Im Zwiespalt von kimmyedogawa (Gefangen zwischen den Identitäten) ================================================================================ Masken ------ Im Zwiespalt -Gefangen zwischen den Identitäten- Masken Es ist eine Woche her. Vor genau einer Woche und 27 Minuten konnte er das letzte Mal sein wahres Gesicht im Spiegel erblicken. Auf der Couch sitzt nun wieder der kleine Grundschüler Conan Edogawa und lauscht dem Klimpern des Geschirrs, welches Ran beim Abwasch verursacht. Das Abendessen war deliziös. Ran ist eine wunderbare Köchin. Mit seinem breitem Kindergrinsen hat er ihr das auch mitgeteilt. Die Freude über seine Worte war ihr anzusehen und dennoch fühlte es sich falsch an. Er sieht sie an und sein Herz pocht wie wild, aber er weiß ganz genau, dass sie nicht das selbe fühlt, wenn sie ihn ansieht. Wenn sie sich zu ihm hinunterbeugt, um ihm in die Augen sehen zu können. Und es tut weh! Lange hat er versucht diesen Schmerz zu verleugnen. Vor seinen Freunden und vor sich selbst. Es ist, als würde er nicht nur diese eine Maske aufsetzen, sondern mehrere. Sie werden immer mehr und verdecken sein wahres Gesicht. Die Last droht den kleinen Meisterdetektiven zu erdrücken.   „Conan, ist alles in Ordnung?“, fragt sie ihn mit besorgtem Gesichtsausdruck. Er war so sehr in seinen düsteren Gedanken versunken, dass er sie nicht bemerkt hatte. Dem Zusammenzucken seines kleinen Körpers nach zu urteilen, hatte sie ihn tatsächlich ziemlich erschrocken. Tief atmet Shinichi durch und antwortet ihr, ohne sie anzusehen: „Natürlich Ran-Neechan. Ich habe nur an die Mathearbeit morgen gedacht.“   Es ist erschreckend, dass er nun lügen kann, ohne mit der Wimper zu zucken. Prinzipien – die hatte er einmal. Doch alles, was jetzt übrig geblieben ist, sind die Schichten, hinter denen er sich verstecken muss.   Mit blauen Augen, welche hinter einer Brille ihren Glanz verlieren, blickt er nun zu ihr auf. Versucht sich ein Lächeln abzuringen, um sie davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung ist. Doch sie blickt hinter die Fassade. Das Lächeln ist falsch und erreicht seine Augen nicht. Sein Blick, viel zu erwachsen, als für einen Jungen seines Alters üblich. Etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung. Aber das war schon immer so. Ständig hatte sie das Gefühl, er würde etwas vor ihr verbergen. Dieses Gefühl verfliegt jedoch genauso schnell, wie sonst auch. Denn er springt lachend auf und läuft zur Haustür, um sich seine Schuhe anzuziehen und zum Professor zu gehen. Er verkündet, dass die Anderen schon auf ihn warten würden. Ohne ihre Antwort abzuwarten schließt die Tür hinter ihm. Schulterzuckend macht Ran Mouri sich wieder an den Abwasch und ignoriert das Gefühl, welches sich in ihrer Magengegend breit gemacht hat.   Er hat seine Rolle so gut drauf, dass er sich fragt, wer er wirklich ist. Es schmerzt. Jeden Tag blickt er seiner großen Liebe in die Augen und belügt sie. Er ist ihr nah. Und trotzdem ist es nicht wirklich er, der ihr nahe ist. Wenn sie seine Hand hält, wird ihm nur noch mehr bewusst, wie viel kleiner die Seine ist. Verzweifelt versucht er schon so lange ein Gegengift zu finden. Versucht stark zu bleiben. Die Masken, welche er sich so hart erarbeitet hat, drohen zu zerbrechen und die Wahrheit zu offenbaren.   Ein Mensch kann nur eine gewisse Menge an Schmerz und Schicksalsschlägen ertragen. Und Shinichi Kudo ist auch nur ein Mensch! Nun ist er also ein Grundschüler auf dem Weg zu seinen Freunden, die Hände in den Hosentaschen und das Gesicht dem Boden zugewandt. Niemand fragt sich, was in dem Kopf eines solch jungen Kindes vorgeht. Keiner weiß, dass in ihm der Verstand eines Erwachsenen steckt. Eine Fassade – die auf dem Wege ist einzustürzen. Conan Edogawa ist völlig in Gedanken versunken.   Seine beiden Persönlichkeiten drohen sich gegenseitig zu zerstören.   Zu Beginn seiner Strapazen konnte man die Zuversicht in ihm spüren. Der starke Wille, mit dem er geprägt wurde, sollte ihm helfen, es durchzustehen. Doch sein Herz hat trotzdem geblutet. Sein Körper wurde taub. Sein Lächeln falsch.   Immer und immer wieder geht er es in Gedanken durch. Der Plan, der sich formt, ist kein ungefährlicher. Ist es ihm das Wert? Alles auf eine Karte zu setzen, um endlich wieder frei zu sein? Würde er damit alle in Gefahr bringen? Ist es der Preis, den er bezahlen muss? Niemals hätte er mit dem Gedanken gespielt, ein solches Risiko einzugehen. Sich selbst ausliefern? Nein!   Und doch scheint es nun der letzte Ausweg zu sein.   Sich seiner Außenwelt nicht mehr bewusst, denkt er an seine Begegnung im Haido-City-Hotel vor einer Woche zurück. Vermouth. Ein einmaliges Angebot. Was wollte sie damit erreichen? Was möchte er überhaupt noch erreichen? Möchte er seinen Körper überhaupt noch zurück? Das Leben, das er einmal geführt hatte, gibt es nicht mehr. Egal, wie sehr er es vermisst. Würde er als Shinichi Kudo zurückkehren, wäre alles anders. Er müsste ihnen allen die Wahrheit sagen. Ihnen offenbaren, dass Lügen die Grundlage seines Lebens geworden sind. Dass er sich selbst und alle seine Prinzipien hinter sich lassen musste.   Wie würden sie reagieren? Würden sie es verstehen?   Würde sie es verstehen?   Aber wie lange kann er diese Last noch auf seinen Schultern tragen, ohne an ihr zu zerbrechen? Wie lange dauert es, bis ein Mensch sich in sich selbst verliert? Wie lange dauert es, bis Schmerz die Sinne so sehr aus dem Konzept bringt, dass man einen furchtbaren Fehler begeht?   Eine Chance. Ein Versuch. Ein mögliches Gegengift. Genau das hatte sie ihm geboten.   Der Preis?   Der Pakt mit dem Teufel ist einer, den niemand eingehen sollte. Flammen verschlingen den Menschen, der sich darauf einlässt. Für die Organisation arbeiten und sie gleichzeitig infiltrieren. Sie von innen zerschlagen. Vermouths Plan war clever durchdacht. Er würde bekommen, was er wollte. Die Organisation würde bekommen, was sie wollte. Und Sie würde bekommen, was sie wollte.   Kann er sich eine weitere Maske aufsetzen? Ist es ihm möglich, eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen? Das Gefühl, dass sich in jede Faser seines Körpers ausbreitet?   Zerrissenheit.   An einer roten Ampel angekommen bleibt er stehen und blickt in den Himmel. Und zum ersten Mal seit Wochen, erscheint der Anflug eines ehrlichen Lächelns auf seinem jungen Gesicht. Ein Luftschiff. Es muss Schicksal sein, dass es ausgerechnet jetzt über der Stadt schwebt und ihn an ihr großes Herz, ihr warmes Lächeln und seine Liebe zu ihr erinnert.   Wenn dies der einzige Weg ist, ins Reine zu kommen, würde er ihn gehen. Der einzige Weg, um endlich ehrlich zu sein und auf Vergebung hoffen zu können.   Die Ampel springt um. Der Verkehr kommt zum Stillstand. Und plötzlich ist der Weg frei.   Der Weg in seine Zukunft. Die Zukunft, die ihm hoffentlich irgendwann Erlösung bringen wird.    To be continued! 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