Die Legende vom Mädchen vom Mond der Illusionen ( LMMI ) von LennStar ================================================================================ Kapitel 7 - Abschied Akoth setzte Hitomi und Blinx unweit der Stadt Fanelia ab. "Von hier müsst ihr wieder alleine reisen. Aber es ist ja nicht mehr weit." "Danke Akoth!" "Nichts zu danken, Hitomi. Immer wieder gern." Der gewaltige Drache schwang sich in die Luft, und Hitomi drehte sich zu Blinx. Komm, steh auf. Du kannst den Boden weiter küssen, wenn wir da sind." Murrend stand Blinx auf, entgegnete aber nichts. Er spürte, dass Hitomi mit ihrer unbekümmerten Art nur ihre Sorgen überdecken wollte. Was war inzwischen mit Van und Fanelia geschehen? Als sie sich durch die Gassen schlichen, merkten Blinx und Hitomi sehr schnell, dass etwas nicht stimmte. Die wenigen Leute, denen sie begegneten wirkten unruhig, fast ängstlich, obwohl der strahlende Sommertag dazu keinen Anlass gab. Mehrmals belauschten sie Frauen, die miteinander tratschten, aber niemand erwähnte den Grund für die allgemeine Niedergeschlagenheit. "Ob es an Van liegt?" fragte Hitomi Blinx, worauf dieser nur die Schultern zucken konnte. "Ich weiß es nicht. Möglich wäre es." "Natürlich ist es der König", sagte eine traurige Stimmen neben ihnen, und sie fuhren herum. "Neela!" Rief Blinx überrascht. Das Mädchen stand in einer Seitengasse "Was machst du hier?" "Ich wohne hier in einem Palast und schmeiße gerade ein paar Bettler raus, siehst du es denn nicht?" Sie kam einen Schritt auf die beiden zu, blieb aber trotzdem in der Gasse und blickte Hitomi an. "Natürlich ist es der König. Er ist das Symbol Fanelias. Wenn mit ihm etwas nicht stimmt, stimmt auch etwas nicht mit den Menschen hier. Noch reden sie nicht darüber, aber eine solche Nachricht verbreitet sich auch nicht durch das geschriebene oder gesprochene Wort. Es reicht, wenn die Leute den König sehen, sein verschlossenes Gesicht, und die plötzliche Schweigsamkeit derer, die im Palast arbeiten. Es war schon vorher schlimm, aber jetzt... Etwas ist gestern passiert, und spätestens morgen wird es die wildesten Gerüchte geben." "Lady Hitomi!" rief auf einmal wieder jemand. Es war Markus, der auf sie zulief. Er strahlte fast, als er vor ihnen zum Stehen kam. "Ich bin so froh, euch zu sehen. Ich soll euch sofort zu Lady Thana und Merle bringen." "Ähm..." Hitomi war etwas überwältigt von der plötzlichen Entwicklung. Ihr Blick huschte dorthin wo Neela stand - und das Mädchen war verschwunden, hatte sich aus dem Staub gemacht, als sie den Soldaten bemerkt hatte. "Gut. Wir kommen mit", antwortete sie schließlich und ließ sich zusammen mit Blinx von Markus zum Schloss bringen. *** "Nein, er ist wach Merle. Ich habe ihm etwas gegeben, dass ihn daran hindert, sich zu bewegen." Merle seufzte. "Es ist so schrecklich. Ich wünschte, wir könnten mehr..." Sie riss ihre Augen so weit auf, dass Eliandra Angst, sie könnten ihr ausfallen. Dann sprang sie auf und hechtete auf die zwei Gestalten zu, die gerade durch die Tür herein kamen. "Hitomi!" schrie sie und rannte sie beinahe um. Hitomi blickte auf ein glückliches, tränenglitzerndes Gesicht hinab, das sie hoffnungsvoll ansah. "Du bist wieder da! Ich bin so froh! Hast du, was du brauchst, um Van zu helfen?" Hitomi drückte das pelzige Wesen sanft, aber bestimmt von sich weg. "Ja, das habe ich." "Dann sollten wir sofort anfangen", meinte Eliandra. "Je eher, desto besser. Am besten, wir gehen in Thanas Zimmer. Sie ist dort mit den anderen. Du willst sie sicher begrüßen. Außerdem sind da sowieso meine Sachen." Auf dem Weg dorthin erzählte Eliandra Hitomi alles, was während ihrer Abwesenheit passiert war, oft unterbrochen von Merle, die zu jedem überschwänglich ihre Meinung sagte. Schließlich betraten sie Thanas Zimmer, wo sie von allen mit großem Hallo empfangen wurden. "Ich würde mich gerne noch weiter mit euch unterhalten, aber ich würde lieber..." "Natürlich", stimmte Millerna ihr zu, bevor sie ausgeredet hatte. "Wir gehen. Wir werden zu Van gehen und auf ihn aufpassen, so lange ihr hier beschäftigt seid." Die Vorbereitungen hatten fast eine Stunde gedauert. Auf dem Tisch waren die Geräte aufgebaut, und Eliandra hatte von irgendwoher einen ganzen Stapel Kräuter geholt, den sie teilweise zerstoßen, in Wasser gelöst und in die Schale des heiligen Blutes gegossen hatte. Andere Kräuter hatte sie neben die große Kerze gelegt, die in der Tischmitte stand. "Wegen der Stimmung", hatte sie Augenzwinkernd gemeint, dann aber erklärt, dass sie während des Rituals einige der Kräuter verbrennen würde. Hitomi war nicht ganz wohl bei der Sache. Eliandra hatte ihr den Ablauf grob erklärt. Zuerst hatte sie ihr ein rötlich schimmerndes Gemisch aus vielen verschiedenen kleinen Phiolen gegeben, dass nicht nur extrem grauenvoll schmeckte, sondern bei ihr auch noch Schwindelgefühle auslöste. "Das ist normal. Das Elixier öffnet deine Sinne. Und das überanstrengt dich, vor allem, da du es nicht gewohnt bist." Eliandra hatte Recht. Hitomi konnte mehr sehen, riechen und fühlen als vorher. Deutlich nahm sie den Geruch jedes einzelnen Krautes wahr, wo sie vorher nur ein undefinierbares Mischmasch gerochen hatte. Sie konnte hören, wie der Wind an den Außenwänden entlang strich, und sie hörte nicht nur ihren Herzschlag, sondern auch den von Eliandra und von Thana. Und sie konnte auf ihrer Haut den Luftzug spüren, der durch das Zimmer wehte. Nachdem das Elixier seine volle Wirkung entfaltet hatte, konnte das Ritual beginnen. Hitomi holte die drei heiligen Gegenstände hervor, die sie sich so mühevoll beschafft hatte. "Stell die Schale hier vor die Kerze und leg den Rubin darauf, den Dolch daneben", ordnete Eliandra an. "Der Rubin ist wunderschön!" äußerte Thana ehrfürchtig und wollte ihn berühren. "Nein Thana!" rief Hitomi und hielt ihren Arm fest. "Nicht anfassen! Der Rubin ruft dich und weckt die Gier in dir. Ich kann es auch spüren..." "Ich auch", bekräftigte Eliandra. "...aber das bringt nichts Gutes, glaub mir!" beendete Hitomi ihren Satz. Thana schüttelte den Kopf. "Wahnsinn! Ich war einen Augenblick wie gefangen." "Versuche, ihn nicht zu beachten", riet Eliandra ihr. "Das ist nicht gerade leicht." Antwortete Thana. "Also gut, weiter geht's." Eliandra zündete ein paar der Kräuter an und legte sie rasch in ein schmuckloses, tönernes Behältnis, das sie nun mit einem Deckel verschloss, in dem winzige Löcher waren. Aus ihnen kamen bald darauf feine, fast unsichtbare Fäden Rauch. "Das verhindert, dass die Kräuter sofort verbrennen. So schwelen sie nur vor sich hin." Dann nahm sie den Dolch vom Tisch. "Jetzt bist du dran, Hitomi. Bereit?" Hitomi nickte und hielt ihren Arm über die Schale des reinen Blutes. Jetzt wusste sie auch, wieso sie diesen Namen trug. Thana trat hinter Hitomi und hielt sie fest. "Danke", flüsterte sie Thana zu und schloss die Augen. "Möge dieses Blut, gegeben aus freien Stücken um zu heilen...", intonierte Eliandra in einem einlullenden Singsang, "...und mögen die Artefakte der Reinheit und die Kraft unseres Geistes ausreichen, um jede Krankheit, jedes Gift und alle Schwäche aus Körper und Geist zu vertreiben!" Ein gellender Schrei raste durch die Gänge und Zimmer, erschreckte Wachen, Bedienstete und in Sorge und Hoffnung gehüllte Freunde. Der Schrei wurde nach einer scheinbar unendlich langen Zeit zu einem erstickten Wimmern, als Hitomi keine Luft mehr zum Schreien hatte. Ihr Blut kam in schnellem, stetigen Rhythmus aus dem Schnitt am Arm, den der Dolch des reinen Geistes hinterlassen hatte, der dort immer noch steckte, und an dem das Blut hinunter bis zur Spitze lief. Das Blut tropfte auf den Rubin der reinen Seele, in dessen Facettenschliff sich die Tropfen verliefen, und geläutert in die Schale des reinen Blutes rannen, um sich dort mit dem vorbereiteten, dünnflüssigen Brei zu vermischen. Tropfen für Tropfen, einer in jeder schmerzhaften Sekunde. Heilige Gegenstände und heilige Namen für ein heiliges Ritual. Doch das war Hitomi im Moment ganz egal. "Konzentriere dich, Hitomi!" drang Eliandras drängende Stimme undeutlich zu ihr durch. "Nur du kannst es machen. Ich kann dich nur anleiten." Heiße Lava schien durch Hitomis Adern zu fließen, aber sie verbannte den Schmerz in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins. Im Moment war nur eines für sie wichtig... Erstaunt registrierte sie die Energieströme, die von Eliandra ausgingen. Bunten Irrlichtern gleich, flackerten ihre Enden über das aus ihrem Arm sickernde Blut. Sie zeigten ihr die Stellen, an denen sie etwas tun musste. Am Arm, an der Spitze des Glasdolches, auf dem roten, von ihrem Blut dunkel glitzernden Rubin, in der Schale. Verschiedene Veränderungen, die mit den Kräften der drei heiligen Gegenstände vereint wurden, um etwas Neues zu schaffen, etwas, das Van heilen konnte. Mit aller Kraft, zu der sie fähig war, konzentrierte sich Hitomi auf diese Veränderungen, musste alles einsetzen, das sie gelernt hatte. Der Schmerz wurde geringer und in den Hintergrund gedrängt, wenn er auch nicht verschwand. Sie strukturierte die Energieströme neu, leitete um, baute Dämme oder Kanäle. Immer noch pulsierte der Schmerz durch ihren Arm, aber dafür hatte sie keine Zeit. Sie musste Van helfen, und nur das war wichtig. Eine Ewigkeit schien es zu dauern, bis Eliandra langsam zurückwich, bis sie Hitomi anleitete, die Ströme zu festigen und sich dann langsam zurück zu ziehen. Tage schienen vergangen zu sein seit dem Moment, an dem der Dolch Hitomis Arm geritzt hatte. "Das wars!" rief Eliandra erleichtert aus. Nicht weniger erleichtert ließ Hitomi sich auf den Boden fallen. "Ich bin total erledigt", keuchte sie. Die Welt schien sich vor ihren Augen zu drehen. Thana hockte sich wortlos neben Hitomi hin und verband ihren Arm mit dem bereitgehaltenen Verbandszeug. Hitomi atmete zischend ein, als das Tuch ihre Wunde berührte. Nachdem Thana fertig war, half sie ihr auf. "Du bist noch nicht fertig, Hitomi, vergiss das nicht." "Ja, ich weiß." Hitomi ging zu dem Tisch und nahm die Schale des heiligen Blutes. In ihr funkelte ihr Lebenssaft, vermischt mit dutzenden zerstoßenen Kräutern, von ihr, dem Dolch, dem Rubin und auch der Schale verändert und gereinigt. "Ich hoffe, das hilft Van wirklich." Entschlossen, und doch mit wackligen Schritten setzte sie sich in Bewegung. Auf den Flur hinaus, zu Vans Zimmer. Davor saßen Millerna, Blinx, Yukari und Asuna. "Hitomi! Alles in Ordnung mit dir?" riefen sie, als die erschöpfte Hitomi mit der Schale kam und sprangen hoch. "Es geht schon. Wo ist Merle?" "Drinnen." antwortete Blinx, und machte eine Kopfbewegung auf die Tür zu Vans Zimmer. "Sie wollte mit ihm allein sein." Er machte ihr schweigend die Tür auf, nicht ohne neugierig auf die Schale zu blicken. Dann bemerkte er den Verband um Hitomis Arm, den wohl noch niemand gesehen hatte - oder zumindest wegen der Aufregung noch nicht als das erkannt hatte, was er war. Er wurde blass, als er begriff, was das bedeutete. Endlich verstand er die Bedeutung der Namen der heiligen Gegenstände. Doch er sagte nichts, genau so wenig wie die anderen. Sie alle wussten, dass Worte nicht helfen konnten, und auch nie das würden ausdrücken können, was sie sollten. Selbst die sonst ewig redende Yukari sagte nicht einen Ton. Merle atmete auf, als Hitomi herein kam, und rannte zu ihr, aber Van auf dem Bett beschimpfte sie sofort. "He du Miststück! Auch gekommen, um dich an meiner Hilflosigkeit zu ergötzen?" Hitomi wurde blass, und Merle sagte schnell: "Mach dir nichts draus. Mich beschimpft er auch schon die ganze Zeit. Eliandra hat irgendwie verhindert, dass er sich bewegen kann, aber sein Mund gehört nicht dazu." Sie schüttelte den Kopf. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das sagen würde, aber ich glaube Asuna. Wenn das hier Van ohne ihre Beeinflussung ist, dann wäre er schon viel früher ausgeflippt." Während sie sprach hatte Van nicht aufgehört, herum zu schreien, und nun hatte Hitomi langsam genug. Sie war mit den Nerven fertig. "Hör auf, hier so zu schreien!" kreischte sie Van an, der tatsächlich verblüfft den Mund schloss. So hatte er Hitomi noch nie gesehen. So verzweifelt und niedergeschlagen. "Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht...", sagte er leise, doch dann verzerrte sich sein Gesicht. "Ich wollte dich nicht anschreien, ich wollte dich erschlagen! Aber dass kann ich ja nicht! Dieses Weib hat ich verhext..." Hitomi blendete sein Geschrei aus. Sie wunderte sich, wie leicht ihr das fiel. < Psychischer Schock oder so etwas. > vermutete sie. "Bitte geh, Merle." "Wie? Du willst, dass ich gehe?" fragte Merle verblüfft. "Ja!" antwortete Hitomi einfach nur. Sie sahen sich beide in die Augen. Das Mädchen vom Mond der Illusionen und das Mädchen aus dem Katzenvolk. Die zwei Mädchen, für die Van wichtiger war als alles andere, und die Van mehr bedeuteten als alles andere. "Ist gut Hitomi", sagte Merle nickend und mit feucht werdenden Augen. "Du hilfst ihm, ja?" Auch Hitomi nickte, dann ging Merle hinaus und schloss die Tür. Hitomi drehte sich zu Van um, der aufgehört hatte zu schreien und sie nun hasserfüllt ansah. Sie stellte die Schale auf den Tisch neben dem Bett, setzte sich neben Van und wollte ihm das Haar aus dem Gesicht streichen. Doch Van schnappte mit dem Mund nach ihrer Hand, und Hitomi zog sie ruckartig zurück. "Armer Van", murmelte sie. "Was haben sie dir nur angetan?" Sie seufzte und griff erneut nach der Schale. Mit einer Hand zwang sie Vans Kopf auf das Kissen, und mit der anderen hielt sie die Schale an seinen Mund. "Trink das!" Van hielt stur den Mund geschlossen und wehrte sich gegen Hitomis Hand, doch diese hielt ihn mit der Kraft der Verzweiflung fest. Sie wusste, früher oder später... "Du dreckiges Stück... hmpf." Hitomi rammte Van die Schüssel in den Mund und ließ alles darin in ihn hineinlaufen. Gleichzeitig drückte sie seinen Kopf so nach hinten, dass er es unwillkürlich schlucken musste. Seine Augen weiteten sich, schienen herauszuquellen. *** Draußen auf dem Gang keuchte Thana auf, und Eliandra blinzelte. "Es geht los. Thana? Was ist mit dir?" Das dunkelhaarige Mädchen stand auf, hielt sich den Kopf. "Diese Wut! Dieser Widerwillen!" Dann sackte sie langsam zusammen. Eliandra und Millerna sprangen auf und beugten sich zu ihr, aber Blinx hielt Merle fest, die in das Zimmer stürzen wollte. "Du darfst sie jetzt nicht stören." "Aber Van..." "Wird wieder gesund, wenn du Hitomi machen lässt. Du wirst schon sehen. Ich habe jetzt zwei Wochen mit ihr verbracht, und ich kenne sie. Sie wird es schaffen! Sie ist stärker, als ihr alle glaubt. Viel stärker, als sie selbst glaubt. Ihre Gefühle sind ihre Stärke, und diese werden auch den Hass besiegen, der sich in Vans Seele eingenistet hat." *** Mit Tränen in den Augen sah Hitomi, wie Van sich wand. Er hatte offensichtlich große Schmerzen, aber diese Schmerzen schienen nicht körperlich zu sein. Längst hatte sie die Schale weggeworfen und hielt nun Van umklammert, der sich hin und her warf. "Halte aus Van! Ich bin bei dir, halte aus!" rief sie verzweifelt. Wieder bäumte Van sich auf, stärker noch als vorher. Er warf Hitomi von sich ab und saß senkrecht im Bett. Seine Flügel zeigten sich unter seinem Hemd, zerrissen es, und auf seiner Brust zeigte sich nun das Pendel, dass Hitomi ihm geschenkt hatte. "Oh Van!" rief diese, nun überwältigt von der Bedeutung dessen. Trotz allem, all dem Hass, und dem Widerwillen, und dem Zorn hatte er ihr Geschenk immer an seinem Herzen getragen. "Ich werde dir helfen Van!" versprach Hitomi ihm, zog ihn wieder zu sich heran und drückte ihn an sich. "Ich werde dir helfen!" schluchzte sie. Das blaue Pendel, dass sie trug, begann zu leuchten, und ebenso das von Van. Eine Träne von Hitomi fiel darauf und gleißendes Licht hüllte die beiden ein... "Was... wo bin ich?" fragte Hitomi in die plötzliche, endlose Schwärze. "Du bist in mir." hörte sie Vans Stimme. "So sah es in mir aus, bevor du es geschafft hast, zu mir durch zu dringen." Die Welt hellte sich auf, wurde blau und grün, Konturen erschienen und verfestigten sich. Hitomi saß neben Van unter einem Baum, der ihnen beiden sehr bekannt vorkam. "Wieder einmal hast du mich aus der Verzweiflung in meinem Inneren geholt, Hitomi." "Van!" Sie warf sich ihm schluchzend an die Brust, heulte hemmungslos und konnte nicht mehr genug davon bekommen, ihn in ihren Armen zu spüren. "Van!" seufzte sie schließlich zufrieden und schaute zu ihm hoch. Seine unergründlichen, ruhigen Augen sahen sie sanft an. Beide versanken sie im Blick des anderen... Langsam näherten sich ihre Gesichter, und dann vereinigten sich ihren Lippen zu einem heißen, innigen Kuss. *** Thana auf dem Gang entspannte sich, und auch Eliandra atmete auf. "Es ist vorbei!" murmelte Thana und starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. "Ja, es ist vorbei." bestätigte Eliandra und lächelte die anderen an. "Van ist geheilt. Sie hat es geschafft!" Alle brachen in Jubel aus. Endlich war es überstanden. Sie zweifelten nicht an Eliandras Worten. Sie hatten selbst gespürt, wie das Böse aus ihm entwichen war. "Willst du nicht zu ihm?" fragte Blinx Merle, die mit Tränen in den Augen auf die Tür sah. "Nein. Im Moment würde ich die beiden doch nur stören, oder?" Blinx blinzelte überrascht. Dass Merle Rücksicht zeigte, war neu für ihn. Vielleicht hatte Hitomi doch Recht gehabt, und sie war gar nicht so schlimm, wie sie den Anschein erweckte. Eliandra beugte sich wieder über Thana und fuchtelte vor ihren aufgerissenen Augen herum. {Vollkommen weggetreten! Sozusagen Liebestrunken. Was da von den beiden kommt... Aber keine Sorge Eliandra, ich passe auf sie auf. Übrigens - auf Wiedersehen. Nachdem das hier erledigt ist - und Thana wieder bei sich - werde ich verschwinden. Darum glaube ich nicht, dass wir uns noch einmal sprechen werden. Flöte wird sicher auch wissen wollen, was hier passiert.} < Ist gut, Sakúraa. Grüß sie von mir.> *** Van schob Hitomis reglosen Körper von sich und legte sie sorgsam auf das Bett. Die Erschöpfung hatte tiefe Ringe unter ihre Augen gemalt, und dennoch kam sie ihm schöner vor als jemals zuvor. Er legte die Decke über sie und wischte ihr die Tränen aus den Augen. Dann tat er das selbe bei sich. Es war das erste Mal seit Jahre, dass er geweint hatte, wenn es jemand anderes sah. Aber das war ihm egal. Er beugte sich zu ihr hinunter, und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund, bevor er langsam und schweigend den Raum verließ. Van schloss die Tür, und drehte sich um. Alle sahen ihn an. "Seid leise! Sie schläft", meinte er und ging auf Merle zu, die ihn mit Tränen in den Augen ansah. Er hockte sich vor ihr hin, und sah ihr in die Augen. "Van!" flüsterte Merle, dann lauter, "Oh mein Vaaaaannnn!" und fiel ihm um den Hals. Große Tränen rannen aus ihren Kulleraugen. "Kannst du mir noch mal verzeihen Merle?" "Jederzeit Van. Ich bin so froh, dass es dir gut geht." Auch die anderen versicherten ihm, dass sie ihn nicht für schuldig hielten für das, was er getan hatte. Dann war die Reihe an Asuna. Die Zaibacherin hatte dem Wiedersehen glücklich zugeschaut, doch nun bekam sie Angst. Was würde Van tun? Konnte er sich überhaupt an alles erinnern? Wie um ihre Fragen zu beantworten, sagte er: "Ich kann mich nicht genau an alles erinnern, aber das wichtigste weiß ich. Vor allem das, was du mir vor ein paar Stunden gesagt hast." Merle sah ihn fragend an. Asuna hatte vor ein paar Stunden gemeint, dass sie eine Weile mit Van allein sein wollte, und Merle hatte es ihr schweren Herzens erlaubt. Sie hatte nicht gewusst, dass Asuna anscheinend auch so etwas wie ein Geständnis abgelegt hatte. "Kannst du mir sagen, wo sich dieser Abathur verbirgt?" Asuna schüttelte den Kopf, nickte dann aber: "Ich kann es dir sagen, aber das bringt nichts. Das hier habe ich in meinem Zimmer gefunden." Sie holte einen zerknüllten Zettel aus der Tasche, und reicht ihn Van. Der las laut vor: Dieser Verrat bedeutet deinen Tod! Abathur vergisst nicht! "Sie sind längst über alle Berge. Aber ich kann dir aufzeichnen, wo das Versteck ist, das ist dann nicht schwer zu finden. Aber es wird nichts bringen." "Wir müssen es zumindest versuchen. Markus!" Der Soldat kam erschrocken hinter der Ecke hervor, hinter der er gelauscht hatte. "Ruf die Männer zusammen! Sie sollen nach Asunas Anweisungen das Versteck dieses Hexers und seiner Gefolgsleute suchen." Markus blickte argwöhnisch auf Asuna, dann wieder auf Van. Unsicherheit zeigte sich auf seinem Gesicht. Anscheinend war der König ja wieder er selbst, aber... "Mach was er sagt!" rief Merle wütend. "Ich will die Köpfe derjenigen haben, die meinem Van so etwas angetan haben.!" Markus salutierte und rannte davon. "Markus!" rief Van ihm hinterher. "Ich will in zwei Stunden eine Ansprache vor dem Volk halten. Es soll sich auf dem Schlossplatz versammeln!" Der Soldat nickte um die Gangecke herum und machte sich dann auf, seine Befehle auszuführen. Seine Augen leuchteten. Jetzt war er sich ganz sicher. Wenn Merle sich keine Sorgen mehr um Van machte, dann war alles in Ordnung. Man konnte dem Katzenmädchen nachsagen, was man wollte - wovon das meiste zweifellos stimmte - aber Sorglosigkeit dem König gegenüber, das war so unglaubwürdig, dass es nicht mal für einen Witz taugte. *** Merle betrat ihr Zimmer. Van hatte, da Hitomi immer noch in seinem lag, dort seine Unterhaltungen unter vier Augen abgehalten. Er hatte sich sowohl bei Thana, bei Millerna, als auch bei Blinx und Eliandra entschuldigt, einige Fragen gestellt, und sie dann gebeten, den nächsten hinein zu schicken. Bei Asuna hatte er etwas länger gebraucht. "Was wirst du nun tun, Zaibacherin?" "Das weiß ich nicht genau. Eliandra sagte, sie könne mich von meiner Abhängigkeit heilen. Ich werde für eine oder zwei Wochen mit ihr mitgehen. Was dann geschieht... Vielleicht gehe ich nach Zaibach. Ich bin keine richtige Prinzessin, aber Abathur und seine Verbündeten haben es groß heraus posaunt. Ich könnte die Rolle weiter spielen." "Und weswegen? Wegen der Macht?" Van sah ihr in die Augen und erkannte, dass sie die Wahrheit sagte, als sie ihm antwortete: "Nein. Ich will gar keine Macht. Aber auch das Zaibacher Volk hat gelitten. So wie du hier, so will auch ich in Zaibach den Menschen helfen. Vielleicht kann ich etwas erreichen. Ich muss es zumindest versuchen." "Merle, ich möchte dich um etwas bitten." "Ja Van?" "Wenn ich aus irgendeinem Grund noch einmal so durchdrehen werde, sperrt mich ein, bevor ich Schaden anrichten kann." "Van..." "Das ist mein voller Ernst Merle. Ich will sicher sein, dass so etwas nie wieder passiert." Van hielt Merle so lange an den Armen fest, bis diese endlich wiederwillig nickte. "Gut. Würdest du bitte Hitomis Freundin herein bitten? Wie war doch ihr Name?" "Yukari." antwortete Merle. Kurz vor der Tür blieb Merle stehen und drehte sich noch einmal um. "Van?" "Ja?" "Frag sie. Wenn du es nicht tust, wirst du dir ewig Vorwürfe machen." Dann verschwand sie mit einem Satz aus dem Raum, um Yukari zu holen. Van wusste genau, was sie gemeint hatte. Sie kannten sich lange genug. "Wars das?" fragte das Mädchen in der Schuluniform den jungen König. "Ja. Das heißt, fast. Ich möchte dich noch einmal um Verzeihung bitten..." "Papperlapapp!" schnitt ihm Yukari das Wort ab. Dann stand sie auf und stellte sich vor Van, der unwillkürlich ebenfalls aufgestanden war. "Van Sanzar de Fanel." "Slanzar..." "Wie auch immer." Yukari winkte ab. "Ich weiß nicht, was Hitomi alles getan hat, um dir zu helfen, mein Lieber. Wahrscheinlich wird sie es nicht mal mir erzählen, und du solltest sie auch nicht fragen. Aber eines weiß ich: Sie liebt dich über alles." In diesem Augenblick wurde ihr Gesicht hart wie Stein, und Van wich unwillkürlich einen Schritt zurück, doch Yukari machte sofort einen nach vorne. "Wenn du sie auch nur einmal unglücklich machst, Van Slanzar de Fanel, bekommst du Ärger mit mir, wie du ihn dir nicht einmal vorstellen kannst!" Sie drehte sich um und wollte hinausgehen, doch Van hielt sie mit seiner Stimme fest. "Ich bin froh, dass Hitomi eine solche Freundin wie dich hat, Yukari. Ich will dir etwas sagen: Ich weiß ganz genau, was Hitomi durchgemacht hat. Ich habe es gesehen... und gespürt." Er atmete tief ein, während Yukari sich halb umdrehte. Sie erschauerte, als sie seine klaren Augen sah, und den unbeugsamen Willen darin. "Aber das bleibt unter uns. Was die anderen, und vor allem Hitomi angeht, weiß ich von nichts." Yukari nickte ihre Zustimmung. "Keine Sorge Yukari, ich werde sie nicht unglücklich machen. Das ist das letzte, das ich will." *** Wie sich später herausstellen sollte, waren Abathur und die anderen Hexer wie vorausgesagt geflüchtete und hatten ihr Versteck in die Luft gesprengt. Nichts mehr davon blieb intakt. Begraben lag alles unter Tonnen von Felsen und würde auch für immer dort bleiben. Van hatte keine Lust, das Grauenvolle vielleicht wieder ans Tageslicht zu holen. Doch erst einmal stand seine Ansprache vor seinem Volk an. Er hatte ehrlich alles sagen wollen, und er hatte auch vor anzubieten, dass er abdankte. Aber alle hatten sich dagegen ausgesprochen. Letztendlich war es sogar Asuna, die ihn überzeugte. "Ich habe niemanden in meinem ganzen Leben getroffen, der dem Kirseth einen solchen Widerstand entgegengesetzt hat. Ich habe dich kennen gelernt, Van, und ich weiß, dass Fanelia keinen besseren König als dich haben könnte. Und du hast noch Merle und Thana. In den beiden steckt mehr Talent zum regieren, als es den Anschein hat. Du hast die einmalige Gelegenheit, zwei Berater zu bekommen, die dir sowohl ehrlich als auch verantwortungsbewusst ihre Meinung sagen werden, und die für immer deine Freunde sind. Das ist sehr, sehr selten. Und dann ist da noch Hitomi..." So stand Van nun vor den versammelten Menschenmassen Fanelias und würde eine Erklärung abgeben, die nicht ganz die Wahrheit war, aber auch keine Lüge. Und eine, die verhindern würde, dass Asuna Probleme bekam. "Volk von Fanelia!" hallte es über den Platz. Vans Stimme war kräftig und kam selbst in den hintersten Winkel. Aber auch, wenn er in normaler Lautstärke gesprochen hätte, hätte ihn jeder gehört, so still war es. "Die letzten Wochen waren hart, nicht nur wegen der Anstrengungen und den Problemen des Wiederaufbaus. Ich bin sicher, zahlreiche Gerüchte über mein Verhalten in letzter Zeit sind in den Straßen umhergegangen." Ein Stimmengemurmel brandete auf, und Van hatte Mühe, die Leute zum Schweigen zu bringen. Eine solche Eröffnung hatte wohl keiner erwartet. "Ich muss euch sagen, dass vieles davon stimmen dürfte. Ich habe mich nicht wie ein König verhalten. Ich habe die Bediensteten angeschrieen, geschlagen, und sogar meine Freunde, darunter auch Millerna von Asturia, in eine Zelle sperren lassen." Jetzt war der Tumult unübersehbar. "Ruhe! Ruhe bitte! Hört mir zu!" Nur langsam sank der Geräuschpegel. Nun musste Van wirklich laut reden, um sich verständlich machen zu können. "Es gab einen triftigen Grund dafür. Ich will hier nicht ins Detail gehen. Nicht nur wegen der Komplexheit der Angelegenheit, sondern auch aus politischen Gründen." Eliandra hatte ihm geraten, etwas in der Art zu sagen. Die Leute waren von Natur aus dagegen, lange Reden zu hören, und der Politik trauten sie alles zu. Indem er zugab, das es etwas mit Politik zu tun hatte, würden sie über so manche Ungereimtheit hinweg sehen. "Ich kann euch aber sagen, dass das ein für alle Mal vorbei ist." Ein vorsichtiges, noch etwas misstrauisches Aufatmen in der Menge. "Ich wollte mit meinem Verhalten Rebellen, die sich gegen den Frieden gestellt haben, Glauben machen, sie hätten mich unter ihrer Kontrolle. Zu meiner Beschämung muss ich sagen, dass es auch beinahe dazu gekommen wäre." "Gib etwas zu, das macht sich immer gut. Dadurch wirkst du menschlicher, und die Leute werden dir auch mehr verzeihen." Eliandra schien viel von Reden zu verstehen. "Doch dann kam das Mädchen vom Mond der Illusionen. Zusammen mit der Zaibacher Prinzessin..." "Und erwähne Hitomi zusammen mit Asuna. Die Leute wissen, was Hitomi getan hat. Wenn sie mit Asuna zusammen gearbeitet hat, kann die Zaibacherin nicht wirklich böse sein." "...hat sie mir geholfen, mich dem Einfluss der Rebellen zu entziehen. Leider muss ich auch gestehen, dass sie uns entkommen sind. Aber es ist uns gelungen, ihre Basis, und damit die Grundlage ihres Handlungsvermögens ausfindig zu machen, und wir werden sie zerstören." "Kleide einen Misserfolg in Positives, dann wird darüber hinweg gesehen. Die Menschen haben ein sehr selektives Gedächtnis" "Die Zaibacher Prinzessin wird nun in ihr Land zurück kehren." "Was ist mit dem Mädchen vom Mond der Illusionen?" fragte eine Stimme aus der Masse, und zustimmende Rufe wurden laut. "Sie ist sehr erschöpft. Sie und ihre Freundin, die ebenfalls vom Mond der Illusionen kommt, und die vielleicht schon einige von euch gesehen haben, werden auch bald dorthin zurück kehren. Entschuldigt, wenn ich mich jetzt um sie kümmere. Was ich sagen wollte, habe ich gesagt." Van drehte sich um und betrat das Schloss. Hinter ihm wurde erst zaghaft, dann immer lauter Beifallsklatschen hörbar. Irgendwer rief nach einer Feier, und die Menge stimmte lauthals zu. "Ein toller Abgang!" meinte Eliandra, die im Gebäude die Rede verfolgt hatte. Van lächelte. "Mag sein, dass ich keine Ahnung vom Reden halten habe, aber die Menschen Fanelias sind einfache Leute. Sie merken, wenn jemand ehrlich ist. Ich bin sicher, sie haben alle gemerkt, dass ich nicht die ganze Wahrheit gesagt habe. Aber genauso wissen sie, dass jetzt alles gut wird. Manchmal ist das nicht Ausgesprochene wichtiger als das, was man sagt. Und vor allem wissen sie, dass der Schluss aus tiefstem Herzen kam. Würdet ihr bitte dafür sorgen, dass Hitomi und ich nicht gestört werden?" Eliandra nickte und verbeugte sich vor dem jungen König. Auch sie achtete auf das nicht Ausgesprochene. Sie wusste, dass das Herz oftmals wichtiger war, als die Worte oder die Befehle eines Königs. Van hatte das Vertrauen seiner Untertanen. Sie wussten, dass er nicht unfehlbar war, und dass er sein Bestes gab. Sie würden das gleiche tun: Ihr Bestes geben, soweit sie es vermochten. Eliandra hatte sich intensiv mit der Geschichte befasst, wie die meisten Tihani. Sie wusste, dass das die Einstellung war, aus der große Reiche entstanden. Reiche, die nicht durch das Schwert vergrößert wurden, sondern durch die Ideale, die in ihnen herrschten. Mochten die Länder selbst, die diese Ideale hervorgebracht hatten, auch klein bleiben, ihr Einfluss reichte durch die Jahrhunderte, und stets waren diese Jahrhunderte die Blüten der Zivilisation. Bis zu ihrem Niedergang. Eliandra hoffte, dass dieser Niedergang einer der wenigen sein würde, die ohne großes Blutvergießen vonstatten gingen, und nur der Auftakt waren für etwas noch größeres, noch gewaltigeres und schöneres. Denn das war der Lauf der Dinge: Reiche entstanden und gingen unter, aber die Menschen blieben. Und die Einstellung in ihrem Herzen bestimmte über ihr Schicksal. Epilog Van betrat Hitomis Zimmer. Sie stand auf dem Balkon, und betrachtete versonnen den blauen Himmel, an dem weiße Schäfchenwolken kleine Figuren bildeten. "Sie sind wunderschön, nicht?" fragte Hitomi den hinter ihr stehenden Van, ohne ihn dabei anzusehen. Sie wusste, wer da gekommen war. "Ja, das sind sie. Aber nicht halb so schön wie du", antwortete er lächelnd und umarmte sie. Hitomi schmiegte sich an ihn, und Van atmete tief ihren Duft ein. "Deine Freundin will nach Hause. Sie findet wohl keine Ruhe, ehe sie von hier weg ist. Und ich kann sie verstehen. Gaia hat sich auch ihr nicht von der besten Seite gezeigt, genau wie dir." Hitomi lächelte ebenfalls. Es war ein verträumtes, und dennoch trauriges Lächeln, denn sie wusste, nun hieß es Abschied nehmen. "Yukari hat Recht. Es müsste inzwischen schon weit über einen Monat vergangen sein. Es wird wirklich Zeit, dass ich sie zurückbringe." "Vielleicht schaffst du es ja ohne Zeitverlust? Dann könntest du ja noch ein wenig hier bleiben, wäre das nichts?" Hitomi drehte sich zu ihm um und drückte ihn ein Stück von sich weg. Dann sah sie ihn ernst an. "Das würde ich sehr gerne, aber das geht nicht. Ich muss einfach zurück. Es..." Van legte ihr den Finger auf den Mund. "Psst. Sag nichts. Ich weiß, was du sagen willst." Hitomi drehte sich erneut um und seufzte in den warmen Wind. Tief in Van arbeitete es. Heute morgen war Merle wieder bei ihm gewesen und hatte ihm ins Gewissen geredet. Sie hatte ja Recht, was seine Gefühle betraf, aber konnte er es wirklich verantworten, Hitomi das zu fragen? Doch Merle hatte Recht. Wenn er es nicht tat, würde er sich das nie vergeben können. "Hitomi, ich möchte mich bei dir für etwas entschuldigen. Nein, dreh dich nicht um. Sag auch nichts. Hör mir einfach zu." Hitomi nickte, und Van fuhr fort, legte dabei seine Hände auf ihre Schultern. Wie unendlich zerbrechlich sie ihm in diesem Augenblick erschien. Nicht sie selbst, sondern ihre Anwesenheit. So unendlich kostbar und zerbrechlich. "Ich habe einmal einen großen Fehler gemacht. Ich habe dich bereits einmal gefragt, ob du bei mir bleibst. Ich habe gesagt, ich möchte, dass du bei mir bleibst, weil ich deine Fähigkeiten brauche. Ich habe erst in den letzten Tagen wirklich verstanden, was dir das angetan hat. Wenn das stimmt, was ich hoffe, nein, was ich mir ersehne...", Van atmete tief durch, um das Zittern in seiner Stimme zu verbannen, "...dann kann ich dir nur immer wieder sagen, wie leid es mir tut. Ich habe gesagt, ich brauche deine Fähigkeiten. Du hast mich falsch verstanden. Nein, eigentlich hast du mich richtig verstanden, denn in diesem Augenblick... Ach verdammt... Hitomi... Ich brauche dich wegen deiner Fähigkeit, den Tag heller erscheinen zu lassen, wenn du in meiner Nähe bist. Ich brauche dich wegen deiner Fähigkeit, meinem Leben Sinn zu geben. Ich brauche dich, weil ich mich in deiner Nähe so wohl fühle, wie sonst nie. Kurz: ich brauche dich, weil ich dich liebe. Weil ich dich mehr liebe, als alles auf der Welt." Er schwieg, und wartete auf Hitomis Antwort. Die Welt schien still zu stehen, als sie sich zu ihm drehte. Nasse Tränen glitzerten in ihren Augen, und der Wind spielte mit ihrem Haar. "Ich möchte, dass du bei mir bleibst Hitomi. Für immer." Hitomi hob die Hände, und nahm Vans Gesicht zwischen die Fingerspitzen. "Oh Van! Wenn du wüsstest, wie sehr ich darauf gehofft hatte. Und wie sehr ich Angst vor diesem Augenblick hatte. Ich wünsche mir nichts mehr, als mit dir zusammen zu sein, aber ich kann nicht. Nicht jetzt..." "Ich weiß. Ich weiß. Ich werde auf dich warten. Wann immer du bereit bist. Du wirst immer die einzige in meinem Herzen sein." "Und ich werde zu dir kommen, das verspreche ich. Ich werde kommen, wenn ich mich von all meinen Freunden verabschiedet habe, von meinen Eltern, meinem alten Leben... Es wird schmerzhaft sein. Ich brauche Zeit. Vielleicht nächstes Frühjahr, wenn das Schuljahr vorbei ist. Dann hätte ich genügend Zeit..." "Nächstes Jahr ist gut. Quäle dich nicht. Auch wenn es zwei Jahre dauert, oder drei, ich werde auf dich warten und da sein, egal wann du kommst." Van griff unter sein Hemd und holte den Anhänger hervor, den Hitomi ihm einst gegeben hatte. "Dieser Anhänger war dein Abschiedgeschenk. Er sollte uns auf ewig verbinden. Ich möchte ihn dir zurück geben. Ich brauche ihn nicht mehr. Ich brauche ihn nicht, um zu wissen, dass wir verbunden sind. Ich weiß, dass du zurück kommen wirst." "Van, das kann ich nicht..." "Doch, ich verlange es." "Na gut, aber nur unter einer Bedingung!" Van sah sie fragend an, und lächelnd holte Hitomi nun den blauen Anhänger hervor, den sie von Mai Ling erhalten hatte. "Nur unter der Bedingung, dass du diesen hier nimmst. Was soll ich auch mit zwei anfangen? Das Blau steht dir sowieso viel besser als mir." Lächelnd streckte Van seine Hand aus. Leise klimpernd schlugen die beiden Anhänger gegeneinander. Van hängte sich seinen neuen Anhänger um, und Hitomi den, der ihr auch ursprünglich gehört hatte. "Nun, lass uns gehen Van. Ich möchte Yukari nicht warten lassen." Kurz küssten sie sich noch, bevor sie Hand in Hand den Balkon verließen. Unter dem Balkon saß Blinx und hielt die glücklich weinende Merle in seinen Armen. Immer wieder flüsterte sie: "Van, ich freue mich so für dich." Blinx konnte nichts tun, außer den schluchzenden, zitternden Körper fest zu umschlingen. Er hätte gerne irgend etwas gesagt, dass Merle aufgeregt hätte, nur, damit sie endlich aufhörte. Aber weder brachte er es übers Herz, noch war er dazu in der Lage. Ihm standen selbst die Tränen im Gesicht, zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit. *** Van schaute nach oben, dorthin, wo der Mond der Illusionen leuchtete, und wo seine geliebte Hitomi nun war. Es tat ihm weh, sie nicht mehr in seiner Nähe zu haben. Aber er wusste, dass sie zurück kommen würde. Irgendwann, wenn sie bereit war. Er würde warten. Er würde auf sie warten, und wenn sie zurück kam, würde er der glücklichste Mensch auf ganz Gaia sein. Und dem Mond der Illusionen gleich mit. Er straffte seine Schultern und verließ sein Zimmer. Auf dem kürzesten Weg begab er sich dorthin, wo die wichtigsten Leute Fanelias versammelt waren. Ein Diener öffnete ihm die Tür, und beim Eintreten betrachtete er die Männer, die ihn dort erwarteten. Erwartungsvoll sahen sie ihn an. "Nun, meine Herren, es gibt eine Menge zu tun." ------------------- ENDE ------------------- von LMMI 3 Blick auf Fanelia im Tal, langsamer Schwenk zum Himmel mit den beiden Monden; >Yubiwa< fading in ;) Wie ihr sicher gemerkt habt, habe ich euch diesmal gleich zwei Kapitel auf einmal spendiert. Der Grund ist, dass ich seit kurzer Zeit eine eigene HP habe. Ist zwar noch im Aufbau, aber das ja eigentlich jede. Dort findet ihr nicht nur meine Escaflowne-FFs sondern auch andere Geschichten. Die Adresse ist: www.people.freenet.de/lennstar (steht jetzt auch in meinem Steckbrief.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)