Der Sinn des Lebens von Valenfield (Sommerwichteln 2016) ================================================================================ Kapitel 3: Einsichten --------------------- Teil 3 - Einsichten „Und das war der Zwanzigste. Ich schätze, ich bleibe noch eine Weile die Nummer eins.“ Das Schlimmste an Oluos unerreichter Arroganz war die ernüchternde Tatsache, dass er damit tatsächlich den Respekt der neuen Mitgliedern für sich erhielt. Ehrfürchtig lauschten sie seinen völlig überzogenen Erzählungen über seine Heldentaten als Titanenvernichter, und auch wenn Petra nicht leugnen konnte, dass er ein wertvoller Soldat war, änderte das nichts daran, dass diese übermäßige Selbstüberzeugung gerne auch mal ein Problem darstellte. „Vergiss nicht die Details über den einundzwanzigsten Titanen, der dich beinahe gefressen hätte, weil du so versessen darauf warst, ihn allein zu töten.“ Es mochte nicht nett sein, aber das war Oluo selbst auch nicht und aufgrund seiner Angeberei verdiente er es nicht anders. Denn genau das war es, was ihn öfters in Schwierigkeiten brachte und ein Problem darstellte. „Ich weiß, das könntest du nicht ertragen, aber es ist noch nicht so weit für dich, meine Frau zu werden, meinst du nicht auch?“ Doch bevor Petra sich wehren und einen größeren Streit auslösen konnte, ging Gunther dazwischen. „Könntet ihr bitte beide erwachsen werden? Ihr seid ein Team.“ Petra nickte entschuldigend, während Oluo nicht reagierte. Warum war er nur so versessen darauf, sie in eine Hausfrauenrolle zu stecken? Weil sie eine der eher wenigen Frauen unter den Soldaten war? Das schien ihr selbst für Oluo zu altmodisch. „Ich verstehe nicht, wieso er so unerträglich sein muss!“, beschwerte sie sich, als er sich – die jungen Mitglieder im Schlepptau – von ihnen entfernte. Gunther seufzte und schwieg dann, allerdings nur, bis Eld, der neben ihm im weichen Gras saß und die aufgehende Sonne zu genießen schien, zu glucksen begann. „Das ist wohl seine ganz eigene Art von Zuneigung.“ Sie verstand nicht, was das heißen sollte, ließ sich neben Eld auf dem Boden nieder und blickte fragend zu Gunther, der nicht wirkte, als wolle er es erklären, schließlich aber nachgab. „Du solltest das alles nicht als einen Vorwurf oder ein Vorurteil seinerseits sehen.“ „Sondern?“ „Sieh es eher als ein Wunschdenken. Vielleicht bildet er sich ein, er könne dich damit irgendwie dazu bringen, dein Leben zu überdenken.“ Zuerst glaubte sie, das nicht zu verstehen, bis die Einsicht sie rot anliefen lässt. Gunther war intelligent. Wenn er sagte, dass das Oluos wahre Intention war, dann stimmte das höchstwahrscheinlich auch. „Weil er zu stolz ist, zuzugeben, sich um jemanden zu sorgen?“, hakte sie noch einmal nach, obwohl sie bereits wusste, dass das damit gemeint war. So hatte sie das Ganze bisher noch nie betrachtet und fühlte sich urplötzlich schlecht ob ihrer Vorwürfe und bissigen Kommentare. Es war nicht so, dass sie Oluo nicht mochte – es war lediglich dieses unausstehliche Verhalten, dass sie nicht ertrug. Jedoch einzusehen, warum er so handelte, ließ sie bemerken, dass sie selbst sich auch nicht besser verhalten hatte. Auch sie hatte es nicht übers Herz gebracht, einfach auszusprechen, warum es sie störte, und warum sie sich wünschte, Oluo würde sich nicht benehmen, als sei er etwas Besseres als sie alle. Sie sollte versuchen, das zu ändern. Jeder von ihnen hatte seine ganz persönlichen Macken und Eigenheiten, und eigentlich war es genau das, was ihr Leben zu dem machte, was es war. __________________________________ „Wisst ihr, worum es hier geht?“ Sie alle – Oluo, Gunther, Eld und Petra – waren für eine Sonderbesprechung zusammengerufen worden. Das war insofern außergewöhnlich, dass sie nicht der gleichen Einheit angehörten. Keiner schien wirklich zu wissen, was genau vor sich ging, aber unerwarteterweise war es schlussendlich Gunther, der es wagte, eine Theorie aufzustellen. „Irgendetwas sagt mir, dass es mit diesem Eren Jaeger zusammenhängt.“ Das klang einleuchtend. Sie wussten noch nicht allzu viel über den Jungen – lediglich, dass er sich in einen Titanen verwandeln konnte, was schon skurril genug war und Petra nicht behagte, und dass er, was noch viel skurriler wirkte, der Aufklärungslegion beitreten wollte. Welchen Grund es nun aber geben sollte, ausgerechnet sie vier und niemand Weiteres diesbezüglich zu versammeln, konnte Petra nicht nachvollziehen. Nicht jedenfalls, bis sich die Tür öffnete und niemand Geringeres als der dritte Kommandant und Hauptmann Levi höchstpersönlich den Raum betrat und die Situation begann, einen Sinn zu ergeben. Sie waren als Mitglieder für eine Spezialeinheit für schwierige oder geheime Missionen ausgewählt worden. Keiner von ihnen stellte diesen Umstand in Frage, doch war Petra nicht klar, wieso ausgerechnet sie gewählt worden waren. „Ich verstehe nicht ganz. Warum wir vier? Von wem wurden wir ausgesucht?“ „Ihr seid fähige Soldaten, die bereits viele Expeditionen überlebt und außergewöhnliches Talent bewiesen haben. Die Entscheidung lag bei mir persönlich.“ Sie spürte, wie sie rot anlief. Das war eine unbeschreibliche Ehre, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Natürlich freute sie sich, Teil von etwas Größerem sein zu können, doch gleichzeitig wirkte es surreal und wie ein schlechter Scherz. „Es sei denn, ihr traut euch das nicht zu?“ Es klang viel mehr wie eine Drohung als wie eine Frage, aber auch so hätte wohl keiner von ihnen widersprochen. Sie alle waren einverstanden damit, Teil dieser Spezialeinheit zu werden, und wussten um ihre Fähigkeiten im Team – sie waren schon als Rekruten gute Freunde gewesen und kannten sich lange. Erst Stunden später jedoch wurde Petra klar, was diese Entscheidung eigentlich für sie bedeutete. Das Leben als Soldatin war für sie alles geworden. Das Ziel vor Augen, die Zukunft zu einem besseren Ort zu machen, als die Gegenwart es war; die Gedanken bei den gemeinsamen Abenden am Lagerfeuer, viel mehr unter Freunden als nur unter Kämpfern; das Wissen, immer wieder aufs Neue das eigene Leben willentlich zu riskieren. All das empfand sie immer noch, vielleicht gar intensiver als zuvor, als sie begann, einen Brief an ihre Eltern zu schreiben. Mama, Papa. Es tut mir leid, dass ich mich länger nicht bei euch gemeldet habe. Für das Militär haben sich viele neue Dinge ergeben, auch wenn ich nicht viel erzählen kann. Allerdings kann ich euch sagen, dass ich heute als Mitglied einer neuen Einheit für besondere Aufgaben ausgewählt wurde. Nichts könnte mir wichtiger sein, als einen Nutzen für das Militär zu haben. Ich verspreche, ich werde sowohl die Vorgesetzten als auch euch nicht enttäuschen! Hauptmann Levi ist ein unglaublich starker, bemerkenswerter Soldat. Ich hoffe, dass ich für die Menschheit irgendwann auch einmal eine ähnliche Bedeutung haben werde, wie er sie hat. Mein Traum hat sich nicht verändert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)