Ein warmes Herz von CharleyQueens (soft!Ahiru/Fakir) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war kalt. Ahiru fror unter ihrem Federkleid und vergrub ihren Kopf tiefer unter ihren Flügeln, um es wenigstens etwas wärmer zu haben. Es brachte nicht viel und wie so oft wünschte sie sich in ihr warmes Bett, in dem sie geschlafen hatte, als sie noch ein Mensch gewesen war. Ein Mensch… Die kleine Ente dachte traurig an die Zeit zurück. Immer noch kam ihr die Suche nach Mythos‘ Herz und der Kampf gegen den Monsterraben so vor, als wäre es gerade erst gestern geschehen. Dabei waren diese Erlebnisse schon fast zwei Jahre her. Ahiru war wieder eine Ente. Eine Ente, die gerade ziemlich fror. Es war der Winter, in dem sie es am meisten bedauerte, kein Mensch mehr zu sein. Als solcher hatte man es einfach viel praktischer. Wäre sie ein Mensch, würde sie sich jetzt am warmen Kaminfeuer aufwärmen können. Doch als Ente blieb ihr nur, irgendwie die Nacht zu überstehen. Wenn sie das denn überhaupt schaffte. Ahiru war überzeugt, dass die Nächte mit jedem Mal kühler und der Schneefall stärker wurde. Und heute toste auch noch ein Schneesturm dort draußen. Sie war froh, dass sie wenigstens einen kleinen Unterschlupf – einen verlassenen Fuchsbau gefunden hatte, doch so wirklich warm war es hier nicht. Sie fror schrecklich. Die Schneedecke bedeckte schon fast alles um den See herum und es wurde immer schwerer, Essen zu finden. Auch heute hatte sie kaum etwas zu Essen gefunden. Ihr Magen knurrte laut und deutlich. Die kleine Ente war am Verhungern. Wenn sie nicht bald etwas zu essen bekam, wenn ihr nicht bald wärmer werden würde… Ahiru wollte nicht daran denken, was dann mit ihr geschehen würde. „Fakir, wo bist du nur?“, fragte sie mit schwacher Stimme, die eigentlich nur ein Quaken war. Ihr bester Menschenfreund war schon fast zwei Tage nicht mehr vorbeigekommen. Ob er krank war? Oder hatte er sie ganz einfach vergessen? Dieser Gedanke fühlte sich schrecklich an und ein Schauern ergriff das kleine Tier. Vielleicht mochte er sie nicht mehr. Sie war doch nur eine kleine Ente. Früher war sie von Nutzen gewesen, aber jetzt war sie ein Niemand. Nein, nein, nein! Ahiru schüttelte ihren Kopf. So etwas durfte sie nicht denken. Bestimmt konnte Fakir nur wegen dem Schneesturm nicht zu ihr kommen. Wenn dieses schlechte Wetter vorbei war, würde er bestimmt wiederkommen. Dann würde er etwas zu essen dabeihaben und sie in seinen Händen wärmen. Alles würde dann gut werden, da war sich Ahiru sicher. Sie musste einfach nur warten. Ahiru schob ihren Kopf unter den Flügel und schloss die Augen. Fakir würde bestimmt bald kommen…   Der nächste Morgen brach an. Ahiru kam aus ihrem Unterschlupf hervor und blinzelte, um ihre Augen an das helle Sonnenlicht zu gewöhnen. Der Sturm hatte sich gelegt und nun war die ganze Landschaft mit noch mehr Schnee als gestern bedeckt. Ihr See war zugefroren. Bestimmt würde es nicht lange dauern, bis die ersten Kinder zum Schlittschuhlaufen ankommen würden. Möglicherweise würden auch Schüler der Gold Crown Academy vorbeischauen. Der Gedanke an ihre Freundinnen Pike und Lilie ließ sie lächeln. Sie hatte die beiden Mädchen zwar lange nicht mehr gesehen und doch sah sie sie noch immer als ihre besten Freundinnen an. Und auch all die anderen Schüler der Akademie wollte sie wiedersehen. Selbst Neko-Sensei. Ahiru dachte an all die Menschen, die sie kennen gelernt hatte. Ob sie sich noch an sie erinnern konnten? Sie hatte nie in Erfahrung bringen können, ob sich die Menschen noch an sie erinnern konnten. Fakir tat es, und auch Rue und Mythos. Aber sie waren auch Teil der Geschichte gewesen. Die Hauptpersonen, wenn man es so nennen wollte. Ahiru war dankbar dafür, dass wenigstens diese drei sie nicht vergessen hatten. Sie sah sich um. Heute schien ein guter Tag zu werden. Fakir würde bestimmt bald auftauchen. Sie musste einfach nur warten. Warten… Warten… … warten… Warten…   Als die ersten Sterne am Himmelszelt aufblinkten, entschied Ahiru, dass sie selbst nach Fakir suchen gehen würde. Es musste irgendetwas mit ihm geschehen sein. Heute war keine einzige Schneeflocke vom Himmel gefallen. Ihm musste also etwas passiert sein, das fühlte die kleine Ente einfach. Er war immer gekommen, jeden Tag. Selbst bei Regen war er aufgetaucht. Es musste also etwas passiert sein. Vielleicht war er krank geworden. Ahiru musste nachsehen. Sie würde nicht eher wieder ruhig schlafen können, bis sie wusste, was mit Fakir los war. Ihre Füße froren schon bald, während sie durch den Schnee watschelte. Obwohl sie so lange Zeit nicht mehr den See verlassen hatte, wusste sie noch immer in welcher Richtung das Dorf lag. Jedenfalls, so ungefähr. Eigentlich ging sie nur in die Richtung, in die Fakir immer verschwand. Hinein in den Wald. Sie war sich sicher, dass sie sich an den Weg erinnern würde, wenn sie erst einmal da war. Doch als sie die ersten Bäume des Waldes passiert hatte, musste Ahiru feststellen, dass sie keine Ahnung mehr hatte, welchen Weg sie einschlagen sollte. Ihr natürlicher Orientierungssinn war nicht mehr das, was er einst war. Zu lange hatte sie als Mensch gelebt. Als Mensch hatte sie diesen Sinn nicht anwenden müssen. Und jetzt schien sie ihn vergessen zu haben. Sie schüttelte energisch den Kopf. Erinnere dich, du dumme Ente, schalt sie sich selbst. So schwer konnte das ja schließlich nicht sein. Sie sah sich um und versuchte, sich an irgendetwas zu erinnern. Was ihr schwerer fiel als gedacht, denn jeder Baum sah so aus wie der andere. „Ahiru!“ Die Ente erschrak, als der Klang ihres Namens an ihr Ohr drang. „Wer ist da?“, quakte sie und hüpfte aufgeregt hin und her. Sie kannte den Klang dieser Stimme, hatte sie ihn doch oft genug ihren Namen rufen hören, wenn er sie am See besucht hatte. „Fakir.“ Wo war er nur? Suchend sah sie sich um. Wenn sie noch einmal seine Stimme hören könnte, würde sie ihn besser ordnen können. „Ahiru…“ Da war sie wieder. Sie kam aus östlicher Richtung und Ahiru watschelte auf den großen Baum zu. Ein drittes Mal erklang seine Stimme und sie folgte dem Ruf mit schnellen Schritten. Wie wunderschön diese Stimme doch klang. Neuer Mut durchfloss die kleine Ente und sie watschelte noch schneller. „Ahiru.“ Der Klang ihres Namens fühlte sich an, als würde sie an einem warmen Lagerfeuer sitzen. Sie musste einfach nur weiter der Stimme folgen. Und dann würde sie irgendwann zu Fakir finden. Die Ente lächelte glücklich. Sie wusste doch, dass alles wieder gut werden würde. Er hatte sich auf den Weg gemacht, um sie zu besuchen. Er würde ihr erklären, weshalb er den ganzen Tag über keine Zeit gefunden hatte, um sie aufzusuchen. Und dann würde er sie wärmen. Vielleicht würde er auch etwas zu essen dabeihaben, dachte sie bei sich, als sich ihr knurrender Magen wieder zu Worte meldete. Doch ihr Hunger war ihr geringstes Problem. Jetzt galt es erst einmal, Fakir zu finden. Er würde merken, wie hungrig sie war. Und als Mensch konnte er bestimmt schneller und besser Nahrung für sie finden. Ahiru musste ihn nur finden. Ihn, diesen Menschen, der ihr alles bedeutete. Als sie ihn kennengelernt hatte, hätte sie niemals gedacht, dass er und sie einmal Freunde werden würden. Er hatte Princess Tutu – ihr Alter Ego – nicht ausstehen können, dachte er damals noch, sie würde Mythos nur schaden, anstatt ihm zu helfen. Erst als er herausgefunden hatte, dass hinter der eleganten Ballerina Tutu das tollpatschige Mädchen Ahiru steckte, die eigentlich nur eine kleine Ente war, hatte er allmählich begonnen, sich mit ihr anzufreunden. Und nun war er es, der jeden Tag zu ihr an den See kam und dort schrieb. Und am Abend las er ihr seine Geschichten vor. Es war ein wundervolles Ritual und Ahiru liebte diese Stunden in ihrem Leben. Sie war glücklich, wenn er bei ihr war. Er war ihr so sehr ans Herz gewachsen. Und jetzt musste sie ihn finden. Seine Stimme klang flehend und hilfesuchend. Seine Stimme trieb sie weiter. Immer weiter weg vom See folgte sie dem Klang der Stimme, die immer wieder in der Dunkelheit erklang. Wie ein Licht in der Finsternis. „Fakir“, flüsterte sie quakend seinen Namen. Wo war er nur? Sie musste ihn finden. Die kleine Ente kam auf eine Lichtung. Der Mond schien hell an dem dunklen Firmament und beleuchtete die Schneelandschaft. Sie ließ ihren Blick über die Lichtung schweifen. Alles war weiß … nein, Moment mal! Dort war ein dunkler Fleck zu erkennen. Ahiru eilte auf diesen Fleck zu. Sie hatte Recht behalten, es war wirklich Fakir. Sein schwarzes Haar lag ihm wirr im Gesicht. Sie stupste ihn vorsichtig mit ihrem Schnabel an, doch er rührte sich nicht. Sein Körper war mit Schnee bedeckt und eilig sprang die kleine Ente auf ihn und schlug den Schnee mit ihren Flügeln weg. „Fakir, du musst aufwachen“, quakte sie flehend. Sein Gesicht war ganz blass und seine Lippen waren blau angelaufen. In seinen Händen hielt er einen Brotlaib umklammert. Er musste auf dem Weg zu ihr irgendwie das Bewusstsein verloren haben. Hoffentlich lag er noch nicht so lange dort. „Bitte, wach auf“, flehte sie ihn an. Wenn er nicht aufwachte, würde er hier erfrieren. Und wer wusste schon, wie lange es dauern würde, bis jemand ihn hier fand. Sie musste ihn wecken. Laut quakte sie ihn an, schlug ihm mit ihren Flügeln ins Gesicht und biss ihm kräftig in die Nase. Doch all das nützte nichts. „Fakir…“ Tränen rannen über ihren kleinen Entenkopf. Er durfte nicht sterben. Er bedeutete ihr doch alles. Wer sollte ihr denn dann Geschichten erzählen, wenn er nicht mehr war? Wer sollte bei ihr sitzen? Ahiru schluchzte und blickte gen Himmel. Die Sterne funkelten und sie erinnerte sich daran, was Fakir ihr einmal über die Sternenbilder erzählt hatte. Sie hatte sich nicht viel davon erzählt gemerkt, nur das Bild des Schwans war ihr in Erinnerung geblieben. Und nun glaubte sie, dieses Bild am Firmament erblicken zu können. Wenn sie ein Mensch sein könnte, würde sie ihm helfen können. Wenn sie ein Mensch wäre, würde sie ihn wärmen können. Wenn sie ein Mensch wäre… „Wenigstens ein letztes Mal“, flehte sie das Sternbild an. „Lass nicht zu, dass er einfach so stirbt. Er ist alles, was mich glücklich macht. Ich will ihn retten. Bitte.“ Doch die Sterne funkelten einfach nur, als würde es sie nichts angehen. Weinend presste sie ihren Kopf ganz eng an Fakirs Gesicht. Es brachte nichts, das war ihr klar, und doch wollte sie wenigstens etwas tun. Seine Haare kitzelten ihre Nase und so hob sie ihre Hand, um sie wegzuschieben. Ahiru stutzte. Erschrocken blickte sie an sich herab. Tanzende, kleine Lichter umgaben ihren Körper. Sie tanzten um sie herum und hüllten sie in ein warmes Licht. Erstaunt blickte sie wieder nach oben und stellte fest, dass ein Lichterregen auf sie herabfiel. Lichter bedeckten ihren Körper. Ihren Menschenkörper. Fasziniert betrachtete sie ihre Finger, bewegte einen nach dem anderen, wackelte mit ihren Zehen. So lange war sie kein Mensch mehr gewesen. Es war ungewohnt, und doch wunderschön. Dass sie nackt war, störte sie dabei gar nicht. Vorsichtig strich sie Fakirs Haar aus seinem Gesicht und legte sich zu ihm. Eng kuschelte sie sich an ihn mit einem einzigen Gedanken. Ihn zu wärmen. Ihn zu retten. Egal, was mit ihr geschah.   ~*~   Das Sonnenlicht blendete ihn und er öffnete verschlafen die Augen. Blinzelnd sah er sich um und versuchte sich an das zu erinnern, was geschehen war. Nach und nach kam die Erinnerung zurück. Er hatte sich im Schneesturm auf den Weg gemacht um Ahiru zu suchen und sie mitzunehmen. Dieses Wetter war nichts für eine kleine Ente, die das Ganze nicht überstehen konnte. Doch dann hatte er sich verlaufen und war irgendwann vor Erschöpfung zusammengebrochen. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Langsam richtete er sich auf, als er das kleine Tier neben sich bemerkte. Und er wusste augenblicklich, wer dort neben ihm lag. Vorsichtig hob er die kleine Ente hoch. Sie war eiskalt und an ihren Federn klebten Eiskristalle. Zärtlich strich er ihr durch ihr Federkleid. „Fröhliche Weihnachten, Ahiru“, flüsterte er und drückte ihr sanft einen Kuss auf die Stirn. „Tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)