ihm: „Was haben Sie?“ „Ich genieße nur, dass Sie wieder lachen können. Vorhin, in der Holosuite, da wirkten sie so verzweifelt und so traurig. Das ist mir sehr nahe gegangen.“ Eine leichte Röte überflog die Wangen der Frau und sichtlich peinlich berührt seufzte sie: „Sie müssen mich für eine ziemliche Heulsuse halten.“ Christian Sinemus hob überrascht seine Augenbrauen. „Weil Sie, in einem schwachen Moment, in dem Sie sich verletzlich gefühlt haben, ihre Gefühle gezeigt haben? Nein, ich zolle Ihnen Respekt dafür, dass Sie das können. Und ich bin sehr glücklich, dass ich Ihnen in diesem Moment zur Seite stehen durfte.“ Der Wiener griff wieder zu seinem Glas, trank den Rest des Weines und schenkte ihnen beiden dann erneut ein. Sie prosteten sich erneut zu und nach einem Schluck Wein fragte Pasqualina: „Wie haben Sie früher, daheim, Weihnachten gefeiert?“ Sinemus lächelte in der Erinnerung. „Na ja, es gab, wie Sie sich jetzt denken können, eine Menge Grünkohl. Nein, ernsthaft: Am Abend gab es zunächst die Bescherung. Danach aß die Familie - also meine Großeltern, meine Eltern, und ich - gemeinsam zu Abend und im Anschluss haben wir zusammen Weihnachtslieder gesungen. Erst wenn meine Mutter mit dieser Einlage zufrieden war, hat sie ihr großes Buch mit Weihnachtsgeschichten hervor geholt und uns eine lange Weihnachtsgeschichte erzählt. Ich mochte dabei ganz besonders die heiteren Geschichten. Im Gegensatz zu meinen Großeltern, die lieber die etwas besinnlicheren Geschichten bevorzugten.“ Der Mann kehrte aus der Erinnerung ins Jetzt zurück und seine sanften Augen ruhten auf der Spanierin. „Wie war das bei Ihnen?“ Pasqualina Mancharella schüttelte leicht den Kopf. „Weihnachten war nicht so das ganz große Thema bei uns. Wir hatten auch keinen richtigen Weihnachtsbaum, sondern ein gutes Dutzend großer und kleiner Gestecke, die meine Mutter im gesamten Haus verteilte. Natürlich gab es auch Geschenke und wir haben diese Zeit gemeinsam miteinander verbracht. Doch nachdem wir von Salamanca nach Cadiz gezogen waren, sind wir zu Weihnachten eher schwimmen gegangen, als den üblichen Wintersportarten zu frönen. Nachdem meine Mutter, vor etwas mehr als drei Jahren, bei einem Tauchunfall starb, habe ich eigentlich nie wieder richtig Weihnachten gefeiert.“ „Tut mir leid, das mit Ihrer Mutter wusste ich nicht“, murmelte Sinemus. Dann sammelte er sich und fragte: „Würden Sie dennoch mit mir ein Weihnachtslied anstimmen? Kennen Sie überhaupt welche?“ Pasqualina rückte auf der Couch etwas näher zur Mitte. „Natürlich. Es gibt da zwei oder drei Lieder, die in der Nachbarschaft immer zum Besten gegeben wurden.“ „War bei diesen Liedern vielleicht „Stille Nacht“ mit dabei?“ In der Erinnerung stahl sich ein lächeln auf die Lippen der Spanierin. „Ja, von dem Lied kann ich sogar den Text einigermaßen. Aber halten Sie sich gut fest, damit Sie nicht von der Couch fallen. Ich will es mal so formulieren: Wo ich singe, da werde ich hinterher, für gewöhnlich, nie wieder eingeladen.“ Christian Sinemus zwinkerte ihr belustigt zu. „Ich bin hart im Nehmen. Zumindest wenn es nicht gerade um überbordende Emotionen geht, das ertrage ich nicht so gut.“ Pasqualina, die wusste, worauf ihr Gegenüber anspielte, beugte sich leicht vor und legte ihre Hand auf den Unterarm des Mannes. Ihm tief in die Augen sehend sagte sie fast lautlos: „Dafür haben Sie das vorhin aber sehr gut gemacht. Schon allein deshalb werde ich mich jetzt besonders anstrengen, beim Singen. Sie müssen aber den Ton vorgeben und beginnen – ich steige dann mit ein.“ „In Ordnung.“ Sinemus nahm noch schnell einen Schluck von seinem Wein, räusperte sich leicht und begann mit sonorer Stimme. Dabei sah er Pasqualina, die zunächst noch zögerte, auffordernd an, bis sie ebenfalls begann. Eine seltsam vertraute Stimmung erfasste die Spanierin, nachdem sie die erste Strophe beendet hatten und mit der zweiten begannen. Mit ihrem Glas in der Hand rückte sie nahe an den Mann heran, mit dem zusammen sie, zum ersten Mal seit vielen Jahren, ein Weihnachtslied sang. Von der Stimmung gefangen genommen legte sie ihre freie Hand auf seine und drückte sie sanft. Dabei suchte ihr Blick den seinen. Nachdem sie das Lied beendet hatte sahen sie sich lange Zeit nur stumm an. Bevor die Situation peinlich werden konnte, meinte Sinemus schließlich heiter: „Na, das war doch gar nicht so fürchterlich, wie Sie befürchtet hatten.“ Die Spanierin lächelte schwach. „Doch, das war es. Aber Sie haben das dafür umso besser gemacht. Ich glaube, Sie singen wirklich gerne, oder irre ich mich?“ Der Wiener nickte begeistert. „Sie irren sich absolut nicht. Zuhause wurde nicht nur zu Weihnachten viel gesungen, sondern auch bei jeder Familienfeier. Und Sie müssen wissen, dass ich eine ziemlich große Familie habe. Besser gesagt, viele Verwandte.“ „Ich beneide Sie fast ein wenig darum.“ Sinemus winkte übertrieben ab. „Tun Sie´s besser nicht. Sie ahnen nicht, was es mitunter an Nerven kosten kann, wenn man als Einzelkind, während dieser Familienfeiern, jedes mal plötzlich ganze Horden an Cousins und Cousinen um sich hat.“ Sie lachten erheitert. Einen Moment später läuteten leise die Glocken einer antiken Uhr, die auf dem Highboard, an der gegenüberliegenden Wand, stand. Unbewusst sah Pasqualina Mancharella auf das Zifferblatt und stellte erstaunt fest: „Es ist bereits Mitternacht.“ „Das bedeutet: Christus ist geboren.“ Mit einem leisen Zug von Verwunderung blickte die Spanierin in das Gesicht des Mannes und fragte leise: „Sie sind gläubig?“ Sinemus lächelte sanft. „Weniger, als meine Eltern es gerne sehen würden. Aber ja, es gibt gewisse Dinge, an die ich glaube.“ „Sie sind ein sehr vielschichtiger Mann, Christian.“ Pasqualina horchte ihren eigenen Worten nach. Sie kannte das ungeschriebene Gesetzt der Sternenflotte, welches besagte, dass der im Rang Höhere einem Anderen das Du anbieten durfte, nicht aber umgekehrt. Sie kannte Christian Sinemus im Grunde kaum, doch sie war sich trotzdem sicher, dass er niemals so sprunghaft sein würde, wie Tar´Kyren Dheran. Ebenso würde er niemals unhöflich sein, einer Frau gegenüber, und vermutlich auch gegenüber keiner anderen Person. Vielleicht war es das, was ihn ihr von Beginn an so sympathisch gemacht hatte. Spontan beugte sich die Spanierin zu Christian Sinemus vor und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich würde mich darüber freuen, wenn wir das unpersönliche Sie beiseite lassen würden. Natürlich nur, wenn Sie wollen.“ Das Gesicht des Mannes begann förmlich zu strahlen. „Sehr gerne, Pasqualina.“ Wieder etwas von Sinemus abrückend sah sie erneut auf die Uhr und meinte leise: „Ich sollte nun gehen, es ist spät geworden.“ Christian Sinemus spürte genau, dass es keinen Sinn haben würde, sie noch zum Bleiben aufzufordern. Darum nickte er nur zustimmend und erklärte: „Ich habe es sehr genossen, gemeinsam mit dir den Heiligen Abend zu verbringen. Vergiss nur dein Geschenk nicht, wenn du gehst.“ Dankbar dafür, dass er sie nicht zurückhielt, schenkte die Spanierin dem Mann ein warmes Lächeln und erwiderte. „Nein, ganz bestimmt nicht.“ Das Buch vom Tisch nehmend schritt sie in der Begleitung des Mannes zum Schott des Quartiers. Ihn zum Abschied nochmal flüchtig auf die andere Wange küssend meinte sie mit einem selbstironischen Grinsen: „Dass ich Leyendas von Gustavo Adolfo Bécquer überhaupt noch nicht kenne, ist ja dabei mal so gar nicht schräg.“ Christian Sinemus schmunzelte vergnügt. „Macht nichts. Dann lernst du ihn in der nächsten Zeit ganz neu kennen. Ich wünschte ich könnte das auch nochmal.“ Er seufzte schwach und öffnete für Pasqualina das Schott. „Ich wünsche dir eine angenehme und friedliche Nacht. Trotz allem Anderen.“ Die Spanierin warf ihr langes Haar zurück und lächelte dankbar „Ich dir auch. Das war ein wundervoller Abend. Meldest du dich bei mir, für unsere nächste Verabredung zum Frühstück, oder zu einem anderen Essen?“ „Och, na ja, mal sehen“, gab Sinemus zurück und seine Miene blieb unbewegt, bis ihn das ernüchterte Gesicht der Frau zum Lachen reizte. „Natürlich melde ich mich bei dir.“ Für einen kurzen Moment blitzte es in den Augen der Spanierin auf. Doch dann sagte sie lediglich: „Ich freue mich darauf.“ „Bis dann“, schickte ihr der Mann hinterher als sie ging und schloss das Schott wieder. Nachdenklich blieb er für einen Moment reglos stehen, bevor ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht erschien und er sich daran machte, den Wein und die Gläser vom Tisch zu räumen. Dabei bildete er sich ein, noch immer ihre samtweichen Lippen auf seinen Wangen spüren zu können und ihm wurde bewusst, dass er sich endgültig und unwiderruflich in Commander Pasqualina Mancharella verliebt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)