Intermezzi von Luthien-Tasartir (OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Nur ein Flügelschlag ------------------------------- Unwillen sprach aus den Augen Lillians, als sie den älteren Schüler mit Misstrauen musterte. Es war ein ausgesprochen ungewöhnlicher Blick, den man nicht bei der toleranten und weltoffenen Hufflepuff erwartet hätte. Doch noch unüblicher wirkte – zumindest auf sie – der Ausdruck ihres Gegenübers. Diesem schien ihre Reaktion nämlich geradezu zu gefallen. Sein selbstbewusster Blick lag mit schiefem, anzüglichem Grinsen auf ihr und sie konnte einfach nicht anders, als unwohl ihre Arme vor dem weißen Krankenhemd zu verschränken. Er kannte sie nicht, da war sie sich bis heute sicher gewesen, aber sie hatte ihre letzte – und einzige, intensivere – Begegnung nicht vergessen. Damals war sie gerade von einem ihrer Aufenthalte im Krankenflügel auf dem Weg zum Huffelpuff-Gemeinschaftsraum die Treppen hinuntergegangen, als sie ein leises Fiepen hörte... Aufmerksam geworden ging sie dem wimmernden Laut nach, bis sie, nur wenige Schritte entfernt, in einem Turmfenster eine kleine Eule entdeckte, die sich in sichtlicher Panik gegen das kalte Glas der durchsichtigen Falle drückte. Vor ihr stand – merklich zufrieden mit sich selbst, das wehrlose Tier in die Enge getrieben zu haben – ein blonder Schüler; vielleicht ein Jahr älter als sie. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie ihn sogar als einen der Freunde ihrer Schwester. Unter normalen Umständen hätte sie also keinen Kontakt zu ihm versucht aufzubauen, um die Ältere nicht in Verlegenheit oder dergleichen zu bringen. Doch was sie gerade vor sich sah, ließ sie in ihrer Bewegung erstarren. Der Slytherin stach mit seinem Zauberstab immer wieder nach dem bereits verletzten Wesen. Ganz offensichtlich, um sich an den Schreien des Vogels zu erfreuen. Kleine verkohlte Stellen am Gefieder des Opfers zeugten bereits von Funkensprung des magischen Werkzeugs und unterstrichen die Gefahr, die von einer solchen Handhabung ausging. Mit zwei weiteren Schritten die Stufen hinab, hatte sie sich zwischen die beiden gestellt und vorsichtig das Tier aufgenommen. Dann erst drehte sie sich um und blitzte den ihr Fremden wütend an. „Wie kannst du so etwas bloß dem armen Tier antun?“, Lillian war entrüstet. Mehr noch, sie hatte Artikulationsprobleme. Noch nie hatte sie eine solche Wut in sich gespürt, dass sie ihr Gegenüber am liebsten an die Gurgel gegangen wäre… und noch nie hatte sie so sehr nach den richtigen Worten für eben diese Person suchen müssen. Zu sehr war sie daran gewöhnt, in diplomatischem und vernünftigem Tonfall Streitigkeiten entgegenzutreten, dass sie sich nicht einmal daran erinnern konnte, jemals ernsthaft die Stimme erhoben oder gar jemanden beleidigt zu haben. Doch nun stand jemand vor ihr, der sie so abgrundtief abstieß, dass sie ihre natürliche Neugierde über die Beweggründe und das Wesen des Menschen vergaß. Noch ehe er hatte antworten können, hatte sie sich mit einem hilflosen „Schuft!“ auf dem Absatz umgedreht und eilte – die Arme schützend um die Eule haltend – die Treppen hoch. Dass der Bestohlene ihr ein lachendes „Das Spielzeug wirst du mir ersetzen! Nächstes Jahr gehörst du dann mir!“ hinterherrief, bekam sie kaum mehr mit. Damals hatte ihre Aufmerksamkeit ganz dem verletzten Tier gegolten, heute ruhte sie auf ihrem Gast. Er kannte sie nicht… zumindest hatte er sie die folgenden Monate nie weiter beachtet. Was tat er also hier? Er kannte sie… „Was willst du?“, endlich hatte sie den Mund aufbekommen. Nichts von ihrer eigentlichen Sanftheit war mehr in ihren Worten zu hören und auch keine Schwäche sprach aus Blick oder Stimme. Letzteres war besonders bezeichnend. Schließlich hatte sie bis eben noch mit 39°C Fieber im Bett des Krankenflügels gelegen. Ihr Gegenüber grinste nur noch breiter, ehe er meinte: „Wieso? Ich hab doch gesagt, dass ich dieses Jahr mit dir auf den Ball gehe. Also hole ich dich jetzt ab. Achja und hier: Ein kleines Ballgeschenk.“ Lillian blickte den Slytherin fassungslos an. Hin und hergerissen zwischen vollkommener Befremdung, wie er darauf kam, dass sie mit ihm und vor allem in ihrem Zustand fortging und einfacher Sprachlosigkeit. Ein leicht geöffneter Mund und entgeisterte Augen entsprachen ihrer Gefühlsregung nach außen, als sie die klaren Iriden des Franzosen trafen. Stille breitete sich aus; nur unterbrochen von dem Rascheln von Federn, als sich die kleine Blaumeise aus der Hand Firous erhob und aus dem geöffneten Fenster flatterte. Kapitel 2: Follow Ups --------------------- Rumpelkammergeschichten Ein letztes Rütteln an der Tür, bevor auch er aufgab. Ohne Zauberstäbe war es hoffnungslos hier herauszukommen. Und diese hatten beide aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen können. Apparieren war ebenso wenig eine Option, da der Kongress den üblichen Schutz dagegen aufgebaut hatte, um unerwünschte Gäste fernzuhalten. „Entschuldigung, das ist meine Schuld.“ Diese Worte waren an seine Begleitung gerichtet, die hinter ihm in der Kammer leicht mit ihrer Contenance zu kämpfen schien und nur ein schnippisches „Ach wirklich!“ hervorbrachte. Er konnte sie jedoch verstehen. Selbst war er ebenfalls wenig begeistert davon, dass ihm die Kontrolle durch eine Tür genommen worden war. Nun… dass er sie sich beiden genommen hatte, indem er zu früh abgebogen war. Dennoch lohnte es sich nicht, jetzt zu erstarren. Durch das kleine Fenster über ihnen, weit aus ihrer Reichweite und viel zu klein für einen erwachsenen Menschen, leuchtete noch ein wenig trübes Tageslicht, grauer Vorbote des herannahenden Abends. Spätestens wenn ihre Zauberstäbe am Ende des Tages übrigblieben, würde nach ihnen gesucht werden. Bis dahin sollten sie aber die Gelegenheit nutzen, sich mit ihrer Umgebung vertraut machen. Vielleicht fand er ja etwas, das ihnen half, sich aus der Situation zu befreien. Suchend blickte er sich um in dem kleinen Raum. Etwas größer als eine Besenkammer, fand sich hier trotzdem allerlei Gerümpel, das sich wohl über die Jahre angesammelt hatte. Ein alter Stuhl, dem jedoch ein Bein fehlte, etwas verzauberbares Muggelwerkzeug, allerlei Nägel und Schrauben, ein Hammer, Pappe, ein paar noch neu verpackte Kissen, ein sehr alter Reisebesen, dem aber die Mehrzahl seiner Zweige abgebrochen zu sein schienen, drei Trophäen für die Jugendquidditchmannschaft des Ortes und eine Auswahl an angebrochenen Klebern, die laut Etikett ebenfalls für die Bespaßung der anwohnenden Kinder gedacht waren. „Leider kein Schlüssel oder dergleichen“, murmelte Gabriel tatsächlich etwas enttäuscht und wandte sich erneut an Léa, die sich ebenfalls skeptisch im Raum umgeschaut hatte. „Ich fürchte, wir sitzen hier bis auf weiteres fest, wenn niemand vorbeikommt.“ Damit nahm er sich einen beinahe leeren Holzkleber aus dem Sortiment und angelte sich das abge… Gabriel runzelte irritiert die Stirn, als er sah, dass es eindeutig danach aussah, als sei das Bein abgesägt worden. Nun, es machte sein Vorhaben um einiges einfacher. „Was genau haben Sie vor?“, der Ton der Dunkelhaarigen war leicht gepresst, Skepsis, ja geradezu Misstrauen sprach aus ihm heraus und bewog Gabriel kurz aufzuschauen, als er nach einer geriffelten Feile griff. Die Arme vor der Brust verschränkt fühlte sich seine Kollegin eindeutig sehr unwohl. Allerdings konnte er selbst daran nur bedingt etwas ändern. Und genau das versuchte er hier gerade. „Da wir nicht wissen können, wie lange wir hier ausharren müssen, möchte ich Ihnen nicht zumuten, die gesamte Zeit über stehen zu müssen. Darum“, damit hob er sein Werkzeug hoch, „bin ich gerade dabei, den Stuhl zu reparieren.“ Um den Worten mehr Gehalt zu geben, begann er damit, die Oberfläche der beiden zu verbindenden Flächen aufzurauen. Er war zwar nicht der spontanste Mensch, aber dennoch besaß er aus seiner Kindheit her noch ein ausgesprochen pragmatisches Mindset und Kenntnisse von Muggelgegenständen. Aufgeraut kam der Kleber auf beide Flächen und die beiden Stücke wurden dann für einige Minuten aufeinandergedrückt. Stille fiel in dieser Zeit über den kleinen Raum. Weder Gabriel noch Léa besaßen das Bedürfnis sich gegenseitig mitzuteilen. Auch außen auf dem Gang blieb es still. Alle schienen mittlerweile die Veranstaltung gefunden haben, die sie spannend fanden. Léa und Gabriel hatten sich selbst nur durch Zufall getroffen und waren sich nicht bewusst gewesen, dass sie beide den magischen Buchkongress hatten besuchen wollen. Und auch wenn Gabriel kein großer Fan davon war, außerhalb der Schule Kontakt mit seinen Kollegen zu pflegen, waren sie dennoch über das gemeinsame Thema ins Gespräch gekommen. Der gleiche Weg zu einem der Lesungsräume führte zu einem gemeinsamen Schlendern und die Ablenkung durch das Gespräch zu der Situation, in der sie sich nun befanden. Nach einigen langen Minuten des Anschweigens, in denen Léa weiterhin unwohl im Raum stand und der Sprachenprofessor Stuhlbein und Sitz aneinanderpresste, lockerte Letzterer langsam wieder seinen Griff, testete die Stabilität des Klebers und stellte ihn schließlich wieder repariert vor Léa. Zusammen mit einem noch verpackten Kissen. Diese schaute skeptisch den Stuhl an, das reinblütige Misstrauen gegenüber Muggelpraktiken zeigend und allein mit ihren Augen fragend, ob das denn überhaupt halten könne. „Solange Sie sich nicht übermäßig darauf bewegen, wird er stabil bleiben“, beantwortete Gabriel die stumme Frage, nahm sich selbst ein Kissen und machte es sich in einer der wenigen freien Stellen auf dem Boden gemütlich. Zwar wurde dadurch sein Anzug dreckig, doch glücklicherweise befand er sich hier in der Zaubererwelt. Und das Kleid seiner Begleitung würde wesentlich mehr Schaden auf dem Boden nehmen. Wieder vergingen Minuten in der Stille. Beide lauschten auf Geräusche von außen, Léa beschäftigte sich mit einigen meditativen Atemübungen, Gabriel versuchte die Zeit mit Gedanken über das nächste Schulquartal totzuschlagen, doch niemand sprach. Dann: „Wo haben Sie sich das Wissen über Muggelartefakte angeeignet?“ Die ruhigere Stimme Léas ließ Gabriel leicht aufsehen. Eigentlich hatte er erwartet, dass die Zeit bis zur Befreiung schweigend vorbeigehen würde. Aber da er es als unhöflich empfand, seine Begleitung zu ignorieren, räusperte er sich. „Ich bin in einem sehr unmagischen Haushalt aufgewachsen. Mit der Zeit schaut man sich darüber einige Dinge ab.“ Das war per se keine Lüge, allerdings verschwieg er seiner Kollegin, dass schon lange nicht alle Muggel Reparaturen tätigen konnten und es schlichtweg der finanziellen Situation seiner Familie zuzuschreiben gewesen war, dass er und seine Brüder kreativ geworden waren, wenn seine Eltern auf der Arbeit gewesen waren…   Weihnachten im Museum Cait fragte sich schon zum wiederholten Mal, warum sie hier war. Und zum wiederholten Mal konnte sie sich keine befriedigende Antwort zusammenreimen. Sie war nun ein halbes Jahr auf der Frosch-Schule, hatte sich ein paar Freunde und ein paar Feinde gemacht und aufgrund von fehlenden schlechten Vorbildern, war sie zu einem braven Engel mutiert… naja, letzteres stimmte nicht wirklich. Aber ihre Umgebung hatte sich trotzdem stark verändert. Ihre beiden Hauptkontakte wären von ihr in Hogwarts nicht einmal in Erwägung gezogen worden. Und trotzdem hatte sie den unsicheren Streber und ihre Zimmergenossin irgendwie liebgewonnen. All das half ihr allerdings nicht, sich aus ihrer derzeitigen Lage zu winden… Es war kurz vor Weihnachten und eigentlich wären die Wrights auf dem Anwesen ihrer Großmutter die letzten Vorbereitungen für Heiligabend beschäftigt. Tatsächlich galt das auch zumindest für den Großteil ihrer Familie. Sie und ihr Vater hingegen waren gerade in Griechenland. Der Chef des Wright-Konzerns war mitten im Winter nämlich auf die großartige Idee gekommen, sich über neue Holzarten schlau zu machen, die er eventuell für seine nächste Kollektion benutzen wollte. Und da Leah Caitlin Wright nun kurz vor der Volljährigkeit stand und von ihr erwartet wurde, einmal das Erbe anzutreten, hatte Brandon Wright beschlossen, sie von nun an in ihren Ferien auf Geschäftsreisen mitzunehmen. Dass er sie dann aber nicht mitnahm, als es tatsächlich um ein Beratungsgespräch ging, war… an sich ja ganz nett, aber es machte ihren Aufenthalt nur noch unsinniger. Ein leises, frustriertes Schnauben entfuhr ihr und sie zog ihren Ravenclaw-Schal etwas enger. „Wir können auch gern was anderes machen. Ist dir kalt? Wenn du magst, kann ich dir helfen, dich aufzuheizen.“ Caits blick schweifte halb kritisch, halb irritiert schräg hoch, um den jungen Griechen stirnrunzelnd anzusehen. Normalerweise hätte sie sich wohl über die Zweideutigkeit amüsiert, aber ihre Laune war nicht gerade die beste. Dabei hatte sie eigentlich nichts gegen den besten Freund von Laza, aber ihre Laune war einfach unterirdisch. Von dem Sohn von Vaters Kontaktperson gebabysittet zu werden, zählte also definitiv nicht zu etwas, das sie zu ihren Vorlieben zählen würde. „In nem Museum? Wenn du was reiten willst, versuch’s doch damit“, grummelte sie also stattdessen missmutig, nicht ganz auf die gewollte oder ungewollte Anspielung verzichten könnend, und deutete auf das Modell einer der ersten griechischen Rennbesen, vor dem sie geradestanden. Vater hatte ihr gesagt, dass sie dennoch in der Nähe bleiben sollten und da die beiden Erwachsenen sich ausgerechnet in der Flugabteilung des griechischen, magischen Nationalmuseums hatten treffen wollen, hieß das für sie Gebäudearrest. Und kurz vor Weihnachten wollte sie ihn nicht verärgern. Immerhin hatte sie noch immer die Hoffnung, Kitty an Silvester treffen zu können, was sie am Fest der Liebe ansprechen wollte. Das durfte sie sich nicht verscherzen. Aber wahrscheinlich war es auch nicht die beste Idee, Familienmitglieder von helfenden Händen zu verärgern. Und in dem Fall sogar auch für sie persönlich nicht so. Quidditch-Spieler gehörten immerhin eher in die coole Sparte und mit denen wollte sie ja gut auskommen. Also seufzte sie lautlos und richtete sich mit freundlicherem Lächeln zu dem gutaussehenden Griechen. „Sorry, das war nicht fair“, entschuldigte sie sich und bekam dabei nur am Rande mit, dass Perseus scheinbar nicht ganz so gut mit solchen Sprüchen klarkam… und mit „am Rande“ war überhaupt nicht gemeint. Die Hände etwas tiefer in ihren Wintermantel rutschend, neigte sie leicht den Kopf und ihr Grinsen verbreiterte sich keck. „Also, Dad meinte, ich solle in der Nähe bleiben, und ich brauche später noch was von ihm, also heißt es brav bleiben. Also lass etwas bummeln gehen. Was hat es eigentlich damit auf sich?“ Damit nickte sie zu einem kleinen Menschenauflauf vor einer Vitrine, die scheinbar ausgesprochen interessant war. „Oh!“, Perseus hatte seine Stimme wiedergefunden, „Das sind Hermesschuhe. Bevor unsere Vorfahren Besen genutzt haben, haben sie ihre Schuhe verzaubert. Und einige von denen funktionieren noch immer. Der Legende nach kam die Idee davon von Hermes, als der Perseus“, Cait musste leise kichern, hörte aber tatsächlich recht interessiert weiter zu, „…Perseus seine Schuhe gab, um Medusa zu erschlagen. Und Perseus kam dann mit der Idee zurück und hat sie verbreitet.“ So ging es eine Weile weiter. Caitlin fragte nach einem Museumsstück, das entweder interessant wirkte oder abgrundtief hässlich war und deswegen NATÜRLICH unglaublich interessant war und Perseus erzählte ihr den Hintergrund, oder übersetzte ihr die Schilder, wenn er selbst keine Ahnung von dem Teil hatte, wobei sie sich Stück für Stück weiter von ihren Eltern entfernten… Kapitel 3: Weihnachtsüberraschungen ----------------------------------- „Julian, gib das wieder her! Ju- JULIAN!“ Mit einem Klonk fiel der Kerzenständer von Lucas‘ Nachttisch auf den Boden, als Lucas Julian verfolgend auf rutschigen Sohlen gegen das Holz stieß, bevor er springend seinem noch Freund auf sein Bett folgte. Ein kurzes, schmerzerfülltes Aufjaulen, dann sprangen die beiden wieder vom Bett runter. Julian sich sichtlich einen Spaß aus der Verfolgungsjagd machend, während Lucas Kopf kaum röter werden konnte. Nicht vor Zorn – auch wenn das bei einer anderen Person sicherlich möglich gewesen wäre –, nein, aus Scham. „… Ich würde sie wirklich gerne auf den Weihnachtsball einladen, aber ich trau mich ehrlich gesagt nicht“, während Julian das nächste Bett zwischen ihn und seinen Freund brachte, nutzte er die Gelegenheit ein wenig weiter in seiner Errungenschaft zu lesen. Das verzweifelte … man konnte es fast schon als Quietschen bezeichnen, so hoch wie Lucas Stimme wurde, als er zum x-ten Mal in den letzten Minuten den Namen seines Freundes ausrief – „JULIAN!“ –, ignorierte er dabei beflissentlich. Lachte stattdessen nur auf, als er weiterlas: „Julian würde mich bestimmt als Memme bezeichnen“ und kommentierte es mit einem „Ja, so ungefähr“, bevor sein Zimmergenosse ihn letztlich doch umtackelte. Oder vielmehr umtacklen wollte. Da Lucas jedoch viel zu bedacht darauf war, niemandem Schaden zuzufügen, war es nur ein leichter Stoß, der keinen wirklichen Effekt hatte, abgesehen davon, dass es für den Dieb nun hieß, den Arm auszustrecken, um Lucas Tagebuch davon abzuhalten, wieder in die rechtmäßigen Hände zu gelangen. Die ganze Situation wurde durch den Fakt nur noch mehr ins Lächerliche gezogen, dass Lucas einen guten Kopf größer war als der Niederländer und so eigentlich überhaupt keine Probleme hätte haben dürfen, an seinen Besitz zu kommen. Eigentlich. Leider spielte das im Kampf gegen Julian absolut gar keine Rolle. „Wen würde Julian warum als Memme bezeichnen?“ Die ruhige Stimme ließ zumindest den größeren der beiden Streithähne abrupt in der Bewegung gefrieren. Den Blick auf den Neuankömmling gerichtet, jedoch unfähig auch nur einen Ton über die Lippen zu bringen. Julian befreite sich derweil aus dem Klammergriff, klappte das Buch zu und drückte es Lucas gegen die Brust. Während dieser versuchte, dieses festzuhalten, was sich bei seinen nervösen Bewegungen allerdings als schwerer als erwartet herausstellte, umarmte Julian den Besucher freundschaftlich. „Gute Frage, Roos! Lucas, wie war das noch gleich?“, damit stellte er sich grinsend hinter die mild irritiert wirkende Niederländerin, den Arm weiterhin über die Schultern der gemeinsamen Freundin gelegt. „Ich… äh… also… d-da…b…mn…äh“, war die wenig intelligente Antwort von Lucas auf die Frage, während sein Blick geradezu flehend auf seinem Kumpel ruhte. Dass die Antwort darauf nämlich eben in den Raum gekommen war, gehörte definitiv nicht zu den Dingen, die Lucas herausposaunen wollte. Und das Ausreden ebenfalls nicht zu seiner Expertise gehörten, war durch die Reaktion eben nur noch einmal mehr viel zu offensichtlich geworden. „Ach komm schon, Lucas. Was ist schon dabei, wenn Roos weiß, dass du“, Lucas Augen weiteten sich bei jedem Wort panisch, ehe seine Füße sich nun doch in Bewegung setzten, damit seine Hände kurze Zeit später den Mund von Julian verschließen konnten. Wenn auch nicht für lange, da Julian sich einfach zurücklehnte und grinsend fortfuhr: „Angst davor hast, Körper als Heiler aufschneiden zu müssen.“ „Achso? Aber wenn du damit Leben rettest, ist das doch was Gutes, oder?“ Roos war geschickt zur Seite gewichen, als Lucas auf die beiden zugestolpert war und beobachtete die beiden Chaoten nun aus sicherer Entfernung. Lucas, der sich bei dem Satzende etwas entspannt hatte, wurde bei der Stimme der Freundin sofort wieder rot. Es war ja schön und gut, dass Julian ihn nicht ans Messer geliefert hatte, aber dass er dadurch nun lügen musste, verbesserte seine Situation kein Stück. „J-Ja… schon…“, antwortete er deshalb bloß leise, während er endlich von Julian abließ und sein Tagebuch in sein Nachttischchen einschloss und den Kerzenständer wieder aufhob. Roos beobachtete ihn dabei kurz, als jedoch ansonsten nichts mehr zu dem Thema kam, tat sie ihm den Gefallen und wechselte es. Eine der vielen guten Eigenschaften von ihr, wenn man Lucas fragte. Sie war herrlich unkompliziert und verstand, dass man nicht immer über Gefühle und sowas reden wollte. „Ihr solltet euch langsam umziehen. Wenn ich mich umsonst aufgetakelt habe, verwandel ich euch beide in Frösche“, war stattdessen die Reaktion der jungen Frau, bevor sie wieder vor die Tür ging, um den beiden etwas Privatsphäre zu geben. „Du siehst aber wirklich… gut aus“, reagierte Lucas… als Roos den Raum schon längst verlassen hatte und bekam stattdessen nur seinen Festumhang von Julian zusammen mit einem leisen „Depp“ übergeworfen. Lucas seufzte als Antwort nur resigniert, eher er begann, sich ansehnlich zu machen. Er hatte am Anfang des Jahres kurz Julian gegenüber erwähnt, dass er dieses Jahr gerne zum Ball gehen würde und dieser hatte es sich daraufhin zur persönlichen Mission gemacht, sowohl Roos dazu zu überreden, als auch eine Tanzpartnerin für Lucas zu finden. Beides Dinge, die der Franzose für unmöglich gehalten hatte, die Julian aber scheinbar ohne Probleme in die Tat umgesetzt bekommen hatte. Und nun standen sie da. Lucas knöpfte sich den letzten Teil seines Umhangs zu, während Julian seine Frisur prüfte. „Danke…“, durchbrach Lucas die kurze Stille schließlich noch immer ziemlich leise. Julian reagierte nur mit einem kurzen Nicken. Damit war alles gesagt. Als die letzten Töne von Wizards in Winter verklangen, baute sich Julian wieder vor ihnen auf. Roos, die er mit sich auf die Tanzfläche geschleppt hatte, im Schlepptau. „Lucas, wenn du schon jemanden auf den Ball fragst“, man erinnere sich daran, dass Julian ihm die Begleitung verschafft hatte, „dann tanz auch mit ihr. Oder nimm sie zumindest nicht selbst ein.“ Damit verbeugte er sich galant, wie sie es gelernt hatten und forderte Lucas Begleitung zum Tanzen auf. Einen vielsagenden Blick über deren Schulter zurück zu Lucas, dann war er auch schon wieder verschwunden. Don’t screw it up oder so ähnlich war dieser wohl zu lesen gewesen, aber das hatte Lucas sowieso nicht vor. Das hieß… er hatte ja eigentlich überhaupt nichts vor. Also… würde er es wohl aus der Sicht von Julian verkacken. Aber… was sollte er schon tun? Roos zum Tanzen auffordern? Mochte sie es überhaupt zu tanzen oder war sie einfach nur mit Julian mitgekommen, weil man zu dessen Persönlichkeit nur schlecht Nein sagen konnte? Zumindest konnte er das nicht. Andererseits war Roos ja eine gestandene Frau. Also… nicht, dass sie alt wäre oder dergleichen. Sie hatte einfach nur eine starke Persönlichkeit und wenn sie es nicht gewollt hätte, wäre sie bestimmt nicht mitgegangen. Oder? Vielleicht war sie ja auch in Julian verliebt und deswegen wollte sie in seiner Nähe sein? Wobei… sie waren eigentlich ja bloß… Freunde… nicht wahr? Aber wenn sie Gefühle für ihn hatte, also für Julian, störte er sie dann nicht gerade? Hätte er vielleicht mit Clara tanzen sollen, damit Julian weiter bei ihr gewesen wäre? „An was denkst du?“, Roos hatte sich mittlerweile auf die Bank neben ihm fallen lassen und riss Lucas aus seinem gedanklichen Hamsterrad. „Ich… tanzen…“, warum konnte er nicht einfach mal normal reden? So, wie er es mit jedem anderen tat, wenn Roos gerade nicht in der Nähe war… oder es um Roos ging. Langsam atmete er aus, um sich zu beruhigen. „Möchtest du tanzen?“ Ein zaghaftes Lächeln folgte seinen Worten, während sein Herz schmerzhaft schnell in seiner Brust klopfte. Roos betrachtete ihn eine Weile… kritisch? fragend? Hatte er sich verraten? Was, wenn sie ihm jetzt eine Abfuhr gab? Bestimmt wunderte sie sich, warum er sie, aber nicht Clara gefragt hatte. Schüchternheit? Hoffentlich dachte sie, dass es seiner Schüchternheit zu verschulden gewesen war. Was… tatsächlich irgendwo auch gestimmt hatte. Zwar hatten sie ja alle Unterricht für den Tanz des Weihnachtsball bekommen, aber… nun, das dann ohne eine Lehrerin, die ihm im Zweifel helfen konnte, zu machen, war wiederum eine ganz andere Sache. Ob es eine so gute Idee war, ausgerechnet Roos zu fragen… war sicherlich nicht die beste Idee gewesen, aber das hatten Kurzschlussreaktionen leider so an sich und jetzt saß er da und wartete gebannt auf ihre Antwort. „Okay, wenn du willst.“ Lucas blinzelte überrascht. Hatte Roos gerade zugesagt? Zumindest stand sie gerade auf und blickte sie auffordernd an. Oh… Oh! Hastig folgte er der Bewegung und zusammen tauchten sie in die gerade zum Takt hüpfenden Körper ein. Als sie allerdings gerade einen Platz für sich gefunden hatten wurde die Musik wieder langsamer, ruhiger. Es war keine wirkliche, romantische Paartanzmusik, aber schon etwas, das man besser miteinander als nebeneinander tanzte. Kurz überlegte er sich, einfach wieder zu gehen, als ein Kichern durch die Reihen lief, bevor sich tatsächlich Pärchen bildeten und der Gruppe folgend, hielt er Roos schüchtern die Hand hin. Diese ergriff sie amüsiert und bald schon folgten sie dem gelernten Wiener Walzer durch die Halle. Nachdem er sich einmal sich an die Nähe von Roos gewöhnt hatte, lief es eigentlich ganz gut. Auch, wenn er das niemals von sich sagen würde, war Lucas tatsächlich ein ziemlich guter Tänzer. Zumindest so gut, dass er sich nicht auf die Schritte konzentrieren musste, sondern sich sogar unterhalten konnte… sich hätte unterhalten können, wenn sein Hirn nicht gerade absolut blank gewesen wäre… Naja… fast blank. „Ich hab… übrigens ein Geschenk für dich“, stammelte er schließlich, bevor er Roos leicht für eine Drehung von sich drückte. Als sie wieder zurückkam antworte sie mit einem „Achso?“. Lucas nickte noch einmal bestätigend und hielt an der Ecke, an der sie gerade vorbeikamen kurz an, um das kleine Päckchen aus einer Innentasche des Umhangs hervorzuholen. „Ich…dachte, es passt zu dir.“ Lucas betrachtete schmunzelnd den schlafenden, silbernen Miniaturraben, der auf Roos‘ Nachttisch seinen Platz gefunden hatte. Er saß auf einem stilisierten Ast und wenn man nicht wusste, um was es sich dabei handelte, hätte man ihn wohl als einfache Tischdeko abtun können. Dass es sich dabei aber um ein tragbares und nicht ganz so auffällig lautes Spickoskop handelte, welches Lucas Roos im letzten Jahr ihrer gemeinsamen Schulzeit geschenkt hatte, war sicherlich nicht direkt ersichtlich. Wenn sich jemand Gefährliches näherte, erwachte der Kolkrabe zum Leben, flatterte mit den Flügeln oder pickte nach seinem Besitzer, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Außerdem konnte man ihn auch von dem Ast herunternehmen und als Brosche oder Haarklammer mit sich tragen, ohne Gefahr laufen zu müssen, dass jemand Verdacht schöpfte. Ihn nach all den Jahren noch immer in so gutem Zustand zu sehen, ließ den Heiler nostalgisch lächeln. „Lucas, hast du mir zugehört?“, wie so häufig holte die Stimme von Roos ihn wieder zurück in die Gegenwart und er blinzelte sie überrascht an. „Nein, tut mir leid, ich war in Gedanken. Was meintest du?“ Roos‘ Lippen kräuselten sich sacht, bevor sie ihm leicht gegen die Brust schnipste. „Zuerst bequatschst du mich, dass ich unbedingt mit zu deiner Familienfeier müsse und jetzt stehst du verträumt in der Gegend rum. Ich habe gefragt, ob du fertig bist.“ Ein entschuldigendes Lachen von Lucas Seite: „Achso. Ja, ja bin ich, tut mir leid. Denke ich… bin ich?“ Und da war sie wieder. Die allbekannte Unsicherheit dieses Mal jedoch auf seine Familie bezogen. Den ganzen Nachmittag hatte sich Roos schon damit befassen dürfen, welche Krawatte nun besser war. Dabei würde sich gerade in Lucas‘ Familie niemand darum kümmern. Besonders weil er angekündigt hatte, dass er jemanden mitbringen würde. Éva hatte seitdem ununterbrochen versucht herauszufinden, wer die geheimnisvolle Person war und ihm sogar angedroht, Skyler auf den Leib zu hetzen, wenn er nicht mit der Sprache herausrückte. Aber er war stumm geblieben. Nicht, weil er ein großes Geheimnis daraus machen wollte, eher weil er es selbst noch nicht so ganz glauben konnte und nichts im Voraus jinxen wollte. Roos rollte derweil bei Lucas Worten leicht die Augen, ehe sie ihm die Entscheidung abnahm: „Bist du“, ein flüchtiger Kuss auf Fußspitzen, „Und jetzt komm.“ Kapitel 4: Solstitium Noctis Somnium ------------------------------------   Kühle Abendluft umspielte seine Nase, als er endlich eine Minute fand, sich von der Gesellschaft zu entfernen. Es war ein schöner Abend, das musste selbst der für seine schlechte Laune bekannte Einsiedler zugeben. Aber dennoch war es erschöpfend. Als Raphael ihn darum gebeten hatte, sein Trauzeuge zu sein, war Kais automatische Reaktion gewesen, an der mentalen Gesundheit seines scheinbar besten Freundes zu zweifeln. Dennoch hatte er sich schließlich bereit erklärt, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Mut musste ab und an scheinbar belohnt werden. Und zugegeben hatte Kai über die letzten Wochen zugeben müssen, dass selbst er nicht nur vertragliche Verbündete, sondern auch Freunde brauchte. Raphael war positiv überrascht gewesen, als Kai schließlich doch zugestimmt hatte. Wenn auch nicht ganz ohne sich einen Kommentar, dass seine Geschwister doch wesentlich geeigneter wären, verkneifen zu können. Und so war Kai die letzten Wochen und Monate mehr damit beschäftigt, bei der Hochzeitsvorbereitung zu unterstützen und einen Junggesellenabschied zu planen, der Raphael gefallen, aber nicht seine Ehe in Gefahr bringen würde. Er war selbst überrascht, dass es ihm verhältnismäßig einfach fiel, die richtige Balance dafür zu finden. Die Rede der Trauzeugen war wesentlich schwieriger für ihn zu verfassen, als sich die Vorlieben seines ältesten Freundes in Erinnerung zu rufen.  Beides war mittlerweile geschafft, die Ringe ausgetauscht und der Hochzeitsempfang mit After-Party in vollem Gange. Er hatte sich sogar von Keisha zu einem Tanz bequatschen lassen. Hauptsächlich, weil er ein Auge darauf haben wollte, dass die Kleptomanin ihre Hände bei sich behielt. Aber er hatte sich dahingehend unnötig Sorgen gemacht. Selbst sie hatte zu viel Spaß und war darauf bedacht, dem Ehepaar keinen Skandal an ihrem Tag auf den Hals zu hetzen. Wäre es ein anderer Tag gewesen... nun, es war aber eben dieser.  Kai lehnte sich an das Geländer von einem der vielen pompösen Balkone, die den Ballsaal, in dem sich der Rest der Gesellschaft befand, nach außen erweiterte. Der Ausblick zeigte seinen an die Dunkelheit gewöhnten Augen einen weitlaufenden Park, hinter dessen eingrenzendem Zaun die Lichter der Stadt eine gewisse Normalität zu ihm hintrugen. Die Unterarme auf den Stein gelehnt, schloss der Unlichtleiter für einen kurzen Moment die Augen. Es war der glücklichste Tag in dem Leben seines besten Freundes und seiner Geschäftspartnerin. Kai hatte ihnen und der Gesellschaft die seltene Maske der Freundlich- und Herzlichkeit gezeigt, die sonst bisher nur seine Kindheitsfreunde und seine Familie in Kindertagen kennengelernt hatten. Vielleicht lag es daran, dass er so... unglaublich erschöpft war. Er hatte vergessen, dass er so blicken konnte, dass er sich auf diese Art und Weise vergnügen konnte. Die letzten Jahre hatte er dieses Gefühl selbst in seinen privatesten Momenten sich selbst versagt. Denn Skrupellosigkeit konnte man nur dann portraitieren, wenn einem diese in Haut und Knochen überging.    “Ah, da bist du ja. Raphael hatte schon gescherzt, dass du dich nach der Rede auf dem schnellsten Weg wieder in deiner Höhle verkriechen würdest.”  Kai musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wem die von Glückseligkeit triefende Stimme gehörte. Seine Mundwinkel zuckten kurz, ehe er die Augen wieder öffnete und zu seiner Linken schielte. Dort stand sie. Mit dem Rücken zu der dunklen Nacht hatte auch sie sich an das Geländer gelehnt und war etwas ins Hohlkreuz gegangen, um sein Gesicht nicht nur im Profil zu erhaschen. Alea Sophie Leviathan. Es würde dauern, bis er sich an den neuen Nachnamen der ehemaligen Smith gewöhnen würde.  “Ich habe morgen einen Termin bei deinem Vater und Keisha hat sich meinen Hotelschlüssel angeeignet”, erklärte er schlicht den Grund, warum er noch immer Teil der Hochzeitsgesellschaft war. Natürlich wusste er, dass zumindest der letzte Teil nur eine schwache Lüge war. Es gab schließlich immer Mittel und Wege, zurück in sein eigenes Hotelzimmer zu gelangen. Er hatte darauf bestanden, nicht wie der Rest des engeren Kreises in Privatunterkünften der Smith-Familie untergebracht zu werden. Der zumindest abendliche Abstand von den anderen tat ihm gut, auch wenn er es nicht so ausgedrückt hatte. Alea lachte leise auf und bestätigte ihm damit, dass seine Lüge auch nicht über ihren angetrunkenen Verstand gegangen war.  “Und das hast du dir gefallen lassen? Was für ein … handzahmer Mann du geworden bist~”, Alea beugte sich näher zu ihm und überschritt wie immer mühelos die Grenze zu seinem persönlichen Bereich. Kais Blick wurde einen Tacken kühler und er richtete sich leicht auf. Aber davon abgesehen hielt er sich tatsächlich zurück.  “Mh...”, seine Finger schlugen sanft auf das Geländer, als er sich nun doch ganz zu ihr wandte. “Was führt dich hierher? Solltest du nicht mit deinem Mann der gesamten Hochzeitsgesellschaft zeigen, wie man sich NICHT auf der eigenen oder irgendeiner Hochzeit verhält?”  Alea richtete sich ebenfalls wieder etwas auf und musterte ihn eine Weile nachdenklich. Helles Blau auf schwarzem Rot. Eine stumme Herausforderung aussprechend, die jedoch auf schlichtes Unverständnis stieß. Er war nicht in der Stimmung für Spielchen, schließlich benötigte er all seine Kraft dafür, nicht seine schlechte Laune heraushängen zu lassen.  Schließlich ein Schulterzucken: “Ich weiß es nicht. Sag du es mir.”  Kai runzelte die Stirn. Was sollte das heißen?  “Wie geht es dir?”, die Frage der Braut kam so unerwartet, dass Kai für eine Sekunde sie nur perplex anblicken konnte. Seine Antwort darauf war entsprechend nicht weniger untypisch.  “Was?”  “Wie es dir geht?”  “...Gut?”  “Achja? Wieso weinst du dann?”  Verwirrt führte er eine Hand zu seinem Gesicht. Tatsächlich. Nasses Salz floss ihm ungerührt über das Gesicht. Er verstand nicht. Das war in seinem Leben nur selten vorgekommen. Sowohl ein solcher Gefühlsausdruck als auch das nagende Gefühl, dass sich etwas Wichtiges vor ihm verbarg. “...Was...?”  “Da bist du ja, Alea! Komm, unser Lied läuft und ich habe schon zu lange nicht mehr mit meiner Frau getanzt.”  Die fröhliche Stimme von Raphael ließ die beiden anblicken. Sein bester Freund hatte jedoch nur Augen für Alea und in diesem Moment war Kai froh darum. Er konnte es nicht gebrauchen, dass dieser ihn in diesem Zustand sah. Die Psycholeiterin lächelte ihrem Gatten zu, bevor sie sich noch ein letztes Mal zu Kai beugte.  “Ich verrate es dir: Weil es niemals hierzu kommen wird.”  Damit lächelte sie ihm ein letztes Mal zu, als sei nichts gewesen und sie eilte zu Raphael, der in der Glastür ihre Hand ergriff und sie verspielt in seine Arme drehte. Kai schaute stumm zu, wie sich die Lippen der beiden von dem Licht des Saals umhüllt, aufeinander legten.  Das Bild zerbrach wie das Glas eines Spiegels. Dunkelheit quoll aus den Rissen.   A̷l̷l̷e̷s̷ w̷u̷r̷d̷e̷ s̷c̷h̷w̷a̷r̷z̷.   Kapitel 5: Burn For You ----------------------- Wie war er bloß in diese Situation geraten? Unruhig lief Kai in der riesigen Suite auf und ab. Es war eine dumme Idee gewesen. Nein. Dumm beschrieb nicht einmal ansatzweise das Ausmaß dieser Idiotie, auf die er sich eingelassen hatte. Eine Hochzeit zum Machterhalt. Waren sie hier etwa im Mittelalter?! Aber was war ihm anderes übriggeblieben? Seit seine Pläne, sich mit den Familien anzulegen, Publik gemacht worden waren, hatte er sich vor versuchten Mordversuchen nicht mehr retten können. Es war zu früh gewesen. Er hatte noch lange nicht die Position in Kudo erreicht, um sich in einen offenen Konflikt zu stürzen. Weder hatte er die Mittel, noch genügend Rückhalt in Bevölkerung oder von anderen Quellen. Er hatte sich zu letzterem allerdings auch nie groß Hoffnungen gemacht, dass er diese jemals erreichen würde. Dazu hatte er in seiner Leiterzeit zu viele Brücken hinter sich abgerissen und mit Team World auf das falsche Pferd gesetzt. Er hatte gewusst, dass das Team für sein eigentliches Vorhaben über kurz oder lang verschwinden würden musste. Allerdings hatte er sich dennoch erhofft, den Zeitpunkt und die Art selbst dafür wählen zu können. Es hatte mit der Zerschlagung des Teams angefangen und spätestens jetzt musste er wohl zugeben, dass er ausgespielt worden war. Von einer Stelle, die er nicht hatte kommen sehen. Einer Seite, die er in seiner grenzenlosen Arroganz zu lange ignoriert und nicht ernst genommen hatte. Sein Vater hatte seine Familie gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Tagsdrauf stand die Explosion des kleinen Ladens nahe des Kudoers Pokémon-Centers in allen Regionalzeitungen. Ein einfacher Gewaltakt in Kudo hätte unter normalen Umständen keine Zeile in einer Zeitschrift eingenommen. Doch Kai war klar, dass ihm seine Kontrahenten damit hatten klarmachen wollen, wie weit ihr Einfluss reichte. Es hatte gewirkt. Kai gab es nicht gerne zu, aber Fakt war, dass es Wirkung bei ihm gezeigt hatte. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich an diesem Tag zurückgezogen. Wenn sie es bei dieser Drohung belassen hätten, wäre er gewillt gewesen, den Posten niederzulegen. Aber ihm war schon damals bewusst gewesen, dass es für ihn kein Zurück mehr gab. Ob mit oder ohne Posten, die Familien würden ihn verfolgen, solange sie die Machtpositionen der Kudoer Politik in den Händen hielten. Und sie waren nicht gewillt gewesen, ihm Luft zu geben, um zu Atem zu kommen. Sich einen Gegenschlag zu überlegen. Sie wollten an ihm ein Exempel statuieren. Es war der Tag, an dem er Cash- Es war der Tag, an dem seine Verzweiflung seinen bisherigen Höhepunkt erreicht hatte, als die Priesterschaften Saimins unerwartet erneut vor seiner Tür gestanden hatten und ihm ein zweites Angebot gemacht hatten. Ein Angebot, welches er zunächst für einen Witz gehalten hatte, aber letztendlich widerwillig annehmen hatte müssen. „Das nennst du also einen Honeymoon?“ Kai drehte sich überrascht um, als er die kalten, vor Verachtung triefenden Worte hinter sich hörte. Er hatte nicht gehört, wie sich die Schiebetür zu dem Nebenzimmer geöffnet hatte. Die – Seine frischgebackene Ehefrau stand an den Türrahmen gelehnt und beobachtete ihn kritisch mit verschränkten Armen. Womöglich schon eine ganze Weile, er war trotz seiner weiterhin bestehenden Lebensgefahr zu unaufmerksam gewesen. „Sollen wir den Rest des Abends weiter in unseren getrennten Zimmern herumlaufen und vor den Konsequenzen unseres Vertrags davonlaufen?“ Die kalten Augen seines Gegenübers durchstachen ihn geradezu, dann schlich sich jedoch plötzlich Schalk in ihren Blick, was Kai automatisch misstrauisch werden ließ. „Oder bist du bereit für etwas Spaß? So oder so sind wir jetzt doch schon verdammt~“ „Alea…“, Kais Stimme schwang wie immer ein warnender Unterton mit, als die Psycholeiterin sich während ihrer Worte auf ihn zubewegt hatte und ihre Finger spielerisch über seinen Hals und Kiefer gleiten ließ. Ihre Fingerspitzen hinterließen ein unangenehmes Prickeln auf seiner Haut und er spürte, wie sich feine Gänsehaut über seinem Körper ausbreitete… Reflexartig griff er nach dem Handgelenk und drückte es bestimmt nach unten. Er musste nicht fragen, ob sie wirklich glaubte, dass es der passende Zeitpunkt für diese Spielereien war, aber er wunderte sich doch etwas, dass sie aktive Schritte in die Richtung tat. Im Gegensatz zu ihr fielen ihm tausend wichtigere Dinge ein, mit denen er sich gerade befassen sollte. Sie beide! Seine Augen blickten kurz ernst in das Kristallblau seiner … Frau. Er würde sich nicht daran gewöhnen können, da war er sich sicher. Aleas Blick wurde zu seiner Überraschung hart, als er ihr Handgelenk wieder losließ. Beinahe schon… beleidigt? Kai runzelte kurz die Stirn, als er tatsächlich ein eingeschnapptes Lippenzucken vor ihm wahrnahm. Was…? „Oh, entschuldige, Darling.“ Kai schnaubte unwillkürlich bei dem Klang des verhassten Kosenamens und wandte sich gereizt von der Quelle der Lärmbelästigung ab. „Ich nahm an, dass du deine ehelichen Pflichten ernst nehmen würdest. Stattdessen schaffst du es nicht einmal, mir in die Augen zuschauen… und lässt mich alleine in dem Chaos liegen, das du verursacht hast.“ Es war ein merkwürdiges Gefühl, Alea nicht vollkommen widersprechen zu können. Dennoch oder vielleicht deswegen hörte er sich „das wir verursacht haben“ leiser als üblich berichtigen. Ein Fehler, wie er sehr schnell feststellen musste, als sich die vor Wut blitzenden Augen wieder in sein Sichtfeld schoben. So leicht ließ sie sich wohl nicht abwimmeln… „Es war DEIN Fehler! DU hast dem Deal zugesagt!“, dass die Psychotrainierin kein Feuer spie, war wohl das kleinste Wunder. Und trotzdem war es jetzt an Kai, seinen Griff um seine Beherrschung zu lockern. „DU hättest doch genauso Nein sagen können!“, sein plötzlicher Aufschrei ließ Alea zu seiner Überraschung sofort verstummen. Ob es genau das gewesen war, was sie sich erhofft hatte? Dass er seine Fassung verlor? Selbst wenn, einmal angefangen konnte – nein – wollte sich Kai nicht mehr zurückhalten. Wenn sie seinen Frust abkriegen wollte, dann bitte. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie ausgerechnet dich vor den Altar schleppen würden. Mir wäre nicht einmal im Traum-“ er unterbrach sich mit einem frustrierten Seufzen. „Es hätte keine Rolle gespielt“, gab er schließlich resigniert zu. So schnell, wie seine Wut gekommen war, so schnell verpuffte sie wohl zu beidseitiger Überraschung. Er war nicht wütend auf sie. Ausnahmsweise nicht. Er war frustriert, hilflos… verzweifelt. Wütend, ja. Aber er stellte fest, dass es ihm keine Genugtuung verschaffte, diese Wut an ihr auszulassen. Er hatte in den letzten Wochen zu viel verloren. Die letzte Person, die zumindest einen der Verluste teilte und das Gefühl ansatzweise nachvollziehen konnte, auch noch von sich zu stoßen… Er spürte, dass ihm dazu die Kraft fehlte. Es war der erste Tag seit Wochen, an dem er sich sicher sein konnte, dass ihn keine Attentäter erreichen würden. Der erste Tag, an dem er für einige Stunden hatte durchatmen können; an dem er sich nicht vor seinen Gefühlen hatte verstecken können. Ihm widerstrebte es, ausgerechnet vor Alea Schwäche zu zeigen, aber ihm war genauso bewusst, dass er nicht mehr die Kraft hatte, seine Maske aufrecht zu erhalten. Es war ein so fremdes Konzept, dass er sich nicht mehr wiedererkannte, als er sich zögerlich wieder zu seiner … zu seiner Frau umdrehte. Sie war nicht seine Verbündete, das war ihm bitter bewusst. Eine arrangierte Ehe, zu der sie irgendwie gezwungen worden war. Eine Ehe, in der jedes Wort, das er aussprechen würde, mit Sicherheit zu seinem neuen Leinenträger finden würde. Eine Verbindung ohne Tiefe, ohne Liebe und vor allem ohne Vertrauen. Er hatte sich darauf gefasst gemacht, seine neue Frau ständig ausspielen zu müssen, war darauf vorbereitet gewesen, dass er sie über die Zeit hinweg würde manipulieren müssen, um etwas Ruhe zu erhalten und dem Deal mit dem Teufel (oder vielmehr der Kirche, aber wenn es um Saimin ging, sah er da keinen großen Unterschied) irgendwann entkommen zu können. Aber sie hatten ihm eine der wenigen Personen in ganz Marai vorgesetzt, von denen er wusste, dass sie ihm in Intelligenz ebenbürtig, in Hinterhältigkeit vielleicht sogar überlegen war. Er gab es nicht gerne zu, aber er war ausgebrannt und als er das schmale Lächeln Aleas sah, wusste er, dass sie ihn zumindest dahingehend bereits durchschaut hatte. Nun gut… ein Grund mehr, das unnütze Spiel fallen zu lassen. Über die Konsequenzen konnte er sich an einem anderen Tag Gedanken machen. „Ich hatte nie vor, die Geliebte meines besten Freundes zu heiraten“, seine Stimme war hohl, fast schon brüchig, wie er unterbewusst feststellte. „Wenn du mir das nicht glauben kannst…“, er zuckte ratlos mit den Schultern, bevor er sich kraftlos auf das nahe Sofa fallen ließ. Für eine Weile legte sich drückende Stille über den Raum, in der er die Stuckdecke der pompösen und überdimensionalen Suite betrachtete und Aleas Blick wieder aus dem Weg ging. Er erwartete kein Mitleid oder Verständnis von ihr, dennoch tat es merkwürdig gut, einfach mal die Mauern fallen zu lassen. Nach einer Weile spürte er, wie sich die Polster neben ihm herunterdrückten, ein skeptischer Seitenblick bestätigte ihm, dass Alea es sich neben ihm mit überschlagenen Beinen niedergelassen hatte. Ein paar weitere schweigende Minuten vergingen, nur von einem kurzen, überraschten Zucken seinerseits unterbrochen, als Alea begann, ihm leicht über Schultern und Nacken zu kraulen. Zu wohl beidseitiger Überraschung ließ er es allerdings sonst kommentarlos zu. Es hatte zwar nicht zwingend etwas Beruhigendes für ihn, aber seit er vor ein paar Tagen den leblosen, zerschlagenen Körper von Keisha vor seiner Tür vorgefunden hatte, war es wohl der erste Kontakt mit einer Person, der sich einigermaßen ungefährlich anfühlte… nun gut, vielleicht tat es doch gut, zu merken, dass ihm nicht jeder unmittelbar nach dem Leben trachtete… auch wenn Alea sicherlich ein Motiv dafür hatte. Mindestens eines. „Meine Entscheidung hätte sich nicht geändert, hätten sie mir deinen Namen vor der Hochzeit gesagt“, wiederholte Kai nach einer Weile, weiterhin die Augen fest an die Decke gerichtet. „Aber…“, er stockte und befeuchtete sich erneut die Lippen. Es auszusprechen, war doch schwerer als gedacht. „dass ich dich in meine Probleme mitreingerissen habe“, seine Finger tippten beruhigend gegen seine verschränkten Arme. Wie lange war es her, dass er tatsächlich offen die Verantwortung für seine Taten übernahm? „tut mir leid.“ Zu lange. Alea lachte leise auf. Es wunderte ihn zugegebenermaßen nicht. Er war sich bewusst, wie offensichtlich ihm die körperliche Überwindung, sich für etwas zu entschuldigen, ins Gesicht geschrieben war. Ihre Finger suchten sich ihren Weg weiter nach oben in seinen Haarschopf, über den Rand seiner Ohrmuschel hin zu seinem Kinn. Ein leichter, fordernder Druck, dem Kai nur halb nachging. „Schau mich wenigstens an, wenn du dich entschuldigst“, Alea beugte sich vor und wisperte ihm weiterhin kühl ins Ohr, „so einfach mache ich es dir nicht.“ Kais Lippen zuckten leicht, unsicher, ob er amüsiert oder gereizt sein sollte. „Wie kam es eigentlich dazu?“, fragte er, als sie sich wieder zurückgelehnt hatte. Er hatte sich einmal entschuldigt, er würde es nicht noch einmal tun. „Dass die Priesterschaften dich dazu bringen konnten, einzuwilligen, einen Mann zu lieben, den du hasst? Oder es zumindest für den Rest meines Lebens nach außen vorzugeben.“ Dass er derjenige war, der von den beiden zuerst sterben würde, war für ihn rationales Faktum. Die Hochzeit hatte ihm nur etwas Zeit gekauft, die Frage war, wie lange und ob es die Familien oder doch seine Angetraute sein würde, die ihm das Licht aushauchen würden. Aleas Lippen kräuselten sich weiter, ehe sich ihre Finger von seinem Kinn lösten und sie den Zeigefinger zu ihren Lippen hob. „Lass einer Frau ihre Geheimnisse“, war alles, das er von ihr als Antwort bekam. Seine Entgegnung war ein unzufriedenes Schnalzen mit der Zunge, aber er sparte sich die Mühe, nachzubohren. Erneut schweiften seine Augen durch den dekadenten Raum, den die Smith für ihre Flitterwochen arrangiert hatte. Vielleicht war der Ausgang des Deals doch nicht so schlecht, wie er zunächst gedacht hatte. Er würde sich zumindest keine Gedanken machen müssen, ob er sein teures Hobby weiterführen konnte und mit dem Einfluss der Priesterschaften, hatte er zumindest eine Chance, das Vorhaben, in deren Umsetzung er reingezwungen worden war, tatsächlich umzusetzen. Seine Augen glitten wieder zu Alea, als diese erneut begann, mit seinen Haaren zu spielen. Mehr prüfend, als warnend. „Es waren die Priesterschaften, oder? Die das Gerücht in die Welt gesetzt und veröffentlicht haben.“ Für eine Sekunde sah er überraschte Bestätigung in Aleas Augen, ehe diese wieder ihre übliche, perfekte Maske aufsetzte. Kai nickte bekräftigt in seiner Annahme. Es wunderte ihn nicht, schließlich war es einfach zu passend für deren Ziele in Kudo gewesen. Dennoch hatten sie sich damit ihn ebenfalls zum Feind gemacht. Wenn er mit den Familien in Kudo fertig war, würde er sich gegen sie wenden, das musste ihnen bewusst sein. Vielleicht hatten sie sich deswegen für die ehemalige Miss Smith entschieden. Warum sie zugesagt hatte oder sich zumindest nicht Ludwig eingeschaltet hatte, blieb aber dennoch ein Rätsel für ihn. Irgendetwas übersah er. „Hast du jetzt endlich genug gegrübelt?“, die plötzliche, größere Bewegung zu seiner Seite überraschte ihn dann doch, als Alea sich scheinbar nicht mehr mit kleinen Berührungen zufriedengab. Mit einem eleganten Schwung ihrerseits landete sie rittlings auf seinem Schoß. Seine Hände reagierten konträr zu dem Rest seines Körpers. Statt sie von sich zu stoßen, legten sie sich automatisch an ihre Hüften, um ihr mehr Halt zu geben, während der Rest seines Körpers sich automatisch verspannte. Zu. Viel. Körperkontakt. Ihre Arme ruhten auf seinen Schultern und verschränkten sich in seinem Nacken, als sie sich langsam zu ihm herunterbeugte. Zum ersten Mal an diesem Abend registrierte er das schwarze Negligé seiner Frau. Oder vielmehr die traurige Entschuldigung eines bedeckenden Stoffes, der durch seine Transparenz nicht viel Vorstellungskraft für ihren Körper forderte. Seine Augen glitten von ihrem Oberkörper hoch zu ihrem Gesicht, als dieses sich fordernd in sein Sichtfeld drängte. „Fakt ist, dass wir jetzt verheiratet sind und das bedeutet, dass du dich um meine Bedürfnisse kümmern musst. Alleine. Ich bin nicht der Typ für eine offene Ehe. Also? Wirst du den Deal jetzt endlich ernst nehmen?~“ Kai hob eine Augenbraue. Er war ehrlich überrascht, dass diese Frau so beharrlich in ihrer Lüsternheit war. Auch wenn es Alea war, von der er hier sprach, hätte er doch erwartet, dass sie länger brauchen würde, um ihn ernsthaft bespringen zu wollen. Oder vielmehr… hatte er wirklich erwartet, dass sie die Ehe nur nach außen hin aufrechterhalten würden und sie im Geheimen tun und lassen machen konnten, was sie wollten. Trotz ihrer Beschwerde vor einigen Minuten, hatte er ihre Worte nicht ernst genommen. Nicht wirklich. Er hatte sie missinterpretiert. Als Frust auf die gesamte Situation. War es also doch ein Versuch gewesen, ihn aus der Reserve zu locken? Ein Versuch, ihn zu einem wütenden Spiel zu animieren, das letztlich im Bett enden würde? Weil sie annahm, dass sie nur so an das kommen würde, was sie tatsächlich wollte? Alea hatte sich so positioniert, dass ihr Atem bei ihren letzten Worten sanft gegen seine Lippen stieß, während das Kristallblau ihrer Augen weiterhin sein Schwarz einfing. Es umschlang und ihm jeden Ausweg verwehrte. Sein Körper entspannte sich langsam, trotz der so fordernden Berührung von ihr. Wann hatte er aufgehört, den Körperkontakt mit ihr zu verabscheuen? Wann hatte er angefangen, die leichte Gänsehaut, die dadurch entstand, als angenehm zu empfinden? Seit wann beantwortete er Aleas Forderung nun schon mit einem Lächeln? … „Na schön“, hörte er sich gegen die Lippen seiner ehemaligen Feindin hauchen, ehe er sich einen neckenden Kuss stahl. So zart und kurz, dass man ihn fast schon hätte verleumden können. Seine Hände glitten tiefer, ehe er sie sacht anhob, mit überraschender Leichtigkeit aufstand und sie zum Himmelbett trug. Nur kurz löste er sich von ihr, als er sie auf das Bett warf. Es waren nur Sekunden, in denen er sich von seinen Schuhen löste und ihr folgte, sie in die Kissen drückte und von oben auf sie herunterblickte. „Dann erzähl mal“, dieses Mal war er es, der sich zu ihr beugte und gegen ihr Ohr wisperte. „Was und wie willst du es?“, seine freie Hand fuhr verspielt über die Seite seiner Spielgefährtin. „Wenn du brav bist, erfülle ich dir vielleicht sogar den ein oder anderen Wunsch~“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)