Are you ready!? von Cirque_des_Reves ================================================================================ Kapitel 5: Fanservice --------------------- Schon den ganzen Tag war Koi viel zu aufgedreht. Es hatte am Morgen begonnen, als er in Ikus Zimmer gepoltert war – so früh, dass selbst Iku noch schlief! – und laut verkündet hatte, dass es Zeit für ihr Styling wurde. (Es störte Iku nicht, dass er geweckt wurde – dank dem Talisman, den Yoru ihm ausgesucht hatte, schlief er längst schon wieder wie ein Baby. Und auch wenn die Woche inzwischen vorbei war, zur Sicherheit lag das kleine Glücksbringerchen immer noch auf seinem Nachttisch.) Koi selbst hatte zu dem Zeitpunkt seine Verkleidung schon spazieren getragen: Für seine Verhältnisse eine viel zu blasse, viel zu brave Kleidungskombi, die von einer dicken Brille mit Fensterglasgläsern abgerundet wurde und einem schlichten, braven Hut, unter dem er seine Haarnadeln und seinen pinken Schopf verstecken konnte.   Weil es ja so viel spannender war, die Anime-und-Manga-Kultur Japans hautnah zu erleben, hatte Koi natürlich auf einem Ausflug bestanden.   Und natürlich mussten sie sich dafür ein bisschen vor den Augen der Fans schützen, besonders, wenn sie genau die Gegenden frequentieren wollten, in denen man üblicherweise Anhänger der verschiedensten Sparten fand. Also Tarnung. Iku, der selbst nie ein herausragend gutes Händchen dafür bewies, sich hinter Kleidung und Accessoires zu verstecken, ließ Koi einfach machen, wie er meinte. Zugegeben, in der Regel reichte es bei Iku, wenn er einfach kein buntes Idol-Outfit trug, denn ehrlich – er war nicht besonders auffällig. Er hatte keine außergewöhnliche Haarfarbe, keine außergewöhnlichen Augen, hatte keinen außergewöhnlichen Kleidungsstil. In der Regel ging er perfekt in der Menge unter, ohne dass er sich auch nur eine Brille auf die Nase ziehen musste. Aber Koi hatte Spaß an dem Theater, und Iku fand, in diesem Fall war sicher besser, also ließ er sich mit Kamm und Stylingprodukten attackieren, nachdem Koi seinen Kleiderschrank durchwühlt und ihm ein völlig un-iku-haftes Outfit zusammengestellt hatte. Er sah aus wie ein anderer Mensch, als er in den Spiegel blickte. Iku hatte nicht einmal gewusst, dass er seine Haare theoretisch so stylen konnte!   So beeindruckend es aussah – nie wieder. Er fühlte sich einfach wohler, wenn er er selbst war! Auch wenn er selbst sein manchmal bedeutete, dass er bunte Idol-Klamotten trug, die an allen Enden und Ecken glitzerten und flimmerten und leuchteten.   Inzwischen hatten sie auch längst Arata abgeholt, dessen Verkleidung sich auf eine Sonnenbrille und einen Schal vor dem Mund belief, und waren längst draußen und auf bestem Weg zu ihrem ersten Ziel. Akihabara, ein Stadtteil, der, wenn man Kois schon seit Minuten andauerndem Geplapper glauben durfte, so ziemlich die größte Anlaufstelle in ganz Tokyo war für all jene, die sich im Volksmund häufig schon eher unter Otaku als unter Fan zusammenfassen ließen. Iku war noch nie hier gewesen. Zwischen aller Arbeit und aller Schule und aller Leichtathletik fehlte ihm einfach die Zeit dazu! Und er sah wenig Reiz daran, wenn er ehrlich war, Anime und Manga und Idols und Videospiele nicht wirklich seine Welt. Gäbe es einen ganzen Stadtteil nur für Sportlerbedarf… das wäre wohl etwas anderes.   So, wie es war, war Iku jedenfalls überhaupt nicht vorbereitet auf den Anblick, der ihn erwartete.   Das erste, das ihm ins Auge stach, war die Tatsache, wie bunt es hier mitten im Großstadtdschungel Tokyo auf einmal wurde. Iku starrte, völlig überwältig, ungläubig, und so sehr abgelenkt von allem, was er hier sah, dass er sogar das Filmen vergaß. Es ging so weit, dass Koi ihm lachend die Kamera mopste und verkündete, er würde hier übernehmen, damit auch jeder Fan da draußen Ikus Ehrfurcht sehen konnte. Ehrfurcht war allerdings nicht das richtige Wort. Er war einfach nur überrascht. Die riesig hohen Hausfassaden waren grellbunt, so sehr, dass es in den Augen schmerzte, und überall waren riesige Reklametafeln, auf denen irgendwelche Animefiguren, Idols oder sonstige Gestalten abgebildet waren. Er kam keine zwei Schritte weit, ohne von allen Seiten von großen, leuchtenden Kulleraugen betrachtet zu werden. Es war nicht ganz so nervenzerreißend wie all die Hajimes in Shuns Zimmer, aber es war trotz und alledem nicht gerade angenehm. Und dann waren da die Cosplayer! Iku wusste natürlich, dass es Cosplayer gab. Alleine, weil selbst sie Fans hatten, die sich ab und zu als ihre Idole verkleideten, und auch wenn Iku selbst sicher nicht das Internet danach durchwühlte – Koi tat es. Koi durchwühlte das Internet viel zu gerne nach allen möglichen Dingen, von denen Iku nicht näher wissen wollte.   Er erinnerte sich noch vage an seine erste und einzige Begegnung mit einem Medium namens Fanfiction, die er nie wieder wiederholen wollte.   Es waren unglaublich viele Maids. Sie teilten Flyer aus, lächelnd, strahlend. Es war irgendwie beinahe charmant, aber wirklich – überwältigend. Koi schien das hingegen gar nicht zu stören, genauso wenig wie Arata, der völlig nonchalant Flyer über Flyer annahm und im Laufen schließlich zu vergleichen schien. „Wir sollten eines besuchen“, kommentierte er und wedelte mit dem bunt bedruckten Papier in seiner Hand herum. Koi drehte sich im Laufen zu ihm um, halb hinter dem Camcorder verborgen. Sein breites Grinsen war trotzdem zu sehen. „Maid-Café? Ehrlich, Arata-Kun?“ – „Es ist Teil der japanischen Kultur.“ Obwohl Iku ahnte, dass er gar nicht so genau wissen wollte, was ein Maid-Café eigentlich war, fragte er nach. „Ein Maid-Café ist so ziemlich genau das, wonach es klingt“, gab Koi zurück. Er reichte blindlings den Camcorder an Arata weiter, fiel dann zurück, bis er wieder neben Iku lief; Arata unterdessen nahm Kois rückwärtslaufenden Platz an der Spitze ihrer kleinen Gruppe ein. „Es ist ein Café. Kuchen, Süßigkeiten, du weißt schon. Die Angestellten sind als Maids verkleidet. Wobei es nicht damit getan ist! Es ist eigentlich sogar richtig streng, was man alles beachten muss, um in einem Maid-Café arbeiten zu können. Nicht nur, dass das Aussehen stimmen muss, man muss ein gewisses Maß an schauspielerischem Talent mitbringen, fähig sein, eine Rolle zu halten, und man darf diese Rolle den ganzen Arbeitstag über nicht fallen lassen. Oft genug geht es so weit, dass ganz strikt jedweder persönlicher Kontakt mit den Kunden verboten ist – sie dürfen eine Maid niemals außerhalb ihres Kostüms sehen. Entsprechend dürfen private Informationen natürlich auch nicht weitergegeben, das ist logisch, ne? Maids erfreuen sich übrigens extrem großer Beliebtheit. Viele machen noch zusätzlich Geld, indem sie Fotos von sich verkaufen, oder Fotos mit den Gästen machen. Einige veröffentlichen sogar CDs. Aber was wirklich das Besondere an einem Maid-Café ist, ist definitiv der Service! Statt einem normalen Kunden-Angestellten-Verhältnis zielen Maid-Cafés eher darauf ab, das Gefühl von Meister-Dienstmagd-Beziehungen zu imitieren. Sie sind ziemlich beliebt, und das übrigens nicht nur bei solchen Kerlen wie Arata-Kun, sondern inzwischen auch bei Pärchen und Frauen.“ Iku war sich sicher, dass Arata Koi einen bösen Blick zuwarf, aber der Kerl ignorierte ihn einfach nur. Er grinste höchstens nur noch breiter. „Apropos Frauen – es gibt auch Butler-Cafés, Cosplay-Cafés allgemein, und~ Cafés, die Trapmaids anstellen! Also Männer, die sich in hübsche Maiddresses schmeißen.“   Irgendwie war Iku mit einem Mal sein Idol-Outfit so viel lieber. Er lachte nervös auf, kratzte sich am Hinterkopf. Männer in Maidkleidern… das war eine seltsam beunruhigende Vorstellung. „Dafür, dass du gerade noch so empört warst, weißt du aber verblüffend viel, Koi-Kun. Dass es männliche Maids gibt, wusste ja nicht einmal ich. Sag nicht, du hast sie schonmal live gesehen?“ – „A-Arata-Kun!!!“ Koi lief schlagartig rot an. Er gestikulierte wild, stammelte etwas, das Iku überhaupt nicht verstand, das aber wohl Teil seiner Verteidigungsrede sein sollte. Nachdem er einfach kein sinnvolles Wort herausbekam, gab er nach einigen Sekunden schnaufend auf und schüttelte einfach nur noch vehement den Kopf, so hektisch, dass Iku sich schon darauf einstellte, seinen Hut aus der Luft zu fischen. Er fiel nicht, zum Glück. „Jedenfalls!“, schnaubte er schließlich, als seine Gesichtsfarbe langsam wieder einen eher menschlichen als tomatigen Farbton annahm, „Werden wir nicht in ein Maid-Café gehen! Dafür haben wir gar keine Zeit, unser Tagesplan ist vollgestopft bis oben hin!“ – „Ich stimme Koi zu.“ Iku lächelte behutsam. „Wir haben wirklich noch einiges vor uns, und ich denke kaum, dass wir dort filmen dürften. Und es wäre schade, etwas zu unternehmen, an dem die Fans keinen Anteil haben können, nicht wahr?“ – „Genau, genau! Da hörst du es, Arata-Kun!“ „Klappe, Nervensäge.“   Koi hielt nicht die Klappe. Ein bisschen war Iku sogar froh darum – nachdem er genug gezetert hatte und wieder dazu zurückkehrte, ihre Umgebung zu moderieren, wurde sein Geplapper immerhin wieder nützlich! Und Iku hätte es nicht gekonnt, dafür kannte er sich hier einfach zu wenig aus. Mit Koi als Fremdenführer kamen sie aber wunderbar zwischen den bunten Fassaden voran. Es fiel Iku erst auf, als er zum fünften Mal fruchtlos versuchte, in einen Laden hineinzusehen – es gab nur wenige Schaufenstern, und sie waren bedeutend kleiner als üblich. Arata erklärte, dass es mit der allgemeinen Otaku-Kultur zusammenhing. Diskretion. Otakus schienen nicht die Typen dafür zu sein, ihre Vorlieben allzu deutlich in die Welt hinauszuposaunen, etwas, das Iku ebenfalls wieder nicht gewusst hatte. Es war interessant für ihn! Wie interessant würde es dann erst für ihre Fans überall auf der Welt sein? Iku konnte es eigentlich kaum erwarten, ihre Reaktionen mitzubekommen! Er war aufgeregt, wenn er nur daran dachte. Mädchen auf der ganzen Welt würden das hier verfolgen können! Ihr Leben, ihre Heimat, ihre völlig unterschiedlichen Interessen. Irgendwie würde Iku sich selbst einmal gern durch Fan-Augen sehen. Sich, und natürlich seine Freunde. Wie würden sie wirken? Würde Kois und Aratas Gezänker auf die Fans eher liebenswert wirken, so wie Iku es wahrnahm? Als selbstverständlichen Ausdruck  ihrer Freundschaft eben? Oder würden sie eher enttäuscht über den harschen Umgangston sein, weil sie fürchten mussten, dass die Beziehungen ihrer Lieblingsband untereinander nicht gut waren? Wie würden sie auf den Tempeljungen You reagieren. Enttäuscht, weil das sich mit seinem Frauenschwarm-Image biss? Oder beeindruckt, weil da so viel mehr hinter der Fassade steckte? Und Shun! Ob es wohl irgendwo auf der Welt auch Mädchen gab, die die Nase rümpften über Männer, die kochen konnten? Oder würden einige Mädels versuchen, das Sushi nachzukochen, das sie zubereitet hatten? Iku schmunzelte, als er sich daran erinnerte, wie unglaublich schlecht er darin gewesen war, die gefüllten Noriblätter aufzurollen. Seine Sushirollen sahen wie alles aus, aber nicht wie Rollen. Yoru und Aoi  hingegen waren so beneidenswert geschickt!   Während sie bald begannen, durch die Läden zu streifen, fing Iku wirklich an, Spaß an der Sache zu haben. Kois Begeisterung, mit der er alle möglichen neuen Entdeckungen mit ihnen teilen musste, angefangen bei Sammelfiguren über Mangas bis hin zu neuen Alben seiner Lieblingsbands und –Idols, war einfach ansteckend!   Zumindest solange, bis Iku Bekanntschaft mit etwas machte, das noch viel schlimmer war als Fanfiction: Doujinshi.   Fanmanga. Manga, die wahlweise Geschichten zu bereits bestehenden Werken erzählten – oder zu Videospielen. Zu Idols. Zu allem Möglichen. Iku konnte nur entsetzt starren, als Koi eines dieser Heftchen hochhielt, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „Hajime-San wird dich umbringen dafür“, kommentierte Arata trocken. Koi lachte nur. Iku war sich sicher, dass Arata Recht hatte, aber er war sich ungefähr genauso sicher, dass Shun Koi vor dem sicheren Tod retten würde. Er wollte nicht dabei sein, wenn ihre beiden Leader sich darum prügelten, ob Koi nun einen Kopf kürzer gemacht gehörte, oder ob man ihm eher einen Orden verleihen sollte. „Du wirst das aber nicht–“ Kois Blick war schon Antwort genug. War er wirklich. Der Kommentar „Ich brauch doch noch ein Geburtstagsgeschenk für Shun-San!“ hätte ehrlich nicht mehr sein müssen. „Du wirst sterben.“ Arata klang nicht, als würde es ihm wirklich leidtun.   Er hätte gedacht, es könnte nicht noch schlimmer kommen. Koi hielt sich wenigstens in einem jugendfreien Rahmen! Arata hingegen war der festen Überzeugung, dass es nötig war, die Fans darauf aufmerksam zu machen, dass Hentai, also Anime– und Manga–Pornos, auch ein essentieller Teil ihrer Kultur waren. Iku sah gar nicht hin, als Arata irgendein mit Sicherheit obszönes Cover hochhielt, während Koi panisch kreischend den Camcorder in eine andere Richtung lenkte und versuchte, Aratas monotone Erklärung mit irgendetwas zu überquatschen, auf das Iku sich nicht konzentrieren konnte, das aber immerhin laut genug war, um seinen Zweck zu erfüllen.   Wobei es eigentlich ja gar nicht so schlimm war. Am Ende würde doch eh alles geschnitten werden, das nicht okay war.     ***     „Und hier sind wir! Unser nächstes Ziel: Willkommen auf der Otome Road!“   Iku blinzelte verdutzt. „Otome… Road?“ Er sah  nichts, das den Namen rechtfertigte. Wo Akihabara so grell und bunt gewesen war, waren sie hier in einer ganz gewöhnlichen, großstädtischen Straße voller Hochhäuser. Das einzige, das wirklich auffiel, war der große Animate an der Straßenecke, aber davon ab – bei dem Namen hätte Iku mehr Rosa, Glitzer und Kitsch erwartet. Viel mehr. „Du siehst verwirrt aus.“ Koi sah schadenfroh aus. Iku seufzte leise, wandte den Blick zu seinem rosahaarigen Freund um und grinste hilflos. „Na ja – irgendwie wirkt alles hier nicht sehr… Otome.“ – „Ne? Ist ganz simpel! Akihabara ist ja ne riesige Gegend, in der es nur dieses ganze Otaku-Zeugs gibt – hier aber umfasst der ganze Krempel nur ein paar hundert Meter die Straße entlang, der Rest ist ganz normale, langweilige japanische Großstadt. Kann man sich gar nicht leisten, hier allzu bunt zu werden, das fände wohl niemand sonst lustig, der die Straße entlanglaufen muss.“ Na, das war immerhin eine Erklärung für all das fehlende Glitzerzeug und den fehlenden Kitsch. Arata war auch so nett,  noch eine Erklärung beizusteuern, wieso dieser Ort überhaupt auf seinen Namen kam. Scheinbar war das hier quasi die Otaku-Anlaufstelle für weibliche Fans, während Akihabara sich primär auf Männer ausgerichtet hatte. Hier gäbe es einen bedeutend höheren Anteil an mädchenorientierten Animes, Mangas, Merchandise und Doujinshi.   Iku hoffte ernsthaft, dass sie die Doujinshi diesmal einfach auslassen würden, denn er hatte entschieden genug davon gesehen!   Es war schwer, den Doujinshi ganz auszuweichen. Koi, der es auch gar nicht versuchte, fand in jedem Laden irgendetwas, das Iku in seinem Leben niemals hatte sehen wollen, und er war viel zu begeistert von dem ganzen Unfug. Aratas spitze Kommentare halfen zumindest ein bisschen, Kois Freude zu dämpfen, und nach dem dritten Laden, den die beiden damit verbrachten, darüber zu diskutieren, ob Kois Begeisterung für seltsame Pärchen-Doujinshi wohl Ausdruck irgendwelcher versteckten Bedürfnisse war, hatte Koi offenbar doch genug von der ganzen Sache und verlegte sich lieber darauf, bei jeder Gelegenheit gegen Aratas Interessengebiete zu sticheln. Kinder. Iku vergaß manchmal, dass sie so kindisch sein konnten. Also, jeder von ihnen, er selbst eingeschlossen. Zwischen Berufsleben und Schulabschlüssen war irgendwie selten Zeit dafür, sich noch einmal vor Augen zu führen, dass sie eigentlich fast alle noch lange nicht erwachsen waren. Solche Tage wie dieser waren also wirklich, wirklich kostbar.   Wie lange sie sich im Endeffekt noch auf der Otome Road befanden, wusste Iku im Nachhinein nicht, denn er hatte mehr als einmal versäumt, auf die Uhr zu sehen, aber in jedem Fall war es längst am Dunkelwerden, als sie langsam den Rückweg antraten. Vor der riesigen, weiß-blauen Fassade des Animate blieben sie stehen. „Gehen wir noch rein? Iku, du warst doch noch nie hier drin, oder?“ „Mh-mh. Alles, was ich kenne, ist von eurem Manager-für-einen-Tag-Event. Hab ein paar der Aufzeichnungen gesehen, aber so viel gab es gar nicht.“ Damit war für Koi beschlossene Sache – sie mussten da rein. Iku seufzte ergeben, ließ sich von ihm mitschleifen. Der Laden selbst war interessant! Riesig, voll mit Dingen, von denen Iku nicht einmal ganz gewusst hatte, dass sie existierten. Und so viel aus der Musikindustrie! Bergeweise CDs, aber vor allem unglaublich viele Fanartikel, angefangen bei Schlüsselanhängern bis hin zu aufwändigen Fotobüchern und Hochglanzpostern, die doch glatt schon zu schade waren, um sie an die Wand zu hängen. Iku hätte gerne ignoriert, dass das Hochglanzpapier der Poster seine Idol-Klamotten nur noch greller und auffälliger aussehen ließen, aber er konnte es nicht. Das war – das hatte er gar nicht gewusst! Er würde sich noch mehr anstrengen müssen, damit er diese Outfits zukünftig weiter mit Würde tragen konnte! Nicht nur tatsächlich, sondern auch auf penetrant glänzenden Postern.   Bevor sie endlich den Rückweg nach Hause antraten, kaufte Koi sich noch ein kitschig rosafarbenes Tsukiusa-Häschen, das er gleich an seine Tasche pinnte, und einfach nur, weil er es konnte, zwang er Iku und Arata auch gleich je  ein Häschen auf – als Andenken an den Tag. Irgendwie war die Geste ja süß, deshalb beschloss Iku, das kleine, bronzefarbene Tierchen in Ehren zu halten.     ***     Iku war sich sicher gewesen, dass es damit genug war. Aber kaum, dass der Aufzug sich auf Gravis Stockwerk öffnete, packten Koi und Arata ihn links und rechts und zerrten ihn mit sich hinaus. „H-hey!“, protestierte er lachend, „Was wird das denn?!“ – „Na was wohl! Wir sind noch nicht fertig mit dir! Und das Beste haben wir uns zum Schluss aufgehoben!“ Das Beste. Iku konnte sich nicht vorstellen, was nach einem ewiglangen Marsch durch zwei große Otaku-Gegenden noch so viel besser sein sollte. Koi kam jetzt aber nicht auf die Idee, seine Internetfixierung an ihm auszulassen und ihm wieder irgendwelche Fanfictions aufzuzwängen? Oder gleich darauf zu bestehen, dass sie ja eine für ihre Fans vorlesen könnten. Bitte nicht. Iku schluckte jeden Gedanken daran mühsam herunter, ehe er Koi nachher noch selbst auf Ideen brachte. Leider wurde er nicht ruhiger, als sie zielstrebig auf das Zimmer des rosa Wuschelkopfs zusteuerten. Das einzige, das irgendwie tröstlich war, war die Tatsache, dass sein PC offenkundig nicht eingeschaltet war. Keine Fanfictions. Nur – was dann?   „Also!“ Erklärung kam keine, aber dafür bekam Iku etwas in die Hand gedrückt, das verdächtig nach den Leuchtstäben aussah, die am Eingang aller Konzerthallen verkauft wurden. Er sah irritiert auf die beiden Stäbe in seiner Hand hinunter, dann zu Koi, der gerade weitere Leuchtstäbe an Arata verteilte, ehe er sich selbst zwei packte und dann breit grinsend in die Kamera winkte. „Stell das Ding mal ab, du brauchst jetzt beide Hände!“ Iku gehorchte. Stellte den Camcorder zur Seite, auf Kois Schreibtisch, noch erhöht durch einige Mangas, die er aus dem Regal fischte. „Iku~ hast du schonmal was von Wotagei gehört?“   Nein. Hatte Iku nicht. Sein verwirrter Gesichtsausdruck schien das auch gut genug zu übermitteln, denn Koi lachte nur herzlich und schüttelte den Kopf. „Unmöglich! Dabei machen unsere Fans das doch auch! Und sie geben sich so viel Mühe damit! Aber gut. Arata-Kun, erklär mal. Du hast viel zu wenig gesagt heute.“ – „Du hast einfach zu viel geredet, Koi-Kun. Da war kein Platz mehr für jemand anderen.“ Kurz sah es aus, als würde Koi wieder zurücksticheln wollen. Er ließ es dann aber doch bleiben, gestikulierte nur noch einmal drängend in Aratas Richtung, dass er zu erklären beginnen sollte. Wotagei, wie er sagte, war eine Form von Anfeuerung, die in Bezug auf Idols benutzt wurde. Konzerte, Events, Meetings. Gewissermaßen auch eine Art von Tanz, bestehend aus bestimmten Bewegungsfolgen, Gesten, Klatschen, und diversen Rufen. Iku fand, es klang wahnsinnig kompliziert. Es gab einen MIX, eine bestimmte Form von Anfeuerungsruf, die wohl in instrumentalen Parts von Songs praktiziert wurde. Und es gab übrigens verschiedene Formen davon, wobei drei sehr gängig waren, und darüber hinaus aber einige bekannte Idol-Gruppen ihre ganz eigene Variante vom MIX hatten. Außerdem war es absolut unhöflich, während ruhigen oder emotionalen Songs den MIX zu rufen, also – kompliziert. Iku war das viel zu kompliziert. „Du musst echt mal drauf achten“, kommentierte Koi schmunzelnd, als Aratas monotoner Redeschwall verebbte, „Beim nächsten Konzert oder so. Unsere Fans ziehen das auch durch, das ist total cool! Es ist auch nicht halb so schwer, wie es aussieht, ehrlich. Willst du mal versuchen?“   Iku wusste, dass er mit einem Nein keine Chance hatte, außerdem klang diese Sache nach dem ersten für heute, mit dem er wirklich Zugang zu der Kultur finden könnte, die seine Freunde ihm hatten näherbringen wollen. Tanzen. Bewegung. Sport. Wieso nicht? Er grinste, krempelte die Ärmel hoch.   „Ich hab zwar keine Ahnung, wofür wir das brauchen sollten, aber – los geht’s!“ Hosted by Animexx e.V. 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