fünfundzwanzig von Ur (less of earth in them than heaven) ================================================================================ Kapitel 1: #8 - Sehnsucht (Leliana/Tabris) ------------------------------------------ Leliana stand an einem der Fenster in dem höchsten Turm von Skyhold und überschaute die Landschaft, die sich in der Abenddämmerung pastellfarben unter ihr erstreckte. Die fernen Gletscher sahen aus, als hätte jemand sie in Brand gesteckt und hinter ihr krächzten und schrien ihre Raben. Leise Stimmen sprachen gedämpft miteinander, aber niemand sprach Leliana an. Sie sog tief die Abendluft ein und erinnerte sich an eine Zeit, in der die Abendluft nicht nur nach Sehnsucht gerochen hatte, sondern nach neuer Liebe, Zärtlichkeit und gleichzeitig nach dem drohenden Ende der Welt. Ihre Augen fixierten den Horizont und sie würde es niemals jemandem erzählen, – nicht einmal Josephine – dass sie Yaran so sehr vermisste, dass sie sich vorstellte, wie sie dort hinten zwischen den Bergen und Bäumen als kleiner Punkt auftauchen würde, ihren riesigen Hammer – viel zu groß für ihre schmale Elfenstatur – auf dem Rücken und ein schiefes, leicht zerbrochenes Grinsen im Gesicht. Leliana hatte noch nie in ihrem Leben jemanden so sehr vermisst wie Yaran Tabris und sie wusste, dass ihre Trennung nötig war. Aber das machte das heftige Ziehen in ihrem Innern nicht besser, es löschte nicht die Träume, aus denen sie mit hitzigen Wangen und heftigem Herzpochen aufwachte, es linderte kein bisschen die eiserne Faust, die sich um ihr Herz geschlossen hatte, seit sie sich voneinander hatten trennen müssen. »Schwester Nachtigall«, sagte eine leise Stimme neben ihrem Ohr und Leliana drehte leicht den Kopf, um unter ihrer Kapuze heraus den Boten anzusehen, der sie angesprochen hatte. Ihre Sehnsucht pulsierte in ihr wie ein zweites, bleiernes Herz. Sie streckte die Hand nach dem Bericht aus, der ihr hingehalten wurde und nickte dem Boten zu, der sich diskret aus ihrer Nähe entfernte. Sie lauschte dem zweiten Herz in sich und seufzte, wandte ihren Blick auf den Bericht und schob das brennende Gefühl in ihrem Magen beiseite. Es gab zu tun. Immer zu tun. Kapitel 2: #22 - Scham (Cullen & Surana) ---------------------------------------- Cullen schämte sich. Er war einer der jüngsten Templer, die hier im Zirkel von Ferelden ihren Dienst taten und er war stolz gewesen, als er endlich ein volles Mitglied des Ordens geworden war und seinen ersten Posten erhalten hatte… Die anderen Templer lachten ohnehin schon gerne über ihn, weil er das Nesthäkchen war und nun… Cullen erinnerte sich an all die Warnungen, an seine Ausbildung und sein Training, als wäre es erst gestern gewesen. Und die Worte seines Ausbilders – ein bärtiger, stoischer Mann mit nur einem Auge und Glatze – hatte es seien Rekruten immer wieder eingeschärft: »Ihr dürft keinerlei Gefühle für eure Schützlinge entwickeln. Höflichkeit, Freundlichkeit, Wachsamkeit. Aber sobald ihr zu nah an einen von ihnen heran kommt, ist es aus. Dann lässt die Wachsamkeit nach und ehe man es sich versieht, hat man einen besessenen Magier vor sich und zögert, ihn oder sie zu töten, nur weil man eine Freundschaft angefangen hat! Das kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen und das Schicksal aller gefährden, die sich in eurer Nähe befinden!« Cullen hatte wie alle anderen stumm genickt, auch wenn er gesehen hatte, wie einige seiner Kameraden sich verschwörerisch zugegrinst und gezwinkert hatten. Der Gedanke daran, worüber sie scherzten, trieb Cullen die Röte in die Wangen. Er hatte jedes Wort seines Ausbilders aufgesaugt. Er würde alle Regeln befolgen, das hatte er sich vorgenommen. Und dann kam Linaeve Surana vor ein paar Wochen in den Speisesaal, stolperte über eine leicht hochstehende Bodenplatte und fiel ihm quasi direkt in die Arme. Ihre roten Wangen und ihr verlegenes Stammeln hatten in Cullen eine Hitze ausgelöst, über die er wirklich nicht näher nachdenken wollte. Sie hatte rotes Haar, spitzen Ohren und war sehr klein und zierlich, wie die meisten Elfen, die er kannte. Und ihre Stimme… Ja. Cullen sollte lieber nicht allzu sehr über ihre Stimme nachdenken. Oder ihre grauen Augen. Und daran, wie sie sich in seinen Armen angefühlt und sich an seinen Schultern festgeklammert hatte, um Halt zu finden. Er lag nachts stundenlang wach und starrte an die dunkle Decke, an der Linaeves Gesicht erschien. Immer, wenn sie ihn auf den Korridoren traf, grüßte sie ihn strahlend. Sie sprach ihn an, wenn er Dienstschluss hatte und erkundigte sich nach seinem Tag. Sie erzählte von ihren Studien und ihren Freundinnen, von kleinen Scherzen, die sie sich untereinander erlaubten. Und Cullen wollte vor Verlegenheit vergehen. Er wollte, dass sie noch öfter mit ihm sprach, dass ihre Laune auch besser wurde, sobald sie ihn erblickte. Er wollte sie bei sich haben und sie näher kennen lernen, sie noch mal so festhalten, wie im Speisesaal… Er wollte, dass sie ihn in Ruhe ließ - (Gott, sie sollte ihn nur bitte nicht in Ruhe lassen...). »Ihr dürft keinerlei Gefühle für eure Schützlinge entwickeln!« Cullen hatte versagt. Die Scham brannte in ihm wie heiße Lava und jedes Mal, wenn Linaeve an ihm vorbeiging und ihn anlächelte, fühlten sich seine Innereien an wie ein Vulkan, aus dem all die Scham jeden Wimpernschlag hervorbrechen würde. Sie fragte ihn, ob er sie niederstrecken würde, wenn sie besessen wäre und er sagte ihr, dass er seinen Dienst tun musste. Aber die Wahrheit war, dass er nicht wusste, ob er es konnte. Er war so stolz gewesen, ein Templer zu werden und nun war er sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt noch zu etwas taugte. Kapitel 3: #15 - Ekel (Dorian/Adaar) ------------------------------------ Dorian würde sich selbst lieber seine Zunge abbeißen, als jemals zuzugeben, wie sehr ihm die Einstellung seiner Landsleute über all die Jahre zugesetzt und sich in sein Hirn und sein Herz gestohlen hatten, wie ein Wurm, der sich durch Obst frisst, wie Wasser, dass jede noch so kleine Öffnung findet und sich seinen Weg bahnt. Das Wispern und die Blicke, die Abscheu, die sie empfanden, wenn das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe aufkam. Dorian hatte es immer verlacht und abgewinkt, hatte sich eine harte Schale angelegt, damit die Worte und die Abscheu der anderen an ihm abperlten wie Regen an Glasscherben. Aber letztendlich hatte es nicht geholfen. Er war sehr darauf bedacht, ausschließlich Selbstbewusstsein nach außen hin auszustrahlen, aber der Moment in dem er es bemerkt hatte, hatte ihn angeekelt vor sich selbst zurückgelassen. Er kaschierte es mit Flirten, mit sarkastischen Kommentaren, mit luftigem Gelächter und bombastischen Gesten. Aber als ihm das erste Mal klar geworden war, wie sehr er sich zu ihrem Anführer und Inquisitor hingezogen fühlte, hätte er sich am liebsten übergeben. Nicht, dass er nicht schon vorher mit Männern Sex gehabt hatte. Aber es war immer nur bei Sex geblieben. Von Gefühlen in diese Richtung hatte Dorian keine Ahnung und er dachte nicht gerne über Dinge nach, von denen er keine Ahnung hatte. Er hatte sich an diesem Abend sehr betrunken und sich letztendlich doch noch übergeben, direkt vor der Taverne in die Büsche. Er hatte an Adaars warmes Lächeln, seine fürchterlichen Hörner, seinen scheußlichen Modegeschmack gedacht… und daran, wie diese großen Augen ihn besorgt gemustert hatten, nachdem er mit ihm Dorians Vater konfrontiert hatte. Er hatte den Beschützerinstinkt beinahe auf der Zunge geschmeckt, den er in Adaar hervorgerufen hatte. Und dann… »Ich denke, dass du sehr mutig bist.« Dorian war angewidert. Angewidert von seinem Vater und seinen verwerflichen Ansichten, von sich selbst und seinen Sehnsüchten, seinen Gefühlen und nicht zuletzt von der Tatsache, dass er sich in einen gottverdammten Qunari verliebt hatte. Kapitel 4: #10 - Reue (Merrill) ------------------------------- »Leg ihn hier auf den Tisch«, sagte Merrill und verzog konzentriert das Gesicht. Der Elfenjunge vor ihr war schweißgebadet und hatte die Lippen vor Schmerz zusammen gepresst, sodass sie ganz weiß waren. Um sie herum standen mehrere Leute, unter anderem die drei Familienmitglieder des Jungen, die voller Angst auf Merrills Patienten herabschauten. Merrill holte tief Luft und deutete den Anwesenden an, zurückzutreten, bevor sie die Hände austreckte und mit dem kleinen Messer in ihrer Linken einen tiefen Schnitt in ihre Handfläche machte. Ein Raunen und Japsen ging durch die Menge, als Merrill die Augen schloss und die Magie spürte, die sich in ihren Fingerspitzen ausbreitete. Der Junge, der nicht älter als zehn Jahre alt sein konnte, stöhnte unter Schmerzen. Merrill spürte seinen Schmerz und sein Blut, seine erhöhte Körpertemperatur und sie tastete mit ihren Sinnen vor. Sein Blut war definitiv vergiftet, wahrscheinlich durch die klaffende und entzündete Wunde, die an seinem rechten Bein klaffte. Merrill ging an die Arbeit. Sie wob die Magie um den Jungen herum und säuberte sein Blut sorgfältig von dem Gift. Vermutlich musste der ganze Vorgang beängstigend aussehen, aber sie hatte keine Konzentration übrig, um sich darum zu sorgen. Sie spürte ihr eigenes Blut in ihren Händen pulsieren, während sie arbeitete. Merrill wünschte, sie hätte sich von Anders noch mehr beinbringen lassen können, bevor er… nun ja. Bevor er zum Massenmörder geworden war und die halbe Stadt in die Luft gesprengt hatte. Aber Merrill sollte nun besser nicht mehr darüber nachdenken. Sie zupfte sachte an den Magiefäden, die sie von ihren Händen ausgehen spürte und widmete sich dann der Wunde, die das ganze Unheil überhaupt erst angerichtet hatte. Sie wusste, dass der Junge – Merrill konnte sich Namen nur schlecht merken, sie war erstaunlich zerstreut, wenn es um diese alltäglichen Dinge ging – sich seine Wunde zugezogen hatte, als er ein löchriges Dach hatte reparieren wollen. Das nächste Dach würde sie selbst reparieren, das nahm sie sich fest vor. Merrill schloss die Wunde sanft und behutsam und hörte zufrieden den Atem ihres Patienten ruhig werden. Mit einer letzten Geste presste sie ihre beiden Hände auf die Wunde im Bein und ließ alles an Magie los, das sie in ihren Fingerspitzen gesammelt hatte. Ein Keuchen lief durch die kleine Menge und Merrill ließ los, öffnete die Augen und wankte leicht. Hilfsbereite Arme hielten sie an den Armen und der Schulter fest und sie schaute hinunter in das vorher noch schmerzverzerrte Gesicht, das nun einfach nur noch friedlich schlafend aussah. Sie lächelte erleichtert. Die Wunde war nun blutverschmiert, aber es war Merrills Blut und darunter war nur noch leicht rosiges Narbengewebe zu sehen. »Das Fieber müsste jetzt sinken«, sagte sie erschöpft. Sie war nicht vorbereitet auf die vielen paar Arme, die sich um sie schlossen und auf die Stimmen, die ihr dankten und die Tränen der Erleichterung in vielen der Augen. Merrill sah sie alle nacheinander an. Die Gesichter, die ihr jahrelang gleichgültig gewesen waren, die Elfen, die sie immer als unwichtig abgetan hatte, weil sie ihren Klan hatte retten wollen. Sie war so blind gewesen. Wie hatte sie nur all das Elend übersehen können, was hier in Kirkwall direkt vor ihr lag. Merrill spürte eine tiefe Reue darüber, dass sie nicht schon vorher begonnen hatte, Dächer zu reparieren, den Kindern lesen beizubringen, ihre Blutmagie zum Heilen einzusetzen und den Stadtelfen Geschichten der Dalish zu erzählen… Sie fühlte sich, als hätte sie sechs Jahre an Leute verschwendet, die ihre Hilfe letztendlich nie wirklich gebraucht hatten. Aber jetzt würde sich das alles ändern. Sie würde versuchen all die Jahre der Ignoranz wieder gutzumachen. Wunde für Wunde, Dach für Dach, Stück für Stück. Kapitel 5: #5 - Trauer (Hawke & Leandra) ---------------------------------------- Hawke starrte an die Decke. Mittlerweile kannte sie jeden Riss in jedem Holzbalken, jeden Fleck und jedes noch so durchsichtige Spinnweben, das sich dort oben befand. Seit drei Tagen hatte sie sich kaum gerührt, außer, wenn es darum ging eine von Orana liebevoll zubereitete Mahlzeit mit viel zu wenig Wertschätzung herunter zu würgen und den Abort zu benutzen. Wahrscheinlich roch sie abartig. Ab und an spürte sie eine leichte Regung, die sie matt dazu drängte, ihren Kummer in Alkohol zu ertränken, aber sie wusste, dass kein Whiskey dieser Welt die Leere füllen konnte, die sie spürte. Ihre Mutter war fort. Für immer. Hawke hatte sie nicht retten können. Sie hatte ihre Familie im Stich gelassen. Ihre Mutter hatte sich so gefreut, das alte Anwesen ihrer Familie zurückzuhaben und nun war dieses viel zu riesige Haus Hawkes Eigentum. Ihres allein. Die Räume schienen sie trotz ihrer Größe zu erdrücken und manchmal bekam sie kaum noch Luft. Tränen schien sie keine zu haben. Es passte zu dem Gefühl der Leere, das sie verspürte. Vielleicht bestand sie gar nicht mehr aus Organen, sondern aus Wüstensand und nacktem Stein. »Wie lang wird es so sein?«, hatte sie Aveline gefragt, die gestern Abend an ihrem Bett gesessen und kameradschaftlich geschwiegen hatte. Es hatte ein wenig geholfen. »Lange«, hatte Aveline leise und ehrlich geantwortet und diese Ehrlichkeit war besser als alle tröstenden Worte, die andere Leute ihr zugetragen hatten. Hawke schloss die Augen, damit sie die Zimmerdecke nicht mehr sehen musste, aber sofort schob sich das Gesicht ihrer Mutter vor ihre Augen. Es lächelte, was alles nur noch schlimmer machte. »Mein kleines Mädchen«, sagte ihre Mutter in ihrem Geist und Hawke stellte sich vor, wie ihre Mutter ihr liebevoll die ungeordneten Haare aus dem Gesicht strich. Zuerst kamen die Tränen geräuschlos und hinterließen heiße Spuren auf ihren Wangen, bevor sie ins Kissen tropften. Dann verwandelten sie sich in einen Wasserfall und während Hawke zum ersten Mal um ihre Mutter weinte, fragte sie sich, wie viele Tränen nötig waren, um all die Leere aus ihr heraus zu spülen. Kapitel 6: #17 - Einsamkeit (Tabris) ------------------------------------ Yaran Tabris seufzte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, um etwas Schweiß fortzuswischen und begann dann leise, eine alte Melodie zu singen, die ihre Mutter ihr früher vorgesungen hatte, wenn Yaran nicht schlafen konnte. Es war eine süße, besänftige Melodie und sie schien nicht recht zu den bedrückenden Steinwänden zu passen, die Yaran ringsum umgaben. Hier unten in den Deep Roads gab es oftmals keinerlei Geräusche. Einerseits war das eine gute Sache, denn es bedeutete, dass keinerlei riesige Spinnen oder Dunkle Brut sich ihr näherte, andererseits presste die Stille auch auf ihre Ohren und schien in ihr Innerstes dringen zu wollen. Sie erinnerte sich reuevoll daran, wie sie monatelang keine ruhige Minute gehabt hatte, weil es an jeder Ecke einen Überfall, in jedem Dorf hilfsbedürftige Menschen und jeden Abend im Camp Streitereien gegeben hatte – sei es nun über Pläne, wie man den Erzdämonen besiegen könnte hin zu Rangeleien über den besten Schlafplatz oder das letzte bisschen Eintopf. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass Yaran sich einen Augenblick der Ruhe gewünscht hatte. Nur eine Minute der Stille, um durchzuatmen, die Augen zu schließen und für einen Wimpernschlag zu vergessen, dass das Schicksal des Landes auf ihren Schultern ruhte. Und jetzt? Jetzt fraß die Stille an ihrem Herzen und sie wünschte sich Stimmengewirr zurück. Sie wollte mit ihren Freunden darüber streiten, ob es den sechsten Abend in Folge denselben Eintopf geben sollte, sie wollte mit Wynne Geschichten über Magie austauschen. Sie wollte mit Leliana lachen und tanzen, mit Morrigan über Männer lästern, mit Shale auf Menschen schimpfen und Anekdoten von Zevran lauschen, die er über sein früheres Leben bei den Crows zu berichten hatte. Yaran war so einsam, dass sie sogar Alistairs und Morrigans dauerndes Gestichel vermisste, wenn die beiden sich zu nahe kamen. Dass es jemals dazu kommen würde, hätte sie nicht gedacht. Die Welt war gerettet, ihre Freunde hatten sich im Wind verstreut und waren ihre eigenen Wege gegangen und Yaran… Yaran hatte nun nur noch das letzte Ziel vor Augen: Sich selbst zu retten. Dass dieses Vorhaben dermaßen einsam werden würde, hätte sie nicht gedacht. Sie hörte auf zu summen, lauschte in die Dunkelheit hinein und versuchte das Pochen unter ihrer Haut zu ignorieren, das sie nun schon viel häufiger spürte als früher. Die dunklen Flecken, die sich auf ihrer Haut auftaten, hießen, dass Yaran nicht mehr so lange Zeit haben würde, wie sie gehofft hatte. Der Ruf der alten Götter hatte sie eingeholt und wenn sie Leliana und vielleicht auch ihre anderen Freunde jemals wieder sehen wollte, musste sie ein Heilmittel finden. Mit schmerzenden Gliedern und trockener Kehle richtete Yaran sich auf. Schaudernd stellte sie fest, dass sie beinahe froh über die überirdische Musik in ihrem Kopf war, die nach ihr rief – froh, weil sie mit diesen Stimmen in ihren Gedanken nicht ganz so allein war. Kapitel 7: #4 - Wut (Aveline & Isabela) --------------------------------------- »Man könnte meinen, dass der Champion von Kirkwall sich mit angemessenerer Gesellschaft umgibt.« »Riechst du das? Whiskey und… ich will gar nicht wissen, was noch…« »Könnte sie noch weniger anhaben? Das ist eine abscheulichen Unangemessenheit, ich kann es nicht fassen. Und sowas treibt sich hier in Hightown herum!« Aveline hatte es jetzt schon mehrere Wochen beobachtet. Das laute Flüstern hinter vorgehaltenen Händen, das dazu gedacht war, dass man es hörte, wenn sie vorbei gingen. Hawke, der Champion von Kirkwall. Aveline selbst, die Kapitänin der Stadtwache. Merrill, die immerzu verträumt dreinblickende Dalishelfe. Und Isabela. Isabela mit ihrer knappen Kleidung, der scharfen Zunge. Isabela mit den langen Beinen und dem anzüglichen Lächeln, dem viel zu lauten Lachen und den schlechten, versauten Witzen, Isabela, die immer einen Geruch hinter sich herzog, der zwischen Whiskey, Abenteuer und dem Meer schwankte. Isabela gehörte nicht nach Hightown, doch sie stolzierte über den Marktplatz und den Vorplatz der Kirche, als würde es ihr gehören. Isabela scherte sich kein bisschen darum, was andere von ihr dachte. »Die kennen mich doch nicht. Ich kenne mich«, hatte sie zu Aveline gesagt. Aveline spürte es jedes Mal, wenn sie so eine flüsternde Stimme hörte. Zuerst dachte sie, dass sie lediglich davon genervt war, dass die Leute sich so offensichtlich unhöflich verhielten, aber nach einigen Wochen der Beobachtung stellte sie fest, dass es etwas anderes war. Aveline war wütend. Sie spürte die es wie heiße Lava in sich hochkochen und an ihren Inneren fressen. Es fühlte sich wie ein sehr haariges Ungeheuer an, das sich in ihren Eingeweiden eingenistet hatte und jedes Mal brüllte, wenn eine solche flüsternde Stimme an ihre Ohren drang. »Man möchte gar nicht zu nahe heran gehen, wer weiß, was für Krankheiten sie mit sich herumschleppt…« Avelines Maß an Geduld war erstaunlich hoch, da sie nun seit über drei Jahren Hawke und ihre all ihre Kumpanen babysittete, aber in diesem Augenblick war ihre Geduld am Ende. Das Ungeheuer in ihren Eingeweiden bäumte sich auf und brüllte, Aveline wirbelte herum und packte den Mann mittleren Alters am Kragen, der diese Worte geflüstert hatte, als sie gerade zu viert an ihm vorbei gegangen waren. Ein ersticktes Japsen entwischte ihm, als er sich Avelines Funken sprühenden grünen Augen gegenüber sah. »Und was für nobles Verhalten soll das sein, so hinter jemandes Rücken zu tratschen?«, hisste sie und es war, als hätte sich eine Faust um ihren Magen geschlossen. Sie war so zornig, dass ihre freie Hand automatisch zu ihrem Schwertgriff wanderte. »Und in Gedanken habt Ihr sie doch schon längst ausgezogen, Ihr verlogener, widerwärtiger, heuchlerischer–« Eine Hand legte sich auf Avelines Unterarm und sie drehte leicht den Kopf. Isabelas Gesichtsausdruck schwankte zwischen Dankbarkeit, Erstaunen und Bewunderung. Aveline ließ den Kragen des Mannes los und hatte nicht übel Lust, ihm auch noch vor die Füße zu spucken, aber dann wäre der Ruf der Stadtwache vermutlich vollends ruiniert. Sie wirbelte herum und stapfte davon, die Hände immer noch zu Fäusten geballt. »Erinner mich dran, dich nie sauer zu machen, Großes Mädchen«, sagte Isabela neben ihr. Aveline schnaubte missgelaunt. Die Wut in ihr kochte immer noch, aber Isabelas Reaktion hatte sie ein wenig besänftigt. Kapitel 8: #20 - Fassungslosigkeit (Merrill & Varric (& Solas)) --------------------------------------------------------------- »Das kann doch nicht wahr sein…« »Ich sag es dir, Daisy, genauso ist es passiert.« »Wenn das wieder nur eine von deinen Geschichten ist, Varric…« »Die Geschichte ist so unglaubwürdig, sowas könnte ich mir nie im Leben ausdenken.« »Aber… Fen’Harel…« »Jap. Lebend. In Fleisch und Blut. Er hatte eine Glatze und ich hab ihn regelmäßig Chuckles genannt. Er mag keinen Tee«, sagte Varric und nickte. Merrill starrte ihn aus großen Augen an. Ihre Augen waren ohnehin größer als die anderer Leute, aber heute waren sie auf Tellergröße geweitet und schienen Gefahr zu laufen, aus ihrem hübschen Gesicht zu fallen. Varric zuckte die Schultern und nahm einen Schluck Whiskey. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, in Hightown zu leben, aber wenn Merrill barfuß auf seinem Esstisch hockte und Papier zerrupfte, fühlte sich alles herrlich normal an. Varric hatte es nicht über sich gebracht, Merrill die Geschichte über den leibhaftigen Trickstergott ihres Volkes in Briefen zu berichten. Also hatte er sie zu sich eingeladen, nachdem das elende Konzil vorbei gewesen war und Inquisitorin Adaar Solas – oder auch Fen’Harel, wenn Merrill darauf bestehen wollte – den Krieg erklärt hatte. Und nun saß Merrill dort, inmitten seines viel zu großen Wohnzimmers auf dem ansonsten leeren Esstisch beim Kamin. Wie immer im Schneidersitz. Wie immer barfuß. Und mit einem Gesichtsausdruck, den Varric noch nie bei ihr gesehen hatte. »Ich schwöre es dir, Daisy, es ist alles wahr. Dein Dread Wolf oder Fen’harel oder Solas oder wie auch immer du ihn nennen willst, hat sich der Inquisition angeschlossen und hat regelmäßig mit einem Qunari-Spion Schach gespielt, Geschichten aus alten Ruinen erzählt und ab und an sogar eine Runde Wicked Grace mit uns gespielt.« »Warum hast du mir das nicht in einem Brief geschrieben?« Varric gluckste. »Du wärst losgezogen um ihm die Leviten zu lesen, Daisy. Das konnte ich nicht verantworten.« Merrill schüttelte den Kopf. Sie starrte ihn an. Sie legte den Kopf schief, sie schüttelte ihn erneut. »Fen’Harel mag keinen Tee«, wisperte sie und griff nach Varrics Whiskey. Er hielt sie nicht auf, als sie seinen Becher ansetzte und einen viel zu großen Schluck trank, der sie prompt zum Husten brachte. »Und er hatte eine Glatze?« Varric nickte. Er wusste, dass er diese Geschichte noch viele Male würde erzählen müssen. »Kein Tee…«, wisperte Merrill und Varric goss ihr Whiskey nach. Kapitel 9: #1 - Liebe (Hawke & The Kirkwall Crew) ------------------------------------------------- Hawke wusste, dass sie nicht allzu lange überleben würde. Sie hatte tiefe Wunden und mehrere Rippenbrüche davon getragen, als sie sich ungefragt auf den riesigen Dämon gestürzt hatte, um Alistair und Adaar die Flucht zu ermöglichen. Sie konnte es nicht so recht fassen, dass sie körperlich in der Fade war. Und hier auch sterben würde. Es war nicht so schlimm, wie sie gedacht hatte. Zugegebenermaßen, sie wäre lieber in einem epischen Kampf gegen einen Drachen draufgegangen, den möglichst viele Leute beobachteten und am Ende davon sprachen, wie Hawke mit ihrem letzten Atemzug das Biest erlegt hatte, bevor sie selbst gestorben war. Nicht, dass dies nicht eine ganz ähnliche Situation wäre. Sie war siegreich aus einem Kampf gegen ein Ungeheuer hervorgegangen, aber es war niemand hier, der es beobachtet hatte. Nicht einmal Varric, der hinterher einen aufregenden Roman daraus hätte basteln können. Hawke hätte beinahe gelacht, während sie ausblutend und mit schmerzenden Gliedern hinter irgendeiner Felsformation Zuflucht gesucht hatte. Varric würde ohne sie zurechtkommen. All ihre liebsten Menschen – und Zwerge und Elfen – würden ohne sie zurechtkommen. Sogar Merrill, die sich nicht einmal mehr verirrte, wenn sie durch Kirkwall wanderte und… Hawke seufzte. Es war nicht so übel. Einfach hier an dieser Stelle an ihre Liebsten zu denken und die Augen zu schließen. Wenn sie wirklich ausblutete und nicht irgendein widerliches Fade-Monster sie erwischte, dann würde sie vermutlich einfach einschlafen und kaum merken, dass sie starb. Was wohl passierte, wenn man körperlich in der Fade starb? Sie stellte sich vor, wie ihr Geist oder ihre Seele oder wie auch immer die Kirche es nennen mochte hier herumspukte und die Träume ihrer Freunde heimsuchte. Dumpf wurde ihr bewusst, dass Varric niemals träumte, weil er ein Zwerg war und dass sie ihn selbst als Geist nie wieder sehen würde. Hawke spürte, wie ihr warm wurde. Sie rief sie sich alle vor Augen. Isabela, laut und rüde und voller Gelächter, mit Abenteuerlust in den Augen und immer einem schlechten Witz parat. Merrill mit ihren großen Augen, die manchmal durch die physische Welt hindurch blickten, Merrill, die überall mit nackten Füßen hin spazierte, die selbst Insekten nicht tötete, die Sarkasmus nicht verstand und immer ein wenig nach Kiefernadeln und Embrium roch. Varric, ihr treuer, sarkastischer, bester Freund Varric mit den unglaublichen Geschichten, mit der riesigen Armbrust über der Schulter und immer einem frechen Spruch auf den Lippen. Varric, dem sie so viel zu verdanken hatte. Varric, der all die Jahre an ihrer Seite geblieben war, auch wenn er so oft vom Weggehen gesprochen hatte. Aveline mit ihren breiten Schultern und den empörenden Muskeln, der festen Stimme und dem flammend roten Haar. Aveline mit ihrem Lächeln, das sie sich verkneifen wollte und es doch nie schaffte, Aveline mit ihrem unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit und Ordnung. Mit der schweren Rüstung und dem Schild, hinter dem sie all ihre Freunde verbergen würde, wenn sie es könnte. Fenris mit dem grimmigen Gesichtsausdruck und den Tattoos am ganzen Körper, dem hellen Haar und dem Schwert, das in etwa genauso groß war wie er selbst. Fenris mit dem misstrauischen Blick und der tiefen Stimme und dem kaum merklichen Lächeln, das Hawke mittlerweile zu erkennen gelernt hatte. Und natürlich Bethany. Ihre kleine Schwester, das einzige Mitglied ihrer Familie, das sie nicht verloren hatte. Bethany mit ihrem leicht gehetzten Blick, mit dem riesigen Freiheitsdrang in jedem Knochen ihres Körpers. Bethany mit ihrer sanften Stimme und so viel Hilfsbereitschaft, das es beinahe schon für die Heiligsprechung durch die Kirche reichen mochte… Hawke liebte sie alle so sehr. Sie presste die Lippen aufeinander und unterdrückte ein Schluchzen, weil sie sie alle noch ein letztes Mal hatte sehen wollen. Ein letztes Mal Wicked Grace spielen, ein letztes Mal ihr Lachen hören… »Hawke!« Noch einmal ihre Stimmen hören. Wenn sie sich genug konzentrierte, konnte sie sie zwischen all dem Schwindel tatsächlich hören. Sie spürte heiße Tränen ihre Wangen hinunter laufen und fragte sich, ob Isabela aus lauter Protest über Hawkes Tod auf ihr Grab pinkeln würde. Ein Grab, das sie nicht einmal hatte. »HAWKE!« Hawke öffnete die Augen. Schemenhafte Umrisse bewegten sich auf sie zu. Wenn sie nicht so vernebelt vor Schmerz und Blutverlust gewesen wäre, hätte sie vielleicht gelacht, weil ihr ihr Gehirn zu dieser Stunde noch einen solchen Streich spielte. Magische Lichter, die ihr verräterisches Gehirn als die von Merrill und Bethany ausmachte, schwebten auf sie zu. »Aveline, kannst du sie tragen?« »Heilige Scheiße, Hawke! Wenn wir hier draußen sind, bring ich dich um!« Hawke starrte hoch in ihre Gesichter. Ein ihr sehr bekannter, sommersprossiger Jemand beugte sich zu ihr herunter und packte sie erstaunlich sanft, um sie vom Boden aufzuheben. Hawke hatte immer gewusst, dass Aveline stark war. Aber so stark… Wahrscheinlich hatte sie wegen des Blutverlusts massiv an Gewicht verloren. »Halt sie still, Aveline, ich versuche die Blutung zu stillen!« »Wenn deine Blutmagie ihr irgendwas tut, Hexe…!« »Fenris! Nicht jetzt!« »Wow, es geht doch schneller bergab mit mir, als ich dachte«, murmelte Hawke schwach. Da machte sich ein Desire-Dämon einen herrlichen Spaß mit ihr. Aber was machte das schon. Wenn sie schon im Begriff war zu sterben, dann könnte sie wenigsten… »Du stirbst nicht, Hawke. Nicht, solange ich noch atme«, sagte Aveline. Oder der Dämon, der Aveline verkörperte. Hawke erinnerte sich daran, wie Aveline diese Worte damals gerufen hatte, während sie sich schützend vor ihren Ehemann gestellt hatte. »Wisst ihr, Leute… ich liebe euch.« »Ok, wird Zeit, dass wir sie hier rauskriegen. Sie ist schon ganz matschig im Kopf«, hörte sie Varrics Stimme sagen. »Wir lieben dich auch, Schwesterchen. Halt noch ein bisschen durch, ja? Wir sind gekommen, um dich zu retten.« Hawke wollte etwas Gescheites und Witziges erwidern, aber ihr Körper beschloss in diesem Moment, dass er nicht mehr konnte und alles wurde schwarz. Kapitel 10: #16 - Mitleid (Minaeve & Tranquils) ----------------------------------------------- Minaeve hatte nicht so recht kommen sehen, was für ein Chaos die rebellischen Magier und Magierinnen letztendlich auslösen würden, als sie sich gegen die Zirkel auflehnten. Sie wusste, dass Veränderungen anstanden, aber sie hätte sich nie träumen lassen, dass so viele von ihren ehemaligen Freundinnen sich einfach davon machten und einen Großteil des Zirkels zerstörten. Es war nicht so, dass sie nicht den Reiz sah, frei zu sein. Frei, ohne dass Templer jede Minute an jedem Tag mit misstrauischen Blicken dabei zusahen, wie man Zaubersprüche übte oder wie in Minaeves Fall über Büchern brütete. Was sie ebenfalls nicht erwartet hatte, war die Tatsache, dass niemand sich um die Tranquil kümmerte. Als das Chaos ausbrach, standen sie einfach an ihren Posten, fegten den Boden, sortierten weiter Bücher ein, katalogisierten die magischen Artefakte. Einige von ihnen sahen kaum auf, als das große massive Holztor aus den Angeln gesprengt wurde und den ganzen Zirkel erzittern ließ. »Minaeva, komm schon!«, rief Cormac, einer derjenigen, mit dem sie vor einigen Wochen noch gemeinsam die Schulbank gedrückt hatte. Sie sah hinüber zu Halisma und Clarence und Elaine und… »Geh du schon vor«, sagte sie und wusste, dass Cormac sie schon längst nicht mehr hörte. Er war bereits auf dem Weg nach draußen in die Freiheit. »Halisma, Elaine! Clarence!« Minaeve kannte all ihre Namen. Sie hätte es als unhöflich empfunden, sie nicht zu wissen. Wie konnten die anderen sie nur hier zurücklassen? Minaeve hatte schon lange festgestellt, dass sie die Gesellschaft der Tranquil beinahe noch mehr schätzte, als die von anderen Menschen oder Elfen. Tranquil verurteilten sie nicht, weil sie einen Zauberspruch nicht meistern konnte. Sie waren nicht misstrauisch, sie hatten keine Vorurteile und sie redeten niemals schlecht über irgendjemanden. »Wir müssen hier verschwinden«, sagte sie. Der Zirkel bebte erneut. Minaeve straffte die Schultern. Sie würde die Tranquil nicht allein hier zurücklassen. Weiter unten hörte sie Geschrei. »Wir gehen alle anderen Tranquil einsammeln und dann gehen wir«, sagte sie zu den Dreien, die nickten und ihr mit leeren Gesichtsausdrücken folgten. Als sie alle Stockwerke abgesucht hatte und sich mit den dreiundzwanzig Tranquil auf den Weg nach unten machen wollte, tauchte eine Frau vor ihr auf. Sie trug schwere Rüstung und hatte ihr Schwert gezückt. Ihre schmalen Augen musterten Minaeve misstrauisch. Minaeve hob beschwichtigend die Hände und schob sich vor die Traube der Tranquil, die hinter ihr standen wie eine Horde unbeweglicher Statuen. »Mein Name ist Cassandra Pentaghast. Nennt euren Namen«, sagte die fremde Frau streng und Minaeve räusperte sich. »Ich bin… Minaeve. Ein Lehrling, Mylady. Das hier sind… das hier sind alle Tranquil des Zirkels. Ich wollte sie nicht in dem ganzen Chaos zurücklassen.« Lady Pentaghast musterte sie eingehend und mit durchdringendem Blick. Dann schob sie ihr Schwert zurück in die Scheide und nickte ihr zu. »Ich habe einen Vorschlag zu machen«, sagte Lady Pentaghast und Minaeve nickte unsicher. Sie folgte Cassandra die nächste Treppe hinunter und lauschte den Erklärungen über die Inquisition. Die Tranquil gingen hinter ihr her wie eine kleine Armee von Marionetten, die sich mit ihren Fäden an Minaeve geheftet hatten. »Euer Mitgefühl ehrt euch«, sagte Lady Pentaghast mit einem Blick nach hinten. Minaeve trat hinaus ins Freie und warf einen Blick zurück auf die dreiundzwanzig Leben, die sie vielleicht gerade gerettet hatte. Sie lächelte ein wenig. »Danke, Mylady.« Kapitel 11: #24 - Vertrauen (Isabela/Hawke (& Aveline)) ------------------------------------------------------- Vertrauen war etwas für Schwachköpfe. Isabela hatte sich nie damit zufrieden gegeben, anderen Leuten ihr Schicksal anzuvertrauen und dann daran zu glauben, dass sie sie retteten, nur um dann am Ende enttäuscht zu werden. Sie nahm ihr Leben selbst in die Hand und beschloss bereits während ihrer glücklosen Ehe, dass Vertrauen nichts für sie war. Sie vertraute nicht einmal sich selbst, wie sollte sie da ihr Leben in andere Hände legen? »Wie kommt’s, dass du Hawke frei rumlaufen lässt, Großes Mädchen?«, hatte Isabela eines Abend bei einem Spiel Wicked Grace gefragt, während sie aus dem Augenwinkel beobachtete, wie Hawke betrunken versuchte Erdnüsse mit dem Mund zu fangen, die Varric ihr zuwarf. Aveline hatte geschnaubt und angeekelt in ihr Glas Whiskey geschaut. Ihre braunen Augen hatten Hawke kurz bei den vergeblichen und würdelosen Fangversuchen betrachtet, dann drehte sie sich zu Isabela um, nahm einen großen Schluck Whiskey und sagte: »Ich vertraue ihr, das Richtige zu tun.« Isabela hätte gerne verächtlich gelacht, Aveline auf den Rücken gehauen und gesagt, dass sie naiv war. Aber die Tatsache war, dass Hawke immer das Richtige tat. Nicht immer das Legale – Gott sei Dank. Sonst hätte Isabela nicht mit ihr befreundet sein können. Nicht immer legal, aber immer richtig. Isabela schwieg und spürte, wie Aveline sie von der Seite beobachtete. »Vertraust du Hawke nicht?«, erkundigte sich Aveline beiläufig. Isabela erwog, Aveline ihren Whiskey über die Lederhose zu kippen, aber in diesem Moment fiel Hawke vom Stuhl, weil sie sich bei einem besonders engagierten Fangversuch zu weit zur Seite gelehnt hatte. In dem lauten Gelächter ging ihre nicht gegebene Antwort unter. Und als der Tag gekommen war, an dem Castillon nach Kirkwall kam und Isabela darüber nachdachte, wie sie damit umgehen sollte, hatte es nur eine Antwort gegeben. »Hawke, ich brauche deine Hilfe. Castillon ist in der Stadt. Ich werde bestimmt nicht warten, bis er mich kriegt, deswegen will ich ihn zuerst kriegen!« »Wir überraschen Castillon?«, hatte Hawke entgegnet und schief gegrinst. »Ich liebe Überraschungen.« Isabela wusste, dass sie verloren war. Mit Haut und Haar und Herz. Und während Velasco sie in ihrer Gewalt hatte und Isabela darauf wartete, dass der Köder zuschnappte und Hawke sie fand, zweifelte sie nicht eine Sekunde daran, dass Hawke kommen würde. Die blauen Augen und das zerstruwwelte Haar, das über der Brüstung des Warenhauses auftauchte, waren keine Überraschung. Sie hatte darauf vertraut, dass Hawke kommen und sie holen würde. Isabela seufzte innerlich und machte sich eine mentale Notiz. Sie war ein Schwachkopf. Aber solange sie ein Schwachkopf wegen Hawke war, konnte sie damit leben. Kapitel 12: #6 - Langeweile (Shale) ----------------------------------- Die Menschen, die in diesem verfluchten Dorf lebten, sahen beinahe alle gleich aus. Sie hatten weiße Haut und trugen die alle die gleiche trostlose Kleidung in denselben Farben. Ihre Gesichte sahen allesamt irgendwie stumpf aus und allein die unterschiedlichen Haarfarben machten es möglich, sie zu unterscheiden. Shale beobachtete sie. Die Sonne ging auf. Die Sonne ging unter. Die Sonne ging auf. Die Sonne ging unter. Ein paar Tauben ließen sich auf ihr nieder und brachten Shale einmal mehr dazu sich zu wünschen, nicht bis in alle Ewigkeit als Statue festgefroren auf diesem Dorfplatz stehen zu müssen. Sie würde sie alle zerquetschen, diese widerwärtigen Biester. Die Tauben kamen und flogen fort. Sie landeten auf ihrem Kopf, ihren Armen, ihren Schultern. Sie flogen fort. Irgendwann verwandelte sich sogar ihre Abscheu gegen Vögel in Apathie. Menschen kamen zu dem Platz, an dem sie stand. Zunächst waren sie noch ängstlich und hielten sich fern. Sie wisperten – wahrscheinlich, weil sie dachten, dass Shale sie nicht hören konnte – »Das ist dieser Killer-Golem. Geh lieber nicht zu nah heran!« und Kinder veranstalteten Mutproben, wer von ihnen sich am weitesten vor traute. Eine der Blagen wagte es sogar, gegen ihr Bein zu spucken. Und von dem betrunkenen Widerling, der sich gegen ihr anderes Bein erleichterte, wollte sie gar nicht erst anfangen. Sie fürchteten Shale. Sie vergaßen Shales Wut. Sie kamen zu ihrem Ort. Sie picknickten, unterhielten sich. Shale verlor ihre einschüchternde Präsenz nach einigen Monaten. Shale zählte die Tage. 523 Tage. Dann hörte sie auf zu zählen. Menschen wurden älter, heirateten, stritten sich, bekamen Kinder. Tauben landeten auf ihr. Die Sonne ging auf. Die Sonne ging unter. Es regnete. Wenn Shale nur gekonnt hätte, dann hätte sie geschlafen. Aber sie stand an diesem gottverdammten Ort, eingefroren für immer, dazu verflucht diese Menschen zu beobachten und sich von Tauben belästigen zu lassen. Vielleicht zerfiel sie irgendwann einfach zu Staub. Und es würde ein Segen sein. Kapitel 13: #18 - Verwunderung (Zevran & Brosca) ------------------------------------------------ »Die Grauen Wächter sterben hier!« Zevran erinnerte sich an ihr Gesicht. Die staubigen Wangen und die furchtlosen Augen, die ihm verrieten, dass sie schon zu viel gesehen hatten, dafür, dass sie zu einer so jungen Zwergin gehörten. Sie war sogar noch kleiner, als er es sich vorgestellt hatte. Und sie bewegte sich mit einer nicht greifbaren Gewandtheit, die Zevran erstaunte und beeindruckte und ihn denken ließ, dass sie sich bei den Krähen gut gemacht hätte. Er hatte allerdings keine Zeit, sie länger zu bewundern, dann als nächstes spürte er einen stechenden Schmerz und dann wurde es schwarz um ihn. Jemand hatte ihn erdolcht. Nicht jemand. Die Zwergin. Und es war ihr Gesicht, das er sah, als er wieder zu sich kam. Eine ältere Frau beugte sich über ihn und schien seine Wunden zu heilen. Zevran war verwirrt. Wieso lebte er noch? »Au…uh… Ich hatte eigentlich erwartet, tot aufzuwachen. Oder gar nicht aufzuwachen. Aber wie ich sehe, habt Ihr mich noch nicht umgebracht.« Sie war auf ihre eigene, rohe und recht schmutzige Art hübsch, aber ihre Augen waren definitiv zu alt für den Rest ihrer Erscheinung. Während die ältere Dame mit den beeindruckenden Brüsten sich mit magischem blauen Licht um seine Wunden kümmerte, beschloss Zevran, dass es keinen Sinn hatte, irgendetwas zu verheimlichen. Also gab er bereits vor irgendeiner gestellten Frage bereitwillig Auskunft über seinen Auftrag, die letzten Grauen Wächter von Ferelden zu töten und seinen Auftraggeber und beantwortete sogar einige Fragen über seinen Hintergrund und darüber, wie ihn die Krähen als Kind auf dem Sklavenmarkt von Antiva gekauft hatten. Er meinte, eine Regung in ihrem Gesicht zu sehen. Aber vielleicht war sie auch nur angewidert. Eine buschige Augenbraue hob sich in die Höhe. »Das heißt du bist loyal Loghain gegenüber?« Zevran lachte. Es schmerzte gewaltig. »Loyalität ist ein interessantes Konzept…wir können es gerne näher besprechen, wenn Ihr wünscht.« Sie runzelte die Stirn. Zevran vermutete, dass er mit zweideutigen Anspielungen bei ihr nicht weiter kam, also versuchte er es mit Offenheit. Vielleicht würden sie und ihre Begleiter ihn schnell umbringen. Dann hatte er es hinter sich. »Ich kann Euch ein Angebot machen. Da ich versagt habe, Euch zu töten, ist mein Leben verwirkt. Es trifft sich allerdings, dass ich gerne lebe. Und es scheint ganz so, dass Ihr jemand seid, die den Krähen einen Grund geben würde, sich von mir fern zu halten. Also, wie wäre es, wenn ich stattdessen Euch diene?« Sie musterte ihn und obwohl sie so klein war, schaffte sie es eine gewisse Größe auszustrahlen. Zevran stellte sich vor, wie sie zur Antwort auf sein Angebot einfach ihre Dolche nahm und sie ihm in die Seiten rammte. »Wieso?«, fragte sie schließlich. Zevran zuckte mit den Schultern. Dann schenkte er ihr sein charmantestes Lächeln. »Es gibt schlimmeres, als einer so talentierten und wunderschönen Kämpferin zu dienen.« Sie verengte ihre Augen zu schlitzen, dann hielt sie ihm die Hand hin und er ergriff sie. Einen Moment lang verstand er nicht, was gerade passierte. »Wenn du irgendwas Krummes versuchst, bist du tot«, sagte sie. Er überragte sie um mehr als einen Kopf, aber ihre Drohung war vollkommen legitim und ernst gemeint. Während sich ihre Begleiter über ihre Entscheidung beklagten, starrte Zevran sie verwirrt an. Sie wollte ihn mitnehmen? Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie zusagen würde. Er hatte damit gerechnet, zu sterben. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte ihn noch nie eine Person so überrumpelt wie diese kleine Zwergenfrau. »Mein Name ist Terit Brosca«, sagte sie schließlich und musterte ihn. Dann, ohne Vorwarnung, verpasste sie ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht, sodass er rückwärts taumelte und sich den Kieferknochen rieb. »Und wenn du mich noch mal anflirtest, breche ich dir die Nase.« Mit diesen Worten stapfte sie davon, ihm einfach so den Rücken zukehrend, als hätte er nicht gerade versucht, sie zu töten. Er stolperte hinter ihr her und fragte sich, was eigentlich gerade geschehen war. Kapitel 14: #2 - Hass (Tabris & Shianni) ---------------------------------------- Yaran hasste sie alle. Es war ihr egal ob es Kinder waren oder Erwachsene. Zugegeben, die Männer hasste sie am meisten. Aber ihre Frauen schwiegen, wenn die Männer sie misshandelten und das machte sie genauso schuldig. Menschen waren Abschaum. Als sie Shianni fand, – ihr Liebstes, ihre beste Freundin, ihre engste Vertraute – blutverschmiert und mit leeren und gehetzten Augen und zittrig auf dem Boden kauernd, da hätte Yaran sie gerne allesamt getötet. Sie zusammengepfercht, so wie sie es schon seit Jahrzehnten mit ihrem Volk taten. Zusammengepfercht und allesamt brennen lassen. Sie kniete sich zur ihrer Cousine auf den Boden und schlang die Arme um sie und spürte mit einem hasserfüllten Stechen in der Brust, wie Shianni zunächst vor der Berührung zurückzuckte. Sie spürte die Abscheu und die Wut davor, was sie getan hatten. Wie konnten sie es wagen, Shianni anzurühren? Irgendeinen von ihnen anzurühren? »Hast du sie… umgebracht?«, fragte Shianni wispernd und vergrub ihr Gesicht an Yarans Halsbeuge. Sie wirkte so klein und zerbrechlich, nicht mehr so laut und wild und wunderbar, wie sie es sonst immer gewesen war. Yaran ballte die Hände zu Fäusten und schwor sich, Menschen zahlen zu lassen, wann immer sie die Gelegenheit dazu haben würde. »Wie Hunde, Shianni. Wie Hunde.« Kapitel 15: #23 - Bewunderung (Bethany &/ Ella) ----------------------------------------------- Als Bethany in den Zirkel gekommen war, hatte Ella sie bereits nach drei Wimpernschlägen bewundert. Sie hatte eine seltsame Aura der Würde und gleichzeitig schauten ihre Augen voller Mitgefühl drein. Und sie trug die unmissverständliche Miene einer Magierin, die ihr Leben lang in Freiheit und in Flucht vor den Templern verbracht hatte. Ella sah sich in ihrer Vermutung bestätigt, als sie Bethany mit Knight-Captain Cullen sprechen hörte. Ihr Vater hatte sie gelehrt und er war in einem Zirkel gewesen. Bethany bestand ihre Läuterung nach nur drei Wochen im Zirkel. Ella wünschte sich den Mut herbei, um mit Bethany zu sprechen. Aber Bethany war wunderschön und hervorragend mit Magie und freundlich und hilfsbereit… »Bist du Ella?«, erkundigte sich eine ihr wohl bekannte Stimme beim Abendessen bei ihr und Ella zuckte zusammen, ehe sie sich hastig umwandte und in Bethanys Bernsteinaugen blickte. »Ja!« Bethany schien über ihre etwas zu laute und hastige Antwort ein wenig verwundert, lächelte aber freundlich. »Du würdest mir als Lehrling zugeteilt. Wir fangen morgen früh um neun Uhr in der Bibliothek an«, sagte sie. Ella musste alles an Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht nach Luft zu schnappen. »Das heißt… ich muss nicht mehr mit Mistress Amalthia lernen?«, piepste sie. Bethany nickte zustimmend. Ella atmete erleichtert aus und Bethany schmunzelte. »Ist sie so schlimm?« »Wa…? Oh, nein! Sie ist… beeindruckend. Und streng. Und ich bin nicht besonders gut mit Magie und sie hat diese Augenbraue, die einen in Grund und Boden stampft, wenn sie sie hoch hebt und…« Bethany lachte leise und legte Ella beruhigend eine Hand auf die Schulter. Ella hatte das Gefühl, sie würde jeden Augenblick rückwärts vom Stuhl fallen. »Keine Sorge. Meine Augenbrauen sind vollkommen harmlos«, versicherte Bethany ihr mit einem Zwinkern und Ella musste sich kurzfristig an der Tischkante festhalten. Bethany Hawke war ihre neue Mentorin. Bethany Hawke mit ihren Bernsteinaugen, die schon so viel von der Welt gesehen hatten und sie Zauber wirkte, als hätte sie es schon in der Wiege tadellos gekonnt. Und die so freundlich lächelte, dass hier in den bedrückenden Hallen die Sonne aufging. »Dann also morgen um neun«, hauchte sie. Bethany nickte und erhob sich. »Ich freue mich!«, sagte sie mit einem letzten Lächeln und schritt davon. Ella schluckte schwer. »Ich mich auch«, flüsterte sie, auch wenn niemand sie hören konnte. Kapitel 16: #7 - Nervosität (Lace Harding & Krem/Barris) -------------------------------------------------------- Lace Harding war geübt darin, andere Menschen und Zwerge – und mittlerweile auch Elfen und sogar Qunari – zu beobachten. Einige von ihnen waren schwieriger zu lesen als andere. Iron Bull zum Beispiel verriet selten etwas über irgendwelche Gemütsregungen, aber seine Truppe von Söldnern hatte nicht die Spionage-Fähigkeiten ihres Anführers. Da Lace viel Zeit vor der Taverne verbrachte, um in der Sonne zu sitzen und ihre Berichte für Schwester Nachtigall zu schreiben und sich mit vorbei eilenden Bewohnern und Bewohnerinnen von Skyhold zu unterhalten, hatte sie häufig einen recht guten Blick auf Iron Bull und seine Truppe. Die Tür zur Taverne stand oftmals offen, so wie auch heute. Deswegen kam Lace nicht umhin zu bemerken, dass ein Mitglied von Bulls Söldnern sich heute besonders auffällig verhielt. Vielleicht nicht unbedingt für ungeübte Augen, aber Lace hatte zu viele nervöse Menschen in ihrer Zeit als Späherin beobachtet. Kremissius Aclassi, Bulls Leutnant und rechte Hand, war für gewöhnlich die Lässigkeit in Person. Aber am heutigen Tag schien er Grund zur Anspannung zu haben. Seine Augen huschten immerzu nervös durch den Raum und zur Tür hin, er drehte seinen Bierkrug immer wieder zwischen den schlanken Fingern und ab und an ertappte Lace ihn dabei, wie er sich auf die volle Unterlippe biss. Sie fragte sich eine ganze halbe Stunde lang, was der Grund für seine Nervosität sein könnte, als sich ihr die Lösung in schwerer Rüstung und mit unsicherem Blick präsentierte. Die Lösung für Krems Nervosität hieß Delrin Barris. Ser Barris hatte seine Templar-Rüstung gegen eine schlichtere Ausführung eingetauscht. Seine dunkle Haut schimmerte in der Sonne, als er an Lace vorbeischritt und sie mit einem Nicken bedachte, bevor er schließlich die Taverne betrat und sich umsah, als wüsste er nicht so recht, wohin mit sich. Lace erkannte, dass Barris der Grund für Krems Nervosität war, daran, dass Krem, sobald er Barris entdeckt hatte, von seinem Stuhl aufsprang, als wäre er von einer Tarantel gestochen worden und Lace hörte das Gelächter seiner Söldner-Kumpanen von weiter hinten im Raum. Sie konnte nicht umhin zu schmunzeln. Man konnte es Krem schlecht verübeln, dass er aufgeregt war. Delrin Barris war ein sehr hübscher Mann und das, was sie bislang von ihm mitbekommen hatte, schien freundlich und alles in allem liebenswert zu sein. Bislang hatte er sich allerdings noch nie in die Taverne getraut. Nun schaute er sich um, dann entdeckte er Krem und schritt erleichtert auf ihn zu. Lace beobachtete interessiert, wie Krem beinahe sein Bier verschüttete, als Barris an seinem Tisch in der Ecke angekommen war. Barris zog sich einen zweiten Stuhl heran und ließ sich neben Kram nieder. Lace grinste und wandte sich ihrem Bericht zu. Es war definitiv weitaus amüsanter, andere Leute bei deren Nervosität zu beobachten, als sie selbst zu empfinden. Kapitel 17: #19 - Neugier (Dagna & Magie) ----------------------------------------- »Papa, was ist Magie?« »Das ist was für Oberweltler. Nichts für Zwerge.« »Aber was ist es denn genau?« »Wir haben nichts mit Magie zu schaffen, Dagna! Zwerge können nicht zaubern und das ist auch gut so.« Als Dagna das Wort Magie zum ersten gehört hatte, war sie sechs Jahre alt gewesen. Allerdings hatte sie es bis zu ihrem zehnten Lebensjahr nicht verstanden. Das war das Jahr gewesen, in dem sie zum ersten Mal die alten Archive und Bibliotheken hatte besuchen dürfen, weil ihr Vater keine Lust – oder vielleicht auch nicht die Möglichkeiten – gehabt hatte, Dagnas Fragen zu beantworten. »Was sind Träume?« »Was ist die Fade?« »Woher kommen Dämonen?« »Wie wirkt Lyrium?« »Was ist eine Sonnenfinsternis?« »Warum sind Menschen so viel größer als wir?« Dagna hatte immer Fragen. Jede Menge Fragen über jede Menge verschiedene Dinge. Aber am allermeisten wollte Dagna Dinge über Magie wissen. Die Tatsache, dass sie selbst als Zwergin Magie niemals würde erlernen können, störte sie nicht dabei. Sie wollte alles ganz genau wissen und hätte nur allzu gerne mit einigen Magiern oder Magierinnen aus dem Zirkel in Ferelden gesprochen, aber Menschen und Elfen und vor allem Magierinnen kamen nur selten nach Orzammar. Und wenn sie kamen, dann wollten sie ganz bestimmt nicht mit Dagna über Magie reden. Also las sie einfach alles, was ihr zwischen die Finger kam. Jedes Buch, das sie über Oberweltgeschichte und Politik finden konnte, über Magie und Lyriumabbau und die Kirche und deren Umgang mit Magie. Über magische Artefakte und berühmte Magierinnen. Aber die Archive und Bibliotheken von Orzammar waren nicht unerschöpflich und Dagna wusste, wenn sie mehr lernen und verstehen wollte, dann musste sie ihre Familie und ihre Heimat hinter sich lassen. Sie musste an die Oberfläche gelangen und dann, wenn ihre wildesten Träume – im übertragenden Sinne, denn sie konnte wie alle anderen Zwerge nicht träumen – sich erfüllen sollten, dann könnte sie den Zirkel der Magier besuchen. Und vielleicht sogar dort studieren. »Papa…? Würdest du mich noch lieb haben, wenn ich an die Oberfläche gehen würde?« »Red keinen Unsinn, Dagna. Du bist eine Zwergin von Orzammar. Wir gehen nicht an die Oberfläche.« Dagna hörte an diesem Tag auf, ihrem Vater Fragen zu stellen. Vielleicht konnten Zwerge nicht im Schlaf träumen, aber solange sie wach war, konnte sie träumen so viel sie wollte. Kapitel 18: #12 - Freude (Josephine/Adaar) ------------------------------------------ Josephine hatte ein richtiggehendes Wechselbad der Gefühle erlebt. Als sie die Nachricht erhalten hatte, dass Mistress Adaar, der Herald von Andraste, Anführerin der Inquisition und zukündtige Rettung von ganz Thedas sich aufgemacht hatte, um gegen Josephines Verlobten in einem Duell anzutreten, war sie schockiert gewesen. Entsetzt. Die Inquisition brauchte Meerad Adaar, um den Riss im Himmel zu heilen und um die Welt von Corypheus zu befreien. Sie konnte es sich nicht leisten, aus selbstsüchtigen Gründen auszuziehen und Duelle gegen Die Nobilität von Antiva auszufechten, weil es ihr nicht gefiel, dass Josephine verlobt war. Dann stellte sich die Wut ein, weil Meerad Adaar diese Entscheidung allein getroffen hatte, ohne Josephine zu informieren. Ja, Josephine wollte diesen Mann nicht heiraten. Aber es war ihre Entscheidung, ihr Leben, ihre Bürde gewesen. Ein paar gestohlene Küsse und zärtlich Umarmungen, zweisame Abende vorm Kamin und stundenlange Unterhaltungen berechtigten Mistress Adaar nicht dazu, ihr diese Entscheidung abzunehmen. Als sie schließlich in Val Royeaux eintraf und sah, dass Meerad unverletzt war, hatte sich eine Woge der Erleichterung in ihr aufgebäumt, sofort wieder gefolgt von Empörung. »Die Inquisition braucht Euch! Ich brauche Euch! Warum um Himmels Willen würdet Ihr so etwas tun?«, rief Josephine. Lord Otranto hielt immer noch den Säbel locker an der Seite und Meerad Adaar, die ansonsten immer mit einem Magierstab bewaffnet war, wirkte gleichzeitig unbeholfen und ungeheuer entschlossen, so fest hatte sich ihre Hand um den Griff des Säbels geschlungen. Trotz aller Entrüstung konnte Josephine nicht umhin, Meerad zu bewundern, wie sie inmitten all dieser orlisischen Menschen stand, ganz ohne Maske, mit ihren riesigen Hörnern, der grauen Haut, dem Feuer in den Augen und der muskulösen Gestalt, die sich unter den der leichten Rüstung deutlich abzeichnete. Josephines Herz stolperte, als ihre Augen sich trafen. »Weil ich dich liebe, Josephine!« Josephine hielt für einen Moment den Atem an und sie spürte kaum, wie ihre Hand sich auf ihren Mund legte. »Wirklich?«, hauchte sie. Mistress Adaar, Retterin der Welt und Anführerin der Inquisition hatte sich wirklich und wahrhaftig in sie verliebt? »Ja. Wirklich.« Josephines Beine hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Alles, was in ihrem Kopf stattfand, war ein heftiges Verlangen, zu Meerad zu gehen, in ihren Armen zu sein, sie zu küssen. Sie lief auf Meerad zu und Meerad streckte die Arme nach ihr aus, wirbelte sie im Kreis und küsste sie mitten auf den Mund, auf dem Marktplatz von Val Royeaux. Alles, was Josephine vorher gefühlt hatte, machte einem mächtigen Wirbelsturm aus Freude Platz, der sich aus den Tiefen ihres Inneren seinen Weg an die Oberfläche suchte und in ihrem Herzen wütete und nichts übrig ließ, außer seinem eigenen, strahlenden Sog. Ihr Magen kribbelte, ihr ganzer Körper fühlte sich an, als wäre er in Watte gehüllt. Sie hätte fliegen können, einfach vom Boden abheben und davonfliegen, so glücklich fühlte sie sich in diesem einen Moment, diesem einen Kuss und den fünf Worten »Weil ich dich liebe, Josephine!«. Kapitel 19: #9 - Hoffnungslosigkeit (Menschen in Ferelden/Orlais) ----------------------------------------------------------------- Als der Himmel explodierte, endete die Welt. Grünes, grelles Licht verschluckte das Land und aus dem Riss im Himmel fielen Dämonen, strömten in die Welt wie eine flüssige Pest aus einem Portal, das sich direkt aus der Hölle geöffnet hatte. Sie standen draußen auf den Feldern, den Straßen, vor ihren Häusern, mit ihren Familien und Freunden und Nachbarn und griffen nacheinander, als könnte der Körperkontakt mit anderen Menschen das Loch im Himmel kitten. Das Ende der Welt musste ganz nah sein. Und die einfachen Bauern und die höchsten Fürsten fühlten gleichermaßen jegliche Hoggnunf schwinden, als der Himmel das Land zu schlucken drohte. »Andraste, hab Gnade«, hörte man es flüstern. Türen und Fenster wurden geschlossen und verriegelt, nirgendwo hörte man Kinder lachen und sogar Fereldens Hunde hatten aufgehört zu bellen. Die Menschen warteten auf ihren Tod. Er würde kommen. In Form eines Dämons. Oder vielleicht würden die rebellierenden Magier oder Templer sie zuerst erwischen. Alles lag im Chaos brach und ihr Gott schwieg und schwieg und schwieg und keine Hilfe kam, egal wie lange sie beteten. Gott hatte sie allein gelassen. Der Himmel war zerrissen und es gab keine Hoffnung mehr. Kapitel 20: #11 - Hoffnung (Menschen in Orlais/Ferelden) -------------------------------------------------------- Sie flüsterten ihren Namen und falteten die Hände. Schauten himmelwärts, wo immer noch das riesige, bedrohliche Loch in der Welt prangte. Aber es spuckte keine Dämonen mehr. Sie sagten: »Lady Cassandra und Schwester Nachtigall wollen die Inquisition wieder aufbauen.« Sie sagten: »Die beiden handeln nach den Wünschen der Heiligen Justinia. Der Erbauer möge sie selig haben…« Sie sagten: »Mistress Adaar hat das Loch in der Welt geschlossen. Andraste hat sie geschickt, damit sie uns rettet und diesem Alptraum ein Ende bereitet.« Sie sagten: »Sie ist der Herald von Andraste.« Und auch wenn die Kirche es nicht wahrhaben wollten und diese Qunari-Frau verleugneten, so huschte das Flüstern doch von Mund zu Mund, von Farm zu Farm, vom Dorf in die Städte, von den Städten in die Burgen. »Sie wird uns alle retten. Sie hat das Mal von Andraste in ihrer Handfläche.« Die Welt war nicht gerettet. Alles lag immer noch im Chaos. Aber das Flüstern, das sich wie ein Lauffeuer ausbreitete bewirkte, was alle Gebete der Kirche nicht vermocht hatten: Es entzündete eine winzige Flamme der Hoffnung in den Menschen. Kapitel 21: #21 - Genugtuung (Vivienne & Adaar(/Josephine)) ----------------------------------------------------------- Es war sicherlich nicht so, dass Vivienne vorurteilslos gegen Qunari war. Oder Vashoth. Wie auch immer sich die Inquisitorin bezeichnen mochte. Aber nach einigen Wochen hatte Vivienne erkannt, dass der Ruf der wilden, unbezähmbaren, blutrünstigen Biester vollkommen übertrieben war. Sie war skeptisch gewesen, ob man Meerad Adaar als Inquisitorin verkaufen konnte und wahrlich, von orlisischer Etikette, von Mode oder auch nur anständigen Tischmanieren konnte wirklich kein Staubkörnchen zu erkennen sein. Aber Meerad Adaar hatte Anstand, Menschenkenntnis und eine ausgesprochen große Auffassungsgabe. »Meine Liebe, wir müssen Euch vor dem Ball noch etwas auf das Orlisische Spiel vorbereiten. Und wie steht es mit Euren Tanzschritten?« Meerad Adaar überragte Vivienne um mehr als einen Kopf und hatte Muskeln an stellen, an denen Vivienne sich recht sicher war, dass sie keine besaß, aber die riesige Vashoth bewegte sich mit einer seltsam rohen Form von Eleganz, mit der Vivienne sicherlich arbeiten konnte. Schließlich war sie Kaiserin Celenes persönliche Beraterin. »Ich glaube nicht, dass ich besonders gut tanzen kann«, hatte Meerad Adaar gesagt und sich peinlich berührt den Hinterkopf gekratzt. Aber Vivienne hatte nicht umhin gekonnt, ihre Entschlossenheit zu bewundern. »Aber Ihr könnt es mir doch sicherlich beibringen, Lady Vivienne?« »Meine Liebe, selbstverständlich. Ihr seid ein Rohdiamant, den ich zu schleifen gedenke.« Und wie sie geschliffen hatte. Mit Hilfe von Josephine und Leliana hatte Vivienne Mistress Adaars Training übernommen. Tanz am Morgen, Tischetikette am Vormittag. Politik und Geschichte am Nachmittag. Abends gab es allerlei nützlichen Klatsch und Tratsch von Leliana als Nachtisch serviert. Angemessene Gestik. Es wurde Kleidung angepasst. »Euer Walzer wird immer besser, meine Liebe«, sagte Vivienne zufrieden, während Meerad Adaar Vivienne herumwirbelte. Sie musste lediglich lernen, beim Tanzen nicht mehr dauernd auf ihre Füße zu starren. »Ihr tanzt wirklich wunderbar, Mistress Adaar«, sagte Josephine mit deutlich hingerissenem Unterton und die Tatsache, dass Adaar Vivienne direkt im Anschluss auf dieses Kompliment auf die Füße trat, ignorierte Vivienne. Die junge Liebe war hoffentlich etwas, was die Inquisitorin nicht von ihrer Mission abhalten würde. Vivienne ertappte Adaar beim Üben. Sie übte mit Cullen. Sie übte mit Bull. Sie übte nicht mit Josephine, was Vivienne für eine Schande hielt, da Josephine eine ausgezeichnete Tänzerin war, aber vermutlich hatte Meerad Adaar zu viel Angst, ihrer heimlichen Angebeteten ebenfalls auf die Füße zu treten. Und als der Abend des Balls kam und überall Stimmengewirr laut wurde und die Leute Beleidigungen hinter dem Rücken der Inquisitorin wisperten, da ignorierte sie es mit eisernen Miene. »Ihr schlagt Euch sehr tapfer, meine Liebe«, sagte Vivienne hinter ihrer Maske. Adaar warf ihr einen funkelnden Blick und ein kaum merkliches Lächeln zu. »Natürlich. Ich habe schließlich von der Eisernen Lady höchstpersönlich gelernt«, gab sie zurück. Vivienne schmunzelte. Und als Meerad Adaar Comtesse Florianna über die Tanzfläche wirbelte, als hätte sie seit ihrer Kindheit nichts anderes getan, als durchs Leben zu tanzen, da hatte Vivienne ein warmes und wohlwollendes Gefühl in ihrer Brust verspürt. Das Flüstern hatte sich verändert. Der Ton war von Empörung und Unglaube umgeschlagen zu Bewunderung und Anerkennung. Vivienne lächelte. Sie hatte aus einem Rohdiamanten ein Schmuckstück geschaffen. Kapitel 22: #14 - Mut (Dorian & Iron Bull & Isabela & Aveline) -------------------------------------------------------------- Ich kann ihn nicht ansehen, ich kann nicht mit ihm sprechen. Was, wenn er es noch mal versucht, was, wenn er mich zurückschleifen will. Was, wenn er mich wieder ändern will. Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht… »Hallo, Vater.« Dämonen waren Abschaum. Er hasste alles, was mehr als ein physisches Ziel war. Was, wenn sie ihn in Besitz nahmen und er durchdrehte, nicht mehr er selbst war? Er konnte sie töten, aber es kamen immer mehr, endlose Scharen, die ihn zu überwältigen drohten, die in seinem Kopf wisperten, die… »Ich bin direkt hinter dir, Boss. Lass uns ein paar Dämonenärsche versohlen.« Castillon würde kommen und sie holen. Er würde sie foltern und seine Männer an sie heran lassen und dann würde er sie entweder sofort umbringen, oder sie solange einsperren, bis sie verhungerte und verrottete, sie würde nie wieder die Seeluft riechen… Sie musste ihm das Relikt bringen, sie musste fliehen, sie musste Hawke zurück lassen, sie konnte nicht… »Schau mal, wer hier ist! Bist du wieder unterwegs, um die Welt zu retten? Keine Sorge, diesmal mach ich das, Hawke.« Wesley konnte nicht sterben. Er konnte sie nicht in dieser gottverdammten Welt allein lassen und sie konnte erst recht nicht diejenige sein, die ihm den letzten Stoß verpasste. Aber seine Augen färbten sich schon grau und sein röchelnder Atem fraß sich in ihre Seele und schien ihr das Herz herauszureißen… »Sei stark, Liebste.« Und sie stieß zu. Kapitel 23: #25 - Misstrauen (Bethany & Fenris) ----------------------------------------------- Bethany wusste, dass Fenris ihr nicht traute. Er gab sich keinerlei Mühe zu verstecken, aber gelegentlich musste sie einen Moment innehalten, um zu bedauern, wie sehr Magier sein Leben zur Hölle gemacht haben mussten. Er wandte ihr niemals den Rücken zu, selbst im Kampf bemerkte sie zwischen blitzenden Zaubern, die sie auf ihre Gegner schleuderte, wie er um sie herum tänzelte, immer einen gewissen Abstand haltend, als würde er erwarten, dass der nächste Zauber ihn treffen würde, wenn er nicht achtgab. Er saß niemals neben ihr, wenn sie gemeinsam im Gehängten Mann saßen. Seine Augen schienen alle paar Sekunden zu ihr zurückzukehren. Es war nicht einmal so, dass er sie feindselig anstarrte – es schien mehr ein Instinkt zu sein, erlernt von jahrelanger Erfahrung im Umgang mit seinen Peinigern in Tevinter. Fenris bildete immer den Schluss, wenn sie sich durch enge Höhlengänge schoben, er schloss nicht wie Varric ab und an die Augen, wenn sie gemeinsam an einem Tisch saßen und Whiskey tranken. Er entspannte sich niemals. Er legte niemals seine Rüstung ab. Bethany trat zu ihm, als sie eines Abends nach einem besonders anstrengenden Kampf im Gehängten Mann hockten, weg vom gewöhnlichen Getümmel der Kneipe, oben in Varrics Zimmer. Varric hatte ihnen einen etwas weniger scheußlichen Whiskey bestellt und Bethany hatte es geschafft, einen Platz neben Fenris zu ergattern. Er hatte nicht widersprochen, aber er lehnte im Stuhl zur Seite, weg von ihr, während er sich mit ihrer Schwester über irgendetwas unterhielt. Bethany wusste, dass es nichts Persönliches war. Er behandelte Merrill und vor allem Anders genauso – und wenn Bethany ehrlich war, mistraute sie besonders Anders ebenfalls. Jemand, der plötzlich zu einem Berserker mutierte und auch Unschuldige angriff, war niemand, dem sie den Rücken zukehren wollte. Sie stupste behutsam seine Schulter an, nachdem er das Gespräch mit ihrer Schwester beendet hatte. Jeder Muskel in seinem Körper schien sich anzuspannen, als er sich zu ihr umdrehte. Sie schob ihm ein Glas Whiskey hinüber und beobachtete, wie er es einen Augenblick lang musterte, ehe seine Augen wieder Bethanys Gesicht fanden. »Es tut mir wirklich leid, weißt du«, murmelte sie leise. Isabelas lautstarkes Gelächter über einen von Varrics dreckigen Witzen gab ihr Deckung. Fenris‘ Augenbrauen zogen sich zusammen, als er sie musterte. »Was?«, gab er zurück. Forsch, wie fast immer. Bethany lächelte traurig und zuckte mit den Schultern. »Alles«, entgegnete sie. Seine Augen weiteten sich einen Moment lang, dann griff er nach dem Whiskey und starrte hinein. Bethany konnte sich vorstellen, dass er darüber nachdachte, ob er Whiskey von ihr annehmen sollte. Es musste schrecklich sein, sein Leben in solchem Misstrauen zu verbringen. Ein kleines bisschen konnte sie es nachvollziehen. Sie waren gewissermaßen beide Gejagte. »Danke«, murmelte er dann kaum hörbar und nahm einen Schluck Whiskey. Bethany lächelte und wandte sich ab, Fenris‘ wachsame Augen im Nacken spürend. Kapitel 24: #13 - Angst/Panik (everyone) ---------------------------------------- Der Erbauer hatte sie verlassen. Marjolaine hatte sie gefunden. Sie verlor sich selbst und als sie in den Spiegel schaute, sah sie Marjorlaines Gesicht zurückblicken. Sie lag auf ihrem Sterbebett, unfähig sich zu bewegen, während draußen die Welt unterging. Alle, die er liebte, starben und verließen ihn. Er hatte niemanden. Die Krähen holten ihn ein. Er schlief in seinem Zelt, mit seinem Grauen Wächter an der Seite und er sah die Dolche im Dunkeln nicht. Sie war zerbrechlich und weich und verletzlich inmitten einer harten Welt. Sein Schwert war zerbrochen und er würde nie wieder nach Hause zurückkehren. Ihre Mutter stand vor ihr und sie spürte, dass ihr Geist nicht mehr ihr eigener war, sie schrumpfte und schrumpfte und dann war sie nicht mehr sie selbst und das Gesicht ihres Sohnes verschwand aus ihren Erinnerungen. Sie war gefangen an diesem Ort, sie würde nie mehr die See sehen, nie wieder frei sein. Sie würde in Ketten sterben. Sein alter Meister würde ihn finden und ihn zurückbringen, er würde wieder ein Sklave ein, bis ans Ende seiner Tage. Die Geschichte ihres Volkes verschwand im Dunkel des Vergessens, weil sie niemals in der Lage gewesen war, das Rätsel zu lösen. Sie war zu schwach um die zu beschützen, die sie liebte. Alle ihre Liebsten waren tot und sie blieb allein zurück in einer chaotischen Welt, die ihr niemals etwas Gutes gewollt hatte. Die Templer hatten sie gefunden, sie würde im Zirkel eingesperrt sein, nie wieder frei sein, nie wieder mit ihrer Familie zusammen sein. Er klammerte sich an alte Traditionen und einen Titel, er war zurück in Orzammar, wie es sich für einen Zwerg gehört, er war jetzt wie seine Eltern. Sie konnte nichts tun. Sie war hilflos im Angesicht der Zahnräder der Welt, die sich um sie herum drehten. Er wusste nicht mehr, wer er war, wo er war, was er hier wollte, seine Gedanken drehten sich in wirren Kreisen, er war wahnsinnig, wahnsinnig, wahnsinnig. Wie kaltes Wasser umklammerte ihn die Verzweiflung und lähmte ihn. Die Welt war nicht mehr schön und er konnte niemandem helfen, nur noch verzweifeln. Der Dämon lächelte ihm zu und dieses Lächeln war alles, was er je gewollt hatte. Wenn er nachgeben würde, dann wäre er glücklich. Er spürte, wie das Leben aus ihm sickerte wie Blut aus einer Wunde. Er lag hier, ganz allein, am Ende der Welt und starb. Sie war irrelevant. Niemand kannte ihren Namen oder wusste, was sie erreicht hatte. Sie war nichts. Er musste es nehmen, er brauchte es, er konnte nicht ohne es leben, er musstemusstemusste… Ihre Familie würde untergehen, weil sie versagt hatte. Sie hatte den Anforderungen nicht gerecht werden können, sie war eine Versagerin. Kapitel 25: #3 - Neid (Vivienne & Morrigan) ------------------------------------------- Sie hatte ihr Leben lang hart gearbeitet, um die Position und das Prestige zu erlangen, dass sie heute besaß. Sie hatte sich im Zirkel hochgearbeitet, hatte unermüdlich trainiert, gelächelt, gelernt. Sie war so weit gekommen und nun wurde sie weggeworfen wie ein Stück Abfall. Und wofür? Für eine Abtrünnige, die ihr Leben in der Wildnis verbracht hatte, keinerlei Manieren hatte und sich niemals in den Rängen der Zirkel einen Namen gemacht hatte. Morrigan war ein Niemand, eine Hochstaplerin, und sie hatte Viviennes Platz an der Seite der Kaiserin gestohlen. Ein Platz, für den Vivienne ihr Leben lang gekämpft hatte. Morrigan war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte die Kaiserin bezirzt und mit ihrem magischen Wissen beeindruckt. Als wüsste Vivienne nicht genauso viel und mehr über Magie. Als hätte sie nicht in der Enge des Zirkels gelebt und trotzdem gestrahlt wie ein Edelstein inmitten eines Bergs Kohle. Morrigan verdiente diesen Posten nicht. Er stand Vivienne zu. Vivienne allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)